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Aktuelle Herausforderungen für die schulische Sprachlehrpraxis und die universitäre

In document Cathedra Magistrorum 2013/2014 (Pldal 192-196)

Sprachlern- und Transferwissen zwischen Sprachen als Formen transnationalen Humankapitals

2. Aktuelle Herausforderungen für die schulische Sprachlehrpraxis und die universitäre

Sprachlehrerausbildung

2.1. Globalisierung und Transnationalisierung

Globalisierung wird von zahlreichen wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und sozialen Theorien interpretiert und definiert. Ein Großteil der Sekundär-literatur handelt von den politischen, wirtschaftlichen und technologischen Aspekten der Globalisierung, während die Untersuchung der kulturellen und sozialen Aspekte ebenfalls einen großen und wachsenden Teil der Literatur bildet (z.B. Dean und Ritzer 2012: 545ff.). Connell (2007: 63) bemerkt je-doch, dass sogar große Theoretiker der Globalisierung bei der Entwicklung ihrer Theorien sich nicht auf das nicht-westliche und nicht-urbane soziale Denken beziehen. Obwohl die Sekundärliteratur zum Thema Globalisierung umfangreich ist und eine noch größere Zahl der Sekundärliteratur existiert, die Schlussfolgerungen daraus ableitet, sind diese jedoch in der Regel nicht global-bewusst ausgerichtet.

Globalisierungsstudien und diejenigen Forschungen, die Globalisierung als Rahmen für ihre Analyse verwenden, neigen dazu, bestimmte Aspekte der Globalisierung als besonders wichtig zu betonen. Dazu gehören zum Beispiel die veränderte Rolle und Autorität der Nationalstaaten, die Rolle der multinationalen Konzerne, die Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen der Umwelt, die Anwesenheit der globalen Ungleichgewichte und die Rolle, die die Technologie in der Globalisierung spielt. Es ist auch wichtig zu beach-ten, dass Globalisierungstheorien Dichotomien wie z.B. global/lokal, globaler Norden/globaler Süden, Homogenität/Heterogenität usw. aufgestellt haben, die den Diskurs gestaltend beeinflussen.

Mit Hinsicht auf die Auswirkung der Globalisierung auf das Bildungswesen werden hauptsächlich folgende Themen diskutiert:

(1) die universelle Verbreitung des Modells des nationalstaatlich geförder-ten öff entlichen Bildungssystems (z.B. Adick 1992, Ramirez/Boli 1987, Meyer et al. 1992)

(2) die wandelnde Rolle der Nationalstaaten im Hinblick auf die Regu-lierung und Kontrolle des Bildungswesens, was ein Ergebnis der He-rausbildung eines internationalen Bildungsstandards, als auch der in-ternationalen Qualitätsvergleiche in Form von Leistungstests ist (z.B.

Mortimore 2001 mit einschlägigen Hinweisen)

(3) internationale Konvergenzen im Hochschulbereich (z.B. Masschelein/

Simons 2005)

(4) die Ausbreitung von supranationalen, internationalen und transnati-onalen Bildungsprogrammen und Institutionen (z.B. Hornberg 2010 mit einschlägigen Hinweisen)

(5) Marktliberalisierung und die Einfl üsse der Prinzipien des freien Mark-tes auf Bildung (z.B. Peters/Besley 2006, Ward 2012)

(6) durch internationale Migration hervorgerufene Heterogenität der Ge-sellschaft und der Schülerschaft (z.B. Suarez-Orozco 2001, McAndrew 2007)

(7) Th emen der globalen Bildung (z.B. Adick 2002 Treml 1996; Seitz 2002;

Standish 2012)

(8) Auswirkungen der verbesserten Transport- und Kommunikationsver-bindungen auf die Gesellschaft und das Bildungswesen (z.B. E-Lear-ning- Literatur).

Ein Teil des Globalisierungsdiskurses ist die Infragestellung des Nationalstaa-tes und der nationalen Gesellschaften als der einzige und exklusive Kontext von gesellschaftlichen Phänomenen. Die soziologische und anthropologische Migrationsforschung der 1990er Jahre führt das Konzept der Transnationali-sierung in die sozialwissenschaftliche Forschung erneut ein.2 Dieses Konzept versucht plurilokale Prozesse und soziale Strukturen jenseits der nationalen Grenzen zu erfassen. Es kann aber grundsätzliche Probleme des nationalen Bezugsrahmens – Container-Verständnis und die vorrangige Bedeutung von Räumlichkeit (im Sinne von Flächenraum) für soziale Strukturierung – selbst auch nicht überwinden und bleibt daher nur ein Ergänzungsprogramm zu dem etablierten nationalen Rahmen (Bommes 2002: 98). Später führt das Transnati-onalisierungskonzept zu einem Paradigmenwechsel der Sozialwissenschaften, der sich in methodologischer Hinsicht in der systematischen Infragestellung des nationalstaatlichen Containerkonzeptes und in einem vertieften Fokus

2 Der Begriff „transnational“ hat eine lange Geschichte, die in seinem Wörterbucheintrag

„Transnational“ von Pierre-Yves Saunier (2009) detailliert analysiert und beschrieben wird.

auf Transfer und Austausch und auf Vergesellschaftungsformen, anders als die nationale, realisiert (vgl. Amelina/Faist 2012).

In der Sekundärliteratur aus verschiedenen Disziplinen (Soziologie, Anth-ropologie, Erziehungswissenschaft etc.) trifft man oft darauf, dass das Glo-balisierungs- und Transnationalisierungsphänomen als etwas genuin Neues erscheint. Die geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Globalisierungs- und Transnationalisierungsphänomen lässt aber die neu erscheinenden Teilaspekte des Phänomens in einem längeren historischen Prozess verorten. Engel und Middell (2005) sowie Middell und Naumann (2010) konzeptualisieren das Globalisierungs- und Transnationalisierungsphä-nomen als verschiedene Formen von Raumbezügen wie dem des nationalen Raumbezugs. Nach den Autoren lässt sich die heutige Welt durch eine Koprä-senz von Raumbezügen charakterisieren, wobei die Hierarchie zwischen dem Lokalen, Nationalen, Regionalen, Transnationalen und Globalen neugeordnet wird (Engel/Middell 2005: 5). Der räumliche Bezug von wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Handlungen und Interaktionen befindet sich in einem Neuordnungsprozess. Die Autoren betonen das historische Her-vorgebrachtsein von Raumordnungen des Nationalen, Transnationalen und Globalen (ebd., S. 18) und lenken die Aufmerksamkeit auf die Dialektik von zunehmenden Verflechtungen und Interaktionen bzw. deren Kontrolle und Steuerung (Middell/Naumann 2010: 162). Diese theoretische Annäherung ermöglicht das Platzieren der heutigen Globalisierungs- und Transnationali-sierungsforschung entlang eines historischen Kontinuums, was u.a. zur besse-ren Identifizierung und Überwindung des nationalen Blickwinkels beitragen kann. Andererseits ermöglicht diese theoretische Annäherung mit Fokus auf Raumbezüge und ihren ausgehandelten Charakter, das Globalisierungs- und Transnationalisierungsphänomen empirisch und analytisch zu erfassen.

2.2. Der kritische Ansatz des Methodologischen Nationalismus und dessen Anwendung in der schulischen Fremdsprachenlehrpraxis und universitären Fremdsprachenlehrerausbildung

Erkenntnisse der Globalisierungs- und Transnationalisierungsforschung ha-ben ihren verändernden Einfluss auf die wissenschaftstheoretische Eha-bene der Sozialwissenschaften ausgeübt: Methodologischer Nationalismus meint den Anspruch auf eine systematische Auseinandersetzung mit der Rolle der Nationalstaaten und der Konzeptualisierung von Gesellschaften, angesiedelt im territorial definierten, nationalen Container. Unter dem Stichwort metho-dologischer Nationalismus fassen Wimmer und Glick-Schiller drei Aspekte zusammen:

1) ignoring or disregarding the fundamental importance of nationalism for modern societies; this is often combined with 2) naturalization, i.e., taking for granted that the boundaries of the nation-state delimit and define the unit of analyis; 3) territorial limitation which confines the study of social processes to the political and geographic boundaries of a particular nation-state. (Wimmer/

Glick-Schiller 2003:577f.)

Der erste Aspekt besagt, dass soziale Phänomene vor allem im nationalstaat-lichen Rahmen kontextualisiert bzw. auf ihre nationalstaatliche Relevanz hin analysiert werden.

Der zweite Aspekt zeigt, dass Gesellschaft mit der nationalen Gesellschaft gleichgesetzt wird. Demzufolge werden soziale Phänomene innerhalb den Grenzen der nationalgesellschaftlichen Rahmen definiert und interpretiert.

Der dritte Aspekt setzt die nationale Gesellschaft mit dem Flächenraum des Nationalstaates gleich und geht demzufolge an soziale Phänomene mit einer klaren territorialen Begrenzung heran.

Diese epistemologische Kritik ist für die schulische Praxis des Fremdspra-chenunterrichts und die universitäre (Fremdsprachen)Lehrerausbildung in mindestens drei Hinsichten relevant:

(1) Bei der Zielsetzung und Inhaltsauswahl operieren diese Praxen mit der Annahme, dass eine Gesellschaft mit der Nationalgesellschaft au-tomatisch gleichgestellt werden kann. Die Zielsetzung und Inhalts-auswahl versäumen also oft andere Vergesellschaft ungsformen, wie supranationale (z.B. Europäische Union), regionale (Visegrád-Länder, Ostmitteleuropa)3 oder globale (Weltgesellschaft ), als Bezugsrahmen gleich zu berücksichtigen.

(2) Der Schüler und der Fremdsprachenlehramtstudent werden vor allem als Bürger eines Nationalstaates, in dem sein Unterricht bzw. seine

Aus-3 Der Begriff Ost- und Mitteleuropa (auch: Ost(Mittel)Europa, Ost-Mittel-Europa etc.) hat histo-rische, politische und geographische Dimensionen und seine Definition kann über Zeit und Raum variieren. In der Tat, wie auch andere Begriffe wie westlich, zentral, Ost, Norden oder Süden, hat auch die Region mit der Bezeichnung Ost-Mittel- verschiedene gültige Definitionen.

Eine Definition von P. Magocsi lautet (die politischen Veränderungen seit der Veröffentlichung der zitierten Quelle dürften die Situation mittlerweile bereits gewissermaßen verändert haben):

„East Central Europe as the lands between the linguistic frontiers of the German- and Italian speaking peoples on the west and the political boundaries of the former Soviet Union on the east. The north-south parameters are the Baltic and Mediterranean Seas. [...] At present this compromises the countries of Poland, the Czech Republic, Slovakia, Hungary, Romania, Slovenia, Croatia, Bosnia-Hercegovina, Yugoslavia, Macedonia, Albania, Bulgaria, and Greece [...] the eastern part of Germany (historic Mecklenburg, Brandenburg, Prussia, Saxony, and Lusatia), Bavaria, Austria, and northeastern Italy (historic Venetia), and towards the east, the lands of historic Poland-Lithuania (present day Lithuania, Belarus, and Ukraine up to the Dnieper river), Moldova and western Anatolia in Turkey.“ (Magocsi 2002: xi).

bildung stattfi ndet, defi niert. Demzufolge bereitet der Unterricht den Schüler vor allem auf eine Teilnahme an der nationalen Gesellschaft und den Fremdsprachenlehramtstudenten auf eine Arbeitspraxis im nationalen Schulsystem vor.4 Die Vorbereitung für weitere Vergesell-schaft ungsformen mit einem anderen Raumbezug als dem Nationalen fi ndet (eher) nicht statt.

Gesellschaft en und ihre Mitglieder werden vor allem in territorial klar begrenzten Nationalstaaten als sesshaft konzeptualisiert (Malkki 1992). Darum gelten Mobilität und Migration als etwas Außergewöhn-liches und dementsprechend als nicht zu dem Normalzustand Gehö-rendes. Die potenzielle (zukünft ige) internationale Mobilität und Mi-gration5 von Schülern und Lehrkräft en wird im Unterricht und in der Ausbildung demzufolge nicht berücksichtigt.

(3) Wir können feststellen, dass Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die eine Person zur Mobilität und Migration befähigen, nur beschränkt Kerninhalte der Praxis im schulischen Fremdsprachenunterricht sowie in der universitären (Fremdsprachen)Lehrerausbildung bilden. Wenn man internationale Mobilität und Migration nicht ausschließlich als Zwang, sondern auch als eine individuelle Strategie zur Maximalisie-rung von Möglichkeiten und Chancen konzeptualisiert, scheint diese schulische und universitäre Einstellung zu kurz zu kommen.

Im letzten Teil des Artikels wird auf einige Vorschläge eingegangen, wie schu-lische Fremdsprachenlehrpraxis und die universitäre (Fremdsprachen)Leh-rerausbildung diese drei Punkte effektiv verändern können. Zunächst soll jedoch das Konzept des transnationalen Humankapitals vorgestellt werden.

In document Cathedra Magistrorum 2013/2014 (Pldal 192-196)