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Das Dublin-System – eine offensichtliche Verletzung der Solidarität?

In document Der Familie (Pldal 107-110)

Rechtsache X und X gegen Belgien

E. EXKURS: Einbahnstraße Solidarität

IV. Das Dublin-System – eine offensichtliche Verletzung der Solidarität?

Dublin-Verordnung kodifiziert und eine direkte Folge davon.373

IV. Das Dublin-System – eine offensichtliche Verletzung der Soli-darität?

Als Rahmen für die europäische Asylpolitik dient derzeit das bereits vorge-stellte Gemeinsame Europäische Asylsystem.374 Sinn des GEAS ist, dass in der Zukunft ein einheitliches Asylverfahren und ein einheitlicher, unions-weit gültiger Rechtsstatus etabliert werden.375 Es beinhaltet mehrere se-kundärrechtliche Normen, Verordnungen sowie Richtlinien, die zusammen die Ecksteine für diesen europäischen Asylraum bilden – oder bilden

370 Thym, Art. 79 AEUV, Rn. 15, in: GHN-Kommentar.

371 Thym, Art. 80 AEUV, Rn. 6, in: GHN-Kommentar.

372 Die Verteilung der Flüchtlinge geschieht in der Bundesrepublik nach dem Königsteiner Schlüssel, der die Aufteilung des Länderanteils bei gemeinsamer Finanzierung regelt. Die Schlüsselwerte richten sich nach Steuereinnahmen (2/3 Anteil der Bewertung) und nach Bevölkerungszahl (1/3 Anteil der Bewertung). Bei der Verteilung werden auch andere Kriterien berücksichtigt, wie z.B. verwandtschaftliche Beziehungen, angemessene gesund-heitliche Versorgung, arbeitsmarktpolitische Aspekte, religiöse Betreuung, oder ehrenamt-liche Betreuungsmöglichkeiten.

373 Esin Küçük: The Principle of Solidarity and Fairness in Sharing Responsibility: More than Window Dressing?, IN: European Law Journal Published by John Wiley & Sons Ltd., 2016 Volume 22, S. 448-469., S. 456-461.

374 Siehe oben unter Punkt D. II.

375 Grünbuch über das künftige Gemeinsame Europäische Asylsystem vom 6.6.2007 (KOM/2007/0301 endg.), Einleitung.

ten, wenn die Mitgliedstaaten nicht zunehmend mit nationalen Lösungs-versuchen der Migrationssteuerung experimentieren würden. Laut der Kommission soll das „Flüchtlingspaket“ einen Raum des Schutzes und der Solidarität für die Schwächsten376 schaffen.

Das Dublin-System dient als Rahmen für die Zusammenarbeit in der Asyl- und Migrationspolitik bezüglich Zuständigkeitsfragen. Vom Anfang an war das System wenig solidarisch und führte zu rechtlichen wie politischen De-batten. Es war ein „Schönwetterrecht“,377 geschaffen für Zeiten mit gerin-gen Zahlen von Asylbewerbern. Schon immer bestand jedoch die Gefahr, dass die südlichen und östlichen Schengener Grenzstaaten durch Flucht-migration mehr belastet werden können als die westlichen Mitgliedstaaten der EU. Die (jeweilige) Dublin-VO -wie die Kommission dies schon 2007 besagte378- war überhaupt nicht als Lastenteilungsinstrument konzipiert.

Sein vorrangiges Ziel ist es, auf der Grundlage gerechter und objektiver Kriterien rasch festzulegen, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist.379 Zwar entstand das Dublin-Regime erstmals außerhalb des Gemeinschaftsrechts, es wurde später inkorporiert. Wenn also eine Verordnung, die ausgesprochen unsolidarisch ist, erlassen wird, verletzt sie den primärrechtlichen Grundsatz der Solidarität nach Art. 80 AEUV.380 Um den Giftzahn dieses Missstandes zu ziehen, muss man sich dennoch bewusst machen, dass das Dublin-System nie richtig gut funktio-niert hat und nur etwa jeder zehnte Asylbewerber gemäß den Vorschriften des Dublin-Verfahrens behandelt wird.381

376 Das Gemeinsame Europäische Asylsystem, Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2014, ISBN 978-92-79-34624-8, doi:10.2837/62876.

377 Kay HAILBRONNER, Asyl in Europa – wenn, wie, wann, wo? FAZ, 12.10.2015 S. 6.

378 Grünbuch über das künftige Gemeinsame Europäische Asylsystem vom 6.6.2007 (KOM/2007/0301 endg.), Punkt 4.1.

379 Ebenda.

380 So auch Esin Küçük: The Principle of Solidarity and Fairness in Sharing Responsibility:

More than Window Dressing?, IN: European Law Journal Published by John Wiley & Sons Ltd., 2016 Volume 22, S. 448-469., S. 457-463

381 Daniel Thym: Die Flüchtlingskrise vor Gericht – Zum Umgang des EuGH mit der Dublin III-VO, DVBI 5/2018, S. 276-284, S. 277. Sprich: das Verfahren wird normalerweise in dem Mitgliedstaat entschieden, in dem das Asylgesuch gestellt wurde.

Nichts veranschaulicht die Funktionsmängel der Dublin-III-VO besser als die Tatsache, dass ein Vorschlag für ihre Novellierung bereits kurze Zeit nach ihrem Inkrafttreten vorgelegt wurde. Drei Jahre nach dem Erlass der gel-tenden Fassung liegt seit 2016 ein Vorschlag zur Dublin-IV-VO vor,382 wel-che diese um eine „faire Lastenverteilung“ für „Situationen unverhältnis-mäßigen Drucks“ auf einzelne Mitgliedstaaten ergänzt.383 Im Grunde ge-nommen würden aber die bisherigen Zuständigkeitsregeln weiter gelten, und nur einige Konstruktionsschwächen sollen korrigiert werden. Wie das dann in der Realität funktionieren wird, ist noch nicht absehbar. Zu den geltenden Regeln sollen neue dazukommen. Ein Korrekturmechanismus könnte eingeführt werden, der auf eine offensichtliche Unausgewogenheit in Bezug auf den Anteil der in einem Mitgliedstaat gestellten Asylanträge reagieren soll. Durch den Korrekturmechanismus soll bei Erreichung von 150% der zum Erstantragsstaat gehörender Referenzzahl die Zuweisung an einen anderen Mitgliedstaat erfolgen.384 Die Zahlen werden nach Bevölke-rungsgröße und BIP gleich gewichtet ermittelt, ähnlich wie die Berechnung in Deutschland nach dem bereits erwähnten Königsteiner Schlüssel.385 Die Zuweisung an anderen Mitgliedstaaten soll automatisch erfolgen. Die Erreichung des Grenzwertes wird gemeldet, und die betroffenen Staaten werden darüber informiert. Die Teilnahme an der Umverteilung ist für alle 32 Mitgliedstaaten des GEAS freiwillig. Dennoch müssen die Verweigerer im Rahmen eines finanziellen Ausgleichsmechanismus einen Solidarbetrag von 250.000 EUR pro Person im Kauf nehmen.386 Ob so ein Mechanismus dazu beiträgt, den Geist der Solidarität zu stärken, muss wohl verneint werden. Ein solidarisches Asylsystem könnte eher durch finanzielle Anreize

382 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festle-gung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestell-ten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung). vom 04.05.2016, COM(2016) 270 final, 2016/0133 (COD). Dublin-IV-Verordnung, als allgemein bekannt.

383 Ebenda, S. 8.

384 Ebenda, S. 20-21.

385 Constantin Hruschka: Schildbürgerstreich der EU-Kommission, vom 6.12.2016, abrufbar unter: https://www.juwiss.de/97-2016/ letzter Abruf: 02.03.2020.

386 Die genauen Regelungen befinden sich in Kapitel VII des Vorschlags, Art. 34-43.

für die Aufnahmestaaten erreicht werden, als durch Strafzahlungen von Umsiedlungs-Verweigerern.387

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