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Literarischer Einfluss des Ostens auf den West-östlichen Diwan

Die Entstehung des West-östlichen Diwansvon Goethe, diesem bekannten europäischen Dichter, geht auf die Einwirkungen der östlichen Kultur auf ihn und den Reiz, den die Lyrik der mystischen Dichter des Orients auf ihn hatte, zurück.

In diesem Diwan, in dem vor allen Dingen die orientalische Kultur durchscheint, nehmen mystische Reime einen besonderen Platz ein. Der West-östliche Diwan entsteht vor allem unter dem Einfluss der großen Vertreter iranischer Dichtung wie Ataar, Dschalalledine Rumi, Dschaami, Ferdouwsi und ganz besonders Hafis. Was Goethe dichtet, ist ebenso Irfan,der im Westen mit Mystikbezeichnet wird. Diese Mystik ist jedoch anders als der östliche Sufismus, welcher im 2. Jahrhundert nach Beginn des Islams entstand und in Wahrheit eine dogmatische Entwicklung der Konfession beinhaltete.1

Der Sufismus, der Anfang des 2. Jahrhunderts nach Beginn des Islams entstand, war in Wahrheit ein religiöser Dogmatismus. Zwar gab es zu Lebzeiten des Propheten auch nicht wenige Menschen, die sich ganz den religiösen Angelegenheiten verschrieben und ein asketisches Leben führten, aber sie waren nicht organisiert und trugen keine offizielle Bezeichnung. Im 12. und 13. Jahrhundert erreichten die sufistischen Bewegungen ihren Höhepunkt. Dabei wird der Sufismus unter Berufung auf Verse des Korans zu einer philosophisch-literarischen Denkschule und es werden insbesondere durch den bekannten Mystiker Ibn Arabi neue Theorien im islamischen Themenkreis besprochen, die vorher völlig ungewöhnlich waren, nämlich Begriffe wie „Auflösung in Gott“,

„Einswerdung mit Gott“ usw. Die Anhänger dieser Denkschule gingen so weit, dass sie sich den Tod am Galgen einhandelten, wie Haladsch mit sei-nem Ruf „Ich bin selber Gott“. Die ständigen Gefahren, denen sich sufis-tische Dichter ausgesetzt sahen, führten zur Herauskristallisierung einer neuen Form des Sufismus. Dieser wählte einen ausgeglichenen Weg. Der

neue Sufismus formierte sich um zwei Schwerpunkte: einerseits Gedichte, die ausschließlich lehrreichen Charakter hatten und über moralische Gesichtspunkte sprachen, und andererseits eine Form von Gedichten, die die Seele, die von der Liebe zu Gott gefesselt ist, beschrieben.

Als Anführer der Sufi-Dichtung, können Ataar und Dschaami genannt werden. Im bekannten Vogel-Gedichtswerk Ataars Manteq ul Tayar wird der Mensch und sein Streben nach Erreichung Gottes dargestellt.

Dieses Werk gehört zu der ersten Art von gemäßigter Sufi-Dichtung, denn es enthält moralische Lehren.

Die Dichtung Goethes bleibt vom Einfluss der Dichter der ersten Form des Sufismus unberührt. Er folgt der zweiten Gruppe der gemä-ßigten ausgeglichenen Sufis. Seine Gedichte besitzen sowohl lehrreichen Charakter als auch den Geist der fesselnden Gottesliebe. Aufgrund die-ses Modells und in Anlehnung an den PendnamehAtaars bringt er unter dem Titel Und was im Pend Nameh steht moralische Ratschläge, die er dichterisch neu gestaltet. Die Verse lehren Güte, Liebe und Herzlichkeit:

Jeden, dem du selber gibst, Wirst du wie dich selber lieben, Reiche froh den Pfennig hin, Häufe nicht ein Goldvermächtnis, Eile, freudig vorzuziehn

Gegenwart vor dem Gedächtnis.2

In den Gedichten Goethes kommen Reime über Liebespaare wie Leila und Madschnun, Jusof und Zoleicha und weitere vor. Diese Gedichte wurden von denen Dschaamis beeinflusst, auch wenn in einigen Reimen Bilder und Motive von Sufi-Dichtern in einem anderen Rahmen erscheinen. In der Geschichte von Jusof und Zoleicha wird Liebe als Symbol für alles Schöne, Gute und Vollendete vorgestellt und es heißt, dass der Mensch zu der Liebe zum Schöpfer aufsteigen soll, indem er aufmerksam die mensch-liche Schönheit und die Schönheit anderer Lebewesen und nicht lebendi-ger Gegenstände betrachtet, d. h. der Mensch soll in der Liebe zu den Geschöpfen Gottes einen Weg sehen, zur Liebe zum Schöpfer zu gelangen.

Goethe stellt an folgender Stelle in seinem Diwanals Gegenstück zu einer solchen Liebe die irdische Liebe dar: „Sollten Leila und Medschnun auferstehn, / Von mir erführen sie den Weg der Liebe.“3

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Insgesamt lässt sich sagen, dass das Verständnis Goethes von der Mystik der orientalische Dichter widersprüchlich ist. Manchmal lobt er sie und wenn immer er ihre Lehre oder Ansichten nicht akzeptieren kann, distanziert er sich von ihr.

In den Jahren 1812 und 1813 hat der österreichische Orientalist Joseph von Hammer-Purgstall die erste deutsche Übersetzung des Diwan von Hafis herausgegeben.4Der alternde Goethe las sie und war begeis-tert, dies obwohl er vorher bereits mit dem Orient und dem Islam Bekanntschaft geschlossen hatte. Er hat zum ersten Mal im Alter von 23 Jahren die lateinische Übersetzung des Korans gelesen und war von dem Gotteswort beeindruckt.5

Aber die Bekanntschaft Goethes mit Hafis öffnet für den deut-schen Dichter ein neues Kapitel in der Beeinflussung durch den Orient.

Der bekannte mystische Dichter Irans, Hafis, der den gesamten Koran auswendig konnte und tiefgehende Studien im islamischen Wissen durchgeführt hatte, erreichte durch die meisterliche Kombination von Metrik und Regeln und Konstruktion der arabischen und persischen Dichtung den Höhepunkt seines Schaffens, von dem der deutsche Dichter so beeindruckt war, dass er im Geburtsort Hafis’ die eigene see-lische Wohnstätte sah. Goethe knüpft eine sehr tiefe spirituelle Beziehung zu Hafis an und bewundert ihn in einem Maße, dass er dich-tet: „Hafis, dir sich gleichzustellen, / welch ein Wahn!“6

An anderer Stelle übt er an den Sufis, die Hafis „Lissanul Gheib“

(die mystische Zunge) genannt haben, Kritik und sagt:

Sie haben dich, heiliger Hafis, Die mystische Zunge genannt Und haben, die Wortgelehrten, Den Wert des Worts nicht erkannt.

Mystisch heißest du ihnen, Weil sie Närrisches bei dir denken7.

Goethe nimmt sich Hafis zum Vorbild und studiert mit einem außerge-wöhnlichen Interesse die Lyrik dieses mystischen iranischen Dichters.

Er nennt Hafis seinesgleichen und schließlich veranlasst seine Bewunderung für Hafis ihn zur Schaffung des West-östlichen Diwans.

Im Namen Gottes, des Schöpfers allen Daseins

Die orientalistische Atmosphäre ist durchgehend in diesem Diwan zu verspüren. Goethe hat viele arabische, persische und islamische Wörter und Ausdrücke in seinem Werk verwendet. Er spricht vom Koran und Hasrate Mohammad (s.a.s.) und ist in vielen Fällen darum bemüht, dem Leser verständlich zu machen, dass seine Beziehungen zum Islam und zum Koran über eine oberflächliche Wirkung hinausgehen.

Ob der Koran von Ewigkeit sei?

Darnach frag ich nicht!

Ob der Koran geschaffen sei?

Das weiß ich nicht!

Daß er das Buch der Bücher sei, Glaub ich aus Mosleminenpflicht.8

Goethe preist die göttliche Gerechtigkeit in der Form, wie sie im Koran dargestellt wird:

Er, der einzige Gerechte, Will für jedermann das Rechte.

Sei von seinen hundert Namen Dieser hochgelobet! Amen.9

Vielleicht könnte man die Lyrik Goethes nach seiner Bekanntschaft mit dem Orient in zwei Abschnitte einteilen: Der eine Teil seiner Dichtung bezieht sich auf das Beeindruckende der östlichen Mystik und ihre Formen, wenn auch hin und wieder eine von der orientalischen Mystik abweichende Auslegung in ihm zu sehen ist. Der andere Teil spiegelt das Interesse und die Stellungnahmen Goethes zum Orient und zum Islam wieder. Diese Standpunkte zeigen zum einen die Denkweise des Dichters über den Islam und zum anderen seinen Versuch, die Missverständnisse und Fehler aus dem Weg zu räumen, die vorher für ihn hinsichtlich des Orients und des Islams vorgelegen hatten. Goethe nimmt diesbezüglich in seinem West-östlichen Diwanunmissverständlich Stellung und zeigt sich überall in gebührender Art indirekt mit Hafis einer Meinung. Daher sieht er in seinem Diwandie Welt und das Leben auf eine Weise, wie Hafis sie gesehen hat.

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Lust und Pein

Sei uns, den Zwillingen, gemein!

Wie du zu lieben und zu trinken, Das soll mein Stolz, mein Leben sein.10

An anderer Stelle sagte Goethe über das Gemeinsame mit der Sichtweise Hafis sogar, dass er voll und ganz sein Anhänger ist, und dass er an all das glaubt, woran Hafis glaubt:

Hafis, drum, so will mir scheinen, Möcht ich dir nicht gerne weichen:

Denn, wenn wir wie andre meinen, Werden wir den andern gleichen.

Und so gleich ich dir vollkommen, Der ich unsrer heil’gen Bücher Herrlich Bild an mich genommen, Wie auf jenes Tuch der Tücher Sich des Herren Bildnis drückte, Mich in stiller Brust erquickte, Trotz Verneinung, Hindrung, Raubens, Mit dem heitern Bild des Glaubens.11

Goethe behagt die feindliche Atmosphäre im Westen gegenüber dem Osten keineswegs. Seine deutlichen Stellungnahmen zum Osten, dem Koran und dem Islam geschehen in einer Epoche, in der im Westen, nach Abschluss des Mittelalters und Beginn der Aufklärung im Bereich der Philosophie und Gesellschaftswissenschaften der Gedanke der Ratio-nalität und Säkularisierung das private und gesellschaftliche Leben beeinflussen und die aus der Zeit der Kreuzzüge zurückgebliebenen Wunden eine Freundschaft zwischen Okzident und Orient verhindern.

Aber Goethe versucht aufgrund der Erkenntnis, zu der er gelangt ist, Westen und Osten miteinander zu verknüpfen. Die Schaffung des West-östlichen Diwans beruht auf dieser Bemühung. Er sieht das Wohl aller in der Freundschaft und dem Kontakt zwischen West und Ost und der Vermeidung von Trennung.

Der große deutsche Dichter hat in seiner Dichtung Spaltung und Zwietracht als Zeichen der Unwissenheit gesehen und den Bund

zwi-Im Namen Gottes, des Schöpfers allen Daseins

schen Ost und West als Symbol der Klugheit. Deshalb wendet er sich an die Elite und erinnert daran, dass Frieden und Freundschaft zwischen diesen beiden Welten von ihnen abhängen. Seine eigene Bemühung auf diesem Weg verewigt er durch Hervorbringung seines West-östlichen Diwans und geht dadurch den anderen als lehrreiches Vorbild voran:

Wer sich selbst und andere kennt Wird auch hier erkennen:

Orient und Okzident Sind nicht mehr zu trennen.

Sinnig zwischen beiden Welten Sich zu wiegen lass’ ich gelten:

Also zwischen Ost und Westen Sich bewegen sei zum Besten!12

Anmerkungen

1Vgl. hierzu Nicholson, Reynold A.: The Mystics of Islam. London: Routledge &

Kegan Paul, 1963; sowie Tor, Andrae: Islamische Mystiker. Stuttgart: W.

Kohlhammer Verlag, 1960.

2 Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. In: Ders.: Berliner Ausgabe. Bd. 3. Hg. v. Siegfried Seidel. Berlin: Aufbau, 1960 ff., S. 46.

3Goethe [Anm. 2], S. 87.

4 Diwan des Hafis aus dem Persischen. 2 Bde. Übers. v. Joseph von Hammer-Purgstall. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1812–13.

5Die erste Übersetzung des Korans von Theodor Biliyander erschien im Jahre 1422 in Basel mit einem Vorwort von Martin Luther.

6Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart: Reclam, S. 528 ff.

7Goethe [Anm. 2], S. 29–30.

8Ebd., S. 118.

9Ebd., S. 12.

10Ebd., S. 28.

11Ebd., S. 25–26.

12Goethe [Anm. 5], S. 532.

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Seyed Saied Firuzabadi (Teheran)