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Kinder- und Jugendliteratur im Fremd- und Zweitsprachenunterricht

In document Cathedra Magistrorum 2013/2014 (Pldal 98-102)

Mehrsprachigkeit in der Kinder- und Jugendliteratur

1. Kinder- und Jugendliteratur im Fremd- und Zweitsprachenunterricht

1. Kinder- und Jugendliteratur im Fremd- und Zweitsprachenunterricht

Der Begriff Kinder- und Jugendliteratur umfasst viele verschiedene Texte und Buchgenres (z.B. Bilderbücher, Kinderlyrik, Adoleszenzroman usw.). Meistens werden Texte für Kinder bis zum Alter von 12 Jahren als Kinderliteratur be-zeichnet und Texte für ältere Kinder als Jugendliteratur (vgl. Ewers 2000: 13f.).

Innerhalb der Gesamtbezeichnung Kinder- und Jugendliteratur weist Hans-Heino Ewers auf eine Vielzahl historisch und aktuell verwendeter Termini zur Bezeichnung von Kinder- und Jugendliteratur und eine damit korres-pondierende „tiefgreifende Inhomogenität des Gegenstandes“ (Ewers 2000b:

2) hin. Zur Gegenstandseingrenzung eignen sich Definitionen, die sich auf die literarische Handlungsebene beziehen. Im Gegensatz zu textbezogenen Definitionen sind sie nicht normativ und fassen Kinder- und Jugendliteratur somit möglichst weit (vgl. Ewers 2000b: 3ff. und 2012: 119ff.; Kast 1985: 17).

Drei grundlegende Bezeichnungen, die im theoretischen Diskurs zur Kinder- und Jugendliteratur häufig verwendet werden, sind:

(faktische) Kinder- und Jugendlektüre: von Kindern und Jugendlichen tatsächlich gelesene Literatur

intentionale Kinder- und Jugendliteratur: Literatur, die Kinder und Ju-gendliche nach den Vorstellungen von Erwachsenen lesen sollten

spezifi sche Kinder- und Jugendliteratur: von Autorinnen und Autoren für Kinder und Jugendliche verfasste Literatur (vgl. Eder 2007: 286;

Ewers 2000: 3ff . sowie deutlich modifi ziert in 2012: 14ff ; O’Sullivan/

Rösler 2013: 26f. u.a.).

Im DaF- und DaZ-Kontext wurden schon in den 1980er Jahren Vorschläge zum lernwirksamen Einsatz von Kinder- und Jugendliteratur publiziert (vgl.

etwa für DaF: Kast 1985 und für DaZ: Belke/Lypp 1985). Die damals initi-ierte Beschäftigung mit der Thematik wurde in den letzten Jahrzehnten zwar nur fragmentarisch, aber doch kontinuierlich weitergeführt (vgl. u.a. Fremd-sprache Deutsch 1994 und 20021; ÖDaF-Mitteilungen 2000). Und seit 1997 widmen die Initiatoren der Internationalen Tagung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer (IDT) dem Thema sogar regelmäßig eine eigene Sekti-on. Einzelne Institute begannen bereits in den 1980er Jahren, entsprechende Lehrschwerpunkte auch in die universitäre Ausbildung von Lehrenden zu integrieren. Beispielsweise initiierte eine niederländische Arbeitsgruppe, die sich aus Vertretern des Goethe-Instituts Amsterdam zusammensetzte, die Integration eines Curriculum-Bausteins Jugendliteratur in den Studiengang Deutsch als Fremdsprache. Entsprechende Lehrveranstaltungen gehören heute an einigen Universitäten (u.a. Dresden, Erlangen, Gießen, Hamburg, Jena, Trier, Wien) zum Lehrangebot.

Weil Fremd- und Zweitsprachelehrkräfte ihre Lernenden als Leserinnen und Leser im Auge haben, heben sie vielfach die sprachliche Einfachheit von

1 In diesem Heft wurde auch eine Didaktisierung zu Erich Kästners Kinderroman Das fliegende Klassenzimmer abgedruckt. Sie wurde von Dr. Ilona Feld-Knapp, der Herausgeberin dieses Bandes, erstellt.

Kinder- und Jugendliteratur als deren besonderen Vorzug hervor. Aber nicht jeder Text der Kinder- und Jugendliteratur ist einfach:

Die Kinderliteraturforschung registriert den zunehmenden Eingang von Tech-niken und Gestaltungsmitteln des psychologischen und des modernen Romans in die Kinderliteratur, die Auflösung konstanter Erzählinstanzen zugunsten von Ich-Erzählung und personalem Erzählen, Perspektivenwechsel, Montage, innerer Monolog, Bewusstseinsstrom usw. [...] Unsicherheit und Ambivalenz statt Gewissheit [...], Vielfalt statt Einfachheit, [...] Veränderungen innerhalb der Gattungen bis hin zur Verwischung der Gattungsgrenzen sowie formale Experimentierfreudigkeit zeichnen die neue literarische Kinderliteratur aus.

Experimentelle Formen der Literatur sowie Metafiktionen [...] überschreiten das, was in Nordwesteuropa früher als Grenzen der Zumutbarkeit oder Akzeptabilität in der Kinderliteratur galt [...]. Metafiktionale Elemente lenken die Aufmerksam-keit auf den Kunstchararkter, aber vor allem auf das spielerische Moment von Literatur, auf Fiktion als elaboriertes Spiel mit sprachlichen und narrativen Codes und Konventionen (O’Sullivan 2000: 66f. und O’Sullivan/Rösler 2013: 28f.; vgl.

dazu auch Eder 2007: 287ff.).

Und auch einfache Texte sind in Wahrheit oft komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Die Literaturwissenschafterin Maria Lypp prägte in diesem Zusammenhang den Begriff der Einfachheit als Kategorie der Kinder- und Jugendliteratur (vgl. Lypp 1984, 1994/1995). Innerhalb dieser Kategorie un-terscheidet Lypp verschiedene Formen der Komplexitätsreduzierung (vgl.

Eder 2007: 290). Lypp zufolge entsteht durch die reflektierte Vereinfachung komplexer innerer und äußerer Realität, die mit entsprechend vereinfachten sprachlichen und literarischen Mitteln umgesetzt wird, bisweilen eine be-sondere Spannung, und diese Spannung macht das spezifische ästhetische Potenzial der Kinderliteratur aus (vgl. Lypp 1994/1995: 45). Aufgrund dieser komplexen Einfachheit von Kinder- und Jugendliteratur können die Lernenden bei der Arbeit mit diesen Texten die Vielfalt sprachlicher und literarischer Ausdrucksmöglichkeiten auch in der Fremd- oder Zweitsprache erfahren und nachvollziehen (vgl. dazu im Detail Eder 2007: 290ff. und Eder 2010: 1579).

Wenn die jeweiligen Texte sorgfältig und dem Lernkontext entsprechend ausgewählt werden, kann Kinder- und Jugendliteratur auch im Unterricht mit erwachsenen Lernenden sinnvoll eingesetzt werden.2 Besondere Möglich-keiten hierfür bietet Kinder- und Jugendliteratur mit Mehrfachadressierung (vgl. Eder 2007: 293ff., Ewers 2012: 57ff. und O’Sullivan/Rösler 2013: 83ff.).

Zehra Ipsiroglu – die Autorin des Kinderromans Das Nashornspiel, auf den

2 Das beweist etwa Nirredatiningtyas Rinaju Purnomowulan, die in ihrem Deutschunterricht mit indonesischen Studierenden Bilderbücher verwendet, um landeskundliche Informationen zu vermitteln (Purnomowulan 2013).

später (vgl. Kapitel 2.1) noch genauer eingegangen werden soll – beschreibt die Mehrfachadressierung ihres Romans sehr anschaulich:

Durch die Doppelperspektive hat das Buch [...] den Anspruch, den Erwachsenen-Leser genauso anzusprechen wie den kindlichen Erwachsenen-Leser, was wiederum in der Einleitung auf einer Metaebene thematisiert wird. Die Autorin, gerade mit dem Buch fertig geworden, bekommt einen unerwarteten Besuch. Ein paar aus dem Buch herausgesprungene unangenehme Figuren schreien sie an, sie würde sie mit so einem Schmarren, der weder ein Kinderbuch noch ein Erwachsenenbuch sei, auf den Arm nehmen. Als sie sich verzweifelt gegen sie wehrt, sieht sie plötzlich ein kleines Mädchen, Zeynep, die ihr zulächelt. Beim genauen Hinschauen sieht sie eine Frau von fünfzig Jahren: Ist es etwa Zeyneps Großmutter? Und plötzlich wird ihr klar, für wen sie geschrieben hat, egal ob elf oder einundfünfzig, das Alter spielt da gar keine Rolle, Hauptsache sei, innen drin im Leser, der Leserin steckt ein frisches, lebendiges Kind. (Ipsiroglu 2003: 123; vgl. Ipsiroglu 1997: 9) Das große, für unterschiedliche Altersgruppen differenziert verwertbare Potenzial der Kinder- und Jugendliteratur kann hier nur angedeutet werden.

Um dieses Potenzial entsprechend nützen zu können, müssen Lehrende zu-nächst Zugang zu dem hierfür notwendigen Lehrerwissen bekommen. Die breite Einführung entsprechender literaturdidaktischer Lehrveranstaltungen in der Ausbildung von Fremd- und Zweitsprachenlehrkräften wäre ein erster Schritt in diese Richtung.

Dabei muss deutlich zwischen fremd- und zweitsprachigen Lernkontexten unterschieden werden, denn die Rahmenbedingungen für das Sprachenlernen sind hier grundlegend verschieden:

Eine Fremdsprache wird meist im schulischen Kontext gelernt und ist ein Unterrichtsfach unter vielen. Für Zweitsprachenlernende ist demgegenüber die Zielsprache ein Kommunikationsmittel, das in ihrer Alltagskommunikation eine zentrale Rolle einnimmt. Als Amts- und Unterrichtssprache bestimmt sie den gesamten Bildungserfolg und die berufliche Zukunft der Lernenden.

Zweitspracherwerb erfolgt überwiegend ungesteuert und außerhalb des Un-terrichts, und die Zweitsprache wird – wenn überhaupt – nur partiell und ergänzend im Unterricht vermittelt, während Fremdsprachenlernende sich die Zielsprache in den meisten Sprachlernzusammenhängen gesteuert und im institutionellen Kontext aneignen. Aus diesen besonderen Lernsituati-onen ergeben sich spezifische Lernschwierigkeiten und Defizite: So haben Fremdsprachenlernende zunächst oft wenig Gelegenheit zur authentischen mündlichen Interaktion in der Fremdsprache. Zweitsprachenlernende sind deshalb im Bereich der alltäglichen Kommunikation zunächst deutlich im Vorteil, was allerdings vielfach deren spezifische Schwierigkeiten im Zusam-menhang mit dem Verständnis komplexer, bildungssprachlicher Textualität

verdecken (vgl. Gogolin 2007 u.a.).3 Ein Grund für die Schwierigkeiten von Zweitsprachenlernenden beim Erwerb von Cognitive Academic Language Proficiency ist, dass sie ihre Erstsprache häufig nicht als Schriftsprache erlernt haben und die entsprechenden Grundlagen somit in der Zweitsprache erst ausbilden müssen.

Auch die sprachliche Zusammensetzung der fremd- bzw. zweitsprachigen Lernendengruppen unterscheidet sich deutlich: In vielen Fremdsprachen-lernkontexten kann von einer gemeinsamen Erstsprache der Lernenden aus-gegangen werden, die zumeist auch die Lehrkraft beherrscht. Demgegenüber wird die Zweitsprache oft in sprachlich heterogenen Gruppen erworben und erlernt: Im schulischen Kontext ist Zweitsprachenunterricht meist in den re-gulären Unterricht integriert, wo Lernende, die die Zielsprache als Erstsprache sprechen, gemeinsam mit Zweitsprachenlernenden unterrichtet werden, die zudem unterschiedliche Erstsprachen in den Unterricht einbringen. Diese divergierenden Rahmenbedingungen machen eine entsprechende didaktische Aufarbeitung mehrsprachiger Kinder- und Jugendliteratur notwendig, die sich an den jeweiligen Spracherwerbs- bzw. Sprachlernkontexten orientiert.

2. Verschiedene Formen mehrsprachiger Kinder- und

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