• Nem Talált Eredményt

Ansätze für eine Comicdidaktik

In document Cathedra Magistrorum – Lehrerforschung (Pldal 179-184)

1 Unterrichtsmedium Comic: Einleitung und Zielsetzung

Comics und comicähnliche Bild- und Fotogeschichten mit Sprech- und Denkblasen sind aus unseren DaF/DaZ-Lehrwerken nicht wegzudenken und haben zahlreiche didaktische Funktionen. Mal bieten kurze Comicstrips Sprech- und Schreibanlässe und leiten ein Diskussionsthema ein, mal wer-den mit solchen Bildsequenzen kleine Kontexte geschaffen, mit deren Hilfe sich Grammatikregeln situationsbezogen erschließen und erklären lassen.

Außerdem werden Comics häufig eingesetzt, um die Lesekompetenz zu för-dern oder landeskundliche Inhalte erlebnisbasiert zu vermitteln. Neuerdings sind Graphic Novels, d.h. Comics, die nicht in Fortsetzungen, sondern in Buchform herausgegeben werden und oft persönliche Schicksale behandeln, auch in fremdsprachendidaktischen Konzepten und Materialien erschie-nen. Während die Arbeit mit Kurzgeschichten, Gedichten und Romanen im Unterricht schon lange Tradition hat und diesbezüglich unzählige Methoden und Arbeitsweisen entwickelt wurden, gibt es eine Comicdidaktik bisher nicht.

In diesem Beitrag setze ich mich damit auseinander, inwiefern sich zeitge-nössische deutschsprachige Graphic Novels im DaF/DaZ-Unterricht einsetzen lassen. Als erster Schritt widme ich mich verschiedenen Begrifflichkeiten der Comicforschung. Ziel dieses kurzen Forschungsberichts ist, die vielfältigen Spielarten der graphischen Literatur aufzuzeigen, einen terminologischen Überblick zu geben und nicht zuletzt Graphic Novel als Gattungsbezeichnung zu problematisieren. Aufbauend auf diesen Überlegungen werden Ansätze zum Einsatz von Graphic Novels aus der Fremdsprachendidaktik präsentiert.

Anschließend werden zwei unterschiedliche Didaktisierungen zum autobio-graphisch inspirierten Geschichtscomic drüben! untersucht und miteinander verglichen. Das eine didaktische Konzept wurde für deutsche Schulen entwi-ckelt, während sich das andere Unterrichtsmaterial an Deutschlernende richtet.

Im abschließenden Teil werden die Ergebnisse dieser kontrastiven Analyse

systematisiert und davon ausgehend Empfehlungen für Comicdidaktisierungen formuliert. Mit diesem Aufsatz möchte ich Anregungen für eine (künftige) Comicdidaktik im Fremdsprachenunterricht geben.

2 Comics – Sequenzielle Kunst – Graphische Literatur

Graphic Novel als Begriff wurde und wird in der medien- und comicwis-senschaftlichen Forschung beinahe ebenso viel und kontrovers diskutiert wie der Comicbegriff selbst. Bekanntermaßen herrscht kein Konsens dar-über, was Comics sind und wie sich die unterschiedlichen Spielarten von-einander abgrenzen lassen. Während einige Comics als ein eigenständiges Medium betrachten, argumentieren andere dafür, dass es sich um eine gra-phische Gattung der Literatur handelt. Es gibt Deutungsansätze, die auch mittelalterliche Darstellungen oder auch die ägyptischen Wandzeichnungen als Vorläufer des Comics betrachten, wohingegen andere die Ansicht ver-treten, dass Comics (mindestens in ihrer heutigen Form) erst in den Zeitungen des 19. Jahrhunderts erschienen sind. Weiterhin gehen die meisten Wissenschaftler davon aus, dass der Comic ein Erzählmedium darstellt, das mit dem Ineinandergreifen von sprachlichen und visuellen Erzählverfahren Storyworlds herstellt. Gleichzeitig wird bezweifelt, ob Narrativität ein dis-tinktives Merkmal des Comics ist. Am häufigsten wird auf die Definition eines der berühmtesten Comictheoretikers verwiesen, der zugleich bis zum heutigen Tag auch als Comiczeichner tätig ist. Scott McCloud schlägt in seinem Grundlagenwerk Understanding Comics (deutsch: Comics richtig le-sen. Die unsichtbare Kunst) die folgende Beschreibung vor: „Zu räumlichen Sequenzen angeordnete, bildliche oder andere Zeichen, die Informationen vermitteln und/oder eine ästhetische Wirkung beim Betrachter erzeugen sol-len.“ (McCloud 1994: 17). Für McCloud spielt die räumliche Anordnung der Zeichen eine zentrale Rolle, ferner geht er davon aus, dass Comics zwangläufig einen Sinn vermitteln. Diese Definition kann auch Gemälde, Wandteppiche und eine beliebige Komposition von verschiedenen Bildern und Gegenständen umfassen. Wie Martin Schüwer in seiner umfassenden Comicnarratologie be-merkt, ist in diesem Ansatz die Produktionsweise des Comics komplett unbe-rücksichtigt (Schüwer 2008: 6–12). Wenn man Buchstaben in einem Text als ein Nacheinander von visuellen Zeichen betrachtet, könnte man zum Beispiel auch diesen wissenschaftlichen Beitrag als einen Comic ansehen.

Die Bezeichnung sequential art oder sequenzielle Kunst, die von dem ameri-kanischen Comiczeichner Will Eisner geprägt wurde (Eisner 1985), erscheint nicht weniger problematisch als McClouds Definition. Mit seinem Begriff

fokussiert Eisner Sequenzialität als Alleinstellungsmerkmal des Comics und betont, dass die Abfolge von Bildern für Comics eine konstitutive und me-dienspezifische Eigenschaft darstellt. Diesbezüglich ist jedoch zu bemängeln, dass sich auch Filme und Zeichentrickfilme aus Einzelbildern zusammenset-zen und trotzdem nicht als Comics betrachtet werden. Außerdem wird mit dem Begriff sequential art auch der Kunstcharakter des Comics akzentuiert und damit werden medienspezifische Produktions- und Rezeptionsweisen ausgeblendet: Dass Comics in mehrfachen Ausfertigungen seriell entstehen, massenmedial verbreitet werden und meist eine ausgedehnte Sammel- und Fankultur begründen, wird hier nicht beachtet. Ebenso wenig wird auf mög-liche Traditionslinien in der Kunst und Literatur verwiesen.

Im Gegensatz zu Eisners Konzept betont der Ausdruck graphische Literatur und damit auch die Bezeichnung Graphic Novel nicht die Bezüge zur bildenden Kunst, sondern zu literarischen Erzählformen und Gattungen. Wie Juliane Blank zusammenfassend feststellt, werden Graphic Novels in der Regel im Gegensatz zu Comics bzw. zu Comicstrips definiert. Nach Blank beinhalten die gängigen Begriffserklärungen folgende Elemente:

1. Graphic Novels erzählen abgeschlossene Geschichten […]

2. Graphic Novels richten sich eher an Erwachsene. […]

3. Graphic Novels unterliegen keinen thematischen oder strukturellen Einschränkungen. […]

4. Graphic Novels sind komplexer und anspruchsvoller als andere Comics.

(Blank 2014: 21–23)

Obwohl diese Kriterien sinnvoll erscheinen mögen, erweisen sie sich bei ge-nauerem Betrachten eher oberflächlich und undifferenziert: Nicht alle Comics, die als Graphic Novel etikettiert werden, zeichnen sich durch eine kohärente Geschichte aus, sondern es gibt auch hier Fortsetzungen und äußerst fragmen-tarische Erzählungen. Werke, die als Comics oder Graphic Novels bezeichnet werden, adressieren je nach Erzählweise und Erzählgegenstand verschiedene Altersgruppen, wobei die Adressierung nicht vom Format abhängig ist. Auch Comichefte weisen eine enorm große thematische Vielfalt auf und sind folglich keineswegs mit Kindergeschichten gleichzusetzen. Ob die Erzählungen, die unter der Bezeichnung Graphic Novel firmieren, einem höheren künstleri-schen Standard entsprechen, sei ebenfalls dahingestellt, weil hierfür ja keine eindeutigen Gütekriterien zu bestimmen sind.

Aus diesen Gründen wird die Bezeichnung Graphic Novel in der deutschspra-chigen Comicforschung tendenziell als Label betrachtet. Diese Betrachtungsweise veranschaulicht wohl Thomas Hausmanningers folgende ironische Einschätzung:

Der Gehalt des Begriffs Graphic Novel ließe sich deshalb mit Recht auf das reduzieren, was er haptisch ist, nämlich einen Aufkleber, der auf alles passt, an dem er haftet. (Hausmanninger 2013: 19)

Der Comicwissenschaftler hält die wissenschaftliche Verwendung des Begriffs für fehlgeleitet, weil das Konzept nur scheinbar zur gesellschaftli-chen und wissenschaftligesellschaftli-chen Anerkennung des Mediums beitrüge. Vielmehr führe dieser Begriff unsichtbar die Unterscheidung zwischen der Hoch- und Populärkultur in die Diskussion zurück:

Da das Hochkulturstereotyp der Spaltung dient und auf diese Weise mit einer schlichten Dichotomie operiert, kann die Unterscheidung zwischen Graphic Novels und Comics außerdem den Blick für die hohe Ausdifferenziertheit der Comics selbst verstellen. Sollte dies geschehen, so bewirkt der Aufkleber nicht nur keinen Fortschritt im kulturellen Bewusstsein, sondern evoziert vielmehr sogar einen Rückschritt. (Hausmanninger 2013: 26)

So wird also vor allem kritisiert, dass die graphische Literatur nur bestimmte Spielarten und Erscheinungsformen des Comics umfasse und andere als künst-lerisch minderwertig und erzähltechnisch weniger anspruchsvoll positioniere.

Eine ähnliche Meinung vertritt auch Ralf Palandt:

Im Bereich der Werbung mag die Verwendung des Marketing-Labels, wie andere verkaufsfördernde Maßnahmen auch, legitim sein. Kritik an der darüber hinaus-gehenden Verwendung gibt es, auch wenn sie sich bisher kaum Gehör schaffen konnte. (Palandt 2014: 112)

In seinem ausführlichen Aufsatz zeichnet Palandt die Entstehungsgeschichte des Comics nach und gelangt ebenso wie Hausmanninger zum Schluss, dass Graphic Novels keineswegs als das Erwachsenwerden des Mediums zu erachten seien, sondern vielmehr eine gesellschaftliche Betrachtungsweise widerspie-geln würden. Dass sich der Begriff trotz seiner Undifferenziertheit massiv durchsetzte, beweist auch die thematische und erzählerische Vielfalt, die heute unter Graphic Novels subsumiert wird. So verweist Bernd Dolle-Weinkauff darauf, dass die Formate und Genres, die als Graphic Novels kategorisiert werden, recht unterschiedliche Erzählungen „wie den Comic in Buchform, den nichtseriellen Comic, den an Erwachsene adressierten Comic sowie alle Arten von Comic – und Bildgeschichtenhybride“ (Dolle-Weinkauff 2014: 459) darstellen. Aus diesem Grund erscheint die Graphic Novel für Ole Frahm (2014) als ein diskursives Konstrukt und er argumentiert dafür, dass die im-manente ironisch–parodistische Wirkung des Comics in den als Graphic Novels etikettierten Erzählungen nicht verloren geht. Frahm behauptet, dass sich Graphic Novels im Hinblick auf ihre Erzählweise nicht wesentlich von

Comicstrips unterscheiden und diese Werke mit ihren visuell-sprachlichen Verfahren auf narrative Techniken Bezug nehmen würden, die meist mit der Schundliteratur assoziiert werden. Für Frahm handelt es sich um eine paro-distische Spielart des Comics:

Jede Fiktion des graphischen Romans, die dessen Produktionsbedingung ver-drängt, übersieht auch die immanente Kritik an den gesellschaftlichen Zeichen-verhältnissen, die in ihm strukturell arbeitet. In dieser parodistischen Struktur stellen Graphic Novels die gesellschaftlichen Machtverhältnisse aus, die kein [sic!]

Anfang und kein Ende haben; in der die Subjekte sich auch durch die Fiktion einer eigenen Biographie nicht selbst setzen können, sondern immer von einer eigentümlichen Doppelgängerhaftigkeit heimgesucht werden; Machtverhältnisse schließlich, die Wertungen und Abwertungen produzieren, die umkämpft sind.

(Frahm 2014: 74f.)

In diesem Sinne ermögliche die Graphic Novel eine kritisch–ironische Auseinandersetzung mit gesellschaftlich–kulturellen Hierarchien und Kategorien. Wolfgang Hallet betrachtet diese Bildgeschichten, die in Buchform erscheinen und comicspezifische Erzählverfahren einsetzen, ähnlich wie Frahm als eine vielfältige soziale Praxis, mit der Gesellschaften komplexe und diffuse Erscheinungen wie Migration, Industrialisierung, Urbanisierung oder Kriegserfahrungen darzustellen und zu deuten versuchen. Hallet hebt diesbezüglich hervor:

Die spezifische Leistung und ein Teil der Faszination der graphic novel liegt gewiss darin, dass sie solche Phänomene im wörtlichen Sinne zur Anschauung bringt und aus der Perspektive von Individuen in Form sich „bewegender“, d.h.

sequenzierter Bilder darstellt. Anders als der Film aber bringt sie die Bilder zum Stillstand. Somit erlaubt sie das reflektierende Verweilen beim Einzelbild, die kontemplative Betrachtung einer Situation und ein Vor und Zurück zwischen den Bildern (panels). (Hallet 2012: 3)

In meinen folgenden Überlegungen verwende ich Graphic Novel als Begriff auch in diesem Sinne und keineswegs als eine literarische Gattungsbezeichnung.

Simon Schwartz’ autobiographisch inspirierter Geschichtscomic, der im Mittelpunkt der ausgewählten Didaktisierungen steht, betrachte ich demzu-folge nur insoweit als Graphic Novel, dass diese Erzählung im Buchformat mit comicspezifischen Erzählweisen zeithistorische Erfahrungswelten inszeniert und eine Auseinandersetzung mit Erinnerungen und Ereignissen der jüngsten Vergangenheit ermöglicht. Insofern handelt es sich also um eine besonde-re Erscheinungsform des Prinzips Bildgeschichte, wie der Kunstdidaktiker Dietrich Grünewald vorschlägt. (Grünewald 2014). Nach diesem Konzept sind antike Wandmalereien, bebilderte Kinderbücher, Comics, Filme und

Karikaturen miteinander verwandte Kommunikationsformen, die sich alle dadurch auszeichnen, dass sie mit visuellen Elementen eine Geschichte her-vorbringen. So gesehen wäre es falsch, Graphic Novels als Literatur im engeren Sinne einzustufen, da man dann eben wichtige Strukturelemente wie das Nacheinander von Bildern und das Zusammenspiel von filmisch–graphischen und literarisch–textuellen Elementen ausblenden würde. In diesem Beitrag ver-wende ich jedoch Ausdrücke wie graphische Erzählkunst, graphische Literatur, sequenzielle Kunst und Comics weitgehend synonym und werteneutral. Zudem betrachte ich Comic als ein narratives Medium, d.h. als ein Medium, mit dem Geschichten erzählt werden, auch wenn es mir wohl bewusst ist, dass nicht alle Comics Geschichten erzählen.

3 Graphic Novels im Fremdsprachenunterricht:

In document Cathedra Magistrorum – Lehrerforschung (Pldal 179-184)