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Die Minderheitenpolitik von 1998-2004 (zweite Phase)

5. LŠnderstudien

5.1. Ungarn

5.1.4. Die Minderheitenpolitik von 1998-2004 (zweite Phase)

5.1.4.1. Innenpolitische Entwicklungen

Im Oktober 1998 fanden in Ungarn zum zweiten Mal die Wahlen fŸr die Minderheitenselbstverwaltungen statt. Dabei wurden insgesamt 1.422 Minderheitenselbstverwaltungen gebildet, also beinahe doppelt so viel wie in der vorangegangen Amtsperiode.302 Das gesteigerte Wahlinteresse zeigte, dass die Minderheitenselbstverwaltungen bei den Betroffenen Zuspruch fanden und sich das Modell konsolidiert hatte. Im Anschluss an die Kommunal- und Minderheitenwahlen erfolgte im Januar/Februar 1999 die Bildung der Minderheitenselbstverwaltung auf Landesebene. Die nŠchsten Wahlen standen am 20. Oktober 2002 an. An insgesamt 1.308 Orten wurden 1.840 lokale Minderheitenselbstverwaltungen gewŠhlt, wovon der Gro§teil mit Ÿber 1.000 (56 Prozent) auf die Roma entfiel.303 Das stetig wachsende System der Minderheitenselbstverwaltungen erforderte zusŠtzliche staatliche Ressourcen: Die bereitgestellten Haushaltsmittel stiegen von 829,3 Mio. HUF (3,2 Mio. !) im Jahr 2001 auf 900 Mio. HUF 2002 (3,5 Mio. !) und 1.263,5 Mio. HUF (4,85 Mio. !) im Jahr 2003.304

Die EuropŠische Union bewertete das ungarische System der Minderheitenselbstverwaltungen in ihren Fortschrittsberichten generell positiv. So stellt die Kommission im Fortschrittsbericht 2001 fest: ã†ber die lokalen Selbstverwaltungen verfŸgen die Minderheiten Ÿber ein betrŠchtliches Ma§ an kultureller Autonomie sowie umfassende Rechte in den Bereichen Bildung und Sprachengebrauch.Ò305

Viel problematischer stellte sich die Situation im Diskriminierungsschutz dar. Die EuropŠische Kommission bemŠngelte in ihren Fortschrittsberichten, dass Ungarn Ÿber keine vereinheitlichte Antidiskriminierungsgesetzgebung verfŸge und forderte ein neues,

302 Vgl. Pan/Pfeil, 2006(a):603; siehe auch Hungary 1st Report, 1999:98.

303 Die Ungarndeutschen errichteten 321 Minderheitenselbstverwaltungen (17 Prozent), die Slowaken 111 (6 Prozent), die Kroaten 100 (5 Prozent), die Polen 50, die RumŠnen 45, die Serben 43, die Ruthenen 32, die Bulgaren, Griechen und Armenier je 30, die Ukrainer 13 und die Slowenen 12; vgl. Hungary 2nd Report, 2004:88; siehe auch Pan/Pfeil, 2006a:604.

304 Vgl. Hungary 2nd Report, 2004:77.

305 EuropŠische Kommission, 2001(a):36. Die Entwicklung des komplizierten Systems der

Minderheitenselbstverwaltungen in Ungarn soll hier nicht weiter vertieft werden; der Schwerpunkt der Analyse wird vielmehr auf die von der EU problematisierten Bereiche der ungarischen Minderheitenpolitik gelegt.

umfassendes Gesetz zur †bernahme des Antidiskriminierungsbesitzstandes nach Art. 13 des EG-Vertrags.306

Die ausgesprochen schwierige Lage der Roma, die von Diskriminierung und gesellschaftlicher Ausgrenzung am stŠrksten betroffen waren, konnte auch durch das System der Minderheitenselbstverwaltungen nicht signifikant verbessert werden: Nach Angaben der EuropŠischen Kommission waren vor dem EU-Beitritt Ungarns etwa 70 Prozent der Roma im arbeitsfŠhigen Alter ohne BeschŠftigung. Nur 33 Prozent der Roma-Kinder traten in eine Sekundarschule ein (gegenŸber 90 Prozent der Nicht-Roma-Kinder) und nur wenige Roma verfŸgten Ÿber hšhere Bildung (insgesamt kaum 1 Prozent). Gro§e Teile der Roma-Bevšlkerung lebten in sehr schlechten WohnverhŠltnissen, oft waren nicht einmal die grundlegenden Anforderungen hinsichtlich Gesundheit und Sicherheit erfŸllt. Au§erdem lag die Lebenserwartung der Roma etwa 15 Jahre unter dem ungarischen Durchschnitt.307

Die konservative Regierung unter FIDESZ (Fiatal Demokrat‡k SzšvetsŽge Ð Bund Junger Demokraten) setzte im Beitrittsprozess die Integration der Roma auf ihre Agenda. Die Regierungsresolution 1047/1999 enthielt einen mittelfristigen Aktionsplan zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Roma, der Lšsungen fŸr eine Verbesserung der Lage der Roma in den Bereichen Bildung, Zugang zum Arbeitsmarkt, soziale Angelegenheiten, Gesundheitswesen und Wohnraum vorschlug.308 Dieses Programm aus dem Jahr 1999 ging auf eine bereits 1997 beschlossene Strategie der sozial-liberalen VorgŠngerregierung zurŸck.

Zur praktischen Umsetzung des Programms wurde das interministerielle Komitee fŸr Roma-Fragen (Cig‡nyŸgyi T‡rcakšzi Bizotts‡g) eingerichtet.309 Auch wenn in der Folgezeit die Haushaltsmittel fŸr die Roma-Minderheit erhšht wurden, wurde die von der Orb‡n-Regierung im Sommer 2001 vorgeschlagene langfristige Strategie vorerst nicht verabschiedet. 310

Die ungarische Verfassung enthŠlt zwar in Art. 70/A ein allgemeines Diskriminierungsverbot, und es existierten Nichtdiskriminierungs-Klauseln in einzelnen Gesetzen. Es mangelte jedoch an einem konsistenten Sanktionssystem und an der effektiven Umsetzung der Bestimmungen.

306 Vgl. EuropŠische Kommission, 2002(b):159.

307 Vgl. EuropŠische Kommission, 2002(b):33.

308 Vgl. Volltext der Regierungsresolution 1047/1999 auf der Website des Ungarischen Forschungsinstitutes fŸr ethnische und nationale Minderheiten, online abrufbar unter http://www.mtaki.hu/docs/cd2/Magyarorszag/6-1999-1047ang.htm (Stand: 04.04.2011)

309 Vgl. OSI, 2002:248.

310 Der Gesamtbetrag der Ressourcen, die die Regierung fŸr hauptsŠchlich den Roma zu Gute kommende Ma§nahmen bereitstellte, erhšhte sich von rund 18 Mio. ! im Jahr 1998 auf rund 38 Mio. ! in 2001; vgl.

EuropŠische Kommission, 2002(b):34.

Auf Initiative verschiedener Akteure wurde deshalb die Reform der Antidiskriminierungsgesetzgebung noch vor dem EU-Beitritt vorangetrieben.311 Die PlŠne fŸr ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz, die von einem im Jahr 1997 eingesetzten Expertenkomitee zur Verbesserung der Lage der Roma vorgeschlagen worden waren, wurden jedoch von der Exekutive modifiziert und nur unzureichend umgesetzt.312

Auch mussten bis zum EU-Beitritt die Neuerungen des Antidiskriminierungsacquis durch die Richtlinien RL 200/43/EG und die RL 2000/78/EG implementiert werden. Bei deren Umsetzung der Richtlinien hatte die ungarische Regierung darauf zu achten, unmittelbare und mittelbare Diskriminierung und die BelŠstigung zu definieren, den Grundsatz der Teilung der Beweislast einzufŸhren, eine unabhŠngige, spezifische Stelle gegen Diskriminierung einzurichten, sowie die Institutionalisierung von Sanktionssystemen in den relevanten Sektoren (Behšrden, BeschŠftigung, Bildung und Berufsausbildung, Wohnen, Zugang zu Waren und Dienstleistungen) durchzufŸhren.313

Der damalige Minderheitenombudsmann kommentiert die InkompatibilitŠt des ungarischen Diskriminierungsschutzes mit den EU-Vorgaben in der Retrospektive: ãNatŸrlich waren die in der EU-Richtlinie angefŸhrten neuen Rechtsinstitutionen nicht vorhanden, und die Verwaltung verhielt sich zu den Modernisierungsbestrebungen der ZivilsphŠre ziemlich ablehnend.Ò314 Auch das Verfassungsgericht ŸberprŸfte im Jahr 2000 die vorhandene Gesetzgebung und stellte eine Verletzung des konstitutionellen Gleichheitsprinzips fest, insbesondere im Bereich der mittelbaren Diskriminierung.315 Die Debatte um die Erforderlichkeit der Weiterentwicklung des ungarischen Antidiskriminierungsgesetzes zog sich Ÿber mehrere Jahre hin und mŸndete schlie§lich in einem Vorsto§ des Minderheitenombudsmannes. Auf dessen Anregung wurde dem parlamentarischen Ausschuss fŸr Menschenrechte ein Gesetzesauftrag zur Antidiskriminierung vorgelegt. Der Ausschuss beauftragte die Regierung mit der Kodifizierungsarbeit, welche im MŠrz 2001 auch ein entsprechendes Komitee einsetzte.316 Ein erstes Ergebnis dieser Initiative war die €nderung des Arbeitsgesetzbuches im Jahre 2001, bei der eine Definition der unmittelbaren und

311 Zur Entstehungsgeschichte des Antidiskriminierungsgesetzes aus Sicht eines Initiatoren siehe Kaltenbach, 2007:212ff.

312 Vgl. OSI, 2001:223f., Vizi, 2009:129.

313 Vgl. Kaltenbach, 2007:214, siehe auch OSI, 2002:266.

314 Kaltenbach, 2007:215, in einem vom Autor persšnlich gefŸhrten Interview am 10. November 2009 verwies Jenš Kaltenbach auch auf die Differenzen zwischen ihm und dem ungarischen Justizminister zu dieser Zeit.

315 Zur Rolle des Verfassungsgerichts siehe genauer Kaltenbach, 2007:215.

316 Vgl. OSI, 2001:224.

mittelbaren Diskriminierung vorgelegt wurde. Auch wurde in dieser Phase die Ausarbeitung eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes beschlossen.317

Der Regierungswechsel von 2002 beschleunigte diese exekutiven und legislativen Reformprozesse. Die neue Konstellation unter der sozialliberalen Koalition forcierte den innenpolitischen Wandel im Diskriminierungsschutz - mit einer Serie von strukturellen VerŠnderungen.!Im Juni 2002 Ÿbernahm das BŸro des MinisterprŠsidenten die ZustŠndigkeit fŸr die nationalen und ethnischen Minderheiten. Ein StaatssekretŠr wurde speziell fŸr Roma-Fragen zugewiesen; diese Angelegenheiten wurden von den allgemeinen Minderheitsfragen getrennt. Im Erziehungsministerium sowie im Ministerium fŸr BeschŠftigungspolitik und Arbeit wurden fŸr Roma-Fragen zustŠndige Ministerialkommissare eingesetzt. Zudem wurde ein Expertengremium fŸr Roma-Fragen (RomaŸgyi Tan‡cs) dem MinisterprŠsidenten unterstellt. Das Komitee hatte beratende Funktion und fungierte als Lenkungsausschuss fŸr die Entwicklung einer neuen Roma-Politik. Es wurde vom Sekretariat des StaatssekretŠrs fŸr Roma-Fragen bei der AusfŸhrung seiner Aufgaben unterstŸtzt.318 Im darauf folgenden Jahr wurde mit dem Beschluss 107/2003 zudem ein Ministerposten ohne Portefeuille fŸr Chancengleichheit eingerichtet.

Im Dezember 2003, also kurz vor der EU-Erweiterung, verabschiedete das Parlament das Gesetz Nr. CXXV Ÿber die Gleichbehandlung und die Fšrderung der Chancengleichheit.

Dieses Gesetz deckte alle wesentlichen Bereiche der Antidiskriminierungs-Richtlinie der EU ab und ging teilweise sogar Ÿber Anforderungen des Gemeinschaftsrechts hinaus. So fŸhrt das Gesetz im Artikel 8 Ÿber 20 DiskriminierungsgrŸnde an, weit mehr als von den EU-Richtlinien gefordert. Artikel 20 rŠumt die Mšglichkeit der Verbandsklage (KšzŽrdek! igŽnyŽrvŽnyes’tŽ) ein. Diese Neuerung sieht vor, dass nicht nur die von der Diskriminierung betroffene Person, ein Staatsanwalt oder die Gleichbehandlungsbehšrde, sondern auch zivile Organisationen als KlŠger auftreten kšnnen.319

317 Vgl. Kaltenbach, 2007:216.

318 Vgl. OSI, 2002:257, EuropŠische Kommission, 2002(b):33.

319 Vgl. Gesetz Nr. CXXV (2003); Gesetzestext online abrufbar auf der Website der Gleichstellungsbehšrde http://www.egyenlobanasmod.hu/data/Ebktv_20110120.pdf (Stand: 04.04.2011).

5.1.4.2. Bi- und multilaterale Ebene

Auf bi- und multilateraler Ebene waren die Entwicklungen in Ungarn in dieser Phase von der Frage der ko-nationalen Minderheiten geprŠgt. ZunŠchst vollzog 1998 die FIDESZ-Regierung erneut eine Kehrtwende in der Auslandsungarnpolitik. GegenŸber dem moderaten Kurs der VorgŠngerregierung Horn wurde nun als wichtiges, au§enpolitisches Ziel die grenzŸberschreitende Wiedervereinigung der ungarischen Nation angesehen. Damit knŸpfte der junge Regierungschef Victor Orb‡n an die nationszentrierte Rhetorik des frŸheren Premiers Joszef Antall (1990-1993) an, der sich selbst wiederholt als ãMinisterprŠsident von 15 Millionen Magyaren im GeisteÒ (ãlŽlekben 15 milli— magyar miniszterelnškŽnek Žrzem magamÒ) bezeichnete.320

Die Stellung der ungarischen Minderheiten im Ausland sollte durch das im Juni 2001 verabschiedete Gesetz Nr. LXII Ÿber die in den Nachbarstaaten lebenden Ungarn (sog.

ãStatusgesetzÒ) gestŠrkt werden. Das ãStatusgesetzÒ, dessen offizielle Kurzbezeichnung ãVergŸnstigungsgesetzÒ (KedvezmŽnytšrvŽny) ist, stŸtzte sich auf Art. 6 Abs. 3 der ungarischen Verfassung und verfolgte kulturelle, sozio-škonomische und politische Ziele.321 Neben dem Erhalt der nationalen IdentitŠt der Ungarn au§erhalb der Grenzen sollte der Lebensstandard der Auslandsungarn verbessert werden. Ferner strebte man die ãEinigung der ungarischen NationÒ an, wie es von Premier Orb‡n verlautbart wurde. Das Gesetz rŠumte ethnischen Ungarn, die in den NachbarlŠndern leben, unter der Voraussetzung einer Registrierung erhebliche Sonderrechte im Mutterland ein: Neben VergŸnstigungen und Privilegien im Kultur- und Bildungsbereich enthielten sie in der ursprŸnglichen Fassung einen erleichterten Zugang auf den ungarischen Arbeitsmarkt und Leistungen im Sozialwesen.322

Das Statusgesetz stie§ auf Vorbehalte und offene Ablehnung in einigen Nachbarstaaten Ungarns. Insbesondere die slowakische Regierung kritisierte das Gesetz als Eingriff in eigene SouverŠnitŠtsrechte.323 Das Statusgesetz stand aufgrund seiner exterritorialen Wirkung und

320 Vgl. Romsics, 2007:957. Gemeint waren mit dieser symbol- und identitŠtspolitischen Geste neben der ungarischen Bevšlkerung auch alle au§erhalb der Staatsgrenzen lebenden Ungarn - zum Unmut der angrenzenden Staaten mit magyarischen Minderheiten.

321 Vgl. Voigt, 2005:35.

322 Zu den genauen Regelungsinhalten des ursprŸnglichen Statusgesetzes siehe Voigt, 2005:37.

323 Einer der Hauptkritikpunkte war der ãUngarnausweisÒ, den Angehšrige der ungarischen Minderheiten gegen Nachweis ihrer magyarischen Volkszugehšrigkeit von ãUrkundenbŸrosÒ erhalten sollten und dessen Besitz Voraussetzung fŸr die VergŸnstigungen sein sollte; dieser Ausweis, der Assoziationen an einen Reisepass erweckte, hatte allerdings noch keine staatsangehšrigkeitsrechtlichen Folgen und verlieh den Auslandsungarn

der positiven Diskriminierungsma§nahmen nicht nur in Konflikt mit dem Všlkerrecht, sondern auch mit EU-Normen, weshalb …sterreich als EU-Mitglied bereits von vornherein wohlweislich aus dem Anwendungsgebiet des Gesetzes ausgeschlossen wurde.324 Die Venedig-Kommission des Europarats (ãSonderkommission des Europarats fŸr Demokratie und RechtÒ) verwies in einem Bericht auf die všlkerrechtlichen Probleme des Statusgesetzes.325 Sie bemŠngelte insbesondere die Unvereinbarkeit des ungarischen Statusgesetzes mit dem Prinzip der territorialen StaatensouverŠnitŠt, dem Prinzip der Nichtdiskriminierung, dem Prinzip der freundschaftlichen nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten und dem Prinzip pacta sunt servanda (Vertragstreue). Die EuropŠische Kommission wiederholte die vier Kritikpunkte der Venedig-Kommission in ihren Forschrittsberichten.

Trotz des internationalen Drucks setzte Ungarn das Gesetz ohne weitere Konsultationen mit den Nachbarstaaten, auf deren Territorium die begŸnstigten ungarischen Minderheiten leben, in Kraft.326 Die ungarische Regierung rechtfertigte den Erlass des Statusgesetzes unter anderem damit, dass in anderen LŠndern (so auch in den betroffenen Staaten Slowakei und RumŠnien) Šhnliche Gesetze erlassen worden seien und dass das Statusgesetz keine ErwŠgungen Ÿber GrenzŠnderungen oder doppelter StaatsbŸrgerschaft beinhalte.327 Trotz dieser Legitimierungsversuche erklŠrt sich das Regierungshandeln der national-liberalen Koalition aber eher aus dem innenpolitischen KalkŸl heraus, neue konservative WŠhlerschichten fŸr die 2002 anstehenden Parlamentswahlen zu erschlie§en. Wohl auch deshalb nahm die Regierung einstweilen Všlkerrechtsverstš§e, diplomatische Konflikte mit den Nachbarstaaten und eine mangelnde handwerkliche QualitŠt des Gesetzes in Kauf.328 Die Verabschiedung des Statusgesetzes brachte der Regierungskoalition unter der FŸhrung von FIDESZ jedoch nicht den gewŸnschten innenpolitischen Erfolg - sie wurde bei den Parlamentswahlen im Jahr 2002 abgewŠhlt.

auch keinen šffentlich-rechtlichen ãStatusÒ; vgl. KŸpper, 2006:5; zur politischen Diskussion in Ungarn Ÿber das Statusgesetz siehe von Ahn, 2007:190ff.

324 Vgl. Sasse, 2005:15.

325 Venedig-Kommission, 2001(a). Dokument online abrufbar unter http://www.venice.coe.int/docs/2001/CDL-INF(2001)019-e.pdf (Stand: 04.04.2011).

326 Lediglich mit RumŠnien wurde ein Kompromiss gefunden und in einer gemeinsamen RegierungserklŠrung vom 22. Dezember 2001 verlautbart, vgl. Memorandum of Understanding between the Government of the Republic of Hungary and the Government of Rumania concerning the Law on Hungarian living in Neighouring Countries and issues of bilateral co-operation, online abrufbar auf der Website des Ungarischen Instituts MŸnchen unter http://www.forost.ungarisches-institut.de/pdf/20011222-1.pdf (Stand: 04.04.2011).

327 Vgl. Venedig-Kommission, 2001b; zu Ungarns RechtfertigungsgrŸnden des ursprŸnglichen Statusgesetzes siehe zusammenfassend Voigt, 2005:38f.

328 Vgl. KŸpper, 2006:6.

Die sozial-liberale Nachfolgeregierung unter dem (parteilosen) Premierminister PŽter Medgyessy (2002-2004), die das Statusgesetz prinzipiell unterstŸtzte, war unter dem Druck der EU darum bemŸht, sich bilateral mit Bukarest und Bratislava Ÿber die DurchfŸhrungsbestimmungen zu einigen. Sowohl wegen der Vorbehalte und der teilweisen harschen Kritik, die vor allem aus der Slowakei und RumŠnien zu hšren waren, als auch wegen der Unvereinbarkeit der wichtigsten Bestimmungen des Statusgesetzes mit den europŠischen Normen, die einerseits von der Venedig-Kommission des Europarats und andererseits auch von der EU-Kommission und der OSZE geltend gemacht wurden, wollte Ungarn das Gesetz in Konsultation mit den Nachbarstaaten korrigieren. Das ungarische Parlament novellierte das Statusgesetz schlie§lich im Juni 2003 so, dass die všlkerrechtlichen Bedenken weitgehend ausgerŠumt werden konnten. Zu den wichtigsten €nderungen gehšrte, dass der ãUngarnausweisÒ nun nicht wie zunŠchst vorgesehen unter Einbeziehung von magyarischen Minderheitenvereinigungen, sondern von ungarischen Botschaften und Konsulaten ausgestellt wurde.329 Die Fšrderung auslandsungarischer Organisationen wurde dagegen stŠrker an den Bereich der Kulturpflege geknŸpft. Den Zugang zum ungarischen Arbeitsmarkt fŸr ethnische Ungarn und die Zahlung der Unterrichtsbeihilfen machte das Gesetz schlie§lich von vertraglichen Regelungen mit den betroffenen Staaten abhŠngig, die mit dem Abschluss der entsprechenden DurchfŸhrungsbestimmungen auch eingerichtet wurden.330 Im Ergebnis wurde das Statusgesetz in den sechs Nachbarstaaten auf drei verschiedene Arten angewendet, denn die Ukraine, Serbien, Kroatien und Slowenien bestanden nicht auf Sonderregelungen.331