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Seyed Saied Firuzabadi (Teheran) Die Rezeptionsgeschichte

der deutschen Literatur im Iran

Die Rezeptionsgeschichte der deutschen Literatur im Iran begann ei-gentlich im 19. Jahrhundert, während die Rezeptions- und Wirkungs-geschichte der persischen Literatur in Deutschland im 17. Jahrhundert angefangen hatte. Die freie Übersetzung von Saadis Golestan, einer Sammlung der Geschichten in Prosa und Poesie aus dem 13. Jahr-hundert durch den bekannten Iranisten Adam Olearius und seine Reise-beschreibung war in seiner Lebzeit so beliebt, dass es etliche Male erneut aufgelegt wurde.1 Am Anfang des 19. Jahrhunderts hat Josef von Hammer-Purgstall die Gedichte von Hafiz ins Deutsche übertragen. So fand die persische Literatur durch West-östlichen Diwan von Goethe und die späteren Nachdichtungen von Friedrich Rückert und August von Platen in der deutschen Literatur einen Platz.

Aber genau zu Beginn des 19. Jahrhunderts fängt eine Reform-bewegung im Iran an, deren Ursache eigentlich der wachsenden Druck war, unter den Iran durch den stärker werdenden Zugriff der europäi-schen Großmächte geriet. Die Erfahrungen in den beiden Kriegen gegen Russland von 1804-1813 und 1826-1828, die in beiden Fällen mit den schicksalsschweren Niederlagen der iranischen Armeen endeten und schließlich zum Verlust der kaukasischen Provinzen führten, bewogen die Regierung dazu, erste Maßnahmen zur Einführung von Einrich-tungen nach europäischem Vorbild einzuleiten.2

Diese Reformbewegung wurde in der Regierungszeit Nasser al-Din Schahs (1848-1896) fortgesetzt, aber der Bahnbrecher war Mirza Taqi Khan-e Amir Kabir (1807-1852), der oberste Minister von dem oben genannten König, der nur für zwei Jahre die Führung in der Hand hatte (1850-1852). Er ging an die Aufgabe heran, grundlegende Reformen durchzuführen. Die Gründung eines Postamtes, die Veröffentlichung der ersten Zeitungen und die Gründung einer technischen Hochschule in Teheran erfolgten in den folgenden Jahren. Um diese Zeit wurden auch die iranischen Studenten nach Europa delegiert. Sie waren beauf-tragt, an europäischen Hochschulen europäische Wissenschaft zu

ler-nen. Es liegt auf der Hand, dass sie von Technik, Wissenschaft, den demokratischen Einrichtungen, der Staatskunst und dem Militär bezau-bert waren.

Mit solchen Erfahrungen begann eine Periode im Iran, die der erste Schritt zur Modernisierung des Landes war. Djalal Ale Ahmad (1923-1969) bezeichnet diese Periode als „Verwestlichung“ oder „Okzi-dentose“.3Er meint, die Iraner haben versucht, ihre Probleme vor dem Hintergrund einer historischen sowie kulturell-technischen Dominanz des Westens zu erläutern. Eine andere Gruppe wie Shayegen vertreten die Meinung, dass

diese Verwestlichung ein Zeichen von Ahnungslosigkeit gegenüber dem west-lichen Denken und dessen wissenschaftlich-technischen Errungenschaften ist, die zu einer Entfremdung von der eigenen Kultur führt.4

Auf jeden Fall könnten „die Iraner nicht einen Teil (Technik) aussuchen und den anderen Teil (Denken) ignorieren“.5 Aus diesem Grund sieht man, dass in dieser Periode irgendeine Identitätskrise vorhanden ist, die die iranische Gesellschaft bis heute nicht überwunden hat. Iraner haben damals versucht, sich von der geistigen, gesellschaftlichen und wirtschaft-lichen Stagnation seit dem 13. und 14. Jahrhundert zu befreien.

Inzwischen wurde sogar eine Verwaltung für die Übersetzung gegründet, die sich hauptsächlich mit der Veröffentlichung europäi-scher Werke befasste. Dieselbe Institution übersetzte und verlegte einige Theaterstücke, die bei den Gebildeten Anklang fanden. Hier wurden auch viele Werke von Jules Verne, Bernardin de Saint Pierre und Chateaubriand aus dem Französischen ins Persische übertragen. So ist es auch verständlich, dass die neue persische Literatur teilweise von der französischen beeinflusst worden ist.6Allerdings führten diese Tenden-zen zu einer nationalen Bewegung, die man als konstitutionelle Revolution bezeichnet. Wie oben erwähnt, hat diese Revolution Ihre Wurzel in der Regierungszeit von Nasser al-Din Schah. Diese Bewegung wurde durch die Ermordung von ihm durch revolutionäre Kräfte fortgesetzt und erreichte ihren Höhepunkt in der Regierungszeit seines Nachfolgers, Mozzafareddin Schah. Am 8. August 1906 wurde er dazu gezwungen, die Forderungen der Revolutionäre handschriftlich zu bestätigen. So wurde das erste iranische Parlament am 8. Oktober 1906 von Seyed Saied Firuzabadi

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Mozzafareddin Schah eröffnet. Dieses Parlament hat auch die erste Ver-fassung in der iranischen Geschichte beschlossen, die von dem König auch unterzeichnet wurde.

Genau in diesem Jahr wurde zum ersten Mal Kabale und Liebevon Friedrich Schiller ins Persische übersetzt. Der Übersetzer, Yussef Eatessami, war damals ein bekannter Dichter, Übersetzer und Freidenker, der mittels seiner Übersetzungen versucht hat, das iranische Volk aufzuklären. Es ist erwähnenswert, dass die Tochter von Yussef, nämlich Parwin Eatessami, eine der bekanntesten Dichterinnen in der persischen Literatur ist. Allerdings hat Eatessami mehrere Werke aus dem Französischen ins Persische übertragen, so wie Die Elenden von Victor Hugo. Warum er Schiller ausgewählt hat, ist klar. Dieses politi-sche Tendenzdrama ist revolutionär und entspringt dem Gegensatz zwi-schen Feudalschicht und Bürgertum, was für Iraner in der damaligen Zeit sehr interessant war.

Nur eine Woche nach der Bestätigung der Verfassung durch Mozzafareddin Schah starb er und den Thron bestieg sein Sohn Mohammad Ali Mirza, der ärgste Feind jeglicher Demokratie und der Konstitution.7 Dieses Ereignis führte zu den blutigen Auseinander-setzungen, die einige Jahre dauerten. Die Großmächte, die ihre Interessen im Iran in Gefahr sahen, entschlossen sich, das Land zu beset-zen. Zuerst waren es die Russen und dann die Engländer, deren Truppen iranische Grenzen überschritten hatten. Der Freiheitskampf führte dazu, dass endlich der Schah im Jahre 1909 abdankte. Aber das zweite Parlament konnte die Wünsche der Nation nicht erfüllen. Die Situation im Iran vor dem Ersten Weltkrieg war so chaotisch, dass zahl-reiche Freidenker und andere Iraner das Land verließen. Sie setzten ihre Hoffnung auf Deutschland und sahen die Befreiung Irans von den imperialistischen Nachbarstaaten, die das Land besetzt hatten, nur in einem deutschen Sieg. Diese Gruppe veröffentlichte mit der Unter-stützung der deutschen Regierung eine Zeitschrift unter dem Titel Kawe in Berlin. Hier wurden zum ersten Mal einige Werke aus der deutschen Literatur ins Persische übersetzt. Unter den Mitarbeitern von Kaweist vor allem Mohammad Ali Djamalzade zu nennen, der später in Berlin zwei andere Dramen von Schiller, Don Karlos und Wilhelm Tell, ins Persische übersetzt und seine erste Novellensammlung Es war einmal...

in dieser Zeitschrift und später selbständig veröffentlicht hat. Dieses Die Rezeptionsgeschichte der deutschen Literatur

Werk bedeutete für die iranische Prosaliteratur einen Wendepunkt.8 Obwohl Djamalzade selber keine Dramen verfasste, sieht man in seinen Werken die Auswirkungen Schillers. Seine Übersetzungen sind seitdem mehrmals wiederaufgelegt worden.

Im Jahre 1921 kam Reza Khan, ein iranischer Offizier an die Macht. Er wurde direkt von den Engländern unterstützt und so gelang es ihm auch, sich im Jahre 1925 als Regierungschef mit Vollmacht zu ernennen, bis er endlich 1926 seine neue Dynastie Pahlavi gegründet hat.

So wurde ein einfacher Mann ein großer Diktator, der bis 1941 das Land regierte. Mit seiner Machtergreifung wurden die meisten Zeitschriften geschlossen. Die Zeit des großen Journalismus war also vorbei. Viele Dichter wie Farrokhi, Eschghi und andere wurden ermordet.

Obwohl genau in dieser Periode eine gewaltsame Modernisierung des Landes begann, wurden alle Veröffentlichungen scharf kontrolliert. Daher wandten sich die Literaten historischen Themen oder Literatur-forschungen zu. Selbstverständlich war Schiller noch sehr beliebt. Im Jahre 1930 übertrug Bozorg Alavi Die Jungfrau von Orleans. Alavi, der später auch festgenommen und vier Jahre seines Lebens im Gefängnis verbrach-te, war ein bekannter persischer Schriftsteller, dessen Romane und Erzählungen auch später ins Deutsche übersetzt worden sind.9

Abolhassan Meykade hat genau in demselben Jahr Maria Stuart und später Die Räuberins Persische übersetzt. Der Grund, warum sich die Iraner so für Schiller interessierten, ist, dass es in seinen Werken nicht nur „um einen pathetischen Sinn geht“10, sondern sie haben den Weg für die neue Generation im Iran geebnet. Bis zu dieser Zeit hatte man im Iran keine genaue Vorstellung vom Drama im europäischen Sinne.

Der nächste Repräsentant der klassischen deutschen Literatur, der den Weg in den Iran fand, war ein Freund der letzten Lebensjahren Schillers, Johann Wolfgang von Goethe, dessen Werk Die Leiden des jun-gen Werthers zweimal hintereinander 1924 und 1926 von zwei verschie-denen Übersetzern veröffentlicht wurde. Dieses Werk ist bei den Iranern so beliebt, dass zur Zeit 5 Übersetzungen vorhanden sind. Faust mit 5 Übersetzungen und der West-östliche Diwan auch mit drei Übersetzungen sind die Werke, die Iraner noch gern lesen. Diese Beliebtheit liegt darin, dass Goethe seine Sehnsucht nach dem Osten und dem persischen Dichter Hafiz in diesem Werk zum Ausdruck bringt.

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In der zwanzigjährigen Diktatur Reza Schahs wurden nicht nur die Werke der Klassiker, sondern auch einige der Modernen übertragen.

Schon im Jahre 1929 hatte Parwiz Ssayah das wunderbare Werk von Erich Maria Remarque Im Westen nichts Neuesins Persische übersetzt, das heißt genau ein Jahr nach dem Erscheinen des Buches in Deutschland.

Die schonungslose Wiedergabe des Krieges, der für Iraner kein fremdes Thema war, brachte für ihn einen großen Erfolg. Inzwischen kann man all seine Werke auf Persisch lesen, was beweist, dass er ein bekannter Autor im Iran ist.

Wie erwähnt, wurde der Iran während des Zweiten Weltkrieges von den alliierten Truppen besetzt. Reza Schah, der in seinen letzten Regierungsjahren eine gute Beziehung zu dem nationalsozialistischen Deutschland hatte, musste das Land verlassen. Sein Sohn, Mohammad Reza bestieg den Thron und so begann eine sehr fruchtbare Periode, die mit einem militärischen Putsch im Jahre 1953 endete. In dieser Periode, die man aus kultureller Sicht als Blütezeit in der iranischen Geschichte bezeichnen kann, gab es eine Meinungs- und Pressefreiheit, die im Vergleich zu den früheren Zeiten einmalig war. War das Interesse der iranischen Intellektuellen für die deutsche Literatur politischer Natur, so sehen wir in dieser Periode einen neuen Trend. Nicht mehr die Klassiker, sondern die modernen Schriftsteller waren im Iran auf einmal beliebt. Der beliebteste deutsche Schriftsteller in dieser Epoche war Stefan Zweig, den Rahnama auch als „ein Sonderphänomen“ bezeichnet hat.11Innerhalb von 10 Jahren (1945-1955) wurden 23 seiner Werke ins Persische übertragen.12

Der Grund dieser Beliebtheit besteht darin, dass „Zweigs histori-sche Darstellungen die ganze europäihistori-sche Kulturgeschichte vermit-teln“.13 Aber hier ist noch zu erwähnen, dass er Begebenheiten und Ereignisse nicht in so komplizierten Sätzen wie Thomas Mann beschreibt, sondern schlicht und einfach schreibt und versucht, die Figuren aus der psychoanalytischen Sicht zu beschreiben, was für Iraner sehr interessant war. Sigmund Freud bestätigt sogar diese Kenntnisse in einem Brief an Zweig:

Es ist das Bedürfnis [...] Ihnen zu sagen, wie ich meine Lieblinge unter Ihren Schöpfungen genieße, den Jeremias, die Verwirrung der Gefühle, Ihre Vertiefung in das Seelenleben dämonischer Menschen, wie ich Ihre

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kunstvolle Sprache bewundere, die sich den Gedanken anschmiegt wie eine durchsichtig gedachte Kleidung mancher antiker Statuten um deren Leiber.14

So bohrt er in den dunklen Stellen der Seelen seiner Gestalten herum.

Bozorg Alavi, der im Jahre 1936 Zweigs Erzählung Weiße Blumen ins Persische übertragen hatte, beschreibt die Figuren in seinem Roman Ihre Augen, der zu den Meisterwerken der modernen persischen Literatur gezählt wird, unter dem Einfluss Zweigs.15So war Zweig ein Vorbild für iranische Schriftsteller, die auf der Suche nach geeigneten Formen waren. Inzwischen sind fast alle seine Werke ins Persische übertragen.

Der nächste Repräsentant der modernen deutschen Literatur, der die persische Gegenwartsliteratur so befruchtet hat, ist Franz Kafka, von dem die großen literarischen Bilder des 20. Jahrhunderts stammen. Die Verwandlungwar das erste Werk Kafkas, das von Sadeq Hedayat, dem berühmten persischen Schriftsteller im Jahre 1930 übertragen und ver-öffentlicht wurde. Seitdem hat dieses Werk seine 15. Auflage erlebt, obwohl noch 4 andere Übersetzungen vorhanden sind. Hedayat, der durch das Französische Zugang zu diesem Werk gefunden hat, hatte eine so große Affinität zu Kafka, dass seine Übersetzung noch die beste ist. In seiner Novelle Blinde Eule, die ein unvergängliche und unver-gleichbare Schöpfung der iranischen Prosaliteratur ist, sehen wir eine Figur vor uns, die sich in einer schwierigen seelischen Situation wie Gregor Samsa befindet und den Unterschied zwischen Realität und ihren Wahnvorstellungen nicht erkennen kann. Hedayat, der sich spä-ter in Paris aus Verzweiflung das Leben nahm, war auch derjenige, der einen Aufsatz unter dem Titel Botschaft von Kafka16vor etwa 60 Jahren veröffentlichte. Dieser Aufsatz ist bis heute zweifellos eine der besten auf Persisch vorhandenen Interpretationen über Kafka. Seitdem sind fast alle Werke Kafkas ins Persische übertragen worden, sogar seine Briefe an Milena. Außerdem sind bis jetzt etwa 20 Bücher über Kafka im Iran erschienen. „[W]er ein Buch von Kafka liest, wird bald auch ein Buch über Kafka lesen.“17

Hedayat übersetzte auch im Jahre 1931 eine Novelle von Arthur Schnitzler Der blinde Geronimo und sein Bruder. Schnitzler ist im Iran sehr bekannt, weil andere Werke von ihm sowie Anatols Größenwahn und Die Toten schweigen inzwischen auf Persisch zu lesen sind. Die Seyed Saied Firuzabadi

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bekannte iranische Schriftstellerin Ssimin Daneschwar hat auch eine längere Novelle von ihm, Frau Beate und ihr Sohn, ins Persische über-setzt.

In dieser Periode darf man die erste Übersetzung von Rilke nicht vergessen: Briefe an einem jungen Dichter, die Parwiz Natel Khanlari, der junge Dichter und der spätere Literaturforscher nebst einigen Gedichten ins Persische übersetzte. Obwohl es sich wieder um eine Übersetzung aus dem Französischen handelt, fand dieses Werk bei der iranischen Leserschaft Anklang. Diese Übersetzung kannte auch Nima Yuschidj, der im Iran als der Vater der neuen persischen Poesie bekannt ist. Dieses Buch hat Nima so inspriert, dass er einen ähnlichen Briefroman unter dem Titel Die Worte des Nachbarn verfasste.18Rilke liest man auch jetzt im Iran gern. Besonders in den letzten Jahren sind fast all seiner Werke ins Persische übersetzt worden.

Nun können wir innehalten und sehen, dass diese Periode, die mit dem Ende der zwanzigjährigen Diktatur Reza Schahs angefangen hat und ihren Höhepunkt in der Regierungszeit Dr. Mohammad Mossadeqs und der Verstaatlichung der Ölindustrie erreichte, bald zu Ende war. In August 1953 kam wieder der Schah an die Macht, dieses Mal mit Unterstützung der Amerikaner. Obwohl diese Zeitspanne sehr kurz war, sieht man ihre Einflüsse auch in der Literatur und vor allem in der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der deutschen Literatur im Iran. Waren die ersten Übersetzer und Kulturvermittler vor der Regie-rung Reza Schahs revolutionsgesinnt, sieht man zwischen den Jahren 1941 bis 1953 einen neuen Trend, das heißt die Übersetzer hatten den Iranern ein weiteres Spektrum der deutschen Literatur vorgestellt.

Nach dem Staatsstreich 1953 fing eine düstere Zeit an, die bis zur islamischen Revolution 1979 dauerte. In dieser Periode wurden alle Bücher und Zeitschriften scharf kontrolliert. Dieses Ereignis, das seine Schatten auf die iranischen Literaten warf und sie beeinflusste, war wie eine Katastrophe für das literarische Leben im Iran.

Daher tauchten neue Namen auf der Liste der Übersetzungen auf, so wie Hermann Hesse, dessen romantisches Einzelgängertum der per-sischen Jugend näher kam. So erschien 1956 die persische Übersetzung von Siddharta. Die zweite Übersetzung folgte im Jahre 1961. Seitdem haben wir 6 verschiedene Übersetzungen. Hier darf man nicht den Hesse-Boom der 60er Jahre in den USA vergessen, da die Übersetzer, die

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eben die Intellektuellen sind, gewisse Affinitäten zum literarischen Leben im Westen haben.

Das zweite Buch von Hesse, das bei der iranischen Leserschaft große Bewunderung fand und noch heute zu den beliebtesten Überset-zungen gehört, ist Der Steppenwolf. Sicherlich hat die seelische Analyse der Figuren in diesem Roman dazu beigetragen, dass dieses Buch zehn-mal wiederaufgelegt wurde. Die Morgenlandfahrt, Roßhalde, Peter Camenzind, Das Glasperlenspielund seine Gedichte sind inzwischen mehr-mals ins Persische übertragen. Im Vergleich zu der früheren Periode sehen wir meistens wiederholte Übersetzungen von einem Werk, die aus verschiedenen Gründen sind.

Thomas Mann wurde den Iranern nicht durch seinen berühmten Roman Die Buddenbrooks vorgestellt, sondern durch Tonio Kröger. Dies geschah im Jahre 1948. Erst nach 59 Jahren konnten die Iraner diesen Roman mit dem Untertitel Verfall einer Familie auf Persisch lesen.

Zauberberg, Der Tod in Venedigund Josef und seine Brüder sind auch inzwi-schen übertragen worden. Mit der Ausnahme vonTonio Kröger, das vier-mal wiederaufgelegt wurde, sind die Werke von Thomas Mann im Iran nicht so beliebt. Vielleicht liegt es darin, dass er sein Deutschtum zu stark betont. So sind und bleiben seine Werke für Iraner ganz fremd, weil sie zu einer anderen Welt gehören, nämlich zu seinem nordischen Pathos.

In den letzten Jahren der Pahlavi Dynastie im Iran war der erfolg-reichste deutsche Schriftsteller Bertolt Brecht. Er war die Verkörperung des Rebellischen, des Sozialistischen und des Ethischen, was in den sech-ziger Jahren in der ganzen Dritten Welt guten Anklang fand.19So wur-den 1970 bis 1979 insgesamt 35 Werke von Brecht ins Persische übertra-gen. Sogar einige seiner Dramen sind im Iran aufgeführt worden. Aber vor allem die Intellektuellen fanden in ihm ihr Idol. Dieses Idealbild war eigentlich so dogmatisch, dass die Übersetzung seiner Liebes-gedichte die Iraner überraschte. Inzwischen sind fast alle seine Werke ins Persische übersetzt.

Aber sein Ruhm bereitete auch den Boden dafür, dass zwei andere Dramenautoren aus dem deutschsprachigen Raum, Friedrich Dürren-matt und Max Frisch, im Iran einen Namen gewinnen. Der bekannte iranische Dramaturg Hamid Ssamandarian hat sechs Dramen Dürren-matts ins Persische übersetzt, die auch im Iran aufgeführt wurden.

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Erwähnenswert ist es, dass nicht nur seine Dramen, so wie Die Ehe des Herrn Mississipi, Die Physiker und Der Besuch der alten Dame, sondern auch sein Kriminalroman Der Richter und sein Henker auf Persisch zu lesen sind.

Auch Brechts großer Schüler Max Frisch ist mit einigen seiner Werke im Iran vertreten. Das Modellstück Andorra übertrug auch Hamid Ssamandarian. Dieses wurde sogar im Jahre 1967 in Teheran auf-geführt.

Ein gutes Beispiel für die Rezeptionsgeschichte der deutschen Literatur im Iran ist der Lyriker, Erzähler, Satiriker und Kinderbuch-autor Erich Kästner. Seine Beliebtheit im Iran verdankt sich seinen Kinderbüchern, obwohl vereinzelte Übersetzungen seiner Gedichte in literarischen Zeitschriften erschienen sind. Emil und Detektive mit sechs verschiedenen Übersetzungen und Pünktchen und Antonmit zwei Über-setzungen sind neben den Haus- und Kindermärchen der Gebrüder Grimm die meistgelesenen Kinderbücher aus der deutschsprachigen Literatur.

In den ersten Jahren nach der islamischen Revolution 1979 hatten die Autoren, die 25 Jahre schweigen mussten, auf einmal eine günstige Gelegenheit, ihre Werke zu veröffentlichen. Aber die meisten Werke waren nicht literarisch, sondern politisch. Mit der Ausnahme einiger literarischer Werke, die Übersetzer, die aus dem Exil zurückkamen, ver-öffentlichten, wie z. B. Die Wahlverwandtschaften von Goethe und einige Novellen von Thomas Mann, die nie erneut aufgelegt wurden, war keine Rede von der Literatur.

1981 brach der achtjährige Krieg zwischen Iran und Irak aus, dessen

1981 brach der achtjährige Krieg zwischen Iran und Irak aus, dessen