-Untersuchungen zur Sachkultur des Adels im 13. und 14. Jahrhundert
C h r i s t o f K r a u s k o p f
Stichworte: A delskultur, R ealienkunde, Sachkultur, Sozialgeschichte Keywords: Culture ofNobility, Material culture, Social History
Adlige Sachkultur und Archäologie
Z u r Sachkultur des m ittelalterlichen Adels liegen Inform ationen aus verschiedenen Q uellengattungen vor. Inventare geben punktuell seit dem 13. Jah rh u n dert Auskunft über die G erätebestände und die A us
stattung von Adelssitzen. Vor dem späten 15. Jah r
hundert sind jedoch wenige Inventare erhalten, da sie keine lang andauernden R echtsansprüche dokum en
tierten und deshalb häufig nicht sehr lange aulbew ahrt wurden. Sie zeigen - ähnlich wie archäologisches Fundm aterial - nur einen Ausschnitt des ehemaligen H ausrates.1 Auch Geschäftsschriftgut gibt wenig über
2 • die Lebensverhältnisse auf Burgen preis. W eitere Aussagen zur Sachkultur und zu den Lebensverhält
nissen auf Adelssitzen finden sich in der zeitgenössi
schen Literatur. Die H eranziehung dieser Q uellen ist jedoch problem atisch, da die Intention der A utoren sehr unterschiedlich sein kann und die Texte nicht wörtlich interpretiert w erden können.' Bildquellen zeigen häufig G egenstände in Benutzung, ihre Aus
wertung erfordert jedoch eine ausgefeilte quellenkriti
sche Herangehensweise. Wie bei den literarischen Q uellen muss die Intention der Künstler in die Inter
pretation mit einbezogen w erden.4
O hne weltanschauliche Filter oder Selektion nach Bedeutung geben dagegen archäologische Funde ei
nen Einblick in die Sachkultur und damit in das All
tagsleben des Adels. Die Aussage d er Fundbestände
wird freilich von der Ausschnitthaftigkeit, die durch die A rt der Niederlegung und die Erhaltungsbedin
gungen im Boden verursacht ist, stark eingeschränkt.
Aus den zahlreichen Burgengrabungen der letzten Jahrzehnte liegt jedoch ein um fangreicher Fundbe
stand vor, der einen umfassenden Überblick gestattet.
Ein überregionaler Vergleich von kom pletten Fundbeständen wurde bisher noch nicht versucht. Die hier vorgestellte Untersuchung geht der Frage nach, ob sich regionale, soziale sowie herrschaftspolitische oder herrschaftsrechtliche U nterschiede im Fund
spektrum abzeichnen/ Aus den zur Verfügung stehen
den publizierten Burgengrabungen wurden solche mit möglichst kom pletter Ausgrabung und umfangreichen Fundbeständen ausgewählt, die M aterial des 13. und 14. Jahrhunderts erbrachten.
D er recht lange Untersuchungszeitraum von etwa 200 Jahren ist der Tatsache geschuldet, dass das Fund
material oft nicht genauer datierbar ist und dass die M aterialbasis bei einer Einengung des Zeitraum s zu gering wäre. U nbearbeitetes M aterial wurde dabei nicht berücksichtigt, da die kom plette N eubearbeitung einer oder m ehrerer G rabungen die eigentliche Kern
aufgabe, den Vergleich der Fundbestände, unabseh
bar verzögert hätte.
Z u r U ntersuchung kamen zwei regionale G rup
pen, die eine in der Schweiz und in Süddeutschland, die andere im hessisch-thüringischen Raum. Aus bei
den Regionen liegen ausreichend in Publikationen vorgelegte Ausgrabungsergebnisse vor (Abb. I).6
1 Löffler 1977, 122-123. - Zum quellenkritischen Umgang mit Inventaren siehe auch: Mohrmann 1980. 69^86, hier: 71.
2 Kerber 1999. II. 19-23.
3 Z ur Beschreibung des Alltags in den mittelalterlichen Epen siehe Lem- mer, 1995, 6-27. - Lemmer 1999, II, 13-16. - Z ur spätmittelalterlichen Grenchen: Meyer 1963. - Alt-Wartburg: Meyer 1974.- Frohburg: Meyer 1989. - Alt-Regensberg: Schneider 1979. - W asserburg Mülenen: Wild 1997. - Baden-Württemberg: Wieladingen: Schwoerbel 1998. - Österreich:
Flaschberg: Karpf et al. 1995. - Hessen/Thüringen: Rodersen: Haarberg 1974,123-181. - Schnellerts: Krauskopf 1995. - Wartenberg: Maurer &
Bauer 1961,217-265. - Lodenschitz: Möbes & Timpel 1987, 297-367. - Jenalöbnitz: Stoll 1993. - Gommerstedt: Timpel 1982. - Groitzsch- Vogt 1987.
C h risto f K rauskopf
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Zur Methodik
Zunächst musste das Material erfasst werden. D a
zu wurde eine D atenbank angelegt, in die das gesam te Fundm aterial mit Ausnahm e der K eram ik.' sofern es ins 13. und 14. Jahrhundert datiert, eingegeben wurde.
Es entstand eine Datensam mlung mit 1738 D atensät
zen, die jeweils ein oder auch m ehrere gleichartige Fundstücke enthalten. Jedes D atenblatt wurde zusätz
lich mit einem Bild des Fundstücks oder eines aussage
kräftigen Stücks d e r jeweiligen G ruppe versehen. Die D atenbank war die G rundlage für den Katalog, der zu
sam m en mit einer repräsentativen und anschaulichen Auswahl an Abbildungen die Zusam m ensetzung der
7 Vom keramischen Fundmaterial wurden Lampen. Keramikpüppchen und Spinnwirtel erfasst.
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A rchäologie und L ebensstandard - U ntersuchungen zur Sachkultur des A dels im 13. und 14. Jah rh u n d ert
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Abb. 2: Tabellarische Darstellung der 20 Tätigkeitsgruppen und ihrer Verteilung a u f die untersuchten Burgen (Graphik: Chr. Krauskopf).
Fundbestände belegt. A uf eine einheitliche Um zeich
nung der Fundstücke wurde aus G ründen des A uf
wands, aber auch der Q uellentreue zur Originalpubli
kation verzichtet. Ebenso wurden die Katalogeinträge der O riginalpublikationen w ortgetreu übernom m en.
Lediglich bei Fundvorlagen ohne Katalog wurden die Beschreibungen aus dem Text exzerpiert und in Kata
logform gebracht.
Die D arstellung aller G egenstände nach ihrem V orkom m en auf den untersuchten Burganlagen gibt
einen Überblick über die Anzahl der Gerätetypen ins
gesamt, deren Anzahl auf jeder Burg und deren V er
teilung über alle Anlagen; ebenso gibt das Schema Auskunft über das M aterial, aus dem die einzelnen G eräte gefertigt sind.s Um die große Fülle an Fundm a
terial bewältigen zu können, wurden G ruppen gebil
det. Z unächst wurden die Funde danach eingeteilt, welche Tätigkeiten sie anzeigen. Es ergaben sich 20 Tätigkeitsgruppen von auf den Burgen vorkomm en
den G egenständen. Bei der Darstellung in einer
Ta-8 Aus Form atgründen wird diese tabellarische Darstellung hier nicht wie
dergegeben (farbige DIN-A3-Beilage in der Originalpublikation [Kraus
kopf 2005]). Die wichtigsten Angaben: Gesamtzahl aller G erätetypen:
167; Gerätetypen auf den einzelnen Burgen: Regensberg: 27;
Alt-Wartburg: 50; Flaschberg: 34; Freudenau: 32; Frohburg: 60; Gommers- tedt: 62; Grenchen: 11; Groitzsch: 36; Jenalöbnitz: 39; Lodenschitz: 26;
Madeln: 32; Mülenen: 23; Rodersen: 32; Scheidegg: 42; Schnellerts: 43;
Wieladingen: 24; Wartenberg: 67; Wasserburg Mülenen: 27; Wulp: 32.
C hristof K rauskopf
3 6 1 K ü ch » n * 'riil mim E«s«n 37 B a u tlrm e n lf »us Kison
I.UMJSinaterial S la n d ardin aterial
Abb. 3: Tabellarische Darstellung der 47 Funktionsgruppen und ihrer Verteilung a u f die untersuchten Buigen (Graphik: Chr. Krauskopf).
1%
A rchäologie Ö sterreichs Spezial 2, 2006A rchäologie u nd L ebensstandard - U ntersuchungen zur Sachkultur des A dels im 13. und 14. Jah rh u n d ert
belle wurde jedoch deutlich, dass m it dieser G ru p p en einteilung kein aussagekräftiges Ergebnis hinsichtlich etwaiger G em einsam keiten oder U nterschiede im Fundm aterial gew onnen w erden kann (Abb. 2). Die Zusam m enfassung ausschließlich nach der Funktion vernachlässigt M aterial- und damit Q ualitätsunter
schiede, eine A usw ertung nach zeitgenössischem
„W ert“ oder zeitgenössischer B edeutung ist nicht möglich. In einem dritten Schritt wurden nun m aterial
bezogene Funktionsgruppen gebildet. Es ergaben sich 47 G ruppen. Die tabellarische D arstellung deutet be
reits Tendenzen an. Es lässt sich sehr leicht eine „Stan
dardausstattung“ mit G erätetypen, die auf (fast) allen Burganlagen vorhanden sind, von Luxusgegenstän
den, die als U nikate oder nur auf wenigen Burgen ver
treten sind, unterscheiden. Nach der V erteilung der
„Luxusgüter“ reihen sich die Burgen in einer bestim m ten Folge auf, angefangen mit den Anlagen mit keinen oder sehr wenigen G egenständen dieser Kategorie, bis hin zu Burgen mit besonders vielen Luxusgegenstän
den (Abb. 3).
Um nun die regionalen V erteilungsm uster d e u t
lich zu m achen, w urden für alle m aterialbezogenen Funktionsgruppen V erbreitungskarten angelegt. So entstand ein K artensatz, d er je nach G ruppe u n ter
schiedlich stark signifikante V erbreitungsbilder zeigt.
Bei den abgebildeten V erbreitungsm ustern muss
te nun deren Entstehung e rm ittelt werden. Dazu stell
ten sich folgende Fragen:
1. Ist die V erbreitung ein chronologisches Phäno
m en? Das U ntersuchungsm aterial deckt einen Z eit
raum von etwa 200 Jahren ab. In dieser Zeit gibt es Entwicklungen bei der A usstattung von W ohnsitzen, die sich in den V erbreitungsm ustern abzeichnen könn
ten. Beispielsweise nahm en im V erlauf des 14. Ja h r
hunderts M etallgefäße im Küchenbereich - die es na
türlich auch im 13. Ja h rh u n d ert schon gab - verstärkt Einzug.
2. Ist die V erbreitung ein regionales Phänom en, etwa durch die unterschiedliche A nbindung an den überregionalen H andel od er unterschiedliche T rad i
tionen? Bei überregionalen Vergleichen muss im m er mit einer unterschiedlichen Versorgung verschiedener Landschaften mit im portierten G ebrauchsgütern, b e
sonders des Luxusbereichs, gerechnet werden. Z usätz
lich können unterschiedliche N ahrungsgew ohnheiten (beispielsweise die K äseherstellung in der Schweiz), die topographischen G egebenheiten (M öglichkeit des Ackerbaus, Bevorzugung der Viehzucht) oder auch
v Untersuchungen des Tierknoehenbestands liegen von Alt-Wartburg, Freudenau, Frohburg, Grenchen, Groitzsch, Rodersen, Sclieidegg und Schnellerts vor.
unterschiedliche G epflogenheiten bei der Kleidung unter anderem die Verbreitungsbilder beeinflussen.
3. Bildet die V erbreitung soziale oder wirtschaftli
che U nterschiede innerhalb des Adels ab? G eräte mit
„B arom eterfunktion“ gibt es nicht nur als Anzeiger zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, sondern auch innerhalb einer Gruppe. So sind bei
spielsweise G egenstände, die besonders kostspielige und aufwändige Tätigkeiten - wie etwa die Beizjagd - anzeigen, als Anzeichen für große W irtschaftskraft und hohes Prestige zu werten.
4. Bildet die V erbreitung herrschaftsrechtliche oder herrschaftspolitische Verhältnisse ab? Bei der Frage nach herrschaftsrechtlicher oder -politischer Relevanz entfernt sich die Interpretation am weitesten vom eigentlichen Untersuchungsgegenstand, der R ea
lie. D er Weg vom einzelnen Gegenstand hin zum rechtlichen und politischen „Ü berbau“ ist weit und die Beziehungen sind am schwierigsten zu belegen. Nach
weise von H oher und N iederer Jagd - in der U n ter
scheidung nur durch die Bestimmung der W ildtier- knochen im Fundm aterial möglich und deshalb nicht für alle untersuchten Burgen durchführbar4-g e b e n ei
nen direkten Hinweis auf Rechtsverhältnisse. A ller
dings zeigt sich bei diesem Komplex, dass alle Adels
sitze sowohl die hohe als auch die Niedere Jagd ausüb
ten. Eine Differenzierung ist nur anhand des Spek
trum s des Tierknochenm aterials möglich, was wiede
rum keine Aussagen zur rechtlichen Situation, son
dern eher zum Ausmaß der betriebenen Jagd erm ög
licht. W eitere für die Herrschaftspolitik relevante Ty
penverteilungen sind schwer zu interpretieren. A uf die V erbreitung der W affen soll später noch eingegangen werden.
Die Relevanz der einzelnen G erätetypengruppen erlaubt nicht imm er eine klare Unterscheidung zwi
schen den oben angeführten Fragestellungen. Häufig liegt eine Gem engelage von Relevanzen vor, die das Verbreitungsbild bedingen.
Ausgewählte Ergebnisse
Chronologische Relevanz
M etallgefäße im Küchenbereich, wie etwa G rapen und Pfannen aus Buntm etall sowie Bruchstücke von Eisengefäßen, kommen nicht auf allen Burgen vor (Abb. 4). Die regionale Verteilung der wenigen Belege lässt keine Besonderheit erkennen. Auch die Beob
achtung der Besitzverhältnisse der jeweiligen Burgen und des Zusam m enhangs mit dem übrigen Fundm ate
rial erscheint zunächst unauffällig. Neben der gräfli
chen Anlage der Frohburg kommen derartige Stücke auf Scheidegg, Madeln, W ulp und W ieladingen, aber
C hristo f K rauskopf
Abb. 4: Eisengefäße des Küchenbereichs. Fundabbildungen: Buntmetallkessel, Frohburg; Grapen aus Buntmetall, Madeln; Eiserner Pfannenstiel, Wasserburg Mülenen; Gedrehte Schale, Buntmetall, Madeln. Unmaßstäblich
(Graphik: Chr. Krauskopf, Fundabbildungen aus den jeweiligen Originalpublikationen, vgl. Anm. 6).
198 A rchäologie Ö sterreichs Spezial 2, 2006
A rchäologie und L eben sstan d ard - U ntersuchungen zur Sachkultur des A dels im 13. und 14. Jahrh u n d ert
keine Reitausrüstung aus Edelmetall
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'olfhaaen Reitausrlistung aus Edelmetall
™ auf Burgen des Lehensadels g * ReitausrUstung aus Edelmetall
™ auf Burgen des edelfreien Adels A Reitausrüstung aus Edelmetall
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Abb. 5: Reitzubehör aus Edelmetall. Fundabbildungen: Radspom, Gommerstedt;
Pferdegeschirranhänger, Rodersen und Wulp; Steigbügelbruchstück, Schnellerts. Unmaßstäblich (Graphik: Chr. Krauskopf, Fundabbildungen aus den jeweiligen Originalpublikationen, vgl. Anm. 6).
C hristof K rauskopf
auch auf G om m erstedt und Lodenschitz, baulich sehr einfachen Anlagen mit ausgeprägtem landwirtschaftli
chen C harakter, vor. B etrachtet m an jedoch die chro
nologische Verteilung, so wird deutlich, dass die V er
breitungskarte die allmähliche D urchdringung der H aushalte mit m etallenem G eschirr zeigt, wie sie be
reits seit langer Z eit bekannt ist.10 Im 13. Jah rh un d ert w aren M etallgefäße nur auf der Frohburg vorhanden.
In dieser Z eit stellen sie durchaus ein wertvolles und nur reichen H aushalten vorbehaltenes G ut dar. Im V erlauf des 14. Jahrhunderts verbreiteten sich die G e
fäße auch auf andere Anlagen. D ie bis E nde des 14.
o der Anfang des 15. Jahrhunderts besiedelten A nla
gen in G om m erstedt und Lodenschitz weisen dann - diesem Trend folgend - ebenfalls solche G efäße auf, obwohl sie sonst wenig kostspieliges G erät erbrachten.
Beim Fensterglas ist die Beobachtung um gekehrt:
Im Profanbereich erw artet man im 13. Jahrhundert kein Fensterglas. Erstaunlicherw eise stam m en die ein
drucksvollsten Belege für G lasfenster von einigen An
lagen des 13. Jahrhunderts (Flaschberg, Frohburg, Schnellerts, W artenberg). Selbst die eher unbedeuten
de Anlage des Schnellerts erbrachte einige gekröselte Flachglasbruchstücke, die zumindest auf ein verglastes Fenster hinweisen, w ährend die meisten Burgen des
14. Jahrhunderts keine Flachglasbruchstücke aufwei
sen. Das Fehlen von Fundstücken soll jedoch nicht überbew ertet werden. Auffällig ist das m ehrfache Auf
treten bereits im 13. Jahrhundert.
Regionale Relevanz
Regionale U nterschiede, die auf abweichende G e
pflogenheiten hinweisen, m üssen sich bei d erart weit auseinanderliegenden U ntersuchungsregionen jedoch zwangsläufig abzeichnen. Zunächst ist das Lavezge- schirr zu nennen, das auf den Burgen der hessisch-thü
ringischen G ruppe nicht zu erw arten ist.
Eine weitere Auffälligkeit ist das V orkom m en von Bruchstücken großer Kupferkessel, die sich nur bei den schweizerischen Burgen finden (Abb. 4). D en all
gemein höheren Luxusanteil, der sich auf den schwei
zerischen Burgen abzeichnet, allein dafür verantw ort
lich zu machen, erscheint nicht ausreichend. M etallge
fäße sind - wie der vorhergehende Abschnitt zeigte - zumindest im 13. Jahrhundert ein Anzeichen für höhe
re wirtschaftliche Kraft. Bei den Kupferkesseln wird sich die V erbreitung jedoch auch aus der Tatsache he
raus erklären lassen, dass die Käseherstellung, zu der große Kessel benötigt werden, eine besondere Bedeu
tung hatte.
10 Hasse 1979 (1981), 7-83.
Ein interessantes V erbreitungsbild ergibt sich bei der K artierung von edelm etallenem Zaum zeug
schmuck. Die „reichen“ Anlagen d er Schweiz erbrach
ten wenige Stücke, dagegen gab es sie jedoch auf (fast) allen A nlagen im hessisch-thüringischen Bereich (Abb. 5). Eine Erklärung für diese Beobachtung zu fin
den, ist schwierig. An d er Versorgung mit en tspre
chenden G egenständen o der m angelnder wirtschaft
licher Kraft zum Erwerb kann es kaum gelegen haben.
E h e r ist an U nterschiede im A uftreten des Adels zu denken. D er nötige Prunk, den der Adel bei bestim m ten G elegenheiten zur Schau stellen musste, wurde eventuell im schweizerischen Raum in anderer Weise, etwa durch besondere Stoffe, erreicht. Es ist in diesem Zusam m enhang auch an die größere V erbreitung von W affen auf den schweizerischen Anlagen zu denken.
W irtschaftliche und soziale Relevanz
A ckerbaugeräte kom m en auf den Burgen des hes
sisch-thüringischen Raum s vor (Abb. 6). Bei den schweizerischen Burgen sind häufig Sicheln belegt, die aber nicht unbedingt dem A ckerbau gedient haben müssen. Sie können sowohl im Burggarten, als auch bei der Säuberung des Burgum feldes von zu starkem Bewuchs Verwendung gefunden haben. Für den V er
breitungsunterschied kann es unterschiedliche E rklä
rungen geben. Einmal spricht die Topographie bei vie
len der schweizerischen Burgen gegen A ckerbau im di
rekten Burgumfeld. D ie m angelnde U ntersuchung von V orburgen, in denen eventuell A ckerbaugeräte gelagert waren, könnte ebenfalls für das Fehlen ver
antw ortlich sein. Tatsache ist jedoch, dass in vielen der hessisch-thüringischen Burgen A ckerbaugeräte vor
handen waren, obwohl auch dort etwaige V orburgbe
reiche nicht untersucht wurden. Es deutet sich also ein gravierender U nterschied an: Selbst wenn bei den schweizerischen Burgen A ckerbaugeräte in den V or
burgbereichen unentdeckt im Boden liegen, so wurden diese in der nördlichen B urgengruppe in der H au p tan lage aufbewahrt.
Funde, die die Ausübung der Beizjagd anzeigen, sind selten (Abb. 7). Allgemein werden G egenstände d er Jagd nicht sehr häufig entdeckt, da die Jagd nicht in einem der gewöhnlich untersuchten Siedlungsplät
ze, sondern in Wald und Flur betrieben wurde. Bei der Jagd verloren gegangene G egenstände werden des
halb selten wieder gefunden.11 Am sichersten ist die Jagd anhand der Knochen des Jagdwildes im Abfall des jeweiligen W ohnsitzes nachzuweisen. Bei der Beiz
jagd ist das schwierig, da die typische Beizjagdbeute
11 Meyer 1997,467-468.
200 A rchäologie Ö sterreichs Spezial 2, 2006
A rchäologie u nd L eben sstan d ard - U ntersuchungen zur Sachkultur des A dels im 13. und 14. Jah rh u n d ert
Abb. 6: Landwirtschaftliche Geräte. Fundabbildungen: Rebmesser, Alt-Wartburg; Hacke, Gommerstedt;
Sichel, Wasserburg Mülenen; Gertei und Spatenbeschlag, Wulp; Hacke, Scheidegg. Unmaßstäblich (Graphik: Chr. Krauskopf, Fundabbildungen aus den jeweiligen Originalpublikationen, vgl. Anm. 6).
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Abb. 7: Hinweise a uf die Beizvogeljagd. Fundabbildungen: Drahte, Rodersen; Schelle, Al(-Wartbutg. Unmaß
stäblich (Graphik: Chr. Krauskopf, Fundabbildungen aus den jeweiligen Originalpublikationen, vgl. Anm. 6).
202 A rchäologie Ö sterreichs Spezial 2, 2006
A rchäologie u nd L eben sstan d ard - U ntersuchungen zur Sachkultur des A dels im 13. und 14. Jah rh u n d ert
Abb. 8: Tabellarische Darstellung der Verteilung von bestimmten Luxusgegenständen, Werkzeugen und Ackerbaugeräten (Graphik: Chr. Krauskopf).
auch mit N etzen gefangen worden sein kann. Drahlen, kleine d rehbar m iteinander verbundene Eisen- oder Bronzeringe, verhinderten am G eschüh der Beizvögel, dass sich die H alteleinen verdrehten und sich der Vo
gel verletzte. Von einigen Burgen liegen derartige Funde vor. A ußer R odersen handelt es sich um Bur
gen, die auch weiteres Luxusm aterial erbrachten. Die Beizjagd mit ihrem hohen Personal- und Geldaufwand stellte eine besondere Tätigkeit dar, die nur W ohlha
benden Vorbehalten war.
W erden nun das V orkom m en von Luxusgegen
ständen sowie das von A ckerbaugeräten und W erk
zeugen in einer Tabelle dargestellt, so wird deutlich, dass sich die Bereiche gegenseitig ausschließen (Abb.
8). Dieses Ergebnis verstärkt die V erm utung, dass be
stim m te Tätigkeiten ihren Niederschlag nicht in den H auptburgen verm ögender Adeliger tinden. Es muss allerdings Hypothese bleiben, ob das tatsächlich da
rauf zurückzuführen ist, dass die Fam ilien des niede
ren Landadels selbst in die handwerklichen und ackerbaulichen Tätigkeiten eingebunden waren und ob die lehnsabhängigen Burgen im hessisch-thüringi
schen Raum - zum indest die deutlich landwirtschaft
12 Z eune 1996, 202-203.
lieh geprägten - selbst Produkte bei ihren Lehnsherren abliefern mussten. Für den „R itter im Bauernwams“
gibt es jedoch auch Hinweise aus anderen Q uellengat
tungen.12
H errschaftsrechtliche und -politische Relevanz Auch ohne archäologischen Befund kann davon ausgegangen werden, dass der Adel allgemein sein Jagdrecht ausübte. Jagdwaffen werden aus den im Z u sam m enhang mit der Beizjagd bereits beschriebenen G ründen kaum gefunden. Tierknochen geben jedoch Auskunft über die Jagd, die von den Bewohnern der Adelssitze betrieben wurde. Zunächst fällt auf, dass auf allen Burgen, von denen Tierknochenbestim m un
gen vorliegen, sowohl die H ohe als auch die Niedere Jagd belegt ist. U nterschiede gibt es jedoch in der Z u samm ensetzung des Jagdwildes. M ögen hier regionale Unterschiede des Tierbestandes eine Rolle spielen, so lässt sich jedoch auch sagen, dass die Vielfalt der Jagd
beute mit der A usstattung der Burgen zunimmt. Die w ohlhabenderen Adeligen gingen offenbar intensiver der Freizeitbeschäftigung Jagd nach (Abb. 9).
Die V erbreitung von W affen verleitet nun dazu, auch herrschaftspolitische Aspekte bei der In terp reta
tion zu berücksichtigen. W ährend der Schweizer
C h risto f K rauskopf
Abb. 9: Verteilung von Jagdwildknochen (Graphik: Chr. Krauskopf).
Raum zahlreiche Dolche, Teile von K ettenpanzern und einige Topthelm e erbrachte, gibt es von den Bur
gen des hessisch-thüringischen Raum s nicht einmal ei
ne nennensw erte Anzahl von Dolchen (Abb. 10).
Soll dieser auffällige Befund nicht auf die Zufällig
keiten der Erhaltung und Entdeckung zurückgeführt werden - was bei der Deutlichkeit der V erteilung ers
taunlich wäre - so sind andere G ründe für die weitere V erbreitung von W affen zu suchen. Dass es auch beim Adel der nördlichen G ruppe Waffen gegeben hat und
13 Meyer 1986, 108-109.
14 Patze 1962.
diese getragen wurden, ist klar. Niemals hätte sich ein W affenverbot für Adelige durchsetzen lassen. T atsa
che ist aber auch, dass es - ausweislich der Funde - in der Schweiz m ehr davon gab und so auch m ehr ins ar
chäologische Fundgut geraten konnte.
Bis in die Z eit um 1400, als die Städte begannen, den Adel und dam it besonders das adlige Fehdew esen oft gewaltsam u n ter ihre K ontrolle zu bringen, stellte
Bis in die Z eit um 1400, als die Städte begannen, den Adel und dam it besonders das adlige Fehdew esen oft gewaltsam u n ter ihre K ontrolle zu bringen, stellte