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Zur Arbeit mit Mischtexten im Fremd- und Zweitsprachenunterricht Die Begriffe interlingualer Text, Mischtext und Sprachmischung bezeichnen

In document Cathedra Magistrorum 2013/2014 (Pldal 109-113)

Mehrsprachigkeit in der Kinder- und Jugendliteratur

2. Verschiedene Formen mehrsprachiger Kinder- und Jugendliteratur

2.2. Zur Arbeit mit Mischtexten im Fremd- und Zweitsprachenunterricht Die Begriffe interlingualer Text, Mischtext und Sprachmischung bezeichnen

innertextlich plurilinguale Texte, also Texte, in denen einzelne Textelemente in verschiedenen Sprachen verfasst sind (vgl. Eder 2009: 22ff.). Während es bei parallel mehrsprachigen Texten möglich ist, anderssprachige Textteile zu übergehen, konfrontieren Sprachmischungen die Lesenden in jedem Fall direkt mit anderen Sprachen. Wollen die Lesenden den Text bis ins Detail verste-hen, so müssen sie „sich durch den fremdsprachigen Teil hindurchkämpfen“

(Butzkamm 1989: 210). Auch Sprachmischungen gibt es in der Kinder- und Jugendliteratur bereits sehr lange: schon um 1500 wurde vereinzelt Kinder- und Jugendliteratur mit mischsprachigen Passagen publiziert (vgl. Eder 2009: 24ff.).

Um auch Lesenden, die andere, in mischsprachigen Texten verwendete Spra-chen (noch) nicht verstehen, die Möglichkeit zu geben, dem Text Sinn zu ent-nehmen, ist in interlingualer Kinder- und Jugendliteratur der Haupttext meist weitgehend sprachlich homogen und nur einzelne Wörter oder Wendungen werden in einer anderen Sprache (bzw. in anderen Sprachen) wiedergegeben.

Das Bilderbuch Hilfe! Help! Aiuto! von Basil Schader und Jürg Obrist (1999) ist ein Beispiel dafür: Einzelne Wörter und Höflichkeitsformen in diversen Migrationsminderheitensprachen sowie in den Sprachen, denen Kinder bereits in der Volksschule im Rahmen des frühen Fremdsprachenlernens begegnen,

14 Vgl. Lehrplanbestimmungen 2012: 12; Österreichischer Buchklub der Jugend o.J.: 7ff. – Für um-fassende Informationen zur Arbeit mit Wörterbüchern im Unterricht DaF/DaZ vgl. Kühn 1994.

15 Vgl. Auskunft von Elfie Fleck, bm:ukk, Abt. I/5a, Referat für Migration und Schule vom 26.

Mai 2011.

sind in den Text integriert. Zudem befindet sich im didaktischen Beiheft der gesamte Text in allen Sprachen, die neben Deutsch im Buch vorkommen (Albanisch, Bosnisch / Kroatisch / Serbisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch und Türkisch). Der Sprachdidaktiker Schader konzi-pierte diesen Erstlesetext als Language-Awareness-Bilderbuch für die Grund-stufe. Entsprechend gibt bereits das Bilderbuch selbst Anregungen für einen aufmerksamen, bewussten und kreativen Umgang mit Sprachen und Varietäten (vgl. Kapitel 5). Zum Beispiel begrüßen die ProtagonistInnen einander jeden Tag in ihren Erstsprachen und sie sammeln Hundewörter in verschiedenen Sprachen. Diese Anregungen greift Schader in einem ausführlichen didakti-schen Begleitheft auf und macht auch darüber hinaus zahlreiche Vorschläge zur Arbeit mit seinem Buch (vgl. etwa Schader 1999: 20f. und 26f.). In Bezug auf die Hundewörtersammlung im Bilderbuch schlägt Schader etwa vor, die verschiedenen Übersetzungen des Wortes Hund miteinander zu vergleichen.

So können Kinder bereits in der Grundstufe selbst entdecken, dass die Spra-chen bestimmter Sprachfamilien im Bereich der Lexik deutliche Ähnlichkeiten aufweisen: Konkret ähneln sich beispielsweise die Bezeichnungen für „Hund“

in den slawischen Sprachen Tschechisch (pes) und in Bosnisch, Kroatisch und Serbisch (in all diesen Sprachen: pas). Neben solchen Unterrichtsvor-schlägen zur aufmerksamen Sprachbetrachtung ist in Schaders didaktischem Beiheft der gesamte Text in allen Sprachen abgedruckt, die neben Deutsch im Buch vorkommen (Albanisch, Bosnisch / Kroatisch / Serbisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch und Türkisch), was weitere Sprachvergleiche möglich macht, die über die Lexik hinausgehen (vgl. dazu u.a. Eder 2013a: 43). Schaders methodische Hinweise betreffen einerseits die adäquate Förderung von Lesefreude, Sprachbewusstheit und Sprachreflexion, andererseits die Unterstützung eines elementaren Deutscherwerbs bei Kindern mit geringen Deutschkenntnissen sowie Überlegungen zum sinnvollen Einsatz der Übersetzungen im Unterricht (Eder 2013a: 41f.).

Wie das folgende Textbeispiel zeigt, ist Hilfe! Help! Aiuto! in der Schweizer Standardvarietät der deutschen Sprache verfasst:

Als Fi in die Schule kam, verstand sie nicht alle Kinder.

Jedes brachte

besondere Wörter mit.

Flo sagte dem Apfel Öpfu.

Luca sagte dem Buch Libro.

Und Mirko sagte dem Tisch sogar Stol.

(Schader/Obrist 1999: 5)

Deutsche und österreichische Autorinnen und Autoren würden diesen Satz anders formulieren: Der bundesdeutschen und österreichischen Standardva-rietät der deutschen Sprache entsprechend würden sie schreiben „Flo nannte den Apfel Öpflu“ oder „Luca sagte zum Buch Libro“. Lehrkräfte können an-hand dieses Bilderbuchs die Plurizentrik von Sprachen ansprechen. Schader selbst aber thematisiert in seiner umfangreichen Didaktisierung zu diesem Buch zwar die innere Mehrsprachigkeit des Deutschen und geht in diesem Zusammenhang auf verschiedene Schweizer Dialekte ein, die hier zitierte und nur im Schweizer Standarddeutsch gebräuchliche grammatikalische Form er-wähnt er in diesem Zusammenhang aber mit keinem Wort. Dabei eignen sich Texte, in denen die innere Vielfältigkeit einer Sprache auf unterschiedlichen Sprachebenen (Standardvarietäten, Umgangssprachen, Dialekte, Soziolekte, Ethnolekte usw.) erlebbar wird, ausgesprochen gut dazu, die oftmals als selbst-verständlich betrachteten Annahmen über die eigene(n) Sprache(n) kritisch zu hinterfragen und sich auf diesem Weg einer aufmerksamen und bewussten Auseinandersetzung mit Sprache(n) im Sinne der sozialen und der sprach-kritischen Language Awareness zu nähern (Eder 2011: 175f.; vgl. Kapitel 5.1).

Wird auf Leserinnen und Leser mit ausreichenden rezeptiven Sprach-kenntnissen in mehreren der verwendeten Sprachen fokussiert, so können Sprachmischungen auch so konsequent erfolgen, dass keine der verwendeten Sprachen den Text dominiert. Die entsprechenden Texte sind dann durchgän-gig mehrsprachig konzipiert (vgl. Eder 2009: 24ff; Wintersteiner 2006: 180).

1983 veröffentlichten Emer O’Sullivan16 und Dietmar Rösler17 mit I like you – und du? das erste genuin zweisprachige Jugendbuch der Reihe Rowohlt Rot-fuchs. Es erschien 2007 in seiner 31. Auflage und gehört zu den erfolgreichsten Büchern dieser Rowohlt-Reihe. Bis zum Februar 2007 wurden nach Auskunft von Pia Mortensen (Verlag Rowohlt) 250.000 Exemplare dieses Jugendliteratur-Bestsellers verkauft.18 Inzwischen ist dazu auch ein zweisprachiges Hörbuch erschienen (Jumbo 2007). Das folgende Textbeispiel aus I like you – und du?

macht die Ausgewogenheit der beiden Sprachen im Text deutlich, wobei aller-dings die deutsche Sprache durchwegs die Handlung trägt: Der irische Junge Paddy zieht mit seiner Mutter nach Deutschland. An seinem ersten Schultag wird er vom Klassenvorstand aufgerufen und seiner neuen Klasse vorgestellt:

16 Wie Paddy O’Connor und seine Mutter in I like you – und du? stammt auch O’Sullivan aus Irland.

Neben ihrer Tätigkeit als Autorin arbeitet sie als Professorin für Englische Literaturwissenschaft am Institute of English Studies der Universität Lüneburg. Ihre Habilitationsschrift schrieb sie über Kinderliterarische Komparatistik (O’Sullivan 2000).

17 Dietmar Rösler ist Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Mitglied des Beirats der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung, Mitglied der Redaktion Info DaF und Mitherausgeber der Gießener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik.

18 Leider informierte mich der Verlag Rowohlt nicht über die aktuellen Verkaufszahlen.

„Ich habe gehört, wir haben einen Neuen hier aus Irland. Wo ist er denn?“ Paddy stood up. „Hoffentlich wirst du dich bei uns wohlfühlen. Wie heißt du denn?“

„Paddy O’Connor, sir.” Paddy couldn’t help it. You always answered questions with sir – unless a priest had asked. Then you said brother or father. Alle lachten. „Der Mache kommt sich jetzt bestimmt wie ein englischer Lord mit nem Schloss vor“, rief Theo. „A cup of tea, Sir Mache?” (O’Sullivan/Rösler 2007: 35f.)

Das Jugendbuch I like you – und du? wurde nicht als Schullektüre für den Fremdsprachenunterricht konzipiert und es gibt daher auch keine Vokabel-listen und Lehrerhandreichungen dazu. Dennoch wird das Buch aber vielfach als Unterrichtslektüre verwendet (vgl. Eder 2009: 41). Jörg Knobloch erstellte etwa für eine 9. Hauptschulklasse einen Unterrichtsvorschlag zur fächer-übergreifenden Erarbeitung des Buches in den Unterrichtsfächern Deutsch und Englisch, der sich an den didaktischen Konzepten des Projektunterrichts und der Freiarbeit orientiert. Er gliedert in diesem Didaktisierungsvorschlag die Auseinandersetzung mit dem Text in drei Arbeitsphasen: Die Jugendli-chen lesen den Text zunächst selbständig und fassen dann einzelne Kapitel erzählend zusammen.19 In der zweiten Phase kommentieren und diskutieren sie den Text. Knobloch greift dabei bewusst die bereits von O’Sullivan und Rösler hervorgehobenen, durch die Lektüre ganz selbstverständlich ins Be-wusstsein gerückten Kontexte des Fremdverstehens und der vergleichenden Landeskunde auf: Interkulturelle Aspekte werden herausgearbeitet und die Jugendlichen durch gezielte Fragen (z.B.: „Wie wäre es, wenn nicht Paddy in Berlin, sondern du in Wicklow, Dublin oder London diese Situation erleben würdest?“) zu Perspektivenwechsel und Empathie angeregt. In der abschließen-den Arbeitsphase verfassen die Lernenabschließen-den arbeitsteilig Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und illustrieren die Geschichte. Texte und Bilder werden in Klassenstärke kopiert und zu einem Buch zusammengefasst. Knoblochs Unterrichtsvorschläge beziehen sich zwar auf die 9. Schulstufe; er betont aber, dass die Lektüre des Buches I like you – und du? in Schulen mit intensivem Englischunterricht bereits ab der 6. Schulstufe erfolgen kann (Knobloch o.J., o.S; vgl. auch Butzkamm 1989: 208; Huth 1997: 135). Schon nach wenigen Jahren Englischunterricht können deutschsprachige Jugendliche die eng-lischsprachigen Textpassagen problemlos verstehen.20 Allerdings ist diese Verständlichkeit nur in eine Richtung gegeben, weshalb der Text sich für

19 Einige lektürebegleitende Arbeitsblätter für die Freiarbeit mit I like you – und du? sind abge-druckt in Knobloch o. J.: o. S.

20 Auch die bei Langenscheidt erscheinende Serie Krimis für Kids richtet sich an Lernende nach ca. zwei Jahren Englischunterricht (vgl. z.B. Zang 2005). Allerdings sind die hier erscheinenden Bücher (etwa durch Übersetzungen sinntragender Wörter auf den einzelnen Seiten) deutlicher auf die Zielgruppe der Sprachlernenden hin ausgerichtet.

englischsprachige Jugendliche, die Deutsch als Fremdsprache lernen, nicht in gleicher Weise als Lektüre eignet. Die deutschen Textteile sorgen dafür, dass die deutschsprachigen Leserinnen und Leser den Faden nicht verlieren, auch wenn ihnen bisweilen einzelne englische Wörter oder sogar längere Textpas-sagen unverständlich bleiben. In den Dialogen sprechen die Figuren oft in ihren jeweiligen Erstsprachen und praktizieren damit konkret jene rezeptive Mehrsprachigkeit, die im Zusammenhang mit der Mehrsprachigkeit Europas in den letzten Jahren vielfach postuliert wurde (vgl. Eder 2009: 43). Wenn die dargestellten Personen die Ideen ihrer Gesprächspartner in authentischer Weise wieder aufnehmen, hilft dieser zugleich stilistische, sprachenpolitische und sprachdidaktische Kunstgriff den deutschsprachigen Jugendlichen, die englischen Textpassagen besser zu verstehen. Die Leserinnen und Leser können deutsch-englische Äquivalenzen im Text erkennen, ohne dass diese explizit übersetzt werden müssten (vgl. Butzkamm 1989: 209f.).

Literarische Sprachmischungen, die in so authentischer und reflektierter Weise zwischen den Sprachen wechseln wie die Jugendbücher von Emer O’Sullivan und Dietmar Rösler, eignen sich hervorragend als Lektüre für

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