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Bewertung des Minderheitenkriteriums im Osterweiterungsprozess

4. Die Minderheitenpolitik der EuropŠischen Union

4.2. Die EU-Minderheitenpolitik im Rahmen der Osterweiterung

4.2.4. Bewertung des Minderheitenkriteriums im Osterweiterungsprozess

Mit dem Kriterium ãAchtung und Schutz von MinderheitenÒ und dessen Ausgestaltung in den Vorbereitungshilfen und Fortschrittsberichten hat die EU deutlich gemacht, dass der Minderheitenschutz von den staatlichen Akteuren aktiv gefšrdert werden soll. Dabei ist zu beachten, dass in erster Linie die BewerberlŠnder ihre Minderheiten schŸtzen: ãNicht die EU, sondern die Beitrittsstaaten werden demnach von den Kopenhagener-Kriterien zu diesem aktiven Tun im Minderheitenschutz aufgefordert.Ò256

Die EU konnte davon ausgehen, dass die AttraktivitŠt der Union so gro§ war, dass die Beitrittskandidaten ihre Forderungen trotz innenpolitischer Vorbehalte beachten wŸrden. Die Ergebnisse aus den Fortschrittsberichten erzeugten einen gewissen Anpassungsdruck, da sie die Grundlage fŸr die WeitergewŠhrung oder fŸr die Einstellung der UnterstŸtzungsma§nahmen der Beitrittspartnerschaften bildeten. Kritikpunkte in den Fortschrittsberichten mussten zŸgig behoben werden, um nicht die weitere Fšrderung oder gar den Beitritt selbst zu gefŠhrden. Dieses System bestehend aus dem Angebot von Vorbereitungshilfen und der Mšglichkeit von deren Aussetzung beziehungsweise der Nichtaufnahme in die EU wird auch als ãreine BelohnungsstrategieÒ bezeichnet.257 Es liegt an den KandidatenlŠndern selbst, ob sie auf die Bedingungen der EU eingehen. Wenn die Zielregierungen dies versŠumen, werden sie einfach von den materiellen und institutionellen

255 Sasse, 2009:22.

256 Opitz, 2007:204.

257 Bei dieser Strategie wird im Fall, dass die Zielregierung die Bedingungen nicht erfŸllt, die Belohnung einfach zurŸckgehalten. Die zwingt die Beitrittskandidaten nicht zur ErfŸllung ihrer Kriterien mit einem

Sanktionssystem (ãBestrafungsstrategieÒ), stellt aber auch keine zusŠtzlichen Mittel bereit, um den Regierungen die ErfŸllung der Bedingungen zu erleichtern (ãUnterstŸtzungsstrategieÒ); vgl. Kapitel 1.3.

Belohnungen der EU ausgeschlossen und fallen im Ressourcen- und Beitrittswettbewerb zurŸck. Es bleibt aber auch grundsŠtzlich mšglich, die Bedingungen abzulehnen und auf die Belohnung zu verzichten.

Die regelmŠ§igen Fortschrittsberichte haben einen sehr selektiven Ansatz der Kommission bei der Bewertung der Minderheitensituationen in den Beitrittsstaaten offenbart. Die Kommission richtete ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf drei Minderheitengruppen:

Neben den russischen Gruppen im Baltikum bilden die Roma in Mittel- und Osteuropa und die ungarischen Minderheiten in ihren Nachbarstaaten die Schwerpunkte der regular reports.

Zahlreiche kleinere Minderheitengruppen in den BeitrittslŠndern blieben dagegen unerwŠhnt oder wurden nur selten behandelt.258 Au§erdem wurden die Minderheitengruppen nicht offiziell von EU-Seite aus in die Beitrittsverhandlungen miteinbezogen; sie waren nur mittelbar Ÿber die nationalen Parlamente beteiligt - falls die Minderheit dort reprŠsentiert war.

Insgesamt blieben der Inhalt und die KohŠrenz des Minderheitenkriteriums weitgehend unklar, da die Kommission keine eindeutigen, objektiven Entscheidungskriterien entwickelte, wann ãdie Achtung und der Schutz von MinderheitenÒ verwirklicht sei. Im Laufe des Erweiterungsprozesses Šnderten sich zum Teil die Forderungen gegenŸber den KandidatenlŠndern, was die Herausbildung eines einheitlichen Standards erschwerte. Die EU konnte kein generelles und konsistentes Modell in der Minderheitenpolitik anbieten. In diesem Sinne wird das Minderheitenschutzkriterium auch als moving target bezeichnet, da die Auslegung durch die EU dem zeitlichen und lŠnderspezifischen Wandel unterlag.259 Angesichts der grundsŠtzlich divergierenden Haltungen der Mitgliedsstaaten zur EU-Minderheitenpolitik und des unklaren und lŸckenhaften Minderheitenschutzes innerhalb der EU musste es der Union auch schwer fallen, ein bestimmtes Schutzmodell als einheitlichen Ma§stab zu propagieren.

Die Kommission ging jedoch pragmatisch vor, indem sie das Fehlen eines einheitlichen Minderheitenschutzniveaus und den gro§en Beurteilungsspielraum bei der Bewertung der Beitrittsreife nutzte, um zwischen den einzelnen BeitrittslŠndern zu differenzieren und verschiedene Standards anzulegen:

258 Vgl. Kaiser, 2005:272.

259 Vgl. Vizi, 2005: 97.

ãSie wendete nicht ein einziges Schutzkonzept gegenŸber allen KandidatenlŠndern an, sondern kombinierte verschiedene Schutzmodelle [É] FŸr die Union hatten die interpretationsfŠhigen Formulierungen des politischen Kriteriums den Vorteil, dass sie nicht aus ein bestimmtes Schutzmodell festgelegt war; dadurch blieb sie in der Lage, die Aufnahmekriterien selbststŠndig zu interpretieren und ihren Inhalt bezogen auf jedes Beitrittsland flexibel festzulegen.Ò260

Die Kommission hatte zudem eine dominierende Rolle wŠhrend der Beitrittsverhandlungen:

Sie konnte weitgehend unabhŠngig von anderen EU-Institutionen die Bedingungen festlegen und in ihren Evaluierungsberichten selbst die Einhaltung ŸberprŸfen und war somit im Beitrittsprozess sowohl ãSpieler als auch SchiedsrichterÒ.261

In einer vorlŠufigen Bewertung des Monitoring-Mechanismus lŠsst sich kritisch festhalten, dass es MŠngel in der KohŠrenz, der Transparenz der Quellen und inhaltlicher FŸhrung gab, worunter die GlaubwŸrdigkeit der EU-KonditionalitŠtspolitik zu leiden hatte.262 Zu den problematischen Aspekten der Ausgestaltung der Fortschrittsberichte gehšrte unter anderem, dass sie aufgrund von Sprunghaftigkeit und Inkonsistenz wenig systematisch und chronologisch die Entwicklungen der nationalen Minderheitenpolitiken begleiteten.263 Auch wurde bemŠngelt, dass die pragmatische, flexible Handhabung des Minderheitenschutzkriteriums zu fehlender Transparenz und mangelnder Berechenbarkeit ihres Vorgehens fŸhrte. FŸr die Beitrittskandidaten stellte das Minderheitenkriterium damit eine variable und inkonsistente Bedingung mit schwer einzuschŠtzenden Hindernissen dar.264

Die inkonsequente SelektivitŠt im Umgang mit Minderheitenproblemen lŠsst sich mit der bereits angesprochenen Annahme erklŠren, dass die EU das Thema Minderheitenschutz stets unter einem primŠr stabilitŠts- und sicherheitspolitisch orientierten Ansatz behandelt hat.

TatsŠchlich hat die Kommission weniger den Menschenrechtsaspekt als vielmehr den Sicherheitsaspekt in ihrer KonditionalitŠtspolitik verfolgt. Auch die Auswahl der bevorzugt behandelten Minderheitengruppen in den Fortschrittsberichten wurde primŠr auf das Konfliktpotential der ethnischen Gruppe fŸr die StabilitŠt der Kandidatenstaaten, fŸr den

260 Kaiser, 2005:290f.

261 Vgl. Grabbe, 1999:6.

262 Eine †bersicht Ÿber die Vor- und Nachteile des Monitoring-Prozesses findet sich bei Bokulic et. al, 2006:70f.

263 Vgl. Sasse, 2004:69.

264 Gleichzeitig zeigte sich im fortlaufenden Beitrittsprozess, dass das Minderheitenkriterium das schwŠchste der politischen Kriterien und kein Ausschlusskriterium fŸr die KandidatenlŠnder war; ein Scheitern der

Verhandlungen am Minderheitenschutz galt in den meisten FŠllen als unwahrscheinlich; vgl. Kaiser, 2005:292.

weiteren Integrationsprozess und fŸr die Sicherheitsinteressen der Union insgesamt ausgerichtet. Die EU achtete dabei auch auf Empfindlichkeiten der alten EU Mitgliedsstaaten bezŸglich der Migration von Roma und auch des gro§en Nachbarstaats und Rohstofflieferanten Russlands. Dabei verfolgte die Gemeinschaft mit ihrem Engagement fŸr die Rechte der Roma und der russischen Minderheiten in den baltischen Staaten vornehmlich regionale sicherheits- und stabilitŠtspolitische Interessen. 265