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2 Raumordnung

2.1 Theoretische und Methodische Grundlagen

2.1.2 StadtRaum

Um Stadt zu definieren sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Evident allerdings erscheinen die Faktoren Größe, Dichte, Befestigung und Organisationsform, die bereits Max Weber zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Wesensmerkmale der europäischen Stadt beschrieb.99 Die beschriebenen Eigenschaften sind bedeutsam bei der Analyse des städtischen Raums, da Aussehen und Grundeigenschaften der europäischen Städte bis in die Gegenwart von dieser historischen Anlage bestimmt sind.100 Immanent in Webers Beschreibung ist bereits das Stadtbürgertum, welches bedeutsam in der Herausbildung der städtischen Lebensformen, aber auch der politischen Selbstbestimmung zu verstehen sind. Er sah darüber hinaus in der Struktur und

97 Siehe Simmel, Georg. Soziologie, hrsg. von Otthein Remmstedt, 1992, S. 687-698.

98 Simmels Ansätze zu einer umfassenderen Raumsoziologie - dabei gilt dieses Kapitel als Herzstück - wurden wiederholt kritisch betrachtet, vgl. u.a. Läpple, Dieter. Essay über den Raum , In Häußermann, Hartmut, et.al., Hrsg. Stadt und Raum. Soziologische Analysen., 1991, S. 157-207.; Glauser, Andrea.

Pionierarbeit mit paradoxen Folgen? Zur neueren Rezeption der Raumsoziologie Georg Simmels, In Zeitschrift für Soziologie, Jg.35, Heft 4 (August 2006), S. 250-268.

99 Weber, Max: Die Stadt, In Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik 47 (1921).

100 Vgl. Häußermann, Hartmut, Die europäische Stadt, S. 246.

Funktionsweise der europäischen Stadt einen Grund für die Herausbildung von Rationalismus, Kapitalismus und Bürokratie. Sowohl vor als auch nach Max Webers struktureller Analyse städtischer Grundlagen befassten sich andere Theoretiker sowie Praktiker mit dem Gegenstand, der bis in die Gegenwart zur Auseinandersetzung mit dem Thema anregen. Die inhaltliche Ausrichtung unterscheidet sich dabei und entspricht mitunter den sozialen Fragen ihrer Zeit. Bereits 1844 veröffentliche Friedrich Engels seine Studien über die Lage der Arbeiter im englischen Manchester. Hierbei wurden bauliche Strukturen in die soziale Beschreibung der Arbeiter einbezogen.101 Strukturelle sowie soziale Folgen der Industrialisierung und der damit zusammenhängenden Urbanisierung behandelte auch der deutsche Soziologe Ferdinand Tönnies in seiner grundlegenden Untersuchung “Gemeinschaft und Gesellschaft”102. Dabei unterschied die traditionellen homogenen (ländlichen) Gemeinschaften von den modernen Gesellschaften, die zunehmend unpersönlich, vertraglich und vornehmlich ökonomisch vernetzt waren.

Kurze Zeit danach (1903) beschreibt Georg Simmel in einem Essay Großstädte als ‘Raum der Moderne’103. Dieser sei emotionslos, aber zunehmend rational. Hierbei knüpft er ab Max Webers Beobachtung direkt an (Rationalismus), aber geht noch einen Schritt weiter und betont die Wechselwirkungen von Innen und Außen sowie auch soziale Funktionen von Grenzen. “In der Soziologie des Raums von Georg Simmel spielt die Grenze eine zentrale Rolle. Da der Raum immer sozial gegliedert ist, hat er die Funktion, diese Gliederung zu zeigen; und indem sich eine Gruppe in einem bestimmten Raum verwirklicht, wirkt dieser Raum auf die Eigenart dieser Gruppe zurück. So gesehen ist die Grenze, die den einen von dem anderen Raum scheidet, für die Wirksamkeit eines Raumes konstitutiv.104

101 Engels, Friedrich. Die Lage der arbeitenden Klasse in England, 1845, neu verlegt in Marx-Engels Werke, 1976, Bd. 2, S. 225-506.

102 Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie, 2005 [1887].

103 Simmel, Georg, Die Grosstädte und das Geistesleben, In: Jahrbuch der Gehe-Stiftung Dresden, hrsg.

Von Th. Petermann, Band 9, 1903, S. 185-206, hier S185.

104 Detlef Ipsen: Zwischen Innen und Außen. Randbemerkungen, In Kärmer-Badoni, Thomas, et.al. Die Gesellschaft und ihr Raum, S.197-213, hier S. 198.

Eine Stadt beherbergt Menschen, die einander nicht (zwingend) kennen und deren Zugehörigkeit, Aufgabe und/ oder Status nicht festgelegt sind. Jedoch sind Fragmentierungen des Raums eine Folge der Vielheit und ermöglichen die Etablierung kleinerer Gemeinschaften, die sich einander zugehörig fühlen und mit/ neben anderen bestehen. Die gesellschaftliche Heterogenität kann daher als Definitionsmerkmal festgehalten werden. Für das Wachstum selbst waren ‘Fremde’ bereits evident. “For this reason, the stranger, the outsider, the traveller, the trader, the refugee, the slave, yes, even the invading enemy, have had a special part in urban development at every stage."105 Ebenso bedeutsam ist die daraus resultierende Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden, welche sich in Städten materialisiert. Diese Zuschreibungen sind situativ wandelbar und verweisen stets auf lokale Entwicklungen. Durch Bevölkerungswachstum und technischer Entwicklung etablierten sich weitere Systeme zur Organisation und Kontrolle über städtisches Gebiet. Prunkvolle Architektur übernahm eine wichtige Funktion im Inneren des Sozialengefüges. Durch monumentale Bauten, die sich durch Größe und Materialien auszeichneten, wurden Herrschaft und Machtanspruch ausgedrückt.106 Da sich die Bewohner_innen einer Stadt nicht zur Gänze kennen und auch aufgrund der Interaktion mit Orts-Fremden ist die Frage der Architektur nicht zu gering zu schätzen. Die Orientierung durch materielle Erscheinungen war auch im mittelalterlichen europäischen Städtebau bekannt, nicht zuletzt durch die bereits erwähnten Stadtmauern. Das geordnete, zielstrebige Bauen hob sich von planlosen Siedlungsbauten ab und markierte dadurch bereits unterschiedliche Räume innerhalb des Stadtgefüges. Stadtpläne sind Abdruck dessen und spiegeln Ordnungsvorstellungen wider, die mittels der gebauten Umgebung konkretisiert werden. Mauern, Entfernungen oder Grenzsteine sind wichtige Hilfsmittel dabei. Häufig sind mit diesen Konkretisierungen bereits Erinnerungsnarrative verbunden, zu denen sich jedes andere Objekt verhalten muss. In ihrer Gesamtheit, als System aus Gebäuden, Straßen und Plätzen, aber auch den damit in Verbindung stehenden Diskursen werden gesellschaftliche

105 Mumford, Lewis, The City in History, S. 96.

106 Vgl. Mumford, Lewis, The City in History, S. 65 f.

Entwicklungs- wie auch Konfliktlinien sichtbar. Daher sprechen auch jüngere Stadtsoziologen wie Hartmut Häußermann von der “Topographie der Macht”. In diesem Aufsatz hielt der Stadtsoziologe fest, dass der öffentliche Raum mehr umfasst “als nur den sichtbaren, physischen Raum der gebauten Stadt - in welchem Verhältnis physischer und kultureller Raum heute in der Stadt stehen, wird selten thematisiert und ist daher noch weitgehend unklar.107” Die Gestaltung von und der Umgang mit öffentlichem Raum impliziert immer ein Verhältnis der Zugehörigkeit oder Ausgrenzung. Grenzen unterscheiden das Eigene vom Anderen, sie sind in ihrer symbolischen Aussagekraft nicht zu unterschätzen. Auch und besonders in der modernen Stadtentwicklung kam ihnen Bedeutung zu, die nicht zuletzt in ihrem Verschwinden begründet lag. Zuforderst sind es aber Linien und städtebauliche sowie gesellschaftliche Abgrenzungen, die aufgrund der Sichtbarkeit hohe Aussagekraft besitzen. Somit ist die Gestaltung des städischen Raumes

„nicht nur Rahmen für soziale Beziehungen”,108 sondern strukturelle Voraussetzung für Interaktionen, die demnach auch in Teilbereichen des Raumes wiederzufinden seien. So wie die Städte des Kronlandes zur besseren Kommunikation und Wirtschaftsweise miteinander in Verbindung treten, sollte auch der Hauptstadtcharakter des Zentrums dieses Beziehungsgeflechts auf den Friedhöfen, ebenso wie anderswo, zu sehen sein. Die Ordnungsfunktion der gebauten Strukturen wirkt zuvorderst mittels ihrer Ausmaße und Positionierungen. Einfache Formen der städtischen Ordnung wirken durch Begrenzungen sowie durch das Wege-Netz, welches die Kontrolle über den Raum ausdrückt und durch Beziehungen untereinander sowie mittels Begradigungen oder Erweiterungen wirksam ist. “Ganz allgemein spielen die heimlichen Gebote und stillen Ordnungsrufe der Strukturen des angeeigneten Raums die Rolle eines Vermittlers, durch den sich die sozialen Strukturen sukzessiv in Denkstrukturen und Prädispositionen verwandeln.109” Daher sind die Bezugnahmen zum eigenen Standpunkt im Raum oder den persönlichen

107 Häußermann, Hartmut, Topographie der Macht, In Hofman, Andreas R.; Wendland, Andrea V., Hrsg.

Stadt und Öffentlichkeit in Ostmitteleuropa 1900-1930, S. 81-93, hier S. 81.

108 Zimmermann, Clemens. Die Zeit der Metropolen. Urbanisierung und Großstadtentwicklung, 1996, S.

11.

109 Bourdieu, Pierre. Ortseffekte, S. 118.

Bezügen zur größeren Struktur bedeutsam. Hinzu kommt, dass sich ein Teil der städtebaulichen Bemühungen nicht gänzlich aus ihrer Materialität erklären lassen, sondern auch durch Zuschreibungen und Bezüge. Die können in Teilen mit in die Analyse einbezogen werden, sofern sie sich auf Stadtplänen abzeichnen oder durch andere materielle Eigenschaften markiert werden. “Man kann die Ordnung der Dinge nicht in

‘ihren Wesenheiten im Einzelnen’ erkennen, sondern indem man die einfachste Wesenheit, dann die dieser nächste entdeckt, damit die man notwendig von da aus zu komplexeren Dingen gelangen kann.110” Hier werden als Teile der Ordnung die markanten Markierungen im öffentlichen Raum, die Denkmale, verstanden, welche Foucault folgend einen größeren Zusammenhang verdeutlichen. Damit wird deutlich, dass ‘Stadt’ nicht nur durch eine dichte Siedlungsform ausgezeichnet ist, sondern auch durch Raumbildungsprozesse, die Ausdruck des gesellschaftlichen Lebens in dieser Siedlungsform sind. Darin sind Hierarchien und Weltbilder abzulesen, welche detaillierten Aufschluss über gesellschaftliche Zusammenhänge geben. Leerstand und Vergessen, Umnutzung oder Wohlstand, religiöse oder ökonomische Verhältnisse bilden gewollt oder ungewollt die gesellschaftliche Realität ab. Auch hierbei sind Lücken und Brüche bedeutsam. Gesellschaftliche und technische Entwicklungen bekommen somit konkrete Spuren und werden sichtbares Zeichen im Alltag. Durch Grundstrukturen der europäischen Stadt mit sakralen Räumen, Befestigungs-/ Wehranlagen, Straßen und Plätzen, die in ähnlichen Mustern angeordnet sind, wird diesem Aspekt bereits Rechnung getragen. Unterstützt wird es durch die wiederkehrenden Muster der Benennungen oder der symbolischen Ergänzung. Aus Wien wurde beispielsweise auf den Herrschaftsbereich das Zusammenspiel von Rathaus - Ringplatz sowie der Herrengasse als Geschäfts-/

Flaniermeile übertragen. Auch andere Gestaltungsmöglichkeiten bilden Parallelen zur Hauptstadt ab und geben dadurch dem Raum, in dem sie Anwendung finden, besondere Bedeutung. Aufgrund der staatlichen Verfasstheit der Habsburgermonarchie waren die aufkommenden Denkmäler und Strukturierungsprozesse vergleichbar. Dies lag zum Teil in der Aufteilung der Kompetenzen zwischen Wien und den Ländern begründet, welche

110 Foucault, Michel. Die Ordnung der Dinge, S. 86. Foucault zitiert hier René Descartes’ Regeln zur Leitung des Geistes.

zu Angleichungen in Inhalt und Form figürlicher Darstellungen führten.111 In Gänze bildet das System der Denkmäler im städtischen Raum die Grundlage dessen, was Kevin Lynch später als ‘Lesbarkeit’112 der Städte betonen sollte und den Bewohner_innen Orientierung durch Wiedererkennung und vereinheitlichte Strukturen bietet. Die administrative Durchdringung des öffentlichen Raums, die Repräsentations-Modi von Grenzen, Stadt und Land entsprechen einer neuen räumlichen Ordnung, die die bürgerliche Gesellschaft der Moderne abbildet. Daher ist Ulrike Jureits Ansatz zu folgen nach dem „nicht nur räumlichen Ordnungen als solche, sondern vor allem auch das Ordnen von Räumen als komplexen Vorgang der inneren und äußeren Landnahme zu analysieren [sind].“113