• Nem Talált Eredményt

Ein Gedicht, zwei Übersetzungen: Liebes-Lied

Noémi Kordics (Großwardein) Die ungarische Rilke-Rezeption

4. Ein Gedicht, zwei Übersetzungen: Liebes-Lied

In diesem Kapitel versuche ich anhand von zwei Übersetzungen von Dezső Kosztolányi und Ágnes Nemes Nagy zu zeigen, inwiefern die über-setzerische Tätigkeit nicht nur kulturgebunden, sondern epochengebun-den sein kann. Die zwei Übersetzungen des Gedichtes Liebes-Lied von Rilke zeigen die wichtigsten Unterschiede der übersetzerischen Tätigkeit der beiden Autoren und verkörpern zur gleichen Zeit zwei verschiedene Auffassungen von literarischer Sprache und auch von Übersetzen.

Die Übersetzungen der beiden Autoren versuchen die gedanklichen und inhaltlichen Zusammenhänge des Gedichts von Rilke zu behalten, akzentuieren trotzdem ganz verschiedene Schwerpunkte. Dass damit die Sprache, in die hineinübersetzt wird, die ungarische nämlich, bis an die Grenzen ihrer Möglichkeit gefordert ist, versteht sich von selbst.

Liebes-Lied

Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie hinheben über dich zu andern Dingen?

Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas Verlorenem im Dunkel unterbringen an einer fremden stillen Stelle, die

nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.

Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.

Die ungarische Rilke-Rezeption aus der Sicht der Übersetzungen Auf welches Instrument sind wir gespannt?

Und welcher Geiger hat uns in der Hand?

O süßes Lied.

Szerelmes dal (Kosztolányi)

Mint tartsam az én lelkem, hogy ne érjen

a te lelkedhez? Mint emeljem innen más dolgokhoz fölötted, észrevétlen?

Jaj, csak lehetne a homályba vinnem, rég elveszett magányba, a sötétben, hol elhagyottan néma-tompa csend ül s nem zeng a táj, ha mélyem mélye pendül.

De az, mi megérint téged, engem, már egybefog veled s titkom kizen-gem,

a két iker húr egy hangot fuval.

Milyen hangszerre vonták szíveinket?

S milyen játékos tart kezébe minket?

Ó, égi dal.

Szerelmes vers (Nemes Nagy)

Hogy tartsam lelkemet, hogy lelkedet ne érintse? Hogyan emeljem át más tárgyakat érinteni feletted?

Bár lelnék néki néma rejteket, hol párjaként valami Elveszettnek idegen csöndbe zárnám, mely tovább nem rezdül, hogyha mélyeid rezeg-nek.

Mégis, mi minket ér, egybefogó egy mozdulattal ér, mint a vonó, mikor két húron egy hangot zenéltet.

Mily hangszerre vagyunk feszítve ketten?

Mily hang vagyunk mily játékos kezekben?

Ó édes ének.

Diese zwei Übersetzungen sind charakteristisch für die verschiedenen Bestrebungen der beiden Übersetzer. Kosztolányi plädiert für eine stim-mungshafte impressionistische Lyrik, und das zeigt sich auch in einigen übersetzerischen Lösungen: so wird z.B. das Wort schwingen des Ausgangstextes mit dem Verb pendül übersetzt, die Musikalität des Wortes wird mit dem Reim csend ül gesteigert.

Auch mit der schon oben erwähnten Absicht lässt sich das spezifische übersetzerische Verfahren von Kosztolányi, nämlich dass bei ihm Übersetzen zur gleichen Zeit Interpretation und Ergänzung des Textes – unter dem starken Einfluss einer impressionistischen Schreibweise – heißt, deuten: so kann die Übersetzung des Ausdrucks irgendwas verlorenem im Dunkel mit rég elveszett magányba, oder an einer fremden stillen Stelle mit hol elha-gyottan néma-tompa csend ül als (eine) Deutung des deutschen Originals gese-hen werden. Er fügt auch solche Wörter in seine Übersetzung ein, die sich in dem Original überhaupt nicht vorfinden, wie z.B. in der neunten Zeile nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, wo er das Wort titkom (mein Geheimnis) verwendet: már egybefog veled s titkom kizengem. Am Ende des

Noémi Kordics

Gedichts fügt er kein zusätzliches Wort hinzu, sondern verwendet ein ganz anderes: In dem Endsatz O süßes Lied treffen wir in der Übersetzung von Kosztolányi anstatt des Wortes süß das Wort himmlisch: Ó égi dal. Kosztolányi geht auch mit dem Reim relativ selbstständig um, während Nemes Nagy versucht, das Reimschema des Originals unangetastet zu behalten.

Für Kosztolányi ist das Übersetzen eher eine schöpferische Tätigkeit, eine Art Selbstdeutung. Deswegen sind die Abweichungen vom Original für ihn nicht unbedingt übersetzerische Fehlleistungen. Damit möchte ich nicht sagen, dass lexikalische Ungenauigkeiten in den Übersetzungen von Kosztolányi legitimiert werden können (die können doch recht störend wirken), aber die Qualität einer literarischen Übersetzung liegt gewiss nicht nur und nicht einmal hauptsächlich im Bereich lexikalischer Genauigkeit.

Nemes Nagy plädiert demgegenüber für eine Exaktheit der Sprache, aber auch des Übersetzens. Sie hat eindeutig weniger Probleme mit den lexikalischen Ungenauigkeiten und ist im Vergleich zu Kosztolányi den-noch sehr sensibel an verschiedenen Problemen des Übersetzens. Sie gibt den strengen gedanklichen Inhalt des Originals möglichst getreu wieder, z.B. in der sechsten und siebten Zeile: an einer fremden stillen Stelle, die / nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen, wo die Übersetzung dem Ausgangstext erstaunlich nahe liegt: idegen csöndbe zárnám, mely tovább / nem rezdül, hogyha mélyeid rezegnek. Das Wort ziehen bereitet eine Schwierigkeit für die beiden Übersetzer. Aber Kosztolányi hat bei der Übersetzung dieses Wortes einen Fehler gemacht, und zwar er hat das Wort ziehen mit dem ungarischen Wort fuval übersetzt, was aber eine solche Bedeutung dem Wortes gibt, die hier völlig ungeeignet erscheint. Nemes Nagy hat dieses Wort mit dem ungarischen Wort zenéltet übersetzt, eine Wortwahl, die viel näher zu der Tätigkeit des Geigers steht. Während Kosztolányi die elfte Zeile Auf welches Instrument sind wir gespannt? mit der Frage: Milyen hangszerre vonták szíveinket? übersetzt, und Wort gespannt mit dem Wort vonták, und das Wort Herz (szíveinket) in den Text einführt, ist die Übersetzung von Nemes Nagy besser gelungen, bei ihr steht es folgendermaßen: Mily hangszerre vagyunk feszítve ketten?

Hinter der banalen Feststellung von einer Differenz zwischen Original und Übersetzung verbirgt sich die zentrale Einsicht, dass selbst die beste Absicht eines Übersetzers, nur Äquivalenz herzustellen, notwen-digerweise Differenz produziert, und dass diese Differenz das kulturhis-torisch Interessante an der Übersetzung ist.

Die ungarische Rilke-Rezeption aus der Sicht der Übersetzungen Anmerkungen

1 Vgl. Koller, Werner: Einführung in die Übersetzungswissenschaft. Heidelberg: Quelle

& Meyer, 1979.

2 Siehe Szász, Ferenc (Hg.): Hugo von Hofmannsthal und Rainer Maria Rilke in Ungarn.

Bibliographie. Budapest: ELTE Lehrstuhl für Deutsche Sprache, 1980. (Budapester Beiträge zur Germanistik 7.)

3 Farkasfalvy, Dénes: Rilke nyomában. Műfordítások. [Auf Rilkes Spuren.

Gedichtübertragungen]. Budapest: Szent István Társ., 1990, S. 10.

4 Rilke, Rainer Maria: Rainer Maria Rilke versei. Válogatta Szabó Ede. Budapest:

Európa, 1983.

5 Tandori, Dezső: Föld és vadon. Válogatott versfordítások. Budapest: Európa, 1978.

6 Babits, Juhász, Kosztolányi levelezése. Szerk. György Bélai. Budapest, 1959, S. 189.

7 Hier zitiert nach der umgearbeiteten Fassung: Benedek, Marcell (Hg.): Irodalmi miniatűrök. Második sorozat. Budapest: Dante Könykiadó, 1921, S. 77.

8 Nyugat 2, 1909, S. 302.

9 Siehe Nemes Nagy, Ágnes: Rilke-almafa. In: Dies: Szó és szótlanság. Összegyűjtött esszék. I. Budapest: Magvető, 1989.

10 Nemes Nagy, Ágnes: Fordítani. In: Dies: Szó és szótlanság. Összegyűjtött esszék. I.

Budapest: Magvető, 1989, S. 93–96, hier: S. 95.

11 Siehe Nemes Nagy, Ágnes: Csatavesztések. In: Dies: Szó és szótlanság. Összegyűjtött esszék. I. Budapest: Magvető, 1989, S. 102–106.

12 Ebda, S. 106.

13 Ebda, S. 102.

14 Vgl. ebda, S. 105. Siehe weiter: Nemes Nagy [Anm. 9], S. 202.

15 Nemes Nagy [Anm. 11], S. 105.

16 Vgl. u.a. Nemes Nagy [Anm. 9].

17 Vgl. Abend. In: Dies: Szó és szótlanság. Összegyűjtött esszék. I. Budapest: Magvető, 1989, S. 205.

18 Ebda, S. 206.

19 Siehe Gadamer, Hans Georg: Lesen ist wie Übersetzen. In: Ders: Gesammelte Werke. Bd. 8. Tübingen: J.C.B.Mohr (Paul Siebeck), 1993, S. 279–285.

Andrea Benedek (Großwardein)

Intermediale Systemreferenzen zur Musik bei

Paul Celan in den Gedichten Todesfuge und Engführung