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treuer Wegweiser Gesellschafter.

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Ossza meg "treuer Wegweiser Gesellschafter."

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Der feine

Gesellschafter.

treuer Wegweiser Ein

junge Leute für

sich in

Gesellschaft und im Umgange

beliebt zu machen,

und sich in allen vorkommenden Fällen gut und richtig zu benehmen.

Nebst einer Anleitung

Tranchiren und Vorlegen zum

und einem Anhange ganz neuer Gesellschaftsspiele und Pfänderauslösungen.

Nach dem Französischen.

Kaschau, 1827.

Wigand’sche Verlags-Buchhandlung.

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Seite

Wachtel . . . 118

Krammetsvogel. . . —

Ortolan und Feigendrossel . . . . —

Forelle . . . —

Hecht . . . . 1 1 9

Butte oder Scholle . . . —

Barbe . . . 120

Karpfen.. . . —

Neue Gesellschaftsspiele.

1. Die Elemente . . . 121 2. D as Blättchen der Liebe . . . 122 3. Das Vogelhaus. . . 123 4. Der Advokat. . . . 1 2 4 5. Die drey Reiche. . . 127 6. Die Verwandlung . . . .^128 7. Das verworrene Gewäsch . . . — 8 . D e r Secretär. . . 130 9. Die Blumen . . . 131 10. D i e Complimente . . . . 132 11. Die Schranken. . . 134 12. Das Kauderwälsch . . . . 1 3 6 13. Die fliegende Baumwolle . . . ^

14. Der Schmauser . . . . 137

15. Der kranke L öwe . . . . 1 3 9

16. Das W ort . . . ^

17. Madame Angot . . . 141

18. D as wogende Meer . . . . 142 19. D as Liebhaber- Concert . . . 143 2 0 . D a s Reimspiel . . . . . 1 4 4 21. Rette sich wer kann . . . . ^

(7)

Büßungen und Aufgaben.

Seite.

1. Diejenige P erson, welche man am lieb­

sten hat, zu umarmen, ohne daß man es gewahr wird . . . . 147 2. Das possirliche Hin- und Herlaufen . — 3. Seinen Schatten zu küssen . . . ^ 4. Der Blumenstrauß . . . . ^ 5. Ein Compliment zu machen . . 1 ^ 6. Die Vergleichung . . . . ^ 7. Das Testament. . . ^ 8. Die Gedanken . . . 149

9. Die Vermählung . . . . —

10. Sich jemandes Willen zu überlassen . — 11. ^die Verbannung . . . . — 12. J ohann blas das Licht aus . . . 150 13. Die drey Gebrechen . . . . — 14. Die Marionetten . . . . —

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Erstes Kapitel.

Das Wesen der Gesellschaft vom guten Ton, die geselligen Tu‑

genden; die bestehenden Gebräuche und Nothwendigkeit mit diesen sich bekannt zu machen.

G

ute Erziehung u nd persönliche Auszeichnung, mit guten Sitten und mit Rechtlichkeit vereint, scheiden manche M e n schen von den übrigen aus , und bilden so eine besondere Classe derselben, die man die Gesell s c h aft von gutem T o n e zu n ennen pflegt. D ie se ausgezeichnete Gesellschaft müssen w ir sorgfältig auf.

fuchen, w e il in ihrer M itte allein d e r M e n sch die anständigen V ergnügen v ollkommen genießt, welche der Umgang mit feines Gleichen ihm gewähren kann.

Doch wo finden w ir diefe Gesellschaft? — E in fran­ zösischer Schriftsteller, D u c l o s , m eint, daß sie n u r ein schönes H irn g e spinnst seyn könne. E r sagte ,,S ie gleicht so ziemlich einem zerstörten F re i­ staate , dessen Glieder man in jeder M e n schen­ classe, von welcher A r t diefe au ch seyn mag, vor­ findet.^

Hernach fügt

er

noch hinzu t „ D ie Gesell­ schaft von gutem Ton ist unabhängig von R ang und S ta n d , und findet sich n u r unter solchen, die denken und fühlen, ttnd zwar deren Gedanken rich­ tig und deren Gefühle edel sind."

1

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0

Ohne den geistreichen Schriftsteller, dessen W orte ich so eben angeführt habe, tadeln zu w o l len, glaube ich doch, daß er seine Ansicht zu all­ gemein ausgesprochen habe. D e n n , wie er selbst au einer andern Stelle zugesteht, in der niedern Classedes V o lk e s, das beständig mit schw e re r A r­ beit überhäuft ist und von S o rg e n für den tägli­ chen Unterhalt bedrängt wird , haben die G e sell­ schaften keinen andern Zweck, als den, einmal der gewöhnlichen Anstrengu n g sich zu entreissen ; und die Vergnügungen dersilben, wenn sie auch nicht immer den W ohlstand verletzen, können doch n u r selten vou dem gu ten Geschmacke gebilligt werden.

D ie höhern Claffen aber fortwährend mit der leb­ haftesten S o rg e für ihren Reichthum und für ihre Standeserhöhung beschäftigt , bringen in die Z u­ sammeukünfte , welche die einzelneu Glieder der­ selben anstellen, eine umständliche diplomatische F o r m , die denselben eine gewisse feyerliche S t e if­ heit ertheilet, aber n u r zu oft die Freyheit hemmt.

D a s umständliche feyerliche W efen verbannet die Heiterkeit, d ie B e sor g n iß , zu viel zu sageu, und sich durchschauen zu laffeu, das V erlangen , A n­ dere zu durchblickeu, erhält jeden auf seiner H uth, und bewirkt, daß die Gesellschaft in den höhern Ständen sehr wenig Anziehendes für diejenigen hat, welche weder große Entw ürfe für ihren Reichthum machen , noch ehrgeizige Absichten hegen.

Ich habe auch die guten S it te n als nothwen­ diges Erforderniß zu einer Gesellschaft von gutem T o n mit aufgeführt S o l l

ich

wohl erst sageu wa- r u m ? W e i l sie nicht immer in jenen beyden Clas­ sen, von welchen so eben die Rede w a r , gehörig

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beachtet werden ; denn unbekannt in der erstern wer­ den sie oft in der letztern verachtet. D ie Verderbt­ heit , welche unter dem gemeinen Volke oft eine Folge der Unwissenheit und der N oth ist, ist bey den Vornchm ern weit öfter das Refultat einer S p e­ culation und ein M it t e l, sein Glück zu machen.

Einige ziehen V ortheil davon, um zu einem grö­ ßern Vermögen zu gelangen; Andere, um in einer ungewissen und elenden Lage sich zu erhalten.

U ebrigens h a t die B ild u n g der Vornehm en und des gemeinen V o lk s in vielen Stücken mehr Aehn­ lichkeit, als man gewöhnlich denkt. D ie Leute aus den niedern Ständen leben in Unwissenheit, weil es es ihnen an M itte ln fehlt, sich zu unterrichten;

viele Große aber aus Verachtung oder G erin gschä- tzung der W issenschaften; und diefe haben noch obendrein vor den erstern die Lächerlichkeit voraus, daß sie sich gewöhnlich als unterrichtete Leute gel­ tend machen wollen , vielleicht auf Betheuerung ei­ nes frechen und lügenhaften Erziehers, wodurch ihre

Gesellschaft noch mehr als unerträglich wird.

O hne überall und nirgends zu seyn, wie ein gespenstiges W e sen in einem gewissen R om an e, g la u­ b e ich, daß die Gesellschaft von gutem T o n in einer Mittelelasse zu finden ist, wo der Geist durch kein e fclavische Arbeiten niedergedrückt w ird , und wo keine ehrgeizigen Absichten den Kopf verrücken; in derjenigen Classe, die jene anständige Gemächlich­ keit genießet, welche der röm ische Dichter Horaz die goldne Mittelmäßigkeit nennt; welche mit allen Lebensbedürfnissen hinlänglich versehen in U n schuld und R uhe ihre Tage verlebt, und diefe durch a n­ ständige V ergnügungen noch angenehmer zu machen

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sucht; welche die Rechtschassenheit ihrer S ö h n e und die S i t t samkeit ihrer Töchter hoch anrechnet, und diefe eben sowohl durch Tugend als durch Talente aus­ gezeichnet zu sehen w ü n scht. Ih r e Gesellschaften ha­ beu wirklich taufend Reitze. D a findet man keinen übertriebenen Charakter, keine widerstreitende M e i­ nungen; wohl einige N üanzen, aber keine vorherr­ schende Farbe. D ie se s ist es, was in der Gesellschaft, die in diefer achtungswerthen Mittelelasse besteht, sich vorfindet. E s schein t als hätte ein jedes ihrer Glieder etwas von einem jedem andern sich ange­ eignet. Durch einen gewissen W u n sch der Ide en und kleinen Dienstleistungen nähern sich die M e n­ schen einander mehr und mehr in ihrer A r t und W e is e zu sehen und zu fühlen , kommen in Ueber­ einstimmung, und bilden so einen Einklang der E m­ psindungem und Gedanken, der ihre V erein igu ng begründet D e r W u n sch zu gefalleu, welcher nach bestimmten, von allen Gliedern der Gesellschaft an­ genommenen G ru n d sätzen geregelt ist, bewirkt, daß sie die lebhaften Regungen eines zuweilen noch nicht genug verfeinerten N aturels zügeln, gibt ihnen die einnehmenden M an ieren , stößt ihnen die verbind­ lichen Ausdrücke ein und die anhaltende Aufm erk­ samkcit , welche ih n en den B eyfall aller achtbaren Leute erwerben und die den liebenswürdigen M e n­ schen ausmachen.

K an n es wohl ein füßeres V ergnügen geben, welches das Herz mehr m it u a schuldiger Zufrieden­ heit erstellet, ohne dee es kein wahres Glück gibt, als i er Umgang m i t solc h e n P e rson e n , die mit der A nm uth ihres Geistes , mit den Zeichen ihrer B i l­ dung und mit der Reinheit ihrer S itte n dieses edle

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ungezwungene W efen vereinigen, das eben den gu­ ten T o n ausmacht? Höflich ohne lästig, gefällig oh­ ne abgeschmackt zu werden; aufmerksam dag H e r­ kommen zu beobachten, treu befolgend wag eine vernünftige Wohlanständigkeit ihm v o rschreibt, übt der M a n n von gutem T o n eine A rt sittlicher G e­ walt aus , die man ihm gern zugesteht; und schreibt mehr durch sein Betragen alg durch W erte die beson­ d e rn G esetze einer guten Gesellschaft vor, welche an­ zunehmen und zu befolgen jeder sich beeilt.

D e r junge M a n n , welcher eine gute Erziehung bekommen hat, und nun in der W e lt auftretenwill, is t schonm itden gefelligen Tugenden bekannt, die er besitzen m uß, und strebt eiligst sich diejenigen zu ver­ schaffen, die ihm noch abgehen. S in d jene T ugen­ den in seinem Charakter begründet, so wird er bald die übrigen E igenschaften noch erlangen , die sich nur zu entwickeln brauchen, und durch Ausübung dann vollkommen werden.

E r stellt sich mit einer bescheidenen Dreistigkeit dar, eben so weit entfernt von jenem albernen lin­ kischen W e sen, das Lachen erregt, als von der un- verschämten Frechheit, die zurück stößt. B e y gefälli­ gen und natürlichen M anieren zeigt er sich ohne V e r­ legenheit und ohne Ziererei; sein T on ist anständig, und bey der Unterhaltung trägt er seine M e in u n g ohne Eigenliebe und ohne Dünkel vor. V o n sich selbst zu sprechen vermeidet er so viel als möglich, um nicht A lle r Blicke auf sich zu ziehen. Nichts verdient auch mrhe T ad e l, als immer von sich zu reden, um sich Lobeserhebuugen zu machen oder um die Uebri­ ge nzu nö thigen , nur mit dem Verdienste, das m an sich beylegt, sich zu beschäftigen.

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„ W illst du, daß man gutes von dir spricht?

Lobe dich nicht selbst ; laß deine Handlungen reden."

W ä re doch ein jeder ju nge M e n sch bescheiden! B e­

­scheidenheit ist stets die Begleiterin des wahren V e r- dienstes; sie gibt einen neuen G la n z , und erwirbt sicherlich der Andern Achtung.

M i t diefer genannten Tugend muß sich das W o h l- wollen vereinigen, eine E ige n schaft, die in einer edlen S e e le w ü h n t, dieuns antreibt, A lle , d ie uns umgeben, glücklich zu machen, und die unfern M a­ nieren etwas Reitzendes, Einnehmendes und G efäl­ liges ertheilt; die uns vorsichtig macht, um alles zu vermeidet , was bey A ndern traurige E r in n erun­ gen erweckt; die uns lehrt m it B e h u th samkeit unsere Urtheile über Andere auszusprechen und keinen in seinen A n sprüchen zu kränken . Und so geschieht es bey einer wohlbedachten S o rg f a lt , und bey dem W u n sche, Andern zu gefallen, daß w ir einen G e­ w in n erlangen , der sehr schmeichelhaft für die E i- genliebe und höchst ehrenvoll für u n sern Charak­

t e r ist.

B illigkeit, Nachficht, G roßm uth und e in e be­ harrliche Liebe für die W a h rh e it, gehören gleich­ falls unter die gefelligen Tugenden, deren man nicht entbehren kann. D e n n nicht n ur ein offenbarer V o r­ theil empfiehlt fie nns , sondern auch unsere P flich­ ten fordern f i e , und ohne dieselben wird ein M a n n niem als zum Genuß ein er vorzüglichen Achtung ge­ langem

D i e Artigkeit ist nach D u c l o s , „der A u s -

„druck oder das Vorgeben der geselligen;" Tugenden und nach ^ a B r u y e r e , „istdas Wesender Artig-

„keiteine gewisse Ausmerksamkeit, n m z u bewirken,

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„daß durch unfere R^den unddttrch uttfer Benehmen ,,Andere mit uns und mit sich selbst zufrieden sind."

Beyde gleich richtige Erörterungen legen die R ic h­ tigkeit diefer Eigenschaft deutlich an den Tag. And sie macht auch wirklich die gestrigen Tugenden an­ nehmlither und gefälliger, hält dag gute Verständ- niß unter M e n schen, deren Ansichten getheilt sind, aufrecht, u n d schließt u n t e r solchen, dieduechUeber- ein stimmuug des G eschmacks und der Gedanken ein^

ander nahe stehen , die V ereinigung noch fester.

S ie treibt uns zur Verm eidung von allen dem an, was Andern mißfällig seyn könnte , und besitzt ei­ nige Aehnlichkeit mit dem W oh lw o lle n , dessen Stelle sie wohl zuweilen vertreten kann, dem sie aber doch nicht völlig gleich kommt, weil sie manchmal mit einer gewissen Kälte gepaart ist, welche mit dem W ohlw ollen sich durchaus nicht verträgt. lle- brigens gibt die Artigkeit unfern W orten und uu- fern H andlungen auch eine liebenswürdige Glätte, und verschafft ihnen so L ob und B eyfall von A n­ dern.

M a g es nun auch seyn , daß die Artigkeit die gefelligen Tugenden, wenn man diefe nicht wirklich besitzt, vorgeben kann, so darf man doch nicht et- wa glauben , daß sie deren Stelle ganz ersetze, und daß demnach ein artiger M a n n sich nicht um jene zu bewerben brauche. D e nu eine Tugend , die man bloß v o rg ib t, aber nicht wirklich besitzt, hat im^

mer etwas Gezwungenes, und verräth sich so selbst;

man sieht nur ein kaltes mattes A bbild ; unter dem A n schein von W ohlw ollen wird nur zu leicht Selbst- sucht und Leere des Herzens sichtbar. M a n hüthe sich a lso sorgsältig, eme Tugend nur porzugeben.

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W i r müssen uns in den wirklichen Besitz der selben zu setzen suchen , und jedes unferer W orte wird dann eine besondere Em pfehlung seyn , die auf Alle, die uns hören, Eindruck macht, und bewirkt, daß jedes seinen Beyfall uns gerne schenket.

Obgleich w ir die Tugenden nicht bloß vorge­ ben sollen, sondern sie wirkich besitzen und so aus­ übeu müssen t so ist es uns doch keineswegs ver­ w ehrt, alles das nachzuahmen, was uns liebens­ w ürdig und schätzbar an Andern erscheinet, jedoch so , daß unfere Nachahmung nicht fclavisch wird.

W o llte n w ir die S te llu n g e n , die Geberden und den T o n der Stim m e n eines andern M e n schen nach­ machen, so würden w ir z u lä p p ischen u n d erbärm­ lichen H arlekins werden.

A lle s , w as man von Andern annim m t, muß einen Anstrich von Eigentüm lichkeit bekommen, so, daß Andere auf die M e in u n g geführt werden, selbst die angenommenen Eigenschaften feyen uns natürlich. W i r müssen alles eben so thun , wie je­ der gut gebildete M a u n , n u r auf eine uns eigen- thümliche W e is e, dann geschieht es auch, daß un- fere E ige n schaften mit denen, welche Andere besi- tzen.^ auf das inuigste verein igt werden, und daß w ir zu der Artigkeit in unferm Benehmen gelan­ gen, welche der Gesellschaft allein den rechten Reitz

erteilt.

D er gute Ton oder die gute Lebensart hängt gar sehr von dem Beobachtungsgeiste und von der Gewohnheit ab. D er Beobachtungsgeist m a tt uns ausmerksam, unterrittet uns über die gesellstastls chen G e b rä n te , und die Gewohnheit macht uns mit

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diefen vertraut, und bewirkt, daß sieung natürlich werden.

D a s G eschle c h t , das A lte r, d i e Lebensweife, der Charakter, der O rt, alles legt ung verschiedene P flichten auf, die A nfangs wegen ihrer großen A n - zahl uns vielleicht erschrecken möchten , denen w ir uns aber ohne Zw ang und ohne große M ü h e u n­ terwerfen werden, wenn w ir schon eine gewisse E r­ fahrenheit haben

M a n sagt zuweilen e „ein versteckter Fehler ist

„besser als lächerlicher S ch e in ." D ie se M a xime, obgleich die Sitteulehre sie durchaus nicht billigen kann , ist leider von den M e n schen angenommen worden. Daher muß man dag Lächerliche vermeiden, aus dem man oft ein fürchterlicheg Angeheuer macht, welches uns bey unserm Zutritte in der Gesellschaft ohne M itleid für immer niederzudrücken im Stande ist. D a her müssen w ir so bald als möglich die ge­ wöhnlichen Gebräuche der W e lt annehmen, in w e l­ cher der M a n n von Geist nicht immer die glänzendste F ig n r macht; denn ein Dum m kopf, bekannt mit den Gebräuchen und auf sein gefälliges Aeußere bau- end , wird mit Dreistigkeit auftreten und Beyfall gewinnen , während ein M a n n von Geist scheu und verlegen kein W o rt sagt oder ein linkisches Wefen zeigen wird. I n dieser Hinsicht scheint es m ir nicht überflüssig eine kleine, ziemlich bekannte Anekdote anzuführen , die hier an der rechten Stelle steht.

E in M a n n von gründlicher Gelehrsamkeit, der sein Leben mitten unter Büchern zugebracht hatte, und demnach ganz fremd in den Gebräuchen der W e lt w ar, wurde einst von einem Freunde zu einer D am e geführt, welche damals eben eine Abendg^

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sellschaft gab. Unfer M a n n .staubte, d a ß e s de r W i f­ fenschaft zur Ehre gereichen w ürde, wenn er auch Artigkeit zeigt. Nachdem er lange Zeit überlegt hatte, was er w ohl der Gebietherinn vom Haufe Schm ei­ chelhaftes sageu könnte, fand er nichts bess res als ihr Complimente über ihre schönen kl inen Augen zu machen, welche überall Flam m en a ussprüheten, ü ^ r i h r e schönen kleinen A u ge n , deren Glanz man kaum ertrageu könnte; und so fort, immer nur über ihre schöneu kleinen Augen. A lsdieAbendgefellschaft zu Ende w a r, fragte u n sir Gelehnter ganz entzückt seinen F ü h re r, als er die Teeppe hinab stiegt , N u n ! wie meinen S i e , daß ich mich das erste

M a l benommen h a b e ?"

„Recht g u t" sagte der andere; „ n u r E in s aus-

„genom m en."

„ S c h ö n ! Und was wäre d a s ? ^

„ S ie haben den ganzen Abend der D am e über ihre schönen k l e i n e n Augen Complimente ge- m a c h t" ^

„ N u n ?^

„ D ie ses darf man nicht thun. D ie Dam en ha- hen es nicht ge rn , wenn man zu ihnen sagt, sie .hätten kleine Augen t im Gegentheil sie wollen .alle große haben."

„ I s t es nichts weiter als diese s ? "

Und mit diesen W orten eilte unfer M ann schnell zurück von vier zu vier Stufen hüpfend , traf die Dame oben, als sie eben von den letzten Gliedern der Gesellschaft A b schied nahm , und sagte zu ihr m it der größten Liebenswürdigkeit „Mademoifelle, ich habe einen unverzeihlichen Fehler begangen, den ich wieder gut machen w ill. Ich habe deugan-

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zen Abend zu ihnen gesagt, daß S ie kleine Augen hätten t aber es ist w a h r, S ie haben recht große;

so auch eine große N afe, große Fülle und einen großen M u n d . "

Obgleich diese Erzählung nur zum Scherz er- funden worden seyn mag, so dient sie doch wenig- stens zum B e w e is, wie die llnbekanntschaft mit der herrschenden Gewohnheit leicht ausfallende F e h le r be­ gehen läßt; und so sonderbar sie auch erschein t, eut- hält sie doch nichts Unmögliches.

Uebrigens genügt es nicht, Witz zu besitzen und in der Gesellschaft zu gefalleu, man muß ihn auch in B e re itschaft haben; denn sonst wird die Kenntniß der ganzen W e lt uns nicht hindern, U n­ schicklichkeiten zu begehen. E in M a n n , welcher G elehrsamkeit, vereinigt mit W itz, besitzt, hat oh- ne Zweifel einen großen V ortheil auf seiner Seite;

aber die zärtlichsten D in g e , die sinnreichsten W orte und die anziehendsten A u s sprüche Anderer, alles dieses kann so hervor gebracht werden, daß es oft für den, der sie zum Besten gab, besser gewefen w äre, er hätte ganz geschwiegen.

Noch nicht hinreichend ist es aber, den Witz in Bereitschaftzu haben ; man darf auch nicht zu viel haben; oder richtiger, man darf ihn nicht zu sehr zeigen wollen. Niem and ist unausstehlicher als ein M e n sch, der nichts sagt, ohne seinen Witz einzu- m ischen, und der so unfere Bew underung gar nicht zur R u h e kommen lassen will.

E in M a n n , der die W e lt studirt hat und diese also kennt, thut und sagt nichts ohne den gehört- gen Unterschied zu beobachten und ohne M a ß zu halten. E r weiß mit G eschicklichkeit jede Gelc-

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genheit zu ergreifen, ein geistreiches W o rt anzu­ bringen oder etwas Artigeg zu sagen, zur rechteu Zeit dem G e spräche eine andere W endung zu ge­ ben , indem er meheeres n u r obenhin berührt, und gerade da abzubrechen , wo man zu tief den- kend und gelehrt sprechend die Unterhaltung steif machen würden

B e y einer genossenen guten Erstehung wird ein M a n n von Geist, der noch nicht diese Freiheit des Tactes, die Bekanntschaft mit den Schicklich- keiten und den zu treffenden M aßregeln , die ge- ringfügigeu S o rg e n und kleinen Aufmerksamkeiten besitzt, welche die liebenswürdige Einhe it, die in der Gesellschaft gefällt, bilden, w ird sie mit Leich- tigkeit gewinnen. A n fa n gs freilich noch etwas unsicher wird er Anstoß haben und herumtappen;

er w ird noch manche Fehler begehen; aber bald w ird er sie auch mit Einsicht verbessern lernen, bis er keine mehr begeht.

E ifrig müssen w ir es uns also angelegen seyn lassen, mit den Gebräuchen in den Gesellschaften von gutem T o n bekannt zu werden , und nicht dürfen w ir fäum en, die G ew ohnheit, ihnen u n­ terwürsig zu seyn , uns anzueignen. W ollte man sich von ihnen entfernen , so würde man sich lächerlich machen; und wollte man gegen sie feh­ len , so würde man Unwissenheit oder Grobheit zu erkennen geben. M i t K lugh eit muß mau die Pflichten erstellen , zu welchen die Gesellsc haft von guten T o n eim jedes ihrer Glieder verbindlich macht;

mit Anstand muß man der N o tw e n d igk e it seine Laune, seinen Geschmack und seine M einungen zum Opser zu bringen wissen; und dann können

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Das Aeußere des Mannes von gutem Ton und die Eigenschaf‑

ten, welche bey dem ersten Anblick für ihn einnehmen.

w ir versichert se y n , daß unfer Betragen^ gegrün.

det auf die Achtung, die w ir Andern beweifen werden, die Achtung von J edermann ung gewin.

neu wird.

Zweites Kapitel.

D

ie jungen Lettte, welche in der W e lt auftreten wollen , müssen dieses mit der E rw artu ng thun, daselbst strenge Richter zu finden. Denn obgleich matt ihrer Unerfahrenheit einige Nachsicht gewähr ret, so fordert man doch, daß ihr erster Auftritt genüge und der Gesellschaft einen liebenswürdigen M a n n verbreche; ja von ihren ersten Schritten hängt oft ihr künftiges Glück oder Unglück ab. D e r erste Eindruck, den sie machen, läßt sich schwer wieder austilgen; ist er ungünstig, so gehören wohl mehrere J ahre dazu, und viel Anstrengung, um eine günstigere S t i m m u n g gegen sich zu bewirken.

D a bey dem ersten A u ftritt in der W e lt ihre gefellschaftliche B ild u n g erst beginnt , so wissen sie nicht sorgfältig genug ih r Betragen ihrem A lte r, ih re r Lebensart und dem R a n g e ^ welchen sie unter den M e n schen behaupten, gemäß einzurichten. D a­

her müssen sie sich beeifern, jene äußere E ig e n schaf^

ten zu e rlan ge n , welche beym ersten Anblick gefal- le n ; w e il, wie ich so eben gesagth a b e , der erste Eindruck n u r zu oft fü r im m er entscheidet. D e n n

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w arum sollten w ir nicht alles mögliche thun , daß dieser v o rte ilh a ft für uns fey ?

D ie Kleidung muß dem G e schmacke der größe­ ren Z a h l angemessen seyn. O h ne sich zum S c la - veu der M od e des Tages zu machen, und ohne diese mit Verachtung zu verwerfen, muß man ihr in etwas folgen und nach ihr sich richten, so wie es eines jeden Lage gestattet, ohne ängstliches S u - chen und ohne Ziererey.

V o r allem empfehlungswerth ist die größte Reinlichkeit. D ie Nachlässigkeit an seiner P e rson oder an seiner Kleidung verräth M angel an O r d­ nungsliebe und an Thätigkeit; läßt eine unver- zeihliche Sorglosigkeit vermuthen und auf einen M e n schen schließen, der die W ürde seines Wefens nicht ehrt, oder der durch eine auffallende Ziere- rey für einen Sonderling oder einen Gleichgültig gen in der Gesellschaft gehalten seyn will.

Eine bescheidene Dreistigkeit ist eine der schätz- barsten Eigenschaften , die man je erlangen kann.

Haltung und G ang müssen frey von allem Ge- zwungenen seyn, und die übeln Angewohnheiten, die man vielleicht von Kindheit an in densel­ ben angenommen hat, müssen gänzlich abgelegt werden. Alle unfere Manieren müssen natürlich, gefällig und anständig seyn, wenn wir uns von einer vorteilhaften Seite zeigen wollen.

M a n findet in Gesellschaften junge Leute, die ein Nichts außer Fassuug bringt; beständig verle­ gen treten sie mit unsicherer H altung a u f; m m sieht es ihneu sogleich a n , daß sie hier sich nicht w ohl fühlen , und bestürzt und von Schüchternheit befangen, verlieren sie die Fassung. W e r unter

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diese gehört, muß seine Furchtsamkeit bezähmen, weil diese ihn hindert^ sichsso zu zeigen^ ^lg e^

vermöge seiner Fähigkeiten, wohl konnte ; ee muß

^eine Eigenliebe zu H ülfe nehn en, mnß mit einem Blick die Z eit, den O r t , die P e r sonen, die Sache, von welcher die Rede ist^ beachten, und oft wird das Gericht, vor dessen Artheil er sich schenet, ihm nicht mehr so bedenend erscheinen, und dessen U e­ bergewalt ihm nicht mehr als so ausgemacht gelten.

E m heiteres , lebhaftes und selbst ein etwas kühnes Benehmen gefällt sehr an jungen Leuten, und ist auch das Eigenthum ihres Alters t alle könneu es also ohne Bedenken sich aneignen. Aber nicht prahlen dürfen sie, und nicht frech sich betra­ gen; sondern müssen im Gegentheile alle A u s - drücke und alle M anieren vermeiden , die mit den angenommenen Gebräuchen unverträglich sind.

D a s beste M itte l, das junge ^eute benutzen können , um sich die gehörige B ild u n g zu geben, ist , daß sie einen gebildeten M a n n sich zum M u­ ster nehmen. D ie sen werden sie in seinem Gange, in seinen Gebehrden,^ in seiner H a ltu n g , mit ei- uem W o rte , in seinem ganzen Aeußern, so wie in allen seinen Handlungen das M a ß , die Schick- lichkeit und das Gefällige beobachten sehen , welches die Blicke vorzüglich auf ihn ziehet. U nd jetzt ist ebeu der Zeitpunkt, vielleicht der einzige in dem ganzen Leben, da jetzt die jungen ^eute, befreit von der Strenge und dem Eigensinn ihrer Lehrer, geneigt sind, durch ein fanfteres ^icht sich aufklären zu lassen , wo sie sich an jenen Adel und an jene W ü rde in dem Betragen gewöhnen

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müssen, ohne welche man nie in der Gesellschaft die Aufm erksamkeit auf sich ziehen wird.

W e n n junge Leute auf die Handlungen und auf das Betragen solcher P e rsonen, welche die W e lt kennen, aufmerksam sind, so werden sie bald mit den Regeln vertrauter werdeu, und die A u s- übuug derselben wird dann bey ihnen weniger Schwierigkeit haben. B a ld wird ihr unnatürliches und linkisches Benehmen , oder ihr gezwungenes Betragen , das Anstrengung und M ühe verräth, mit iener Ungezwungenheit vertauscht werden , die der Haltung und dem ganzen Benehmen Freiheit und Anmuth ertheilet , deren man durchaus nicht

entbehren kann.

E in freundliches einnehmendes Betragen, ein gefälliger anständiger Gang sind sehr vortheilhafte Eigenschaften, welche gewiß zu jeder Zeit das W ohl- wollen der Andern uns gewinnen , bey ihnen uns einschmeicheln, und so ein gewisses Vorurtheil zu unfern Gunsten bey ihnen erwecken: ja die wohl oft gar eine gewisse H e rrschaft über sie uns einräu­ men , während eine fauere Miene und ein rohes und grobes Benehmen sogleich Abneigung einstößt und oft in der Folge M iß tra u e^ , Verachtung und Haß erzeugen.

J eder hat das Recht zu verlangen, daß erhöf- lich empfangen und anfgenommen wird , und N ie- mand hat völlige Freiheit , in allem und überall zu thun, was ihm beliebt. E s gibt gewisse Regeln, welche gebiethen, daß in allem eine gewisse Schick- lichkeit beobachtet wird^ und dieses ist es hauptfäch- lich, was man gute Lebensart nenut.

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M a n darf nicht alle Vortheile der Gesellschaft zu genießen verlangen, ohne seinen Beitrag auehda^

zu zu gebeu. Dag gefellige Lebeu ist ja eben niehtg anders, als ein beständiges Opfern unferg Willeng, unferer Launen und unferer perfönlichen V or- theile; und man muß also^ so bald es die Um­ stände erfordern, und sollte eg auch die größte M ü­ he kosten, sich selbst besiegen.

M a n darf freylich auch nicht eher in eine Ge- fellschaft eintreten , als bis man in einem günsti- gen Zustande sich befindet ; führt ung aber zuweilen unfere Pflicht wider unsern W illen dahin, so dür- sen w ir die Verdrießlichkeit, die in uns sich regt, nicht mit dahin bringen; w ir müssen unsern T rü b - sinn verbannen , und wenn es uns möglich ist, müssen w ir uns von der vortheilhastesten Seite zeigen.

D ie Laune macht uns zuweilen mürrisch und eigensinnig; der S to lz höhnisch und überm üthig;

die Eitelkeit satyrisch und spöttisch. — W ollten w ir mit diesen Fehlern unter Menschen treten, dann würden w ir Pest und Schrecken unter sie brin- gen. V o n ihnen können w ir also nicht srüh genug uns srei machen ; aber dann können w ir auch ver- sichert seyn , daß w ir immer willkommen seyn wer^

den, wo der W unsch zu gesallen uns einsührt.

D ie Ersahrung lehret auch, daß, um in den Besitz dessen, wa^ man W e lt nennl^ zu gelangen, zu dem gefälligen in der Haltung und in den berden auch noch einige anziehende Eigenschaften des Körpers hinzu kommen müssen ^ nämlich ein lieblicher Ausdruck im Gesicht^ Beredheit de^ ^öli^

ckes, u nd in allen Bewegnng^n ein^ Leichtigkeit und

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G razie, die ein in allen seinen Theilen vollendetes Ganze aus uus macheu.

Ueberhaupt ist nichts an u u s , aus welchem ein wohlbedachtes seines Benehmen nicht einigen V o r - theil für unfere Eigenliebe ziehen könnte, so wie es auch hingegen keine E ig e n schaft gibt, welche an sich völlig zufrieden stellen kann, wenn w ir nicht erst mit ih r diejenige noch vereinigen, die allen den rechten W e rth ertheilet. D ie se ist die Artigkeit. O hne sie dürfen w ir auf keinen günstigen Erfo lg hassen, und sie allein weiß taufend Gelegenheiten geschickt zu benutzen, um ein schmeichelhaftes W o r t anzu- bringen und kleine Dienste zu leisteu, welche der Weltbrauch der Aufm erksamkeit empsiehlt.

B e y solcher B ew andtniß besteht das wahre T a­ lent eines M a n n e s von W e lt darinnen, seine G e­ schicklichkeit klug zu verbergen, und sich so zu be­ nehmen, daß alles an ihm natürlich erscheint. A u f seinem Antlitz ist W ohlw ollen und B e scheidenheit sichtbar, und alle seine M ie n e n zeigen, daß er gern aufmerksam und zuvorkommend zu feyu pflegt.

E in junger M a n n m us bey seinen G esprächen mit einem fanften Tone reden, um ihnen den an- nehmlichen Reitz zu ertheilen, der mehr noch das Herz rührt als das O h r ergötzt. Alle seine Reden müssen Achtung gegen seines Gleichen, Hochachtung und Ehrfurcht gegen Höhere und W ohlw ollen gegen Geringere als er ist ausdrücken. E in wahrhaft ge- bildeter M a n n , mag er auch noch so einett hohen R a n g haben, wird seine höhere W ü rd e nie denen fühlen lassen, die um ihn sind. Durch ein liebrei- ches freundliches Entgegenkommen enthebt er dieje- n ig e n , die er bey sich empfängt, aller Verlegen­

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heit und läßt es ihnen an keiner Aufm unterung feh­ len, welche ihre Schüchternheit nothwendig macht;

und bey A n d e rn , selbst bey solchen, die an Range weit unter ihm stehen, vergißt er nie die Achtung^

die man dem H e rrn deg Hanfeg schuldig ist.

S e it mehreren J ahren schon hat man ans der gebildeten W e lt dag langweilige, ekelhafte steife Wefen und die überflüssigen und nnangstehlichen Form alitäten, die sonst unter die G esetze einer gu- ten Gesellschaft mit aufgenommen waren, mit Recht verbannt. D ie Gebräuche unferer Zeit, weil sie auf den guten G eschmack gegründet sind, haben eine gefälligere Gestalt angenommen; und die Artigkeit, obgleich sie weniger umständlich ist, hat doch nichts an W ü rd e verloren. M a n muß sich nur daran ge­ wöhnen, die leichten Fesseln, die sie uns anlegt, mit Grazie zu tragen; aber man darf sich nicht un- nöthig mit neuen Fesseln belasten , nicht unnütze Bedenklichkeiten sich schassen, nicht zum S clave n des Ceremoniels sich machen, und so den Geist ver­ w irren; auch nicht durch allzu große P ün ktlichkeit lästig werden.

E in anderer Fehler, der vermieden werden m u ß , ist die Uebertreibuug der Artigkeit, indem man dnrch zu große Gefälligkeit^ bey steter B e­ sorgniß nicht genug zu thun, den Renten beschwer^

lich wird. Alle U ebertreibung muß vermieden werden ; die Artigkeit und Hösiichkeit muß u n ge­ zwuugen und natürlich, und darf nie umständlich und ängstlich seyn.

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Drittes Kapitel.

Die Frauen. Vortheile, welcher ein junger Mann aus dem Umgange mit ihnen zieht, Rücksichten, die man ihnen schul‑

dig ist.

D

ie Frauen haben dieses vor unferm G e schlechte v o ra u s, daß sie weit leichter und schneller sich in die Gebräuche der Gesellschaft finden. I h r Geist, der schueller sich bewegt uttd mehr beobachtet, und ih r zarterer und seinerer Taet , sind die Urfache, daß sie alles schon im V o r a u s errathen, ehe sie es erlerneu. D a h e r findet man auch in einer G e sell­

schaft von sehr jungen Frauenzim m ern, daß diese auf alle F ra g e n , die an sie gerichtet werden, mit einer Dreistigkeit anw orten, der es demungeachtet nicht an B e scheidenheit und A nm u th fehlet; wäh- rend junge M ä n n e r , die an A lter und Kenntnissen ihnen weit überlegen sind , oft über ihr Benehmen in großer Verlegenheit sich befinden. D a z u trägt freylich viel bey , daß die Frauenzim m er , deren B ild u n g früher als die unfere vollendetest, in ei- nem A lter schon in der W e lt auftreten und die B e o b­

achterinnen machen , wenn w ir noch den S c h u l- staub einschlucken m ü ssen. Ueberdieß macht ihr C h arakter sie auch viel eher geselliger als uus. G e- schasfeu um zu lieben und zu gefallen, erlangen sie sehr bald, ja bringen schon, wenn sie auf die W e lt kommen , die E ig e n schaften m it sich , welche sie uns theuer machen, und die uns antreiben, daß w ir ihren U m gan g mit einem V e rla n ge n und mit ei­

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nem V ergnügeu suchen, deren G rund w ir uns ver^

geblich zu erklären bemühen.

Nichts ist für die B i ld u n g eineg jungen M a m nes in seinen M an ieren zuträglicher, als der U m­

gang mit solchen Frauenzimmern, welche Kennte nisse , im Verein mit den E igenschaften eines g u­

ten Herzeng und Reinheit der Sitte n besitzen. Glücke lich ist derjenige, der von ihnen begünstigt wird! E r wird in der W e lt schnelle und glänzende F o r t schritte machen. I h r A m gang gewöhnt einen jungen M a n n Zierlichkeit und G e schmack in seine gewählten A u g - drückezu bringen. Nachsichtiger a l s unser G e schlecht werden ihm die Frauen seine Fehler verzeihen, ja ihn sogar dahin bringen, keine mehr zu begehen;

und dieses mit einer so zarten S c h o n n n g , daß ihr U nterricht für ihn v o rte ilh a ft w ird, ohne jemahls seine Ehre zu kränken ; ja zuweilen wissen sie eg so fein anzufangen, daß man es gar nicht bemerkt, daß sie belehren wollen.

D e r W u nsch zu gefallen , den w ir als eine Hauptfache bey dem gefelligen Verein aufgeführt haben, wird in der Nähe der Franen lebhafter und reger, und bewegt uns zu viel größern H andlun- gen und zu weit glänzenderen Siegen als irgend eine andere Gesinnung es vermag. I n der Nähe der Frauen fühlen w ir unsere Seele sich erheben und den K re is unserer Ideen sich erweitern; w ir bestreben nns noch die Tugenden , welche uns matt- gA n ztt erwerben, und unsere Sitten werden von einer Liebenswürdigkeit verschönert , welche ihnen die Gesellschaft der M ä n n e r nie gegeben hätte.

D a die Frauenzimmeesrühzeitig ihrem eigenen Nachdenken überlassen werden, so müssen sie auch

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bey einer weit zartern Organisation als die unfere ist, mehr zur Zärtlichkeit geneigt seyn. D a h e r hat jeder ihrer Ausdrücke etwas Liebliches und Gefälli- ges, und jeder ihrer Gedanken ist eine Empfindung.

D a ra u s folgt, daß ihre Uuterhaltuug uieohue Reitz ist, und ihre Bemerkungen immer fein, sinnreich und dabey richtig sind. B e y einer Untersuchung, deren Gegenstand das G efühl oder den G eschmack angeht, wähle man sie zu Richternt sie werden sich nicht leicht täuschen; und werden so enge, so zarte und feine Beziehungen aufzufinden wissen , welche w ir nie geahnet hätten. D ie N a tu r schein t in ih^

ren Geist alles , was eine Gesellschaft angenehm zu macheu im Stande ist, gelegt zu haben; und dieses vermögen sie auch hauptsächlich, wenu sie sich begnügen, n u r sie selbstzu feyu, ohue Anm aßuug u nd ohue erborgten Glanz.

Nicht immer die Gesellschaft der schönsten Fra ue n ist es, welche den jungen M ä n n e rn V o r - theil bringt; denn es ist felten, daß die N a tu r ei- nen u nd demselben Gegenstand mit allen ihren Ga^

ben ausgeschmückt hat. Frauen , die auf eine Schön- heit stolz sind, welche das Alter von Tage zu Tage verm indert und die eine Krankheit mit einem M a le vernichten kann, die sich schmeicheln, d a ß s ie beym er­ sten Anblick gefallen , vernachlässigen gewöhnlich zu sehr die schätzbaren E ig e n schaften, die ihnen am notw endigsten sind; und ihre Unterhaltung ist dann unbedeutend und ohne W e rth D ie M ode des T a­ ges, ein R o m an od^r ein S c h a u spiel, das eben eU nen R u f hat, das sind die Gegenstände, überwel- che sie sich a usspeechen, und leider oft ohne Geist und ohne G e schmack. W e il sie sich schmeicheln,

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durch ein einnehmendes Aeußere hinlängliches A u f­ sehen zu erregen, die Sinnlichkeit zu reitzen und durch einen wohlberechneten Putz Begierden zu ent.

stammen , denken sie nicht auf andere Siege. S o l.

che Frauenzim m er, weit entfernt, daß sie zur B il.

dung juuger M ä n u e r in den guten Sitten beytra­ gen sollten, sind vielmehr im S ta n d e , sie auf ei- neu unrechten W e g zu leiten ; da sie diese auf die M e in ung führen müssen , als wenn die nichtswür­ digen B e schäftignngen , die ihnen Vergnügen ge- währen , in der ganzen Gesellschaft von gutem T ou zu Haufe wären , und als wenn der niedrige Ton, mit welchem sie von den ernsthaftesten D in ge n zu redeupstegeu, in der schönen W e lt Beyfall fände.

M a n muß sie deshalb bloß als artige Puppen be- trachten, darf sie aber weder um Belehrung noch um R ath ersucheu.

D e r W u n sch , deu Frauen zu gefallen , hat die Galanterie erzeugt, welche bey manchen i n wei­ ter nichts besteht, als in einem langweiligen und lästigen G eschwätze; bey andern aber ist sie eine aufmerksamere und zartere Artigkeit.

D a ß ein junger M a n n , um den guten R u f seines Landes aufrecht zu erhalten, gegen die Fra u e n­ zimmer galant seyn s o ll; daß er einigen unter ih^

neu ihren Leichtsinn und ihre Unbesonnenheit zu gute halte, welche ih n en oft einen Reitz mehr ge­ ben ; daß er über ihre Einbildungen und über ihre Schwächen die Augen zudrücke, ist ein e etwas gro­ ße Forderung, die aber nicht ohne den günstigsten Erfolg bleiben würde; denn man nehme ihnen ei^

nige Unvollkommenheiten, und leicht könnte e^ der F a ll seyn, das sie nun einige Reitze weniger best^

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ßen. E s fehlt oft nur ein M a n g e l an einer liebens- würdigen F ra u , und w ir würden sie noch liebens- würdiger finden.

W i l l ein junger M a n n in den guten und fei- nen M anieren sich ausbilden, und w ü n schet er, daß man von ihm Artigkeit rühm e, so muß er alle feine So rg fa lt aufbtethen , um sich bey den Frauenzim - mern beliebt zu machen. E r nehme gegen sie einen zärtlichen und ehrfurchtsvollen T o n an, der gewiß zu jeder Zeit gefallen w ird ; erzeige öffentlich keine Vertraulichkeit gegen sie, denn die F ra u e n , s o gro­ ße Vertraulichkeiten sie auch bey dem A lle in seyn gestatten mogen, wollen doch vor der W e lt mit E h r- erbiethung behandelt seyn; er verdopple feine klei- nen Dienstleistungen, feine Achtung und feine Ge- fälligkeiten, schreite aber in feiner Aufm erksamkeit nicht zu weit über die Gränzen ; er mache deu D ie­ ner der Frauen , gebe sich aber nicht zum Selapen ihrer Launen hin. D e n n da sie nu r zu oft die G rä n­ zen ihrer H e r r schaft zu erweitern geneigt sind, so behandeln sie dann diejenigen, welche sich zu sehr por ihnen erniedrigen, mit Hochmuth.

Z u m schlechten T o n gehört es, alle F ra u e n mit abgeschmackten und langweiligen Schmeicheleien zu belästigen , ohne den gehörigen U nterschied zu m a­

chen, den man nach dem A l t e r , nach dem S t a n d e und nach den Verdiensten einer jeden, mit welcher man zusammen kommt, zu beobachten hat. D e n n die abgeschmackten Lobeserhebungen, die einige leicht- sinnige Frauen allenfalls gerne hören und w o h l auf- nehm en, sind einer perständigen F r a u durchaus zu- w id er, und machen ih r tödtliche Langeweile.

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Verm eiden muß man, auch mit einer Gelehrt samkeit vor den Frauen glänzen zu wollen, die man erst ganz neu in der Schule gesammelt hat^

mau hüthe sich, auf eine langweilige A rt Recht zu behaupten, und suche nicht alle^ wa^ man be­ hauptet, eben so zu beweifen, wie matt einen geometrischen Lehrfatz beweißt; man begehe nicht die U n schicklichkeit, die Schönheit und die Talente einer abwefenden F ra u mit Eifer zu loben, wenn solche zugegen sind, die auf gleiches Lob A n sprü­ che machen können. D ie Unterhaltung mit ihnen muß lebendig , anziehend und mannigfaltig seyn, und wenn es die N otw end igkeit erfordert, anch etwas m u tw illig^ Alle Gegenstände müssen mit Leichtigkeit behandelt werden, und man mnß n n r solche answ ählen, die viel Anziehendes haben.

M a n darf nie vergessen, daß d ie F r a u en e in e sehr lebhafte Einbildungskraft besitzen , und daß ihr Geist die M annigfaltigkeit und die Abwechslung liebt. D aher muß man sich hüthen , die Unter- haltung über einen und denselben Gegenstand zu lange Zeit fortzusetzen, um ihn zu erschöpfen ; man würde ihnen d adurch eine Langeweile berei- ten, die sie nie verzeihen würden. D ie Gegen- stände müssen stets in näherer oder entfernterer Beziehung anf sie stehen. Sprechet über nichts oder über Kleinigkeiten, aber saget alles witzig und mit Leichtigkeit.

D ie Frauen wollen gern gefallen ; das beste M iste l also, ihnen den H o f zu machen und ihre G unst zu gewinnen ist, wenn man ihnen zeigte daß sie ihren Zweck erreicht haben. Ih r e r Eigen- liebe w ird hauptsächlich durch das Gute gefthmei-

2

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thelt, daß matt von ihnen selbst sagt, oder auch von ihrer K le id u n g , die ja denjenigen T h e il von ihnen ausm acht, welcher ihnen vor A llem am H e r- zen liegt. S a g e n S i e einer F r a u , daß ihr Kleid schlecht gemacht, daß die Farbe oder die F o rm ih- res Befatzes nicht vom besten G e schmacke ist, daß ih r Kopfputz nicht gut sitzt, oder zeigen S i e bey allen diesen wichtigen Kleinigkeiten bloß eine kalte ruhige Bew u nd erun g , so werden S i e sich u n au s­

stehlich machen.

M a n muß daher immer bereit seyn, ihnen et- w as Schmeichelhaftes und Angenehmes zu sagen, über alles, was sie interessirt und ihnen gefällt;

nach dem W erthe und der Aufrichtigkeit unferer Lobsprüche fragen sie w enig; sie nehmen schnell beym W o rte , und lassen sich leicht täuschen durch eine B em e rku ng, welche ihrem Lieblingsgeschmacke schmeichelt, und welche die Geringfügigkeit der D in g e sie nicht bemerken läßt.

Ueberall, wo Frauenzimmer zugegen sind, kommt ihnen die W a h l des S t o ffes zur Unterhalt tung zu. D ie Kunst eines M a n n e s von gutem Ton besteht dann hauptsächlich darin, der Unter- haltung Mannigfaltigkeit zu geben, und sie geschickt auf einen Gegenstand zu leiten , der dazu geeig- net ist, ihren Witz und ihre Kenntnisse in vollem Glanze zu zeigen N i^ darf ^ di^ Frauenzimmer bey einem Gegenstande, der ihnen weder In t e r­

esse gewährt, noch ihre Neugierde befriedigt, lan- ge verweilen lassem

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Viertes Kapitel.

Besuche.

D

er Zweck der B e suche ist, die M e n schen ein- ander näher zu bringen, und eine engere V e rb in­

dung unter ihnen herzustellen, als jene ist, wel­

che G e schäfte und V orth eil a u f eine gewisse Zeit anzuknüpfen im Stan d e sind. D ie B e suche sind von zweyerley A rt. Z u der einen A r t rechnet m an die sogenannten

S ta a tsb e suche,

welche das Herkommen eingeführt hat. S i e sind bloß als eine Pflicht anzusehen , da sie mit einer ge- wissen Regelmäßigkeit und Pünktlichkeit geschehen müssen, ohne daß sehr oft eine innere V e rb in­

dung dabey vorausgesetzt , und durch dieselben be­

wirkt wird. D ie andern B e suche aber sind ver­

trauliche und freundschaftliche Annäherungen, in welchen M e n schen, deren G e schmack und S itte n m it einander eine zarte Uebereinstimmung haben, bey freundschaftlicher Unterhaltung Zerstreuung in ihrer A rbeit und B e ru h igu n g in dem Ungemache des Lebens machen.

E s ist hier am rechten O rte , über das W o r t F re u n d schaft, so wie man es im gemeinen Leben n im m t, eine E rklärun g zu geben. Freundscha f t ist I n der Gesellschaft nicht die anschließende u n d zu­

trauliche Gesinnung, welche zwey Herzen zu Einem verein igt, und zwey Seelen in so enge V erbindung b rin g t, daß sie mit einander denken, fühlen, leiden und sich trösten ; sie ist nicht jene schätzbare E m­

pfin d u n g , die nach einem zärtlichen^ verwandten 2 ^

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Herzen zuweilen das ganze Leben hindurch sucht.

I n dem gemeinen Leben werden gewöhnlich alle die- jenigen Freunde genannt, welche mit uns in nähe- rer V erbin dun g stehen, mit denen w ir genauer be- kannt sind , und die unsere gewöhnlichen Gesellschaf- ter ausmachen.

B e y den Staatsbesitzen ist durchaus eine ge- wisse Schicklichkeit zu beobachten, und man m uß sich dabey nach den Regeln eines oft beschwerlichen Herkommens fügen , nach denen man sich bey freund­ sc haftlichen B esitzen nicht richtet, ohne deßhalb unhöstiz zu seyn. D e u n sie würdeu jeue liebens- würdige und ungezwungene Freyheit hindern, wel­ che der Gesellfza ft den größten Reitz ertheilt, und die das festere B a n d derselben ist.

N u n sollen w ir einigen allgemeinen V o r schriften folgen, die man nicht allein bey den B e f u z e n , son­ dern a u z bey allen vorkommenden Fällen, die sie nöthig machen, in A u sü b u n g bringen muß.

Habeu S i e einen B e f u z abzustatten, so m üs­ sen S ie sorgfaltig den Zeitpunkt w ählen, w e lz e r d e r P e r son , die S ie befuzen w ollen, am gelegend- sten ist. W ollten S ie s iz in einer Stun de einsin- den, wo jene ihre Zeit nöthigen G efzäften wid- men m uß, oder l^enn S i e gerade zur Tisc hzeit kä­ m en, so würden S ie Gefahr laufen, lästig zu wer­ den, und für u n h ö stiz zu gelten, oder es m ö z t r

^tuz den S z e i n haben, als wenn S ie eine E in la - du ng, mit zu speifen, s iz erbetteln wollten. Um ttber jedesmal die geltendste Zeit auszuwählen, müssen S ie s iz n a z d e m G e b rä u ze n und Gewohn- heiten eines jeden Hgufes genau erkundigen.

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W erden S i e die Treppe hinauf von andern P e r sonen begleitet, denen S i e Hochachtung schul- dig sind, so fordert d i e H ö flichkeit, daß S i e diese voraus gehen lassen, oder daß S i e wenigstens die bequemste Seite der Treppe ihnen einräumen; die fes pflegt gewöhnlich die Seite an der M a u e r zu feyu W e n n D a m e n S i e begleiten, so müssen S i e der ältesten unter ihnen den A r m biethen, der die- fe Ehre vor allen zukommt. Träte der F a ll ein, daß eine D a m e herab käme, während S i e h in au f steigen, so verlangt die Artigkeit, daß S i e still stehen, den H u t abnehmen, ihr die bequemste Seite der Treppe überlassen, und nicht eher weiter hinaus gehen, als bis jene vorüber ist.

Schicklich ist es, nicht eher z u Jemanden zu gehen, als nach empfangener E in la d u n g , oder nach dem man sich angemeldet hat. Is t Niem and vorhan- den, der S ie einführen kann, so klopfen S ie leife an die T hüre des Zim m ers, und warten S ie eint- ge Augenblicke, ehe S ie die Thüre öffnen, wenig- stens so lange, als bis von innen die Einladung, einzutreten erfolgt. E s könnte seyn, daß der H e rr des Haufes durch einige dringende Geschäfte abge- halten w ürde, S ie sogleich selbst zu empfangen;

in diesem Falle müssen S ie die Gefälligkeit haben, zu warten , und müssen dann um Verzeihung bitten, die Zeit Ih r e s B e suches so ungelegen gewählt zu haben. W ährend S ie warten, muß der H a u sh e rr J emanden zu Ih n e n schicken, der ihn entschuldigt, und S ie einstweilen unterhält, bis er selbst im Stande ist , S ie zu empfangen.

N u r in Comödien noch findet sich jetzt der Wettstreit, welcher nach der altfränkischen Hösiich^

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keit über den V o r t r it t angestellt wurde, und zwar n u r , um die Lächerlichkeit desselben zu zeigen.

E i n gebildeter M a n n wird den V o r tr it t ohne Um - stände den Frauen überlassen, denen er überallzu- kommt; außerdem gebührt er dem höhern Sta n d e und Alter. Anbekanntschaft mit dem Herkommen würden S i e verrathen, ja unhöflich würden S i e seyn, wenn S i e zurück treten wollten, sobald S i e bey dem Uebergange aus dem ein en in das andere Z im m e r , voraus zu gehen gebeten werden. W e i - fen S i e a l so die Ehre, die man Ih n e n anthun w ill, ja nicht von sich, und gehen S i e zu, indem S i e eine Verbeugung machen, und mit der Aeußerungt daß S i e dem Befehle gehorchen wollten.

So b a ld die Begrüßungen und die gewöhnlichen Complimente beendigt sind, läßt der H e rr des H a u - fes Sessel anbiethen, und führt dasjenige, welches ihn bestecht, oder die älteste D a m e , wenn meh- rere P ersonen zu einer und derstllbeu sich bey ihm einfinden , auf den ehrenvollsten und bequemsten Sitz. Besitzt man Armfessel, so biethet man diese der ganzen Gesellschaft an. D ie D am en machen ge- wöhnlich Gebrauch davon; die H erren aber müssen danken, und n u r mit gewöhnlichen S tü h le n sich begnügen, wenn der H e rr des Hanfes auch n u r einen S t u h l für sich stllbst hat.

W ährend S ie anf dem S tu h le sitzen , müssen S i e eine anständige und schickliche H altu n g beob- achten. S ie düefen sich nicht hinterlehnen , und mit den H a n d schuhen oder mit der Uhrkette spielen.

Reiben S ie auch nicht die H ände, und klatschen S ie nicht etwa mit den Fingern. Enthalten S i e sich aller der üblen Angewohnheiten, die ein E i n ­

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faltiger an sich hat, um dem M a n g e l feiner Gedan- ken dadurch zu ersitzen.

S uchen S i e eine geistvolle Unterhaltung anzu- knüpfen, und diese auf einen solchen Gegenstand zuleiteu, der zur Zerstreuung beyträgt, und macht, daß man die Zeit kurz findet, die S i e ihrem B e - suche widmen können. Fangen S i e nicht wie ein E in - faltiger, ein langwierigeg G e spräch, über den R e - gen, oder über dag sc höne Wetter a n ; fragen S i e nicht, ob man mit den T a ge s neuigkeiten schon be- kannt fey, oder o b m a n die Zeitung gelese n habet mit einem W orten sprechen sie anf eine anziehende W e i s e ; aber nicht, um nichts zu sagen.

Bekommen S ie zu ungelegener Zeit einem B e - such, so lassen S ie ja Ih r e n Freunden nicht mer- ken, daß ihre Gegenwart ihnen lästig is t: zeigen S i e weder Ungeduld, noch Verdrießlichkeit. M a - chen S ie vielmehr den H a u s w ir t h mit allen Anstan- de, und suchen S ie die Unterhaltung auf eine ge- fällige W e ise fortzusitzen.

W ü n schet der H a u sh e rr, daß der Befuth en- den soll, so bricht er die Unterhaltung ab, ohne sie wie- der aufzunehmen, und nun müssen die B e suchen- den sich entfernen. Verstehen diese den W u n sch des H au sh e rrn nicht, so steht er auf, u nd gibt so das Zeicheu, daß die Besitzenden abtreten sollen.

Stellen S ie sich zu einer Zeit ein wo die P erson, welcher S ie einen B e such abstatten wol- len, eben im Begriffe ist, auszugehen, oder sich zu T i sche zu sitzen; oder wo S ie sich in Gesell- schaft fremder P ersonen befindet; so verweilen S i e n u r sihr kurze Zeit bey ihr. I n dem Falle aber, daß während Ih r e r Abwesinheit jemand Anderer ein­

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geführt w ird , gebiethet die Höflichkeit, weil man über Sachen zu sprechen haben könnte, die nicht in Gegenwart von Zeugen sich abthun lassen, daß S i e sich mit einigen verbindlichen W orten beurlaub ben, und den W u n sch äußern, daß der H e rr des H auses ja sich nicht bemühen, und S i e begleiten möchte.

Aeußert dieser aber , daß S ie ohne Bedenken da bleiben können , weil es keine Geheimnisse ab-

^uthun gebe, so können S i e , nach B elie ben, noch länger verweilen

Ih r e M ie ne und ihre Sprache muß immer den Umständen angemessen seyn, in welchen sich eben diejenigen befinden , denen S i e einen Besuch abstatten Machen S i e einen Besuch, um I h r Beyleid zu bezeugen , so sey Ih r e M ie n e ernsthaft, und Ih r e n W o r ten suchen S i e einen rüheenden und herzlichen T o n zu geben , der sogleich Ih r e Theilnahm e an dem traurigen Schickfal, das Ih r e Freunde betrossen h at, sichtbar werden läßt. M ö - gen dann die traurenden K lagen auch noch so lan g- weilig seyn, lassen S i e ja nicht merken, daß S i e bey denselben Langeweile empfinden. Bedenken S i e , daß der Schmerz herbe und anhaltend ist, daß man feine Leiden lind e rt, indem man von ihnen spricht; und entziehen S i e also keinem Leidenden einen beruhigenden Augenblick.

W e n n S ie einen Freund bestechen, um ihm wegen feiner Veeheirathung, oder wegen der Ge- burt eines Kindes Glück zu w ünschen, so nehmen S i e eine heitere , freundliche M ie n e an , damit die aufrichtige Theilnahme an dem Glücke Ih r e s F re u n - des sogleich auf Ih re m Gesichte zu lefen ist.

(40)

D i e B e suche müssen auch ih r bestimmteg Zeit.

m aß haben. S ta a ts b e suche p flegen gewöhnlich sehr ku rz zu se yn ; die D a u e r der übrigen B e suche m uß nach dem nähern oder weitern V e r h ä lt n iß , in west chem m an m it J emanden steht, sich richten. I n jedem Falle aber m uß die D a u e r derselben so berech­

net s e y n , daß der F re u n d , dem m an einen B e - such m acht, diesen zu kurz finde.

Derjenige, welcher einen B e such bekommen h a t, m uß den Bestechenden, wenn dieser sich ent.

fernt, bis an die Thüre feineg Zim m ers begleiten, d ie T h ü re offen lassen, und dem Weggehenden so lange nachsehen, big dieser sich umsieht, und noch ein A b schieds -Com plim ent macht

B e findet sich ihr W ohnzim m er nicht im E r d­

gescho ß , und stattet eine Dam e Ih n e n einen B e . such a b, so fordert die Artigkeit, daß S i e ihr den A r m biethen, und sie die Treppe hinabführen;

hat sie einen W age n vor der Thüre , so müssen S i e ihr beim Einsteigen behülflich seyn, und dürfen nicht eher von der H austhüre weggehen, alg big sie fortgefahren ist.

Zuweilen kann eg geschehen, das mehrere P e r­ sonen zu gleicher Zeit S ie besucheu. Geht dann eine von ihnen fort, indeß die andern noch da bleiben, so müssen S ie das Verhältniß genau berücksichtigen, in welchem S ie z u der fortgehenden und zu d e r da-^

bleibenden stehen, um zu wissen, ob S i e Jene hin aus begleiten , oder dieser Gesellschaft leisten sol.

len; je nachdem S ie D ieser oder J ener mehr Ach.

tung und Ehrerbiethung schuldig sind.

Folgendes möchte ich mehr als eine Regel der K lugh eit, als der Artigkeit empfehlen.

(41)

Haben S ie bey einem Vornehm en Zutritt, und w ü n schen dessen Gewogenheit sich zu erhalten, so versäumen S ie ja nicht, ihn von Zeit zu Zeit zu bestechen, um feine G unst nicht zu verlieren, besonders, wenn S ie wissen, daß Ih r e Gegenwart i hm angenehm ist.

W ü rden S ie zu einem Gastmahle, zu einem B a lle , zu einem Concerte, oder zu einer Abendge- fellschaft eingeladen, und haben S ie dieser E in la­ dung Folge geleistet, so ist es dann ihre Schuld digkeit demjenigen, bey welchem S ie w aren, ei­ nem B e such abzustatten. D a ^ ^Herkommen w ill daß dieser binnen den nächst folgenden acht Tagen gemacht wird.

Läßt Ih n e n ein Bekannter sagen, daß er von einer Reife über Land zurück gekommeu fey, und daß er S i e sogleich bestechen w olle, so bald er n u r wisse, an welchem T a g e , und in welcher Stun d e er Ih n e n am geltendsten kommen w ürde, so neh­ men S ie diese Höflichkeit nicht bu chstäblich. S i e werden recht artig handeln, wenn S i e statt einer A n tw ort, selbst mit Ih re m Besteche ihm zuvorkom­ men. Sollten S ie dazu nicht sogleich Zeit haben, so lassen S ie ihm einstweilen zu feiner Rückkehr Glück w ü n schen, und ihn bitten, daß er S i e ent­ schuldigen möchte, wenn S ie ihm nicht sogleich I h - re Aufw artung machen könnten. D ie s es kann aber, w ohl zu merken, n u r unter P ersonen von gleichem R an ge beobachtet werden ; denn es würde lächerlich se y n , wenn J emand von niederem Stande einem V o rn e h m e rn , als er, oder einer D a m e , feine A n k unft melden ließe , damit diese ihn zuerst beste- chen sollten. I n einem solchen Falle ist es feine

(42)

Schuldigkeit, selbst hinzugehen, und feine Rückkehr zu melden.

D a die B e suche den Zweck haben , die Freund- Schaft zwischen P ersonen, deren R a n g , N eigung und Sitte n viel Aehnliches haben, zu unterhalten, so würde es nicht nur ein Vergehen gegen die H ö f- lichkeit, sondern auch ein V errath an der Freund- schaft seyn, wenn man feine Freunde nur dann be- suchen wollte, wann solche Verhältnisse einträten, bey denen man feine Theilnahm e an ihrer Freude oder au der T rau e r au deu T a g legen muß. Auch würde man gegen das Herkommen fehlen , und gegen die Pflicht zugleich fehleu, wenn man bey dem B e - ginn eines neuen J ahres nicht sogleich feine V e r - wandte, dann feine G ön n e r, feine Freunde, und alle diejenigen, welche ihre Gewogenheit uns ge- schenkt haben, besuchte.

I n dieser Hinsicht müssen P ersonen von un­ tergeordnetem R ange ihre B e suche zuerst machen, die übrigen haben einen M onath Zeit, um sie ab- zustatteu.

Machen S ie in der Gesellschaft neue B ekannt­ schaften, so vernachlässigen S ie dann über diese ja nicht die alten Freunde; denn sonst würden S ie das V e rg n ü g e n , welche diese lange Zeit hindurch I h - neu gewährt haben, mit Undank belohnen, und man würde Ih n e n schwerlich eine so tadelnswerthe Sorglosigkeit verzeihen können. Bestechen S i e I h r e alten Freunde f o rt, so oft es Ih n e n n u r möglich ist; und wenn S ie ihnen weniger Zeit als sonst, widmen könnten^ so richten S ie Ih r e B e suche doch so ein, daß jet^e die Kürze derselben

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nicht einer Erkaltung der Fre undschaft zuschreiben dürfen.

Zuw eilen stattet man die H ö flichkeits ^ und S t a a t s - B e suche durch Karten ab, auf welche man feinen Nam en schreibt, und von denen man dann eine in jedem Haufe dem Haushofmeister, oderir^

gend J emanden von der Dienerschaft übergibt.

Hauptsächlich geschieht dieses in dem F a lle , wenn m an diejenige P e rso n , der man einen Sta atsb e­

such abstatten w ill, nicht zu Hause antristt. S e it einigen J ahren hat m an , um solche Besuche ohne Aufsehen und ohne Beschwerden abzuthun , in P a­

r is eine sehr bequeme Einrichtung getrosten. Ein e besondere Commission hat es nämlich übernommen, Visitenkarten in die Häuser zu schicken , w ofür man eine W enigkeit zahlt.

Schuldigkeit ist es, die B e suche, welche man bekommen hat, zu erwiedern; u n d man würde eine unverzeiheiche G e rin g schätzung an den T ag legen, wenn man es unterlassen wollte. Uebrigens ist es lächerlich , wenn P ersonen , die in einem engen, freundschaftlichen Verhältnisse stehen, strenge A b­ rechnung über die schuldigen oder gemachten B e fu - che halten wollen, und wohl gar einander zu befu^

then aufhören , wenn sie glauben , daß die Andern ihnen B e suche schuldig sind, woran dieseo ft nicht einmal denken.

I s t Ih n e n nichts daran gelegen , mit einer P erson in nähere B ekanntschaft zu kommen, von welcher Ih n e n zum ersteu M a le ein B e such gemacht w urde, so müssen S ie nichts desto weniger Ih r e n Gegenbesuch abstatten; aber dabey können S ie es bewenden lassen, und brauchen Ih r e n B e such nicht

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Gesellschaftliche Zirkel. Unterhaltung.

zu wiederholen. E s ist aber gebräuchlich^ daß D e r- jenige, welcher zuerst einen B e such von J emanden bekommen, und diesen erwiedert hat, auch einen zweyten macht, wenn er w ünscht, d a ß Jener, der ihm zuerst entgegen kam^ in ein nähere^, freund- schaftlicheres Verhältniß mit ihm trete.

Fünftes Kapitel.

W

ünschet man in eine Gesellschaft aufgenommen zu werden, und daran T h eil zu nehmen, so erkun- dige man sich zuvor genau nach dem C h arakter, dem A lt e r , den Sitte n und dem R an ge der P ersonen, welche sie ansmachen. G u t wäre es auch, die Hauptumstände ihres Lebens zu wissen, um nicht etwa bey der Unterhaltung ihre Eigenliebe zu be­

leidigen , oder unangenehme Erinnerungen ihnen in das Gedächtniß zurück zu rufen, oder w ohl gar ans Unkunde ein G e spräch zu beginnen, welches a u f gewisse Ereignisse anzufhielen scheint, die sie gern der Vergessenheit übergeben möchten. B e y dieser Vorsicht, wenn man die K u n st, sich darzu^

stellen, g u t in n e h at, wenn man ein gefälliges A e u­

ßere gewinnen, und wenn man m it sich einig ist, w as man verschweigen m u ß , und w as man fa- gen ka n n , kann man dann in der Gesellschaft ausi^

treten.

Hivatkozások

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