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Versöhnung und Verzicht: die späten Gedichte

Die andere Stimme des Lyrikers Oscar Walter Cisek

IV. Versöhnung und Verzicht: die späten Gedichte

Oscar Walter Cisek hegte nach der Echolosigkeit seines Gedichtbandes, wie ein zuverlässiger Wegbegleiter berichtet, „unbegründeten Zweifel an seinem Vermögen, seiner Berufung zur lyrischen Aussage [...] – ein Zweifel [...], der [...] schließlich zu einer jahrelangen völligen Abkehr von lyrischer Betätigung“50 führte. Die wenigen, nach dem Zweiten Weltkrieg entstande-nen Gedichte sind zwar weniger traumverloren und pantheistisch ent-grenzt, doch dokumentieren sie keine wesentlich abgewandelte Handschrift.

Metaphernreicher Diskurs, festliche Syntax, das Pathos der Sinnsuche cha-rakterisieren die Textur der Verse. Häufig aufgerufene Gestalten und Bildsyntagmen der Anderen Stimme spielen in das Spätwerk hinüber.

In mehreren Texten wird nun das lyrische Ich als reflektierende

‚Mittelpunktsfigur’ deutlicher fassbar, das Lebensgefühl eines Alternden dringt in die Gedichte ein. Bildselektion und Bildverschränkung vermei-den weiterhin Referenzen auf Zeitgeschichtliches oder, genauer gesagt, sublimieren dieses zur Existenzmeditation. Während sein langjähriger Freund, der Bukowiner Dichter Alfred Margul-Sperber, in Lobgesängen die Volksrepublik Rumänien feierte und nach Ciseks Entlassung aus dem Gefängnis als wohlbesoldeter Staatsdichter die Möglichkeit hatte, ihn finanziell großzügig zu unterstützen51, schrieb dieser locker gefügte Oden

Interdiskursive Verdichtungen.

An den Schlaf und An den Schmerz. Ebenso wie Sperber hat Cisek die west-europäische Nachkriegsmoderne, die Wandlungen des Lyrikbegriffs unter veränderten Verhältnissen ignoriert, aber, zumindest in seinen Gedichten, den Kotau vor den kommunistischen Machthabern verweigert.

Die späten Verse, teils langzeilig ausschwingend, teils liedhaft kompo-niert, bewegen sich auf ästhetisch ausgebauten lyrischen Strecken, deren Wegweiser Hans Carossa, Peter Gan, Oda Schaefer heißen. Auf erprobte metrische Strukturen und Reimbindungen wird dabei zurückgegriffen. Die Gedanken gehen nach innen, überfliegen Gelebtes, vermessen die schwin-dende Dauer im Hiersein und steigen als poetisch durchgestaltetes Resümee in den Ausdrucksbereich hoch. Der von Schreibpausen unterbro-chene Weg des Lyrikers Cisek mündet in einen Traditionalismus von kunstvoll-stilisierter Schlichtheit. Am schönsten sind die elegischen Selb-stauskünfte, in denen sich – wie in Margul-Sperbers Todesgedichten – Schatten- und Lichtseiten, Verzicht und Versöhnung unlösbar verketten:

Späte Stunde

Zeit in einem Augenaufschlag, Scheue Gnadenfirst;

Duft im Abend, Duft im Weine, Der mein Lächeln leise küsst.

Alles war einst Tag. Der Cherub Weckt kaum mehr den dunklen Rausch;

Keine Gotteshand setzt mit ein Herz ein, Ach, ein leichtes; keine mag den Tausch.

Alles war einst leicht. Die Engel Gingen bei uns aus und ein;

Nun gewährt die Gnadenfrist mir Scheu der kleine Kerzenschein.52

Peter Motzan Anmerkungen

1 Siehe Motzan, Peter: Ein Einzelgänger: Der Lyriker Oscar Walter Cisek. In:

Ders.: Lesezeichen. Aufsätze und Buchkritiken. Cluj-Napoca: Dacia, 1986, S. 7–29.

Auf diesen Aufsatz greift die vorliegende Untersuchung streckenweise zurück.

2 Vgl. Cisek, Oscar Walter: Sufletul românesc în artă şi literatură [Die rumänische Seele in Kunst und Literatur]. Eine Anthologie besorgt und kommentiert von Al. Oprea. Cluj-Napoca: Dacia, 1974 [Essays zur Literatur und bildenden Kunst – Anm. P. M.]; Nubert, Roxana: Oscar Walter Cisek als Mittler zwischen deut-scher und rumänideut-scher Kultur. Regensburg: Roderer, 1994; Motzan, Peter:

Brücke über Wissenslücke? Oscar Walter Cisek und die Zeitschrift Kulturnachrichten aus Rumänien (Bukarest, 1925–1926, 1928). In: Deutschsprachige Öffentlichkeit und Presse in Mittelost- und Südosteuropa (1848–1948). Hg. von Andrei Corbea-Hoişie, Ion Lihaciu, Alexander Rubel. Iaşi: Editura Universităţii „AL. I. CUZA“ Iaşi – Konstanz: Hartung-Gorre Verlag, 2008, S. 291–312.

3 Vgl. Motzan, Peter: Hunger des Magens, Sehnsucht des Herzens, Macht des Sexualtriebs.

Versuch über den Erzähler Oscar Walter Cisek (1897–1966) in diesem Band.

4 Mecklenburg Norbert: Rettung des Besonderen. Zur Analyse und Kritik deutschsprachiger Minderheitenliteratur. In: Ders.: Die grünen Inseln. Zur Kritik des literarischen Heimatkomplexes. München: Iudicium, 1986, S. 265–289, hier S.

278.

5 Im Verlag Wolfgang Jess, der sich gegen eine Veröffentlichung der „Blut-und-Boden“-Literatur sperrte und dessen Belletristik-Produktion nach 1933 stark zurückging, erschienen u. a. Bücher von Günter Eich, Elisabeth Langgässer, Martin Raschke, Paul Zech sowie zwischen 1929 und 1932 die von Artur Kuhnert und Martin Raschke herausgegebene Literaturzeitschrift Die Kolonne, deren Schwerpunkt die Naturlyrik einer jungen Generation bildete und zu deren Mitarbeitern Günter Eich, Hermann Kassack, Elisabeth Langgässer, Theodor Kramer, Horst Lange und Georg von der Vring zählten.

6 „Es ist die Stimme Hölderlins und Trakls. Stofflich, sprachlich und gehaltlich stehen Ciseks Schöpfungen hoch über dem Gewöhnlichen [...]. Hindurchgezwängt durch die Pforten der Läuterung ist das warme, pulsende Blut aus ihnen abge-flossen. Dafür ist den Gedichten herbe Süße, brennendes Feuer, spiegelnde Glätte geworden.“ – Karl Kurt Klein: Heimische Lyriker. In: Klingsor 11(1934), H. 6, S. 245.

7 Herz der Heimat. Gedichte. Hg. von der Deutschen Buchgilde in Rumänien. Die Auswahl besorgten Herman Roth und Harald Krasser. Hermannstadt 1935.

Interdiskursive Verdichtungen.

8 Perels, Christoph: Vorbemerkung. In: Lyrik verlegen in dunkler Zeit. Aus Heinrich Ellermanns Reihe „Das Gedicht. Blätter für die Dichtung“ 1933 bis 1944. Gedichte von vierzig Autoren. Ausgewählt und eingeleitet von Christoph Perels. Mit einem Gesamtverzeichnis der Jahrgänge 1–10. München: Edition Spangenberg im Ellermann Verlag, 1984, S. 7.

9 Cisek, Oscar Walter: Am neuen Ufer. Begleitwort von Alfred Kittner. Bukarest:

Staatsverlag, 1956.

10 Nubert [Anm. 2], S. 227–229.

11 Kittner [Anm. 9], S. 26.

12 Axmann, Elisabeth: Bildhafte Welt. Zu Oscar Walter Ciseks siebzigstem Geburtstag. Neuer Weg, 2. Dezember 1967.

13 Markel, Michael: Oscar Walter Cisek: „Das Opfer“. In: Interpretationen deut-scher und rumäniendeutdeut-scher Lyrik. Hg. von Brigitte Tontsch. Klausenburg:

Kriterion 1971, S. 291–295, hier S. 292.

14 Cisek, Oscar Walter: Gedichte. Eine Auswahl. Mit einem Nachwort von Alfred Kittner [Band I]; Im Verweilen von Goethes Gedichtmaske. Ein Essay [Band II]. Bukarest: Kriterion, 1972.

15 Bei der Datierung der Jugendgedichte in diesem Band handelt es sich offensicht-lich um einen Druckfehler. Anno 1909 war Cisek erst zwölf Jahre alt, seine ersten Gedichte erschienen im Jahr 1919.

16 Schneider, Eduard: Wanderer mit Kartäusernelke hinterm Ohr. Die Entdeckung eines anderen Cisek, Neue Banater Zeitung, 9. März 1973; Motzan, Peter: Ein großer Unbekannter. Bemerkungen zur Lyrik Oscar Walter Ciseks, Neuer Weg, 1. Juni 1972; Ders.: Poetul Oscar Walter Cisek [Der Lyriker Oscar Walter Cisek]. In: Steaua [Der Stern] 24(1973), H. 18, S. 14–15; Reichrath, Emmerich: Worte wie süßes Brot. Zu Oscar Walter Cisek: „Gedichte“ und „Im Verweilen vor Goethes Gesichtsmaske“. In: Neue Literatur 24(1973), H. 2, S.

100–104.

17 Die Bücher des Jahres 1973, Die Woche, 4. Januar 1974.

18 Motzan [Anm. 16].

19 Vgl. Cisek, Oscar Walter: Bibliografie. In: Ders.: Das entfallene Gesicht.

Erzählungen. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Peter Motzan. München:

Südostdeutsches Kulturwerk, 2002, S. 378–381.

20 Mit Ausnahme des Ostdeutschen Lesebuches II. Deutsche Dichtung der Jahrhundertmitte vom Baltikum bis zum Banat. Auswahl, Einführungen und Nachwort von Ernst-Edmund Keil. Vorwort von Prof. Dr. Helmut Motekat. Bonn: Kulturstiftung d.

Dt. Vertriebenen, 1984, in das zwei seiner frühen Gedichte (Kronstädter Frühling

Peter Motzan

und Rumänischer Oktober, S. 280) aufgenommen wurden, ist Cisek in keiner im deutschen Sprachraum nach Ende des Zweiten Weltkriegs erschienenen Lyrikanthologie vertreten.

21 Oscar Walter Cisek: Nächte. In: Ostland 1(1919), H. 4, S. 184

22 Vgl Hellermann, Dietmar: Dichtung im „Ostland“. In: Transsylvanica I. Studien zur deutschen Literatur aus Siebenbürgen. Hg. von Michael Markel. Klausenburg:

Dacia-Verlag, 1971, S. 155–198.

23 Csaki, Richard: Unsere neue Literaturbewegung. In: Ostland 3(1921), H. 14, S.

417–420, hier S. 420.

24 Cisek, Oscar Walter: Verheißung. In: Frühling 1(1920), H. 1, S. 21.

25 Ders.: Grüße. In: Ostland 2(1920), H. 6, S. 253.

26 Ders.: Großstadtgram. In: Ostlandjahrbuch. Hermannstadt 1921, S. 43–44.

27 Ders: Grau. In: Frühling 1(1920), H. 2, S. 42.

28 Markel, Michael: Expressionismus in der rumäniendeutschen Literatur.

Rezeption, Erscheinungsweise und lokale Interferenzen. In: Die siebenbürgisch-deutsche Literatur als Beispiel einer Regionalliteratur. Hg. von Anton Schwob u. Brigitte Tontsch. Köln–Weimar–Wien: Böhlau, 1993, S. 141–196, hier S. 193: „Er [der rumäniendeutsche Expressionismus – Anm. P. M.] hat in den Nachkriegsjahren ein geistiges Klima geschaffen, in dem die Literatur ihren Ort finden und zum Bedürfnis werden konnte; er hat den Makel des Nachgekommenen abzustreifen und in der zeitgenössischen europäischen Entwicklung Fuß zu fassen versucht;

er hat eine ‚Literaturwelle’ bedingt, die weltoffen und anspruchsvoll auftrat“.

29 Eda

30 Cisek, Oscar Walter: Erinnerung an Italien. In: Ostland. Vom geistigen Leben der Auslanddeutschen [Neue Folge] 1(1926), H. 1, S. 116.

31 Kittner [Anm. 14], S. 108–109.

32 Cisek, Oscar Walter: Theodor Däubler. In: Cugetul Românesc [Der rumä-nische Verstand] 2(1923), H. 8–9, S. 621–629, hier S. 622.

33 Ebda, S. 624. Übersetzung des Zitats P. M. In derselben Ausgabe wurden acht Gedichte Däublers in der Nachdichtung Oscar Walter Ciseks abgedruckt.

34 Cisek, Oscar Walter: Kind. In: Cisek [Anm. 14], S. 79.

35 Kittner [Anm. 14], S. 105ff.

36 Cisek, Oscar Walter: Frühlingsgedicht; Licht und Schlaf; Liebesgedicht [I];

Liebesgedicht [II]. In: Ders.: Die andere Stimme. Dresden: Verlag Wolfgang Jess, 1934, S. 6, 16, 19, 28. Im Weiteren wird im Fließtext aus diesem Band unter der Sigle CSt mit Angabe der Seitenzahl zitiert.

37 Cisek, Oscar Walter: Georg Trakl. In: Cugetul Românesc 1(1922), H. 6, S. 554–

Interdiskursive Verdichtungen.

556. Die Trakl-Übersetzungen erschienen ebenda, S. 557–562 u. in H. 8–9, S.

203–207.

38 Zit. nach Wittstock, Joachim: Distanz und Bindung. Oscar Walter Cisek, Erwin Wittstock – Beziehungen, Gegensätze. In: Neue Literatur 23(1972), H. 3, S. 41–51, hier S. 43.

39 Blaga, Lucian: Seele des Dorfes. In: Ders.: Ausgewählte Gedichte. Deutsch von Oskar Pastior. Mit einem Vorwort von Aurel Rău. Bukarest: Jugendverlag, 1967, S. 80.

40 Diese Unterscheidung macht Karl Krolow in seinem Essay Lyrik und Landschaft. In: Ders.: Schattengefecht. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1964, S. 7–39, hier S. 29.

41 Rainer Maria Rilke: „Durch alle Wesen reicht der eine Raum:/ Weltinnenraum.

Die Vögel fliegen still/ durch uns hindurch. O, der ich wachsen will,/ Ich seh hinaus und in mir wächst der Baum.“ (Es winkt zu Fühlung fast aus allen Dingen [1914]. In: Rilke, Rainer Maria: Sämtliche Werke. Werkausgabe. Hg. vom Rilke-Archiv in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke besorgt von Ernst Zinn. Bd.

3. Frankfurt a. M. 1975, S. 93).

42 Oskar Loerke: „Du rinnst wie melodische Zeit, entrückst mich den Zeiten,/

Fern schlafen mir Fuß und Hand, sie schlafen an meinem Phantom./ Doch die Seele wächst hinab, beginnt schon zu gleiten,/ Zu fahren, zu tragen, – und nun ist sie der Strom, [...]// In mir werden Eschen mit langen Haaren,/ Voll mönchi-scher Windlitanei,/ Und Felder mit Rindern, die sich paaren,/ Und balzender Vögel Geschrei.“ (Der Strom [1916]. In: Oskar Loerke: Die Gedichte. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1984, S. 100)

43 Lucian Blaga: „[...]// Fließen soll mein Blut auf den Rinnen der Welt/ und in himmlischen Mühlen/ die Räder drehn// Bebend bin ich vor Glück:/ Ganz der Tag über mir;/ die Kräfte des Vogelflugs haben in Keilschrift auf leuchtende Ziele gedeutet.“ (Schon weiß ich um die Sünde [1924]. In: Blaga [Anm. 39], S. 85)

44 Kittner [Anm. 14], S. 105.

45 Cisek, Oscar Walter: Mein Lebenslauf. In: Cisek [Anm. 14], S. 8.

46 Stiehler, Heinrich: Paul Celan, Oscar Walter Cisek und die deutschsprachige Gegenwartsliteratur Rumäniens. Ansätze einer vergleichenden Literatursoziologie. Frankfurt a. M. – Bern u. a.: Peter Lang Verlag, 1979, S. 211.

47 Cisek, Oscar Walter: Sufletul românesc în artele plastice [Die rumänische Seele in den bildenden Künsten]. In: Cisek [Anm. 2], S. 29. Übersetzung P. M.

Vgl. hierzu auch Prügel, Roland: Im Zeichen der Stadt. Avantgarde in Rumänien 1920–1938. Köln–Weimar–Wien: Böhlau, 2008, S. 159–194.

Peter Motzan

48 Friedrich, Hugo: Die Struktur der modernen Lyrik. 10. Aufl. Hamburg: Rowohlt, 1981, S. 162.

49 Kittner [Anm. 14], S. 104.

50 Kittner, Alfred [Einführung zu]: Oscar Walter Cisek: Gedichte aus dem Nachlass. In: Neue Literatur 26(1976), H. 5, S. 37.

51 Vgl. Axmann, Elisabeth: Wege, Städte. Erinnerungen. Aachen: Rimbaud Verlag, 2005, S. 97.

52 Cisek, Oscar Walter: Späte Stunde. In: Cisek [Anm. 14], S. 97.