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Gottfried Immanuel Wenzel

– unter besonderer Berücksichtigung der Rolle Immanuel Kants*

II. Gottfried Immanuel Wenzel

Karpes empirische Psychologie ist nicht das einzige deutschsprachige Lehrbuch der theoretischen Philosophie in Österreich geblieben, das mit Kants Impulsen arbeitete. Kants Einfluss lässt sich auch im vierbändigen Vollständigen Lehr-begriff der gesammten Philosophie, dem Bedürfnisse der Zeit gemäss eingerichtet (1803–1805) des Philosophieprofessors am Linzer Lyzeum, Gottfried Imma-nuel Wenzel, nachweisen. Wenzel behandelte im ersten Band die Einführung in die Philosophie und Logik. Hierin unterteilte er die Philosophie traditions-gemäß in eine theoretische und praktische (§ 15). Anders aber als Karpe führte Wenzel die Ästhetik weder unter den Disziplinen der theoretischen (§ 16) noch der praktischen Philosophie (§ 17) auf. In die theoretische Philosophie reihte er die Logik, die Metaphysik der Natur und die theoretische Anthropologie ein, in die praktische die Metaphysik der Sitten, die praktische Anthropologie, die Naturrechtsphilosophie und die Klugheitslehre.33

Obwohl Wenzel die Ästhetik in der Grundübersicht der philosophischen Disziplinen nicht genannt hatte, versäumte er nicht, Ästhetikthemen in der Logik aufzugreifen. In § 8 der Logik (1803) zählt er ihre wesentlichen Eigen-schaften auf und vergleicht sie mit denjenigen der Ästhetik. Für Wenzel unter-scheidet sich die Logik von der Ästhetik oder Geschmackskritik grundsätzlich darin, dass jene »allgemeine Gesetze des Denkens« vorgebe. Im Gegensatz dazu gebe die Ästhetik »nur eine Norm in Bezug auf den Geschmack oder das Schö-ne« und enthalte »die Regeln der Uebereinstimmung des Erkenntnisses mit den Gesetzen der Sinnlichkeit; das heisst: mit dem, was die Sinne aller Menschen, die einige Kultur haben, schön finden«. Der Ästhetik seien nur »empirische zufällige Prinzipien« zu eigen. Im Gegensatz dazu stelle die Logik notwendige Prinzipien auf, denn sie erfasse die Regeln der Übereinstimmung der Erkennt-nis mit den notwendigen Gesetzen von Vernunft und Verstand.34

Von den Ästhetikthemen handelt Wenzel die ästhetische Vollkommenheit am umfangreichsten ab, und zwar in den §§ 32–37 des ersten Hauptstücks im »Allgemeine Elementarlehre« genannten ersten Teil seiner Logik.35 In § 32 führt er an, dass zur Erkenntnis eines wirklichen Gegenstands die Anschauung und der Begriff gehörten. Die Anschauung schaffe eine unmittelbare

Vorstel-33 Gottfried Immanuel Wenzel: Vollständiger Lehrbegriff der gesammten Philosophie, dem Bedürfnisse der Zeit gemäss eingerichtet. Erster Band. Logik. Linz-Leipzig 1803, 37–39.

34 Ebd., 124.

35 Ebd., 156–164.

lung vom Gegenstand, die es erlaube, sich von seiner Existenz zu überzeugen.

Der Begriff verbinde das in der Anschauung gegebene Mannigfaltige zu einer Einheit. Aus der Existenz dieser beiden Erkenntnisschritte folgert Wenzel, dass eine zweifache Vollkommenheit der Erkenntnis existiere – die Vollkommenheit der Anschauung oder ästhetische Vollkommenheit und die Vollkommenheit des Begriffs oder logische Vollkommenheit. Streng genommen, führt Wenzel an, gehöre die ästhetische Vollkommenheit nicht zur reinen Logik, denn diese befasse sich nur mit den Gesetzen des Denkens, keineswegs der Anschauung.

Dessen ungeachtet nahm er die ästhetische Vollkommenheit in seine Darle-gung auf, da er die Ansicht vertrat, dass eine konfrontierende Darstellung bei-der Vollkommenheiten bei-deren deutlichere Erfassung erlaube. Laut Wenzel sei es Aufgabe des Redners und Dichters, nach der ästhetischen Vollkommenheit der Erkenntnis zu streben, um die logische ringe der Philosoph. »Die ästhe-tische Vollkommenheit entspricht den Gesetzen der Sinnlichkeit, d.i. die Vor-stellung stimmet mit dem vorstellenden Subjekte überein.«36 Bei dieser Art von Vorstellung gälten keine objektiven, allgemeingültigen apriorischen Gesetze.

Diese Vorstellung sei vielmehr »subjektivisch«. Dem subjektivischen Gepräge zum Trotz ist aber laut Wenzel eine ästhetische Vollkommenheit der Erkennt-nis, der eine subjektive Gültigkeit für die gesamte Menschheit zu eigen ist, durchaus möglich, »weil die Sinnlichkeit aller Menschen doch darinn überein-kömmt, dass sie das Schön nennen müssen, was den Sinnen in der Anschauung gefällt«.37 Die Grundlage der ästhetischen Vollkommenheit der Erkenntnis ist laut Wenzel die Schönheit (»Ihr liegt also Schönheit zum Grunde.«).

Die Bezeichnung der Schönheit als Grundlage der ästhetischen Vollkom-menheit der Erkenntnis führt Wenzel im anschließenden § 33 zur Unterschei-dung zwischen dem Schönen und Angenehmen. Das Schöne sei das, was be-griffs- und reizlos als Gegenstand des notwendigen Wohlgefallens, das jeder erkennt, gefällt. Diese Art bezeichnete er als »die eigentliche, selbstständige, die wesentliche Schönheit«. Schönheit sei »eine Anschauung, die ihrer Form wegen gefällt, und zwar Jedermann gefallen muss«.38 Denn Einheit in der Mannigfal-tigkeit gefalle jedem, der sie wahrnimmt. Das Angenehme hingegen sei »eine gefallende Empfindung durch Reitz und Rührung«. Das Angenehme sei ein

»aus bloss subjektiven Ursachen«, die nur für die Sinne eines bestimmten

Ein-36 Ebd., 157.

37 Ebd.

38 Ebd., 158.

zelnen gelten, entspringendes Vergnügen. »Was eigentlich schön ist«, summiert Wenzel, »gefällt allgemein. Das Angenehme ist der Grund eines blossen Privat-wohlgefallens. Das eigentlich Schöne beziehet sich nur auf die Form unserer Empfindungen; das Angenehme auf den Stoff oder Materie derselben […].«39

In § 34 kommt Wenzel auf die ästhetische und logische Vollkommenheit der Erkenntnis zurück und besinnt sich auf deren Beziehungen. Die ästhetische Vollkommenheit verleihe seinem Urteil nach der logischen Vollkommenheit

»etwas Gefallendes und Anmuthiges«. Sie befreie diese von der scholastischen Trockenheit und erlaube ihr, ein größeres Publikum anzusprechen. Daher hält Wenzel es für angebracht, die Philosophie mit den schönen Wissenschaften – gemeint sind Dicht- und Redekunst – zu verquicken. Für ungeeignet erachtet er jedoch die Verbindung von logischer Vollkommenheit der Erkenntnis mit dem Angenehmen. Das Angenehme störe nämlich die Überlegung durch eine gereizte Sinnlichkeit, was das eigentlich Schöne nicht tue.40

In §  35 gibt Wenzel zu, dass die Verbindung von ästhetischer und lo-gischer Vollkommenheit schwierig sei, denn die ästhetische Vollkommenheit der Erkenntnis entspreche den Gesetzen der Sinnlichkeit, die logische hingegen den Gesetzen des Verstands. Die Sinnlichkeit ersehne Lebhaftigkeit, der Ver-stand Belehrung. Die Sinnlichkeit bevorzuge Oberflächlichkeit, der VerVer-stand Solidität; die Sinne wollen unterhalten, der Verstand genährt werden. »Etwas Widerstreitendes«, das zwischen Sinnen und Verstand herrscht, mache eine Übereinstimmung zwischen diesen schwierig und nicht für jeden Philosophen zugängig. Schon Horaz hatte aber konstatiert, dass die Verquickung des Nütz-lichen mit dem Süßen den größten Widerhall hervorruft. Dass eine solche Ver-quickung wirklich möglich sei, belegt Wenzel mit den Beispielen der sogenann-ten »Philosophen im ästhetischen Gewande«. Von den antiken Autoren zählte Wenzel Platon und Lukrez, von den zeitgenössischen Hemsterhuis, Herder, Mendelssohn und Sulzer dazu.41 Ein Philosoph, der gleichzeitig Ästhetiker ist, bringe laut Wenzel eine im vollsten Umfang der menschlichen Natur entspre-chende Belehrung (§ 36). Er schaffe es nämlich, gleichzeitig den Verstand zu belehren und die Sinne des Menschen zu vergnügen, was der Philosophie eine breitere Beliebtheit eintrüge. Der Philosoph dürfe aber bei der Verbindung der logischen mit der ästhetischen Vollkommenheit nie erstere der zweiten unter-ordnen. Zur Vermeidung dieses Fehlers schlägt Wenzel drei Regeln vor: 1. Der

39 Ebd., 159.

40 Ebd., 159–160.

41 Ebd., 160 f.

Philosoph müsse respektieren, dass die logische Vollkommenheit die Grundla-ge der Erkenntnis ist, denn in der Erkenntnis Grundla-geht es um Wahrheit. Und die Wahrheit dürfe er niemals zugunsten der Zierde opfern. 2. Der Philosoph solle den Gedanken eine äußere Form geben, die allgemein, nicht individuell Gefal-len findet, und er müsse den Hörer mittels Begründungen, nicht etwa mittels Rührung einnehmen. 3. Das mittels Rührung und Reiz wirkende »ausserwe-sentlich Schöne« solle nur unter größter Umsicht mit der logischen Vollkom-menheit der Erkenntnis verbunden werden, denn sonst drohe eine ernsthafte Gefahr, dass das Angenehme die Aufmerksamkeit vom Objekt auf das Subjekt lenkt, vom vorgetragenen Thema auf den Vortragenden, was die logische Voll-kommenheit ganz ungehörig beeinträchtigte.42

Wenzel setzte die Erläuterung der ästhetischen Vollkommenheit auch im Rahmen seiner Darlegungen der vier Grundmomente der Vollkommenheit – Quantität, Qualität, Relation und Modalität – fort. In § 37 konstatiert er, dass die Erkenntnis aus der Sicht der Quantität ästhetisch desto vollkommener sei, je mehr Mannigfaltiges sie in der sinnlichen Anschauung darstelle; aus der Sicht der Qualität, wenn die Anschauungen deutlich und lebendig seien; aus der Sicht der Relation, wenn die Erkenntnis nur subjektiv wahr sei, d.h. »wenn nur die Erkenntniss mit dem erkennenden Subjekte und den Gesetzen des Sinnen-Scheins übereinstimmt«;43 aus der Sicht der Modalität, wenn sie eine durch die Sinne bestätigte Bestimmtheit aufweise. Als einen gemeinsamen Wesenszug der ästhetischen und logischen Vollkommenheit der Erkenntnis und ihrer gegen-seitigen Verflechtung bezeichnete Wenzel die Einheit in der Mannigfaltigkeit.

Er sprach die Überzeugung aus, dass Einheit die Grundlage der Wahrheit als wichtigste Vollkommenheit jedweder Erkenntnis sei und dass nicht einmal in der Anschauung Mannigfaltiges ohne Einheit gefalle.44

Im Rahmen seiner detaillierten Darlegung der einzelnen Momente ist Wen-zel nur im Fall der Qualität auf die ästhetische Vollkommenheit zurückgekom-men, und zwar im § 67 im Zusammenhang mit der logischen und ästhetischen Deutlichkeit der Erkenntnis. Logische Deutlichkeit ruht laut Wenzel auf der objektiven Klarheit der Teilvorstellungen oder Merkmale, die ästhetische Deut-lichkeit hingegen auf der subjektiven Klarheit der Merkmale. Merkmale seien subjektiv klar, wenn sie von der sinnlichen Wahrnehmung und der Erfahrung geboten werden. Es handele sich um eine durch Beispiele erzielte Klarheit.

Bei-42 Ebd. 161 f.

43 Ebd., 164.

44 Ebd., 163–164.

spiele verleihen einer Darlegung Lebendigkeit, Verständlichkeit und Populari-tät, garantieren jedoch noch keine logische Deutlichkeit. Opfere der Philosoph das der Erkenntnis unterzogene Ding der Eleganz des Ausdrucks, könne die ästhetische Deutlichkeit der logischen sogar abträglich sein.45 Die gesamte Dar-legung beschließt Wenzel mit einer Charakteristik der Helligkeit (luciditas) der Erkenntnis, die in der Verbindung der logischen oder scholastischen Deutlich-keit mit der ästhetischen oder populären DeutlichDeutlich-keit bestehe (§ 68).46

Wenzel befasste sich mit Themen der Ästhetik auch in seiner theoretischen Anthropologie, die neben der Metaphysik der Natur den zweiten Band des Werks Vollständiger Lehrbegriff der gesammten Philosophie (1804) ausmacht. Er tat dies im Abschnitt, der die empirische Psychologie betrifft, konkret im § 49, der sich der Sinnlichkeit widmet. In der Abteilung A dieses Paragraphen ana-lysiert Wenzel den inneren Sinn. Genau wie die vorausgegangenen österrei-chischen Autoren zählte er hierzu vier innere Gefühle: Mit dem ersten Gefühl empfinde die Seele ihre persönliche Existenz, mit dem zweiten das ästhetisch Schöne, mit dem dritten das moralisch Gute und mit dem vierten die Wahr-heit. Mit dem Gefühl für das ästhetisch Schöne urteile die Seele »oft richtig und schnell ohne klares Bewusstseyn der Gründe über Schönheit in Natur- und Kunstwerken«.47 Wenzel bezeichnete diese »Empfindung« »Schönheitsgefühl«.

Alle vier Gefühle setzten einen bereits gebildeten Verstand voraus, weshalb sie bei barbarischen und groben Menschen nicht anzutreffen seien. Diese Gefühle seien nicht angeboren und zeichneten sich durch Passivität und Duldung aus.48

Wenzel nannte wie Karpe bei der Thematisierung von Ästhetikfragen keine Quelle. Aus den eben zusammengefassten Standpunkten Wenzels geht hervor, dass seine anthropologischen Überzeugungen die von Feder initiierte Charakte-ristik des Schönheitsgefühls als eines der vier Gefühle des inneren Sinnes, die in den Logiklehrbüchern Laabers und Tschinks sowie in Karpes empirischer Psy-chologie weiterentwickelt worden waren, wiederholen. Wenzels Darlegungen sind allerdings bündiger. Ihr bemerkenswerter Wesenszug ist dabei der Um-stand, dass sie dem Gefühl für das ästhetisch Schöne ausdrücklich die Urteils-45 Ebd., 217–218.

46 Ebd., 218.

47 Gottfried Immanuel Wenzel: Vollständiger Lehrbegriff der gesammten Philosophie, dem Bedürfnisse der Zeit gemäss eingerichtet. Zweyter Band. Metaphysik der Natur und theore-tische Anthropologie. Linz-Leipzig 1804, 439 f.

48 Außer in dieser wichtigen Passage berührte Wenzel in der Anthropologie die Ästhetik-fragen noch in § 51, wo er den Geschmack als eine der Nebenkräfte der Seele definierte, sowie in § 58, wo er eine Aufzählung der zur Ausübung verschiedener Wissenschaften und Künste erforderlichen Talente lieferte. Ebd., 463, 474 f.

fähigkeit beigelegt haben. Größere Aufmerksamkeit als der eigentliche Inhalt verdient jedoch die abweichende Einordnung der Theorie des inneren Sinns.

Wenzel ordnete sie neu in die theoretische Anthropologie ein, und zwar in den Teil, der die empirische Psychologie behandelt. Ähnlich wie Karpe löste er die psychologische Problematik des inneren Sinns zwar gezielt von der Lo-gik los, anders als Karpe verselbständigte er sie aber nicht, sondern ordnete sie der Anthropologie zu. Im Zusammenhang der Logik schenkte Wenzel dem inneren Sinn keine Aufmerksamkeit. Demgegenüber griff er ein anderes Thema auf, das in den vorausgegangenen österreichischen deutschsprachigen Logik-lehrbüchern zuvor nicht aufgetaucht war: das Konzept der ästhetischen Voll-kommenheit als Gegenstück und Ergänzung zur logischen VollVoll-kommenheit.

Die ästhetische Vollkommenheit war das zentrale Thema Alexander Gottlieb Baumgartens und dessen halleschen Nachfolgers Georg Friedrich Meier.49 An-gesichts der Herkunft des Konzepts der ästhetischen Vollkommenheit aus dem Wolffschen Rationalismus muss jedoch betont werden, dass Wenzel die gan-ze Theorie der ästhetischen Vollkommenheit keineswegs von den halleschen Philosophen, sondern von Immanuel Kant übernommen hat. Die Quelle war in diesem Fall jedoch nicht die Kritik der Urteilskraft, wie das Postulat einer Trennung von Schönem und Angenehmen suggerieren könnte, sondern Kants Logik.

Immanuel Kant gab seine seit 1765 regelmäßig an der Universität Königs-berg gehaltenen Logikvorlesungen nicht selbst in Druck, sondern hatte dazu vielmehr Gottlob Benjamin Jäsche aufgefordert, der dies im Jahr 1800 tat.50 Gerade in Jäsches Version von Kants Logik fand Wenzel das komplette Gerüst seiner Darlegungen über die Beziehung zwischen Logik und Ästhetik sowie das Grundkonzept der ästhetischen Vollkommenheit. Nach Jäsche differenzierte Kant in seiner Vorlesung Ästhetik und Logik nach dem unterschiedlichen Ge-präge ihrer Forschung. Ihm zufolge untersuche die Logik nicht die empirische Anwendung von Verstand und Vernunft, sondern die allgemeinen und not-wendigen Gesetze des Denkens. Die Logik beruhe auf apriorischen Prinzipien,

49 Baumgarten sprach von der Vollkommenheit der sinnlichen Erkenntnis (perfectio cognitionis sensitivae), Meier bereits ausdrücklich von ästhetischer Vollkommenheit.

Alexander Gottlieb Baumgarten: Ästhetik. Lateinisch–Deutsch. Hg. Dagmar Mirbach.

Hamburg 2007, Bd 1, 21.: »Der Zweck der Ästhetik ist die Vollkommenheit der sinn-lichen Erkenntnis als solcher. Dies aber ist die Schönheit.« Georg Friedrich Meier: Ver-nunftlehre. Halle 1752, 37–39 (§ 36), 50–53 (§ 48 u. 49), 55 f. (§ 52), 64 f. (§ 60).

50 Immanuel Kants Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen. Hg. Gottlob Benjamin Jäsche.

Königsberg 1800.

aus denen die Regeln abgeleitet werden; sie sei Wissenschaft a priori. Diese Wesenszüge unterscheiden sie von der Ästhetik als bloßer Geschmackskritik, die keine Gesetze, sondern nur Normen, d.h. Beurteilungsmuster, festlegt. Die Ästhetik enthalte die Übereinstimmungsregeln der Erkenntnis mit den Geset-zen der Sinnlichkeit und beruhe auf empirischen Prinzipien.51 Die ästhetische Vollkommenheit der Erkenntnis ist an Anschauungen gebunden, die logische an Begriffe; die ästhetische Vollkommenheit richte sich nach den Gesetzen der Sinnlichkeit, die logische nach den Gesetzen des Verstands. Die logische Voll-kommenheit der Erkenntnis beruhe auf der Übereinstimmung mit dem Objekt, man könne sie also nach allgemeinen Gesetzen, nach Normen a priori beurtei-len. Demgegenüber beruhe die ästhetische Vollkommenheit auf der Überein-stimmung der Erkenntnis mit dem Subjekt, sei in der eigentlichen Sinnlichkeit der einzelnen Menschen begründet und richte sich deshalb nach keinerlei apri-orischen allgemeingültigen Gesetzen. Die ästhetische Vollkommenheit könne man sich ausschließlich als subjektiv gültig mit Rücksicht auf die allgemeinen Gesetze der menschlichen Sinnlichkeit denken. Das, was den Sinnen in der Anschauung gefalle und was Gegenstand des allgemeinen Wohlgefallens wer-den könne, sei die Schönheit. Die eigentliche selbstständige Schönheit dürfe nicht mit dem Angenehmen, das »lediglich in der Empfindung durch Reiz oder Rührung gefällt«, verwechselt werden.52 Das Angenehme liefere den Grund zu einem ausschließlich privaten Wohlgefallen. Logische Vollkommenheit vertra-ge sich höchstens mit ästhetischer Vollkommenheit. Diese könne für sie letz-ten Endes anders als das Angenehme nützlich sein, denn sie beziehe sich auf die bloße Form der Sinnlichkeit, keineswegs auf deren Stoff. Zwischen ästhe-tischer und logischer Vollkommenheit herrsche ein ewiger Streit, der sich aus der Tatsache ergibt, dass Verstand und Sinnlichkeit verschiedene Bedürfnisse aufweisen. Verstand erfordere Einsicht und Gründlichkeit, die Sinne Fasslich-keit und Unterhaltung. Dessen ungeachtet erfordern die menschliche Natur und die Popularisierung des Wissens, dass beide Vollkommenheiten miteinan-der verbunden werden. Diese Verbindung müsse sich miteinan-der Jäsche-Logik zufolge nach drei Regeln richten: 1. Die logische Vollkommenheit müsse immer die Grundlage bilden. 2. Mit der logischen Vollkommenheit müsse notwendiger-weise eine formale ästhetische Vollkommenheit zusammengehen. 3. Beim Ein-satz von Reiz und Rührung müsse man höchst behutsam vorgehen, damit die

51 Ebd., 7–9.

52 Ebd., 47.

Aufmerksamkeit nicht stärker an das Subjekt als an das Objekt der Erkenntnis gefesselt werde.53

Jäsche zufolge handelte Kant in der Logik ebenfalls die ästhetische Vollkom-menheit in der Bindung an die vier Momente der vollkommenen Erkenntnis – Quantität, Qualität, Relation und Modalität – ab. In Bezug auf die Quantität sprach er von ästhetischer Allgemeinheit, in Bezug auf die Qualität von ästhe-tischer Deutlichkeit, in Bezug auf die Relation von ästheästhe-tischer Wahrheit und in Bezug auf die Modalität von ästhetischer Gewissheit. Kant vertrat dabei die Überzeugung, dass sich in der Verbindung der ästhetischen mit der logischen Vollkommenheit immer zwei Elemente zeigten: Mannigfaltigkeit und Einheit.

Die Einheit beruhe auf dem Begriff und sei eine Angelegenheit des Verstands, die Mannigfaltigkeit melde sich in den Sinnen bei der Anschauung. Besondere Aufmerksamkeit ließ er der logischen und ästhetischen Vollkommenheit im Rahmen einer detaillierten Darlegung des Qualitätsmoments zukommen. Die Überlegungen über die Beziehung zwischen logischer und ästhetischer Deut-lichkeit, d.h. der auf Klarheit der Begriffe oder Klarheit der Anschauungen (d.h. der konkreten Anschaulichkeit der Beispiele), gipfelten genau wie bei Wenzel in der Theorie der Helligkeit.54

Für den Umstand, dass Wenzel die Darlegungen über die ästhetische Voll-kommenheit und über die Beziehung zwischen Ästhetik und Logik uneinge-standen aus Jäsches Version von Kants Logik-Vorlesungen übernommen hat, spricht nicht nur der systematische Vergleich der zentralen Thesen, sondern die Abhängigkeit Wenzels von Jäsche lässt sich auch unmittelbar empirisch greifen, hatte Wenzel doch schon 1801 einen Kommentar zu dieser Version von Kants Logik-Vorlesungen herausgegeben. Seine Darlegungen in der Canonik des Ver-standes und der Vernunft, welche die Beziehung der Ästhetik und Logik sowie der ästhetischen und logischen Vollkommenheit angehen,55 stimmen nahezu wörtlich mit den späteren Aussagen in seiner Logik überein. Die epigonenhafte Ähnlichkeit der Ausführungen Wenzels mit Jäsches Kant-Version wird nur von zwei schon im Kommentar vorgenommenen und letzten Endes auch in die Logik übernommenen Verschiebungen relativiert. Um Kants schroffe,

techni-53 Ebd., 46–49.

54 Ebd., 49–52.

55 Gottfried Immanuel Wenzel: Canonik des Verstandes und der Vernunft. Ein Commentar über Immanuel Kants Logik. Wien 1801, 56 f. (Beziehung zwischen Logik und Ästhe-tik), 101–109 (ästhetische Vollkommenheit), 167–169 (ästhetische Deutlichkeit).

zistische, jedwede Beispiele entbehrende Darlegung56 den Studenten und der breiteren Öffentlichkeit näher zu bringen, erweiterte Wenzel diese um Beispiele und Verweise auf Autoritäten. Gleichzeitig verschränkte er Kants Darlegungen stärker mit der Kunst.

Beide Verschiebungen, die in Hinsicht auf ihren Wirkungszweck miteinan-der verknüpft sind, sollen hier detaillierter betrachtet werden.

Wenzel bekräftigt in seinem Kommentar die Notwendigkeit und das Au-ßergewöhnliche einer Verbindung von ästhetischer und logischer Vollkom-menheit mit einem Zitat aus Horaz’ Dichtkunst und führt Beispiele einiger Ästhetik-Philosophen an, denen es gelungen sei, eine solche Verbindung zu erreichen. Genannt werden Abbt, Mendelssohn, Sulzer und Herder.57 Für die ästhetische Deutlichkeit führt er Belegstellen aus Epen Homers, Vergils, Mil-tons und Klopstocks an, als Beispiel ästhetischer Wahrheit nennt er MilMil-tons Teufel.58 Das Postulat einer unerlässlichen Wahrhaftigkeit der Dichtung un-terstreicht er wiederum mit einem Horaz-Verweis.59 Ganz ähnlich geht Wenzel auch in der Logik vor. Das Angenehme illustrierte er darin mit Harlekinaden und das Schöne mit Ifflands Meisterdramen.60 Bei seinen Überlegungen zur

Wenzel bekräftigt in seinem Kommentar die Notwendigkeit und das Au-ßergewöhnliche einer Verbindung von ästhetischer und logischer Vollkom-menheit mit einem Zitat aus Horaz’ Dichtkunst und führt Beispiele einiger Ästhetik-Philosophen an, denen es gelungen sei, eine solche Verbindung zu erreichen. Genannt werden Abbt, Mendelssohn, Sulzer und Herder.57 Für die ästhetische Deutlichkeit führt er Belegstellen aus Epen Homers, Vergils, Mil-tons und Klopstocks an, als Beispiel ästhetischer Wahrheit nennt er MilMil-tons Teufel.58 Das Postulat einer unerlässlichen Wahrhaftigkeit der Dichtung un-terstreicht er wiederum mit einem Horaz-Verweis.59 Ganz ähnlich geht Wenzel auch in der Logik vor. Das Angenehme illustrierte er darin mit Harlekinaden und das Schöne mit Ifflands Meisterdramen.60 Bei seinen Überlegungen zur