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III. „Friedensgruppe Dialogus”

III.7.   Zur Entstehung der Gruppe

Über die konkrete Gestaltung weiss ich ziemlich wenig, auch sind meine Erinnerungen verblasst. In der Wohnung von Ferenc Köszegi hat sich [die Bewegung] formiert, in einer Nebenstrasse, in der Nähe des Süd-Bahnhofs. Da kamen zehn, zwanzig, dreissig, hundert Personen zu-sammen – je nachdem. Ein bedeutender Mensch zwischen den Gründern war ausserdem Ferenc Ruzsa. Er ist jetzt Dozent an einer Buddhisti-schen Hochschule. Ein sonderbarer Mensch. Mathematiker, er beschäf-tigt sich mit den östlichen Religionen – ich erinnere mich sehr gut an ihn. Weiterhin: Judit Révész, sie ist jetzt meine Frau. Sie gehörte auch zu den Gründern. Durch die Dialogus-Friedensgruppe habe ich sie ken-nengelernt. Zu erwähnen ist noch Marta Csökmei, die schon erwähnte Freundin, sie hat mich in diese Gruppe geführt. ... Ihr [der Gruppe] ge-hörte noch ein niederländischer Ökonom an, der in dieser Zeit in Un-garn studierte. Er wurde zu einer zentralen Figur der Dialogus-Friedensgruppe und der dann für uns die westeuropäischen Kontakte be-sorgt hat. Sehr stark war die Friedensbewegung in dieser Zeit in den Niederlanden, wie auch die Bewegung gegen die nukleare Aufrüstung in England – alle jene waren kirchlich inspirierte Bewegungen. Bald nah-men wir Kontakte mit diesen Menschen auf. Auch die Westeuropäer suchten nach östlichen Verbündeten, weil es sie dazu legitimierte, gegen die amerikanischen Raketen zu protestieren. Sie konnten dann sagen:

Die Ungarn protestieren gegen die Sowjetraketen. (B)

198 Ungarn besteht im Sprachgebrauch der Hauptstadtbewohner oft aus Budapest – und der Provinz.

Auch wird die Hauptstadt sprachlich erhöht, man geht ’hinauf nach Budapest’ und von dort ’hin-unter in die Provinz’.

(2) Idee und Motivation

Nun zu den Anfängen der Dialogus-Friedensbewegung – worüber ich aber fast nur zufällig aufbewahrte Erinnerungen habe. Vor mir erscheint die ganze Sache als eine Idee von Köszegi. Woher er sie nahm, weiss ich nicht. Auf den ersten Blick schien mir diese Frage/ dieser Begriff absolut leblos – „Friedensbewegung“? Die beiden Supermächte kommen noch gut miteinander aus, es gibt nichts, was hier interessant wäre. Ob diese [Erinnrungs-]Schablone brauchbar ist, darüber könnte man diskutieren.

Mir schien aber, dass Köszegi sich durch die Mode in Westeuropa motivieren liess. Er pflegte in der Bewegung am regesten die Kommuni-kation mit Westeuropäern. Er hat auch Etliches darüber geschrieben.

Ich habe etwas von diesen Schriften gelesen, habe aber über die andere Seite der Medaille so gedacht: Durch Köszegi wird aus der ungarischen Friedensbewegung eine Sache von Marketing. Klar ausgedrückt: Er schrieb mehr, als er wirklich überdenken konnte. Er sprach manchmal von Fakten, die im Moment des Notierens noch keine Fakten waren. Es kann sein, dass er sich durch seine persönlichen Ambitionen beeinflus-sen liess. Er war vielleicht davon überzeugt, dass es möglich wäre, in den bedeutungslosen Alltag der Universität etwas Wichtiges hineinzu-bringen. Er glaubte – aber auch wir haben das ähnlich gesehen – dass die Friedensbewegung der damaligen sozialistischen Wirklichkeit ent-sprach. (R)

Bei den Zeitzeugen wird in die Gründung selbst keine besonders herausgeho-bene Bedeutung gelegt. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass sich die Gründung, wie auch die faktische Auflösung über eine längere Phase hinwegzog.

Ruzsa ist sich der Lücken in seiner Erinnerung bewusst, und formuliert daher vie-les im Konjunktiv. Den Anfang betrachtet er als Idee eines Freundes, der gute Beziehungen zum regimekritischen, ehemaligen Ministerpräsidenten András He-gedüs unterhielt. Er bemerkt auch, dass nach seinem Empfinden, die Supermächte damals gut miteinander auskamen (der NATO-Doppelbeschluss und der Beginn einer europaweiten Mobilisierung der Friedensbewegungen bleiben ausgeblendet).

Die historische Einbettung, der Makrokontext ist in der Erinnerung nicht vorhan-den. Die Erzählung behandelt das Geschehene in dem Kontext eines privaten Ex-periments - wie weit konnte man gehen? - als eine Art Verwirklichung der geplan-ten politischen Laufbahn des Philosophen.

Der obere Abschnitt scheint von einem deheroisierenden Stil gekennzeichnet zu sein. Die spätere Enttäuschung mag hier schon vorweggenommen worden sein.

Anders sieht es bei der Interpretation der eigenen Motivation aus:

Es hat für mich, aber auch für andere einen grundsätzlich morali-schen Wert, sagen zu können: Es ist möglich, das zu tun! Es ist möglich

‚Nein’ zu sagen! Es ist möglich, sich nicht zu unterwerfen! – All dies ha-be ich vollständig akzeptiert, dieses Prinzip wirkte wie ein Magnet. Ich habe gedacht: Ich weiss etwas, ich kann etwas tun, das sich weniger mit dem gegenwärtigen System konfrontiert, aber den Rahmen lockert. (R) Hier geht es um die Definition der unabhängigen Haltung, die einen Bruch mit der Praxis des „So tun als ob“ bedeutet. Jene Rolleneinspielung wurde von Ruzsa am Beispiel der militärischen Ausbildung hervorgehoben.

Miklós Haraszti, der zum Kern der demokratischen Opposition zählte und die Samisdat-Zeitschrift „Beszélő“ redaktionell mitbetreute, beobachtete die Entwick-lung und beteiligte sich an Dialogus-Veranstaltungen. Er schrieb nach der Auflö-sung der Gruppe im Februar 1984 einen Artikel für den „Beszélő“, in dem er eine Bilanz lieferte. Diese Zeitschrift begleitete den gesamten Verlauf der Geschehnis-se um die Dialogus-Friedensgruppe, indem sie Artikel, Interviews, Aufrufe, Be-richte und Dokumente verfasste bzw. publizierte.199

Haraszti erwähnt zu Beginn des Artikels200 einen Aufruf, der im November 1981 im Studentenparlament in Budapest lanciert wurde und der dazu aufforderte, eine unabhängige Friedensdemonstration zu organisieren. Er bezeichnet diesen Aufruf als den Beginn der ersten unabhängigen Jugendbewegung in der Volksre-publik Ungarn, nach der Revolution von 1956. Durch die anfängliche taktische Verhandlungsbereitschaft des Nationalen Friedensrates und unerfüllte Verspre-chen sollte die offizielle Seite die Initianten von ihrem Ansinnen abgebracht wer-den. Doch entstand eine Gruppe, die sich intensiv mit der Friedensforschung und den Programmen der westlichen Friedensbewegungen auseinander setzte. Ab dem Sommer 1982 spricht Haraszti vom praktischen Beginn der Dialogus-Gruppe. Im Juni wurden in einer Privatwohnung mehrere Leute zu einer Diskussion eingela-den: András Mészáros, ein Repräsentant des offiziellen Nationalen Friedenskomi-tees, Éva Ancsel, eine Professorin für Marxismus, Sándor Radnóti, ein als dissi-dent geltender Philosoph, András Hegedűs, der ehemaliger Ministerpräsidissi-dent (1956), späterer Kritiker des Regimes und Direktor des wiederentstandenen sozio-logischen Instituts. Diese Vielfalt sollte eine neue und offene, jedoch keine sy-stemfeindliche Absicht vermitteln.

(3) Überbau bauen

In der Anfangsphase lässt sich bei Ruzsa auch das Motiv erkennen, sich als Philosophen-Politiker zu positionieren und für die Sache einen theoretischen Überbau zu liefern.

199 Siehe Bibliographische Quellen.

200 Dialogus. Zwei Jahre unabhängige Friedensbewegung, Beszélő, Nr. 9. S. 512ff.

Es entstand also der Gedanke: Wir sollten die Friedensbewegung or-ganisieren. Nicht so, wie das jetzt klingt, „aus dem Nichts“. Ich habe schon erwähnt, dass Köszegi versucht hat, die Sache in Bewegung zu bringen. Er erweckte den Eindruck, dass bereits überall im Lande spon-tane Friedensbewegungen existieren würden, es brauchte nur den Auf-bau eines intellektuellen Hintergrunds. Dies konnte aber nur durch Stu-denten der Philosophie, Soziologie etc. geschehen, die sich im Ab-schlussjahr befanden. Später wurde uns klar, dass es hier nichts gab, was man hätte koordinieren können, wir mussten also die Friedensbe-wegung selbst organisieren. Im ersten Augenblick war das aber nicht eindeutig, nicht klar. Es war sehr aufregend, nicht nur, weil wir so etwas noch nie gemacht hatten, sondern auch, weil wir uns jeden weiterfüh-renden Schritt selbst überlegen mussten. Es wäre idiotisch gewesen, alle Freunde einzeln zu besuchen. Mit diesen Menschen pflegst du im Allge-meinen über andere Themen zu reden – jetzt kommst du auf einmal mit dem Gedanken, dass „es gut wäre so etwas zu machen“, oder mit der Frage „Könntest du selber einsteigen?“ Die Atmosphäre war ganz be-stimmt schon milder, aber die sozialistischen Einrichtungen waren end-gültig. Man konnte sich sicher sein, dass die Menschen beobachtet wur-den. Es gehörte auch ein moralischer Konflikt dazu, nämlich ob es erlaubt ist, Freunde hineinzulocken. Wir haben uns dann über diese Probleme hinweggesetzt, tatsächlich habe ich dann alle meine Freunde in diese Sa-che verwickelt. In vielen Fällen geschah es auch, dass sie ein oder zwei-mal an einer Sitzung teilgenommen haben, dann blieben sie weg, weil die Sache ihrem Geschmack nicht entsprochen hat. Nicht, dass hier etwas nicht in Ordnung gewesen wäre, sondern weil sie sich ganz einfach ge-langweilt haben oder weil sie sich nicht dafür interessierten. (R)

Sowohl die Samisdat-Literatur, als auch Hücking im Westen, wie auch die Staatssicherheitsakten sprechen von einzelnen kleineren Gruppen, die bereits vor der Formierung der Dialogus-Friedensbewegung existierten, so die vorwiegend aus Mittelschülern bestehende Anti Nuclear Campaign (ANC) und die avantgardi-stische Künstlergruppe INDIGO. Doch die treibende Kraft für eine Formierung der Bewegung waren vor allem Studierende wie Ruzsa und Kőszegi, der geistes-wissenschaftlichen Fakultät der Universität ELTE.

Bis zum Dezember hatte die Bewegung ca. 50 Organisatoren (Aktive Mitglie-der) mehrere hundert Emblemträger und sehr viele Sympathisanten. Später gesell-ten sich zur Gruppe auch Leute der katholischen Basisgemeinschaft „Bokor“, von der mehrere Anhänger den Wehrdienst verweigerten.201

201 Ebd., S. 514.