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Die für die KL konstitutiven Funktionen des Sprachvergleichs Sprachvergleich ist nicht einfach mit KL gleichzusetzen, KL lässt sich also

nicht ausschließlich unter Zuhilfenahme des Prozesses des Sprachvergleichs definieren. Eine Definition wie „KL ist eine sprachwissenschaftliche Disziplin, die das Ziel verfolgt, zwei oder mehr Sprachen miteinander zu vergleichen“, würde auf der einen Seite weitere wichtige Aspekte der KL ausblenden, und auf der anderen Seite den übergreifenden Charakter des Sprach­

vergleichs nicht transparent werden lassen. Sprachvergleich ist demnach nicht auf eine bestimmte linguistische Disziplin beschränkt, sondern ein übergreifender Prozess, der als Untersuchungsmethode konstitutiver Teil verschiedener linguistischer Disziplinen ist.

Sprachvergleich als Methode kann zumindest folgende Funktionen haben:

(I) Bildung und Überprüfung von Hypothesen über Ursprung, Natur und Evolution der menschlichen Sprache.

(II) Bestimmung des soziologischen Status von verschiedenen Sprachen sowie Abgrenzung und Identifikation von eigenständigen Sprachen.

(III) Rekonstruktion von Ursprung, Entwicklungsgeschichte und Verwandtschaftsbeziehungen von Einzelsprachen.

(IV) Bildung, Überprüfung und Systematisierung von Hypothesen über die genetische Verwandtschaft verschiedener Sprachen.

(V) Bildung, Überprüfung und Systematisierung von Hypothesen über sprachliche Universalien.

(VI) Feststellung, Systematisierung und Erklärung von interlingualen Gemeinsamkeiten und Unterschieden.

(VII) Überprüfung der Annahmen von sprach theoretischen Modellen.

(VIII) Überprüfung und Präzisierung der der Deskription von Einzel­

sprachen zugrunde gelegten Kategorien.

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Den einzelnen o.a. Funktionen des Sprachvergleichs lassen sich mit einer gewissen Idealisierung jeweils entsprechende linguistische Disziplinen zur Seite stellen. Die unter (I) angeführte Funktion des Sprachvergleichs ist für die anthropologische Sprachwissenschaft und die evolutionäre A n thropologie konstitutiv, welche wiederum in enger Zusammenarbeit mit zah lreichen anderen W issenschaften um interd iszip lin äre F or­

schungsansätze bemüht sind. Funktion (II) ist kennzeichnend für die Schnittstelle von Dialektologie, Soziolinguistik, Soziologie sowie Sprach- und Kulturpolitik. Funktion (III) dom iniert in der Historisch-Verglei- chenden Sprachwissenschaft, auch als Komparatistik bekannt, die eine im 19. J a h rh u n d ert als e ig e n s tä n d ig e D is z ip lin e ta b lie r te F o r ­ schungsrichtung darstellt, deren Rolle als W egbereiterin der KL nicht zu unterschätzen ist. Die vierte Funktion des Sprachvergleichs ist für die klassische oder genetische Typologie maßgebend, w ogegen Funktion (V), d.h. Bildung, Überprüfung und Systematisierung von Hypothesen ü b e r s p ra c h lic h e U n iv e r s a lie n , v o r a lle m in d e r m o d e r n e n Sprachtypologie und in der Universalienforschung dom iniert, die als Nachbardisziplinen der KL anzusehen sind. Funktion (V) kommt vor allem in k o n tra s tiv -ty p o lo g is c h e n F orsch u n gsan sätzen in e n g e r Verbindung mit den für die KL konstitutiven Funktionen zum Tragen.

Z en tra l für KL sind d ie F u n k tio n en (V I), (V I I) und (V I I I ), d.h.

Feststellu n g, System atisierung und Erklärung v o n in terlin g u a len Gem einsam keiten und Unterschieden, Überprüfung und eventuelle Revidierung der Annahmen von sprachtheoretischen M odellen sowie Überprüfung und Präzisierung der der Deskription von Einzelsprachen zu g ru n d e g e le g te n K a teg o rien . D iese d rei F u n k tio n en sind en g m itein an der v erfloch ten und in teragieren außerdem v o r allem im Rahmen kontrastiv-typologischer Ansätze auch mit Funktion (V), d.h.

Bildung, Ü berprüfung und Systematisierung von H ypothesen über sprachliche Universalien. KI. als Kom plem ent zur Sprachtypologie rückt im Anschluss an einige maßgebende Arbeiten von Birnbaum, Comrie, Hawkins und König seit der Mitte der 80er Jahre immer mehr in den Vordergrund. D ie theorie- und theorem überprüfende Funktion des Sprachvergleichs wird sowohl in der Generativen Grammatik als auch in der Kognitiven Linguistik ohne Vorbehalte anerkannt. Es besteht jedoch gegenwärtig kein Konsens darüber, ob die KL nur ein Schattendasein führen sollte als ausschließliche Endverbraucherin auf dem linguistischen Markt der bereits zur Verfügung stehenden Theorien und Deskriptionen von Einzelsprachen, oder ob sie nicht vielleicht doch ihren eigenen Beitrag dazu leisten könnte und sollte. Der kroatische Linguist Dubravko Kucanda bringt dieses Dilemma in der Überschrift eines seiner Aufsätze zugespitzt formuliert folgenderm aßen zum Ausdruck:

Quo vadis, Kontrastive Linguistik? 19

Da li kontrastivna analiza treba biti samo potrosac postojecih opisa kontrastiranih jezika? [Muss die kontrastive Analyse bloß Verbraucherin der bereits bestehenden Beschreibungen der verglichenen Sprachen sein?] (Kuianda 1989: 622)

Im Anschluss an diese provokative Frage im Titel wird am Beispiel des sogenannten possessiven Dativs im Englischen, Deutschen, Kroatischen und Serbischen gezeig t, dass die kontrastive Analyse sich nicht darauf beschränken darf, die bis zum Zeitpunkt der Kontrastierung erarbeiteten einzelsprachlichen Deskriptionen der zu vergleichenden Konstruktion einander gegenüberzustellen.

Bei dem von Kueanda angesprochenen Problem handelt es sich letztendlich um Status und Selbtbestimmung der KL. Gibt sie sich nämlich mit ihrer Rolle als Stopfgans der Sprachwissenschaft zufrieden, die, ihrer Freiheit beraubt, linguistisches Mischfutter aller Art wahllos zu verschlingen hat, so verspielt sie die Chance, sich zu emanzipieren und gleichrangig mit anderen D is z ip lin e n d ie ihr g eb ü h re n d e P o s itio n im G esa m tgefü g e d er Sprachwissenschaft einzunehmen. Sie steht jetzt meines Erachtens am Scheideweg und muss wohl endgültig zwischen den Alternativen wählen, sich entweder zum eng beschränkten Aufgabenbereich der bloßen Auflistung und Inventarisierung von interlingualen Identitäten und Kontrasten zu bekennen und sich damit als untergeordnete Hilfswissenschaft anderer linguistischer Disziplinen zu deklarieren, oder aber sich voll dazu zu bekennen, dass sie über ihren Beitrag zur Sprachtypologie und zur linguistischen Theoriebildung hinausgehend auch an der Präzisierung der Beschreibung von Einzelsprachen einen wichtigen Anteil hat bzw. zumindest zukünftig haben sollte.

In letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die sich explizit dafür aussprechen, dass die KL auch wichtige deskriptive Aufgaben übernehmen und sich auch um die Präzisierung der deskriptiven Adäquatheit im Bereich der jeweils untersuchten Phänomene bemühen sollte. In diesem Zusammenhang spricht die serbische Sprachwissenschaftlerin Radmila Dordevic bereits 1989 von der deskriptiven Funktion der kontrastiven Analyse:

(...) dopuna, upotpunjavanje ili poboljäanje opisa pojedinaCnih jezika koji se kontrastiraju, sto se moze nazvati deskriptivnom funkcijom kontrastivne analize. [[...]

Ergänzung, Vervollständigung oder Verbesserung der Beschreibung der einzelnen verglichenen Sprachen, was als die deskriptive Funktion der kontrastiven Analyse bezeichnet werden kann.] (Dordevic 1989: 573)

In einem Aufsatz zu den Kasus im Deutschen und Russischen schreibt die Germanistin Christa Dürscheid 1998 Folgendes über die Funktionen der kontrastiven Analyse:

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Es [d.h. das kontrastive Vorgehen] hat zum einen den Vorteil, daß die Rezipienten (hier der Leser, dort der Zuhörer) die spezifischen Eigenarten des zu beschreibenden Phänomens besser verstehen, zum ändern ermöglicht es eine Reflexion über die Regularitäten der eigenen Sprache, also sozusagen - um ein Bild von Ernst Bloch aufzugreifen - ‘einen Blick von außen ins eigene Zimmer’. (Dürscheid 1998: 100)

Kennzeichend ist, dass die o.a. W orte von einer Inlandsgermanistin stammen. Dies soll als Zeichen für ein zunehmendes Interesse an der deskriptiven Funktion des Sprachvergleichs gedeutet werden.