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4 Krieg und Helden

4.2 Der Erste Weltkrieg. Die Ausgangssituation

4.2.2 Nachkrieg

Die hohen Verlustzahlen, das große Ausmaß an Zerstörung sowie der Verlust an einem politischen Ordnungssystem für das Gebiet der Bukowina ließen für die direkte Nachkriegsperiode keine Beruhigung zu. Die Rückkehrer aus Kriegsgefangenschaft und Zwangslagern fanden vielfach zerstörtes Land und Eigentum vor, zudem fehlte oft eine staatliche Administration, die Rechtssicherheit gewährte. Im Krieg wurde die Grenze zwischen Zivilisten und Militärs zunehmend brüchig und die “Kriegsgreul” beherrschten die Erfahrungen der Betroffenen.432 Konkret war die hohe Zahl der Kriegsgefangenen und der Kriegsgefangenen-Lager neuartig und forcierten die Entgrenzung der Gewalt.433 Das gesellschaftliche Gefüge wurde durch den Krieg schwer beschädigt. Fehlende Wiedereingliederungen sowie die unbeständige staatliche Nachkiegsordnung verstärkten die Missgunst zwischen einstigen Nachbarn. “Die Gewalterfahrungen der Nachkriegszeit radikalisierten das Denken der Zeitgenossen erheblich, und sie waren gekoppelt an eine sich immer stärker polarisierende Deutung des Weltkrieges, […]”434Auf Grundlage dieser Deutschen konnte keine Friedensordnung entstehen. Vielfach hingegen prägten Bürgerkriege oder vergleichbare Zustände die Nachkriegsgesellschaften. Die hohen Verlustzahlen hingegen waren nicht abzusehen und entsprachen keinen bisherigen Erfahrungen, so dass in diesem Bereich neue Wege beschritten wurden, die mit anderen öffentlichen Markierungen korrelierten. Im Folgenden werden einige wichtige Entwicklungen hinsichtlich der Ostfront und für die Region Bukowina betrachtet.

432 Vgl. Neitzel, Sönke/ Hohrath, Daniel, Hrsg. Kriegsgreul. Die Entgrenzung der Gewalt vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Paderborn, 2008.

433 Vgl.auch Übersichtskapitel “Lager”, In Rauchensteiner, Manfred. Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914-1918, S. 835 ff.

434 Neitzel, Sönke. Der historische Ort des Ersten Weltkrieges in der Gewaltgeschichte des 20.

Jahrhunderts, In Aus Politik und Zeitgeshcichte, 64. Jg., H 16-17 2014, S. 17-23, hier S. 22.

Totenkulte im Allgemeinen sind, wie bereits gezeigt, wichtiger Bestandteil der menschlichen Kultur und auch wichtig zur Stärkung politischer Gemeinschaften.

“Politische Mythen existieren in drei Formen der Vermittlung, die sich wechselseitig verstärken: narrativ, rituell und ikonisch. Die narrative Form ist immer das Fundament, auf dem rituelle und ikonische Formen aufbauen können.435” Die Soldatenfriedhöfe dieser Zeit wurden zu einem zentralen Thema, da sie nicht nur Erfordernisse der Zeit, sondern auch Abbild staatlicher Grundzüge waren. In ihren Anlagen und Ausmaßen wurden sie zu neuen Bestandteilen des urbanen Raumes, dienten als Anlaufpunkte für die trauernde und traumatisierte Gesellschaft und erfüllten erinnernde sowie ehrende Funktionen für die kriegteilnehmenden Staaten. Doch vor allem in ihrer Funktion als Bestandteil des Stadtbildes waren sie mit vielen Faktoren konfrontiert und bezeichnet wiederrum “ein Gebiet, das, obwohl es eher eine Zwischenrolle hat, nichtsdestoweniger fundamental ist.436” Es zeigen sich hieran mitunter alternative Ordnungen und die Beziehungen sowie Reflexionen zu den bestehenden Ordnungen im gesellschaftlichen Konstrukt der Stadt, welches ebenfalls in Kriegs- sowie Nachrkriegszeiten Veränderungen verzeichnete. Die neuen Erfahrungen verlangten schnell nach passenden Kategorien der Verarbeitung. Bei den wechselnden Front- und später Grenzverläufen war die Erinnerungsarbeit nicht ohne Schwierigkeiten lokal zu verorten und gewohnte Muster der Heroisierung griffen nicht.

Die Veränderungen im Denkmalbereich sind besonders eindrucksvoll, denn es fehlten die Bezüge und die neue Formensprache fand nur langsam Eingang in weitere Gestaltungen, so dass die Bruchlinien recht deutlich hervortraten. Am schnellsten wurde dies natürlich an markanten Punkten in Hauptstädten sichtbar. In Czernowitz, nunmehr Cernauţi, wurde die Mariensäule am Ringplatz abgetragen und 1924 ein Unirea-Denkmal (Einheitsdenkmal) errichtet. Damit wurde die Angliederung der Bukowina an das Königreich Rumänien sowie der militärische Erfolg zelebriert. Es handelt sich um ein Kriegerdenkmal bei welchem ein Soldat, plastisch ausgeformt, mit erhobener Waffe auf einem Podest gut platziert vor dem Rathaus steht. Auf der Rückseite des Denkmals,

435 Rader, Olaf B. Grab und Herrschaft: politischer Totenkult von Alexander dem Großen bis Lenin, 2003, S. 20.

436 Foucault, Michel. Die Ordnung der Dinge, S. 23.

unterhalb des Soldaten, zertrampelt eben jener Auerochse (rumänisches Wappentier) den habsburgischen Adler, der bereits am Boden liegt.437 Dies bildet den Auftakt zu umfassenden Veränderungen in der Denkmal-/ Kulturlandschaft Bukowina. Der Dichter Alfred Gong notierte die Veränderung der Topographie in Gedichtform, bei dem es eingangs heißt: “Auf dem Ringplatz zertrat seit 1918/ der steinerne Auerochs den k. und k. Doppeladler. /Den Fiakerpferden ringsum war dies pferdeapfelegal./ Vom Rathaus hing nun Rumäniens Trikolore/ und die Steuerbeamten nahmen Bakschisch/ und sprachen rumänisch.438” War das Rathaus von Czernowitz vor 1914 noch der zentrale Punkt zwischen den habsburgischen Markierungen (Austria - Kriegerdenkmal - Mariensäule), wurde nach 1918 umgehend das Bezugssystem verändert. Der Rathausplatz wurde umgehend unbenannt und hieß nunmehr Piaţa Unirii. Hiervon ausgehend wurde die Neugestaltung vorgenommen. Die Markierungen zeigen, dass nicht mehr explizit der repräsentative Innenstadtbereich für die staatliche Inszenierung genutzt wurde.

Auf dem Rathhausplatz zertrat nunmehr der moldauische Ochse den habsburgischen Doppeladler und verkündete von der neuen Zeit unter national neuen Vorzeichen. Das rumänische (vormals Minderheiten-) Element wurde im öffentlichen Bereich verstärkt herausgestellt. Dieses Krieger-/ Einheitsdenkmal Unirea war in seiner Eindeutigkeit einmalig in der Region und verwies dadurch auch auf den Standpunkt in einer Regionalhauptstadt. Im weiteren sind unterschiedliche Ausprägungen von Bedeutung, wenngleich das Arsenal relativ beschränkt ist in Form und Aussage.

Gleichwohl ist die monumentale Inszenierung militärischer Ehren eine der ältestens Formen dieser Art der Würdigung. Diese Art der Erinnerung stand lange in direkter Verbindung mit den Herrschern oder Feldherren, die die Armeen führten. Im 18./19.

Jahrhundert weitete sich der Kreis der Beteiligten bei einer Denkmalerrichtung sowie -ausrichtung. Neben Militärs beteiligte sich vermehrt auch das erstarkende Bildungs- und Besitzbürgertum und tauchte auch im Bereich der Erinnerten mit auf. Generell stieg in Europa seit der Französischen Revolution die Zahl der Denkmäler, die den gewaltsamen

437 Vgl. Anhang A 6.

438 Alfred Gong. Topographie, vgl. Kapitel 4.5.

Tod thematisierten. Der Historiker Reinhart Koselleck fasste deren Bedeutung wie folgt zusammen: “Denkmäler, […] die an einen gewaltsamen Tod erinnern, bieten Identifikationen: erstens werden die Verstorbenen, die Getöteten, die Gefallenen in einer bestimmten Hinsicht identifiziert - als Helden, Opfer, Märtyrer, Sieger, Angehörige, eventuell auch als Besiegte; ferner als Wahrer oder Träger von Ehre, Glaube, Ruhm, Treue, Pflicht; schließlich als Hüter und Beschützer des Vaterlandes, der Menschheit, der Gerechtigkeit, der Freiheit, des Proletariats oder der jeweiligen Verfassung.439” Das Arsenal an Zeichen und Funktionen dieser Darstellungen blieb stabil und europaweit nahezu identisch, die Erinnerungszeichen werden lediglich durch spezifische Botschaften wie Inschriften oder Symbole national gebrochen. Gemeinhin wurden Feinde oder Besiegte hierbei nicht, beziehungsweise in einem niederen, abseitigen Bereich dargestellt.

Die Selbstaussage dieser Denkmale ist auf ihre vorgegebenen Zuschreibungen begrenzt, jedoch wird durch die einfache Lesbarkeit Wirksamkeit sichergestellt, mit genügend Spielraum für Interpretation und Umdeutung.440

Kriegerdenkmale haben meist innenpolitische Botschaften, welche Solidarität betonen und zugunsten des Vaterlandes ausgerichtet sind. Sie gelten als Form des kollektiven Totengedenkens. Eine besondere Form sind Soldatenfriedhöfe, welche im Umfeld des 1. Weltkrieges besondere Bedeutung und verstärkte Regelung erfahren sollten.441 Vorreiter für die Entwicklungen waren die Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Nationalfriedhof Arlington,442 welcher im Zuge des Bürgerkrieges der Jahre 1861 bis 1865 angelegt wurde. Aber auch das Deutsche Reich und Frankreich ordneten bereits im Friedensvertrag nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/ 71 die Pflege der eigenen sowie der gegnerischen Kriegsgräber an. Dies geschah im Friedensvertrag von Frankfurt, welcher auch über den Umgang mit Soldatengräbern und in den in Gefangenschaft

439 Koselleck, Reinhart.Kriegerdenkmale, In Marquard, Odo, Hrsg. Identität, S. 255-276, hier S. 256.

440 Vgl. Koselleck, Reinhart/ Jeismann, Michael, Hrsg. Der politische Totenkult, S. 10.

441 Siehe u. Crane, Davird. Empires of the Dead, 2014.

442 Vgl. Selbstbeschreibung auf der Homepage, URL http://www.arlingtoncemetery.mil/about [20.07.2017]

verstorbenen Angehörigen der verschiedenen beteiligten Armeen verfügte.443 Jedoch war die Gestaltung und Pflege dieser Orte nicht erst ein Anliegen der Nachkriegsgesellschaften. Wenn möglich wurden bereits im Kriegsverlauf Bemühungen unternommen, um die Gefallenen im Tod entsprechend zu würdigen. Es wurden verschiedentlich provisorische Grabstätten angelegt, bei denen teils nur Namen und Daten vermerkt wurden oder auch bereits Kriegerdenkmale und Erinnerungsensembles errichtet wurden.444