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Das Spiel mit der Zensur in den frühen Gedichten von Franz Hodjak

„Jeder Mensch hat drei Elternteile – Vater, Mutter und die Zeit, in die man hineingeboren wird“, behauptet in einem Interview Franz Hodjak1, der zu den wenigen deutschsprachigen Dichtern gehört, die in den acht-ziger Jahren nicht aufgrund Ceauºescus rumänischer Diktatur in die Bundesrepublik ausgewandert sind. Nach der Wende aber emigrierte auch er nach Deutschland und hat dort „mit rumänischem Pass Einlass in die deutsche Literatur begehrt“.2 Als erfolgreicher Suhrkamp-Autor gehört er heute zu den bekanntesten siebenbürgisch-deutschen Schriftstellern.

Hodjaks Auftritt auf die rumäniendeutsche literarische Bühne fiel in eine Zeit relativer kulturpolitischer Entspannung, in die sogenannte

„Tauwetterperiode“, als „die neuere rumäniendeutsche Literatur aus dem Korsett des regionalen Traditionalismus und der Sackgasse des Sozialistischen Realismus hinauszuschreiben begann“.3

Nach den dunklen fünfziger Jahren, als die stalinistisch-kommu-nistische Macht zu harten Repressionen griff, was sich auch im damali-gen literarischen Leben widerspiegelte (ich denke hier vor allem an den berüchtigten „Prozess der deutschen Schriftstellergruppe“ in Kronstadt, dessen Folge die Verurteilung von fünf rumäniendeutschen Schrift-stellern zu insgesamt 95 Jahren Haft und Zwangsarbeit war), schien 1965 mit der Ernennung Nicolae Ceauºescus zum Ersten Parteisekretär eine neue, liberale Ära zu beginnen, in der man aufatmen und ohne Restriktionen schreiben konnte. Werke, die in den fünfziger Jahren ver-boten waren, konnte man wieder lesen (Adrian Marino spricht in sei-nem Buch Cenzura în România4von 5861 Büchern, die von der Liste der verbotenen und „gefährlichen“ Bücher gestrichen wurden). Das literari-sche Leben gewann neue Kraft. Nur wenige ahnten damals, dass dieser scheinbare Liberalismus zum heimtückischen Plan Ceauºescus gehörte, der ihm den Weg zu einer totalitären Diktatur bereitete. Das Jahr 1971

brachte die Verschärfung der Zensur mit sich, Rumänien wurde allmäh-lich zu einem (Orwellschen) Überwachungsstaat, in dem die Wörter Freiheitund Vertrauen zu Fremdworten wurden.

In der Zeit der scheinbaren Aufatmung, zwischen den Jahren 1965 und 1970 war Franz Hodjak Student der Germanistik in Klausenburg.

Hier betätigte er sich aktiv am literarischen Leben, unter anderem bei der Herausgabe der dreisprachigen Studentenzeitschrift Echinox, die mit der Zeit eine zentrale Rolle in der zeitgenössischen rumänischen Lite-ratur einnahm und sich als Sprachrohr der Toleranz verstand.

Der erste Gedichtband Hodjaks, Brachland5 (1970) erscheint also unter günstigen politisch-sozialen Umständen. Noch sucht hier der junge Dichter seine Stimme, die Tradition der Landschaftsgedichte der 60er Jahre prägt ihn. Apolitische Thematik, nüchterne, kühle Analyse, dialektischer Gedankengang sind Merkmale dieser ersten Gedichte. Die Stimmung ist melancholisch-düster, die später für seine Werke kenn-zeichnende bittere Ironie fehlt völlig.

Doch es gibt einen Begriff, der in diesem Band als Hauptmotiv auftritt und der auf die Thematik der späteren Gedichte verweist: das Wort. Es ist das Wort, das mal als „Tempel der Weltenterbten“ (Wald-licht), mal als „Schwärzester der Vögel“ (Schwärzester der Vögel) gesehen wird, das aber auch „Gewähr für Prometheus (Und das Wort wurde zu Stein) sein kann, – eine Vorahnung der folgenden Zeit vielleicht, in der das Wort als einzige Waffe gegen ein totalitäres Regime funktionieren kann.

Die melancholische Stimmung, die sachliche Ichlosigkeit, die die Gedichte des ersten Bandes kennzeichnen, verschwinden allmählich in den folgenden Gedichtbänden. Nostalgische Reminiszenz, einsame Selbstbefragung, Anklage, ironischer Sarkasmus sind Hauptmerkmale dieser zweiten Schaffensphase. 1974 erscheint der Gedichtband Spiel-räume6, 1976 der dritte Band offene briefe7. In meinem Beitrag beschrän-ke ich mich auf diese zwei Gedichtbände, denn in diesen beiden kann man meiner Meinung nach am besten das poetische Versteckspiel ver-folgen, das Franz Hodjak mit der Zensur treibt.

In den 70er Jahren wurde mit der Verschärfung der diktatorischen Macht Ceauºescus der Überwachungsmechanismus des Systems in vol-ler Kraft in Gang gesetzt. Die Institution der Zensur begann aktiv in dem literarischen Leben der Zeit zu funktionieren. Sie bestimmte, wer Réka Sánta-Jakabházi

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was und wie schreiben sollte. So entschied sich Hodjak – wie auch ande-re Autoande-ren der Zeit, die in ihande-ren Gedichten die Wahrheit ande-retten wollten – für „doppelbödige verdeckte Schreibweisen, die nichtkonforme Bot-schafte übermitteln.“8Politische Themen – wenn auch versteckt und nur angedeutet – finden ihren Platz in den neuen Gedichten. Werner Söllner schreibt in seinem Nachwort zum Gedichtband Siebenbürgische Sprechübung9 (1990), Hodjak habe die Politik nie als eine Alternative, sondern als einen „wesentlichen Antrieb zur Literatur“10 begriffen.

Auch der polnische Schriftsteller Andzej Sczypiorsky meint, dass die Zensur kreativitätssteigernd wirke, da sie „zur Verschärfung der literari-schen Mittel“ zwinge und zur Verfeinerung der Sprach- und Stilmittel ansporne.11

Ulla Fölsing definiert die literarische Zensur als die „autoritäre Kontrolle aller menschlicher Aussagen, die innerhalb eines bestehenden gesellschaftlichen Systems mit dem Bemühen um sprachliche Form gemacht werden.“12

Die Zensur in Rumänien hatte aber viele Gesichter. Viel hing da-von ab, in welcher Sprache die Werke erschienen. Die Zensoren der deutschen Literatur seien kompromissbereiter gewesen als die der rumä-nischen Literatur, sagt Hodjak, „das hat sich gezeigt, als die Texte spä-ter ins Rumänische übersetzt und nochmals zensiert wurden.“13 Am schärfsten wurden die ungarischen Autoren zensiert – und das hatte historische Gründe.

Hodjak spricht von der „Narrenfreiheit“ der rumäniendeutschen Autoren.

Es war Handel, wie auf dem Trödelmarkt. Eine Zensorin sagte mir, Herr Hodjak, wenn sie mir bei dieser Stelle eine plausible Interpretation liefern, lasse ich sie durch. [...] Ich hab dann die Botschaft ins Gegenteil umge-münzt und sie hat das aufgeschrieben.14

Aus Zensoren wurden häufig heimliche Komplizen, die den Autoren unverfängliche Interpretationen nahelegten, um ihre Bücher legitimie-ren zu können.15

Auf die Frage, wieso er vor 1989 nur Gedichte und Kurzgeschich-ten geschrieben hat und erst nach der Wende sich der längeren epischen Gattungsform – dem Roman – zugewandt hat, antwortet Franz Hodjak

„...selbstverständlich wie der regen sollen die worte fallen“

in einem Interview16, dass die rumäniendeutschen Schriftsteller, von der Zensur überwacht, in einem kommunistischen Staat nur zwei Möglich-keiten hatten: entweder schrieb man keinen Roman oder einen Verlo-genen. Oder man hätte auch historische Romane mit Parabelcharakter schreiben können, doch die Anspielungen wären so verwoben gewesen, dass sie kein Leser hätte verstehen können. Romane mit den Stich-wörtern Parteitreue und Vaterlandsliebe habe er nicht schreiben wollen, deshalb blieb die einzig ihm passende Gattung die Lyrik, denn mit der Lyrik könne man Ausschnitte, Fragmente aus einer Gesellschaft geben, ein Roman sollte aber eine Welt, die Gesellschaft widerspiegeln, und das – sagt Hodjak – habe man damals nicht gekonnt.

In den 60er und 70er Jahren zeigte sich eindeutig die Vorherrschaft der Lyrik, das durch die lähmende Wirkung der Zensur erklärt werden kann.

Mit Ironie durchtränkte, indirekte Redeformen waren nötig, damit ein Gedicht erscheinen konnte. Die Autoren mussten auf das Mittel der Parabel, der „poetischen Camouflage“ (Peter Motzan)17, auf eine meta-phorische, verschlüsselte Sprache zurückgreifen, um die Zensur auszu-spielen und doch Wesentliches auszudrücken.18

Die Stimmung und die Thematik der Gedichte, die in dem Band Spielräumezu finden sind, weisen eine viel reichere poetische Palette auf, als die ersten Gedichte im Band Brachland. Hodjak entfernt sich von der Tradition der Landschaftsgedichte, der engen Heimatthematik, er wen-det sich auch an Probleme, die sich nur mittelbar mit dem Hier und Jetzt beschäftigen. Die Gedichte und Aphorismen, „Einfälle“, wie er sie nennt, sind oft politisch gefärbt, entschieden nimmt er hier Stellung gegen alle Art von Kriegen, Diktaturen, Demütigungen. Die politisch zugespitzten Aphorismen sind meistens versteckte, ironische Anspie-lungen, die größtenteils nur mit gewissen historisch-politischen Vor-kenntnissen zu deuten sein können. Namen wie der des südvietnamesi-schen Generals und Staatspräsidenten Van Thieu und des portugiesi-schen Politikers Caetano, dessen Name mit der portugiesiportugiesi-schen Diktatur des Estado Novoin Verbindung steht, die ihre ganze Energie stets darauf konzentrierte, den politischen Status quo im Lande selbst wie in den afrikanischen Kolonien aufrecht zu erhalten, treten auf.

Hodjak nutzt den Vorwand, über politische Probleme anderer Länder zu schreiben, doch nicht zu verkennen, ist die ironische Parallelität zu Réka Sánta-Jakabházi

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der in den 70er Jahren in Rumänien herrschenden politischen Lage:

das land haben wir zu verteidigen

gegen die selbstverteidigung seiner einwohner

(Caetano über Moçambique)

Die falsche Friedensauffassung und die miserable sozialwirtschaftliche Lage des Landes kommen auch metaphorisch – und zynisch – zum Ausdruck:

die friedenstaube ist in aller mund:

die einen hungerts nach frieden die anderen nach der taube (Geteilte Welt)

Tagebuch-Notizen eines Untermieters enthält mehrere Gedichte, die eben-falls die sozialen Probleme der Menschen in Rumänien ansprechen wie z.B. die Reglementierung von Strom und Wasser,

oft fließt im ganzen haus kein wasser

da waschen wir unsere hände in unschuld

als Allusion auf das Neue Testament. Oder:

ich schreibe negativ geladene gedichte in positiv geladenen wohnverhältnissen so bekommen wir licht ins haus in negativ geladenen wohnverhältnissen

„...selbstverständlich wie der regen sollen die worte fallen“

schreibe ich positiv geladene gedichte ohne licht kann der mensch nicht leben

wobei das Wort „Licht“ als Metapher zu deuten ist.

Im Aphorismus Demagogehingegen stellt er die korrupten Politiker an den Pranger: „er hat keine haltung / er hat position“. Die Partei-losigkeit oder die unparteische Ehrlichkeit wird in dem Gedicht (zur konsequenz)gelobt:

jetzt bekenn ich mich zum grün sagte das blatt und wurde rot jetzt bekenn ich mich zum rot sagte das blatt und wurde gelb jetzt bekenn ich mich zum gelb sagte das blatt und

recht behielt bloß der farblose wind

Es ist offensichtlich, was mit den Farbmetaphern rot und gelbgemeint ist, in einer Zeit, in der das sowjetische und chinesische Modell das poli-tische Leben bestimmten. Hodjak identifiziert sich übrigens in mehre-ren Gedichten metaphorisch mit dem Wind. Als Beispiel stehe hier das Gedicht Der Wind:

er ist ein großer gegner aller ruhe

bald weht er so bald anders bald greift er frauen untern rock er lacht laut der öffentlichen meinung ins gesicht

all das weiß man und doch kann niemand ihn fassen.

Im Gedicht (zur kompromisslosigkeit)gesteht Hodjak stolz: „was mir feind ist, dem kehr ich den rücken.“

Der Titel des Gedichtes Aus einem Brief der Lyrikerin Tamara Motz aus München, Lindwurmstrasse 21. mag mit der genauen Angabe der Adresse einer deutschen Frau merkwürdig erscheinen und ist auch als ironisch-verbittertes Spiel mit der Zensur zu verstehen, denn es ist Réka Sánta-Jakabházi

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bekannt, dass jeder Brief aus dem Ausland von der Staatssicherheit über-prüft wurde, jeder Mensch, der Bekannte im Ausland hatte, mit denen er im Briefwechsel stand, galt als verdächtig. So liefert Hodjak zynisch die Adresse in einem Gedicht, das vor dem Erscheinen sowieso in die Hände des Sicherheitsdienstes kommen wird.

Das Motiv der Freiheit finden wir schon in diesem Band als Vorausdeutung auf die Thematik der späteren Werke, die um die Frei-heit kreisen (Gedichte, aber vor allem die zwei Romane Grenzsteineund Ein Koffer voll Sand). Schon im ersten Gedicht des Bandes spielt das Wort als solches eine wichtige Rolle. Die Flucht ins Wort wird als die einzige Freiheit verstanden: „so zieh ich ins wort / soviel spielraum brauche ich“ steht in dem für Gerhardt Csejka gewidmeten Gedicht So setz ich das Wort. Gleich darauf folgt als Fortsetzung dieses Gedankens das Gedicht Spielräume, das als Schwerpunkt des Bandes gesehen werden kann:

die freiheit die täglich uns spielraum gewährt

ist immer so groß wie der spielraum den täglich

wir der freiheit gewähren

Der Titel des 1976 erschienenen dritten Gedichtbandes offene briefe weist schon auf die Anwesenheit der Zensur hin.

Die Gedichte kreisen um das Thema Wort– wie auch im vorange-henden Band. Doch dazu kommt noch ein Anderes: Das Thema des Schweigens, des Verschweigens. Das Wort ist für Hodjak die größte Macht, in der man verfangen ist, die einen auch befreien kann – die jedoch zugleich die größte Gefahr bedeuten kann:

ich bin es, das wort das dich (...) nicht rechtzeitig ausgesprochen auch das leben

noch kosten kann (ich bin das wort)

„...selbstverständlich wie der regen sollen die worte fallen“

Über das ständig beobachtete, verfolgte Leben spricht Hodjak im Gedicht hoffnungen. Der Rhythmus des Gedichtes stammt aus der Wiederholung des Satzes „nur nicht aufgeben“. Das Gedicht endet mit einer zugespitzten Pointe, die von dem Bild der Hoffnung mit dem Janus-Gesicht prägt:

nur nicht aufgeben jetzt die hoffnung denkt ununterbrochen

im laufen der verfolgte und der verfolger.

Das erste Gedicht des Bandes, der Brâncuºi und seinem Kunstwerk Tisch des Schweigensgewidmet ist (so ist übrigens auch das Gedicht betitelt) stellt metaphorisch die Situation der Künstler in einem Lande dar, wo die Meinungsfreiheit nur als verschwiegene Theorie existiert: „in dieser runde kann / jeder mitsprechen // in gedanken“.

Im Gedicht till eulenspiegel auf der durchfahrt in nürnberg benutzt Hodjak den Stoff um sich selbst bloßzustellen. Das Gedicht ist eine Aufzählung dessen, was für „Talente“ der geschickt-schlaue, spielerische Till (der als Alter Ego von Hodjak gesehen werden kann) aufweist. Die beiden Schelme (Hodjak sieht sich auch so) sehen ihre Aufgabe darin, die Menschen zu amüsieren. Mit ihrem beißenden Humor bereiten sie den „kleinen Menschen“ Freude und den Machthabenden Ärger. Das Gedicht endet mit einer Bekenntnis der Ehrlichkeit und zugleich der Hilflosigkeit der Zensur gegenüber: „nur lügen kann ich nicht gute leute / und die Wahrheit sagen auch nicht / liebe leute liebe leute“.

Das Gedicht randbemerkung beginnt mit dreizehn axiomhaften Sätzen über die unstrittbare Wirklichkeit, wie etwa „in china spricht man chinesisch“ oder „der mars ist unbewohnt“ oder „das rote meer ist blau“, aber auch solche wie „sokrates starb an der wahrheit“, die auf die schon immer existierende Zensur hinweist. Entscheidend sind die letz-ten vier Zeilen:

keiner dieser paar sätze betrifft mein leben

wird aber einer gestrichen oder hinzugefügt

Réka Sánta-Jakabházi

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so betrifft das mein leben

Eine zu dem erwähnten Gedicht parallele Konstruktion weist auch der stein auf: In 21 Strophen beschreibt Hodjak das Wesen und die Funk-tionalität des Steines und endet jede dieser Strophen mit der Zeile „doch nicht das will ich sagen“. Die letzte Strophe ist ein verzweifelter Aufruf an die wegen der Zensur metaphorisch zu lesen lernenden Leser (oder an die Zensur selbst):

glaubt mir: ich will nicht mehr sagen als stein wenn ich stein sage diesmal

Das Schlusswort ist in diesem Gedicht als das wichtigste Wort zu sehen:

Dadurch, dass die Temporalität betont wird (durch das Adverb diesmal), wird darauf hingewiesen, dass man im Falle der anderenGedichte ständig zwischen den Zeilen lesen soll, um die eigentliche Botschaft zu vernehmen.

Wörter wie „belauert“, prüft mich“, „horcht“, „hasst“, „dunkel“,

„dicht und böse“ unterstreichen den Seelenzustand des lyrischen Ichs in der elegie um mitternacht. Die Nacht erscheint als gefährlicher Verräter, denn in ihr „lauert eine gestalt“, die alles ins Negative verwandelt: Es ist die fast schon panikartige Angst in der Ungewissheit. Diese bedrohende Gestalt, die als das immer wache Auge der Securitate zu verstehen ist, lauert „als feinster staub“ „am fenster zwischen büchern / im anzug des freundes“. Man kann sich niemandem anvertrauen, jeder ist verdächtig.

„sie steckt auch in allen tinten“ – es wird vorgeschrieben, was man schreiben darf und was nicht,

und färbt meine verse schwarz sie will dass alles gleich ist und ihr gleicht

sie hasst die vielzahl des blühens sie ist gegen den schillernden regenbogen

Diese dunkle Macht versucht mit allen möglichen Methoden die Gleichschaltung der Menschen und Gedanken, man soll ja nicht aus der

„...selbstverständlich wie der regen sollen die worte fallen“

Reihe tanzen. Sie ist gegen die Vielfalt, gegen „die vielzahl der himmels-körper / und ihr eignes licht“, dadurch unterstreicht Hodjak die Absurdität dieses Wollens. Es ist eine blinde, beschränkte und beschrän-kende Macht, „sie ist sich selbst genug“. Das Einzige, was das Indivi-duum in dieser Situation tun kann, ist, dass es die Hoffnung nicht auf-gibt und als Zufluchtsort die Liebe wählt: „doch [...] / such ich nach liebe / in allem und überall“, denn die Liebe ist die einzige Macht, die diese dunkle und „böse“ Gestalten „ohnmächtig“ machen und sie aus der Welt treiben kann.

Als Parallelgedicht zu dem obigen Text steht die elegie im morgen-grauen. Die Bedrohung der metaphorischen Nacht ist nicht gänzlich verschwunden, „nie kann ich ganz / loskommen von ihr / sie folgt mir“. Die charakteristischste Eigenschaft dieser allegorischen Gestalt ist das Zweifeln: „wenn ich hoffe zweifelt sie / wenn ich zweifle zweifelt sie“. „stündlich wechselt sie / ihr aussehen“ spielt darauf an, dass die Securitate überall Spitzel hat, doch „am bösesten aber ist sie / wenn sie umgeht / mit menschlichem gesicht“.

Im Rückblick auf die Situation der von dem Auge des Macht-apparates überwachten Schriftsteller schreibt Hodjak in einem späteren Gedicht (Was auch immer): „selbst Beethoven wird nicht gehört / son-dern abgehört.“19

Eine Allegorie auf die herrschende politische Lage bietet das Gedicht nachricht aus dem garten(es ist erstaunlich, dass dieses Gedicht erscheinen konnte, dass es die Zensur nicht verboten hat). Es ist das rebellischste Gedicht überhaupt, die Botschaft, die Hodjak verkündet und fordert, ist eindeutig: Nur ein Machtumsturz kann „den Baum“ – das Land – genesen.

zu viel unkraut wuchert im schatten des baumes da wird’s höchste zeit die baumkrone zu lichten

Um die Zensur zu überlisten, veröffentlichte Hodjak Gedichte mit ver-steckter Kritik an das Regime auch in Kinderbüchern. So erschienen in dem Kinderbuch Der Hund Joho20folgende Verse:

Réka Sánta-Jakabházi

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In Hermannstadt lebt´ einst ein Floh der war weder traurig noch froh Er wollt´ einen Pass,

man fragte: „Für was?“

Da schrie er Zeter und Mordio

Um die Botschaft zu verstehen, müssen wir die Etymologie dieser Redensart untersuchen: Das Wort „Zeter“ ist vermutlich durch eine Zusammenziehung der Wörter „ze æchte her“ („herbei zur Vergeltung“) entstanden; der Rufer verpflichtete damit seine Mitbürger zur Mithilfe.

„Mordio“ist ein Hilfeschrei, der aus dem Wort Mordabgeleitet ist und wird in diesem Sinne vermutlich seit dem 19. Jahrhundert verwendet.21 In den Gerichtsprozessen des Mittelalters rief der Ankläger formal

„Zeter(mordio)“ zu Beginn der Gerichtsverhandlung. Ein Hilfeschrei also, der zur gleichen Zeit aber auch Anklage ist.

Metaphorische Doppeldeutigkeit, Wortspiel, Allegorie, Parabel sind die poetischen Mittel Franz Hodjaks, mit denen er in der dunkels-ten Zeit des Kommunismus trotz der schweren Bedingungen die Wahrheit zu sagen wagt, auch wenn man sich nur mit der halben Wahr-heit zufriedenstellen konnte. In Deutschland angekommen, erinnert sich der Dichter in einem Gespräch mit Axel Helbig22an die damals als

„kleine Siege“ gefeierten, heute als Niederlagen gesehenen Situationen, die er als Verlagslektor des Klausenburger Dacia-Verlages mit dem Erscheinen jedes Buches erlebt hatte, jedem Buch, welches „noch etwas Wahrheit in den Laden bringt“. Sie akzeptierten die Streichungen der Zensur und damit haben sie sie bestätigt. Heute bereut er das:

Wir hätten sagen müssen: Nein! Wir hatten gedacht, immer noch besser

Wir hätten sagen müssen: Nein! Wir hatten gedacht, immer noch besser