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Spracherscheinungen, die sich in der siebenbürgisch- siebenbürgisch-sächsischen (Bistritzer) Form auf reichsdeutschem

In document Die Bistritzer Mundart (Pldal 127-173)

G. Ausgewählte Kapitel aus der Flexionslehre

IV. Spracherscheinungen, die sich in der siebenbürgisch- siebenbürgisch-sächsischen (Bistritzer) Form auf reichsdeutschem

Stam-mesboden nicht nachweisen lassen.

§ 247. bitsha 'bisschen'. — bitskta ist aus zwei Bestandteilen zu-sammengesetzt, die sich in dieserVerbindung im Mutterlande nirgends finden. Die Stammsilbe lebt in dieser Gestalt in einem breiten Streifen längs der südlichen Reichsgrenze, vom Elsass bis nach Oberbayern.1 Die Endung -ken ist ausgesprochen westfälisches Merk-mal ; büken heisst es da.

Das waldeckscbe bitsken und dasselbe biteken in einem Gebiete, das sich wie ein Streifen etwa von Berlin über Küstrin gegen Osten bis an die Grenze von Posen hinzieht, sind nur äusserlich von derselben Beschaffenheit wie das Bistritzer bitskra. In Wirklichkeit sind in diesen Gebieten büken und büken zusammengeflossen: die unverschobene Stammform aus dem Norden, die Endung (fälsch-licherweise -sken als solche aufgefasst) aus dem südlich angrenzenden bisken - Gebiet.

§ 248. bän 'bau(en)' (Afda. 22, 105). — Dieses Wort'ist eines von den wenigen, die in der Bistritzer Gestalt auf ganz beschränktem Gebiete vorkommen.

Die 'bauen'-Karte zeigt *a- Schreibungen westlich von Chemnitz, zwischen dem bayrischen und dem Böhmerwald, ia Schlesien in einer Enklave zwischen Zwiebus, Züllichen, Kochnitz, Rackwitz,

1 Genaue Grenzbeschreibung s. Wrede, DDG I, 113.

Wilichowo, Opalenitz und einem Orte südlich Neustadt; ausserdem noch hie und da vereinzelt.

Dass unser "Wort trotzdem nicht lokalisiert werden kann, liegt nicht nur an den verstreut liegenden o-Gebieten, sondern auch daran, dass es, ausser dem bayrischen Stück, durchaus Kolonisten-boden ist, der diese Form heute zeigt.1

Es seheint sich hier um eine Parallelentwicklung zum Bistritzer brädar zu handeln, insofern nämlich, als dieses ä ebenfalls über au (diesmal aus ü) zu erklären und mit dem ä in brädar zu identi-fizieren ist. Die § 249 angeführten Gemeinden und noch andere, die in den Tabellen des ss. Wörterbuchs nicht enthalten sind, zeigen hier nämlich auch au, ao. — Im übrigen vgl. § 249. .

§ 249. brädar 'Bru(der)' (Afda. 20, 106). — Die Entwicklung von westgerm. o zu ä findet in der Bistritzer Mundart ihre Erklärung im Vergleich mit einigen Dorfmundarten des Nösr.ergaues. Das alte o (in 'Bruder', 'Kuh', 'Blut' usw.) erscheint nämlich in Dürrbach, Passbusch, Petersdorf, Tekendorf, Niedereidisch, Deutsch-Zepling als au (ao);2 ein Diphthong, zu dem die Einwanderer in der Mundart der etwa hier bereits ansässigen Bayern bestenfalls Ansätze vorfinden konnten. Das ä in Bistritz ist sekundäre Monophthongierung (das au trägt in den . genannten Mundarten einen entschiedenen lktus auf dem a, also du).

Eine ähnliche Entwicklung von 6 ) au, jedoch ohne die nächste Stufe des a zu erreichen, weist heute ein grosses niederdeutsches Gebiet auf, das aus der Nähe von Danzig in Gestalt eines Küsten-streifens, von der Ausdehnung Küste-Bromberg, sich in abnehmender Breite bis zum kleinen und grossen Haff erstreckt. Jenseits desselben verbreitert es sich wieder, zieht in südwestlicher Richtung an Hamburg vorbei über die Elbe, durch die Lüneburger Heide über die Weser, über Magdeburg—Hannover bis an die Grenzen der Rheinprovinz. (Genaue Grenzbeschreibung s. Ber.).

Wie alt der Diphthong hier ist, ist mit Sicherheit nicht fest-zustellen; A. L a s c h3 glaubt ihn, gestützt auf wenige Beispiele, mit Bestimmtheit in frühmittelniederdeutsche Zeit setzen zu können;

»denn nur Mangel an geeigneten Zeichen zur Darstellung, sowie

1 Die Entwicklung a { au wird man "Weinhold wohl zugeben müssen, bis Gegenbeweise erbracht werden können.

2 Ss. Wbuch, 'S. L X I V .

3 Mittelniederdeutsche Grammatik, Halle 1914, § 202. '

die traditionelle Orthographie beschränken die Bezeichnung des Diphthongs in älterer Zeit«; direkte und verlässliche Zeugnisse liegen jedoch erst seit dem 16. Jahrhundert vor.

An 'Bruder' schliesst sich hinsichtlich des Vokals käxn 'Kuchen' und da, 'tu!' (Imp.) an.

§ 250. da 'tun' (Inf.). — Eine an-Enklave liegt östlich vom Frankenwald an der österreichischen Grenze. Ebenso findet sich eine längliche, zackige Enklave um Mannheim.

Die w-lose Form ist charakteristisch für den Südosten; die Grenze des «-Abfalls setzt südlich von Strassburg mit dem Rheine ein, zieht nach Westen mit der Grenze der Pfalz und dann etwa mit der östlichen Grenze der Rheinprovinz bis ans Rothaargebirge, von hier über Hatzfeld, GemündeD, Neukirchen, Sontna, Witzen-hausen, Sachsa, Beneckenstein, über SangerWitzen-hausen, Querfurt etwa parallel der thüringischen Grenze über Begis, Lunzenau, Gössnitz, Auma, Ziegenrück, Lobenstein, Schleiz, Greiz, Werdau, Lichtenstein.

Für diese Gebiete deckt sich der Inf. im grossen ganzen mit der 3. pl.

K i s c h1 notiert dä 'tun' nicht. Dafür »westerwäld., lux., siegl., rip. dest, det (2. 3. sg. praes.), schon mhd. eine spezifisch mittelfr.

Lautform. Die rfet/cf«(-Grenze reicht nicht weit nach Süden (schon Trier düt).«

Trotzdem det 'tut' seiner Verbreitung nach zum zweiten Kapitel gehört, sei es des Zusammenhangs wegen hier aufgeführt.

In Wirklichkeit zeigt der SA (es liegt leider nur die 3. sg.

vor), dass sich der Umlaut von Krefeld an über die Grenzen der Rheinprovinz hinaus erstreckt. (Eine det/düt-Grenze im Sinne von K i s c h gibt es nicht; Trier — aber nur Trier allein — hat ü ; es bildet also eine städtische Enklave im sonst umlautenden Gebiet). Eine schmale *c?et-Enklave zieht sich auch von der Fulda über den nord-westlichen Teil von Thüringen hin. Ferner findet sich ein kleines

*«-Gebiet in Anhalt um Ermsleben. Endlich ein ganz grosser *e-Bezirk von Stettin bis Danzig, Pommern, Pommerellen, die Neumark und die nördliche Hälfte von Posen umschliessend. —

Selbst wenn man von den thüringischen Gebieten absieht — das dortige *e geht auf ein i zurück: dit) sdet, wie kind ) *kent — zeigen die obigen Angaben doch klar genug, wie notwendig es ist,, unsere älteren germanistischen Untersuchungen mit Hilfe moderner Hilfsmittel zu ergänzen. ·

1 B. Mda. § 9 b, Anm.

§ 251 .'fäfar- 'Pfeff(er)'-. — In der Bistritzer Mundart besteht dieses Wort nur in der Zusammensetzung fäferkraut 'Bertram*

'Pfefferkraut'; ('Pfeffer' heisst gastfp mhd. gestüppe).

Wenn es erlaubt ist, das Wort in seiner Bistritzer Gestalt als Kompositionsglied mit dem selbständigen Substantiv zu ver-gleichen, wäre zu sagen," dass der Vokal o sich in Thüringen, Sachsen und Schlesien findet. Häufige -ff-Schreibungen deuten jedoch·

an, dass das a hier Kürzung erfahren hat, bzw. die Dehnung, unterblieben ist.

Viel aufschlussreicher als der Vokal ist in diesem Worte jedoch·

das anlautende f-, das sich zu dem f in 'Pfund' fqnt und den:

anderen p-Beispielen in § 92, 2 stellt. *

Es erscheint als f (neben häufigerem, gewiss nur graphischen pf) in Thüringen, besonders dicht etwa von Bleicherode—Erfurt bis-an die Mulde; in abnehmender Häufigkeit, ostwärts in Schlesien.

Diese, auf altes p zurückgehenden f repräsentieren eine Lauter-scheinung, die sich nur auf Kolonistenboden findet. Man kann diesen,, in der halben Entwicklung stecken gebliebenen Verschiebungsprozessr

wohl schwerlich so erklären, dass Kolonisten das anlautende p eben·

nur zu f zu verschieben pflegten.

Die Sache liegt vielmehr so, dass östlich der Saale das f ein Ausgleichsprodukt von p und pf darstellt. Mit derselben Notwendig-keit, die anlautendes p auf altem Stammesboden zur Affrikata werden liess, musste auf Kolonistenboden das Resultat einer Mischung p + pf =zf sein. Ob dieser Ausgleich innerhalb der Kolonisten statt-fand — da bei der Besiedlung der ostsaalischen Länder niederländische Elemente nachgewiesen sind, lässt sich dieses wohl annehmen oder ob er von dem höheren Gesichtspunkt Niederdeutsch + Ober-deutsch = MittelOber-deutsch aufzufassen ist, will hier nicht entschieden·

werden. Was das Bistritzer / anbelangt, so ist schwer anzunehmen, dass seine Herkunft in dem zur Zeit der ss. Einwanderung sprachlich·

noch ungeklärten Slavenlande zu suchen sei; das f scheint vielmehr auf innensiebenbürgische Mischung von p und pf zurückzugehen.1 Daraus folgt umgekehrt, dass an der Besiedlung Siebenbürgens p-und ^/-Sprecher teilgenommen haben müssen. Rheinländer konnten wohl ein unverschobenes p, nicht aber das pf mitbringen. Folglich·

müssen hier Volkselemente anderer Herkunft ergänzend gewirkt haben. (Vgl. § 200).

1 K i s c h schreibt es hochdeutschem Einfluss zu (B. Mda. § 23, Ia).

V . Spracherscheinungen, deren Herkunft und Entwicklung unentschieden bleiben muss.

§ 252. hu 'haben'.1 — Zur Untersuchung dieses "Wortes sind folgende Karten herangezogen worden:

haben (Inf.) am Satzende: hu;

haben (1. pl.) . . »sie haben es . : hun;

haben (3. pl.) . . »wir haben Durst . .« : hu;

habe (1. sg.) Satz 8: hu.

Die weiteste Verbreitung zeigt hu(n) im Inf. hu gilt in einem

«einzigen Gebiete, das sich auf der Grenze Nassau-Oberhessen nach

•beiden Seiten hin gleicbmässig ausbreitet, nach Norden und Süden in hun übergehend.

hun reicht einerseits aus dem nördlichen Lothringen (Gegend um Diedenhofen), Saar- und Moseltal einnehmend, bis etwa Bern-kastel, anderseits aus der Nähe von Mainz mässig weit in die Pfalz hinein. Aber auch nördlich von Chemnitz an der Mulde gibt -es eine kleine Auw-Insel, und in Schlesien finden sich neben

über-wiegenden hoan zahlreiche hun und hün (vor allem östlich von Breslau und um Leobschütz und Katscher).

In diesen Gebieten gilt hun für die 3. pl. in beschränkterem Masse. Die Ränder des hessischen Gebietes sind von anderen Formen -eingenommen, so dass die Am-Enklave etwa vom Vogelsberg im

•Osten und Biedenkopf im Westen begrenzt scheint. Auch das hessisch-darmstädtisch-pfälzische Gebiet ist kleiner, verglichen mit ü.em Infinitiv. Die hun - Landschaft im Saar- und Moseltal hat eben-falls . Zugeständnisse an die umliegenden Striche machen müssen.

/Statt dessen finden sich zwischen Chemnitz und Leipzig und ver-einzelt in Thüringen kleine AMM-Enklaven. Schlesien zeigt dasselbe Bild wie oben.

In der 1. pl. sind die Karten nur insofern verändert, als die

•moselfränkischen Teile hier ganz fehlen.

Diesem Rahmen fügt sich auch hu für die 1. sg. ein. Die kleinen thüringischen Enklaven entfallen bis auf eine im Norden -des Thüringer Waldes. In Schlesien gehen die w-Formen ebenfalls, bis auf wenige Reste östlich von Breslau, in den dominierenden

-o-Formen auf. '

1 Über den Wechsel von hu und hun in Bistritz s. § 162.

— 271 —

hun geht auf hän zurück. Der Grund der Kürzung liegt viel-leicht in der Unbetontheit des Hilfsverbums. ä > 5 > w, besonders

vor Nasal, und die unsichere Scheidung von o und u überhaupt ist eine allgemein mitteldeutsche Erscheinung.1 Ober die Trübung von

« ) ö vgl. auch Behaghel.2 Dass er nur einzelne Gebiete aufführt, beweist nicht, dass andere sie nicht auch kennen, sondern nur, dass aus den anderen ihm die nötigen Belege fehlten.

-§ 253. harts 'Herz'. — Die Grenze der postkonsonantischen

¿-Verschiebung (Bsp. 'Herz') läuft heute bis zum Rhein mit der iA/ich-Linie, um sich weiter westlich mit »ia&ew/machen zu senken;

sie muss deshalb mit F r i n g s und W a g n e r für das 11.12. 13. Jahr-hundert zum wenigsten an die Grenzen der Rheinprovinz herunter verlegt werden. Mit anderen Worten: für die Zeit der Auswanderung der Siebenbürger Sachsen etwa muss für das nördliche Mosel-fränkiscb-Luxemburgische unverschobenes ¿, für das südliche aber Zweisprachigkeit, Nebeneinander von t und ts angenommen werden;

die Grenze zwischen verschobenen und unverschobenen Formen für jene Zeit ist also aller Wahrscheinlichkeit nach weiter südlich zu legen.

Was den Vokal anbelangt, ist der Wandel von e > a in 'Herz'

•einer von denen, die ausserordentlich weite Verbreitung zeigen.

Bekanntlich heisst es in einem weiten niederdeutschen Gebiet (etwa von Westfalen bis ans kleine und grosse Haff) *hart, und in dieser Gestalt findet sich das Wort auch im nördlichen Teile der Rhein-provinz bis etwa Krefeld—Aachen; aber *a beherrscht auch das ganze Elsass, Unteifranken, die Provinz und das frühere Königreich Sachsen, den grössten Teil von Thüringen (bis zu einer ungefähren Linie Magdeburg-Werra) und ist schliesslich reich, wenn auch nicht überwiegend, entwickelt in Schlesien. Auch nördlich von Wiesbaden finden sich einige Schreibungen. Eine der Gegenden, die von a-Formen ganz frei sind, ist das Moselfränkische mit dem

anschlies-senden Luxemburg.

K i s c h5 führt sonderbarerweise »auch mittelfr. allgemein«

harze an.

1 Vgl. 'ohne' ( äne; hat ebenfalls in ganz Mitteldeutschland und

Süd-•deutschland Senkung zu *ö und nachher zu *ü erfahren. Es finden sich Enklaven in Sachsen, Thüringen, Hessen, Württemberg, Baden bis an den Bodensee.

2 A. a. 0. § 171, 2. 3. 5.

2 B. Mda. § 2 I b, Arm. 1.

d e u t s c h e d i a l e k t g e o g r a p h i e X X 1 8

§ 254. ku(n) 'gekommen'1 (Satz 18). — ku heisst· es in ein-zelnen Enklaven im südlichen Elsass und in Baden, im Schwarz-wald und zwei kleineren Gebieten am Bodensee. Vereinzelte Schrei-bungen tauchen im Breisgau auf, bei Gebweiler und in den Vogesen.

Diese ku scheinen Reste früher dominierender ¿««-Formen zu sein; heute ist der Geltungsbereich der letzteren weit grösser als der der «-losen.

Der SA notiert *kunn für das Elsass, für einen westl. Teil von Baden, die nördliche Hälfte von Württemberg, für Unter-, Ober-und Mittelfranken Ober-und die Oberpfalz, für Sachsen Ober-und Schlesien.

Dann aber auch — und dieses mutet wie der Rest eines einstigen Zusammenhanges mit südlichen Teilen an — vom Teutoburger Wald bis zum Rothaargebirge und über Köln in die Rheinprovinz hinein-reichend. Eine weitere "¿««-Enklave findet sich zwischen Malmedy und St. Vith, und aus dem südlichen grossen ^¿MM-Gebiet wächst ebenfalls ein Streifen über Hunsrück und untere Mosel nach Hessen hinein.

Diese grosszügige Beschreibung kann nicht annähernd mit dem Kartenbilde verglichen werden, das dem Beschauer den innigen Zn-sammenhang Mitteldeutschlands mit dem Südwesten, aus dem Süd-bayern auch hier wieder herausfällt, so überaus deutlich vor Augen führt. Gleichzeitig ergibt sich aber auch, wie gewagt es ist, ein Wort

wie ku(n) als eiflisch zu buchen und zu Lokalisierungszwecken zu &

benützen.3

§ 255. -ne 'nähen' (Inf.). — Der Umlaut ist, gegenüber der nichtumgelauteten Form, in Deutschland so weit verbreitet, dass sich hieraus keine Schlüsse bezüglich der Mundart von Bistritz ziehen lassen.

In Bistritz ist das e lautgesetzlicher Umlaut von ä (§ 48).

Ebenso ist er schon mittelhochdeutsch für das Mitteldeutsche bezeugt; ' im Oberdeutschen entwickelte er sich erst im 12. Jahrhundert; viel früher dagegen im Fränkischen, die altniederländischen Psalmen3

kennen ihn schon. In der Mundart des mittelfränkischen Legendars (Anfang des 12. Jahrhunderts) hat der Umlaut e ebenfalls um sich gegriffen 4

1 Über den "Wechsel von ku und kun vgl. § 162.

2 Kisch, B. Mda. § 4, I b.

3 Nach Paul, Grundiiss, aas dem 9. Jahrhundert.

4 So Weinhoid, Mhd. Gr.3 (1883), § 93.

Die Karte zeigt den Abfall der Endsilbe heute in Thüringen in einem Gebiet, das sich nordwärts verengernd bis nördlich Sachsa, südwärts nach Unterfranken bis südlich Würzburg erstreckt; ferner im Siegerland, in einer Enklave in Sachsen zwischen Chemnitz, Zwickau, Zöblitz, die durch einen schmalen zackigen Streifen die Verbindung mit dem thüringischen Gebiete herstellt und am Ober-lauf der Eger in einem kleinen Gebiet an der österreichischen Grenze, von dem nicht gesagt werden kann, wie weit es nach Österreich

hineinreicht. . In Niederbayern finden sich ziemlich häufige Schreibungen

mit «-Abfall.

Wie weit der «-Abfall im Mittelhochdeutschen ging, ob er überhaupt schon bestand, ist aus der Literatur nicht festzustellen.

Die Entwicklungs- bzw. Herkunftsmöglichkeiten für das Bistritzer ne ergeben sich demnach von selber.

Für eine innersiebenbürgische Entwicklung bieten sich zwei Wege: entweder lag die Form 'nähen' zugrunde, die nach § 131 ihr « abwerfen musste und das nunmehr auslautende e apokopierte (§ 82); oder es muss von vorneherein von der Form *nähe mit folgender Apokope ausgegangen werden.

Mit 'nähen' geht auf deutschem Reichsboden auch 'mähen*

(Bistritzerisch me), hier herrscht jedoch über weite Strecken das

Synonymon 'hauen'. '

§ 256. zai 'sind' (3. pl.). — Das Bistritzer zai ist entweder auf den mittelhochdeutschen Optativ sin zurückzuführen, oder es liegt Analogie nach dör 1. pl. ind. vor.

Auf dem Boden des Deutschen Reichs ist zai beschränkt auf einen Teil von Hessen und auf dasjenige Stück von Sachsen, das sich von Chemnitz bis ins Erzgebirge hinein erstreckt Diese Angaben stimmen nicht nur für die 3. pl. (Satz 6; 13; 29; 38), sondern auch für die 1. pl. (Satz 23.)

Damit ist aber durchaus nicht gesagt, dass diese «-lose Form mitgebracht worden sei. Selbst wenn aber sin .sein « zur Zeit der Auswanderungen schon abgeworfen haben sollte — meines Wissens sind solche Fälle nicht bekannt — so kann die Bistritzer Form daneben doch eine Neuentwicklung aus mitgebrachtem sin vorstellen.

Anm. Über die Chronologie des «-Abfalles in mittelhochdeutscher Zeit gilt nichts anderes für sicher, als dass der Verlust innerhalb der Verba älteren Datums sei, als innerhalb der Nomina. (Vgl. Behaghel a. a. 0. § 7).

. 18* '

Sein findet sich heute im Moseltal, etwa von Trier an, über den Rhein hinaus bis Freudenberg, ferner im westlichen Teile von Hessen-Darmstadt, als kleine Enklave westlich der Rhön (mit Schlüch-tern und Steinau) und endlich von Gemünden bis ans Rothaar-gebirge. östlich der Saale ist 'sind' durch sein vertreten in der oberen Lausitz und in Schlesien.

Ohne über das Alter der seiw-Gebiete im Stammlande etwas sagen zu wollen, sei darauf hingewiesen, dass sie wie ein mehr oder

weniger regelmässiger Eranz das hessische sei-Gebiet umschliessen, ihrerseits aber von lauter *sen- bzw. *siw-Landschaften begrenzt werden.

Ein Grund immerhin, sie für jüngere Kontaminationen zu halten.

§ 257. for 'vor'. — Die 'vori-Karte zeigt umgelautete und nicht-umgelautete Formen nebeneinander. (Im Mittelhochdeutschen wurden die beiden Präpositionen für und vor häufig verwechselt).1 Die letzteren gelten im allgemeinen für den Süden, den Osten (einschliesslich Berlin),

wachsen ferner in einem breiten Streifen aus Sachsen heraus, von Leipzig-Luckenwalde an über Magdeburg, Braunschweig, Hannover hinweg. Sie setzen sich an der unteren Weser von zackigen, unsicheren Grenzen umgeben fort und kehren südlich davon wieder, zwischen Dümmersee und Teutoburger Wald einerseits, zwischen Osnabrück und Weserknie anderseits. Diese umlautlosen Formen geben auf mhd. vor zurück.

Zieht man die 'füi'-Karte zum Vergleiche heran, so zeigt sich, dass die mittelhochdeutsche Verwechslung in den heutigen Mund-arten vielfach weiterlebt, bzw. sich dahin abgeklärt hat, dass die Funktionen beider Wörtchen zusammengefallen sind. So bedeutet for in der Mundart von Bistritz sowohl 'vor' als auch 'für' (mit Dat.

•und Akk.).

. Derselbe Ausgleich hat auf Reichsboden stattgefunden in einem Teile des Südwestens, der innerhalb einer folgendermaßen

bezeich-neten Linie läuft: Falkenberg, Bolchen, Idarwald, Hunsrück, Bacha-rach, Wiesbaden, Mainz, Bensheim, Dieburg, Frankfurt a. Main, Spessart, Mergentheim, Ilshofen, Hall, Löwenstein, Karlsruhe, Mühlberg, Rhein-zabern, Annweiier, Pirmasens, nördl. Ausläufer des Wasgenwaldes, Saaraiben (Zusammenfall in for). for im Sinne von Bistritz heisst es elbeaufwärts von Wittenberg an und über Magdeburg, Braunschweig, Hannover.

Im Rheinland herrscht Zusammenfall in 'für'.

1 Vgl. Michels a. a. 0. § 250.

§ 258. wiar 'wer'. — Es bestehen folgende Möglichkeiten für die Bildung einer Form, wie sie heute in der Mundart von Bistritz vorliegt:

1. wiar ist eine regelmässige (vorsiebenbürgische ?) Weiter-entwicklung aus, einfachem 'wer', vgl. oben § 26.

2. wiar ist Kontamination eines »--losen Typus, wie er heute im Südsiebenbürgischen gebräuchlich ist, und eines r-Typus.

Anm. Diese zweite Entstehungsweise wäre nicht ohne Parallelen.

Frings1 erklärt die niederfr. Form ivqr als Produkt einer Kontamination aus den beiden Faktoren wq und wer. Dieser gegenüber müsste die Bistritzer Form etwa als mittelbare Kontamination bezeichnet werden, da ans *tvi+*wer

*icer werden musste, ehe der Vokal sich in ia spaltete.

Auf der 'wer'-Karte lassen sich zunächst zwei Grundtypen unterscheiden: ein vokalisch auslautender und ein »--Typus. Der erstere ist — heute! — charakteristisch für das Rheinland, ausser einem westlichen Randstreifen der von der Form 'wer' eingenommen wird, und einem grossen Teil von Westfalen. In Einzelschreibungen geht der »--Abfall jedoch durch Ostpreussen und ist weniger häufig in den Ländern zwischen Rhein und Bayern. Die typisch bairische Form wea ist nicht etwa durch »--Abfall zu erklären. Es liögt hier vielmehr dasselbe vokalisierte r vor, wie es in bruda 'Bruder' u. a. auf -er endigenden Wörtern begegnet. Der »--Typus gilt im Ober- und Mittel-deutschen. Das Niederdeutsche mit seinem grossen »--Gebiet und seinen in den übrigen Teilen überwiegenden Synonyma 'welcher' usw.

gehört nicht hierher. Tatsächlich ist ihm der vokalische Typ eigen gewesen, der in seiner häufigen Funktion als betontes Pronomen oder Demonstrativum als farblos empfanden und durch ein längeres, mehrsilbiges Wort ersetzt wurde. (Mündliche Mitteilung von Prof.

Wrede). Das niederdeutsche 'wei'-Gebiet ist das den Kennern des SA wohlbekannte Einbruchsgebiet des Hochdeutschen, wo es u. a.

'sich' heisst und wo stäodig hochdeutsche Formen aus dem Rahmen ihrer niederdeutschen Umgebung herausfallen.

Trotzdem Hessen und ein (kleinerer) Teil von Thüringen mit anlautendem b für eine Lokalisierung unseres wiar nicht in Betracht kommen, die übrigen thüringischen Länder, ferner Schlesien, Sachsen und Unterfranken wegen ihres war ebenfalls nur mit Vorsicht zu einem Vergleiche herangezogen werden dürfen, ist das in Betracht kommende 'wei'-Gebiet doch gross genug, um für eine Lokalisierung von vorneherein auszuscheiden.

1 Zfdm. 14 (1919), 131 f. Zar Geschichte des Niederfränkischen in Limburg.

K i s c h scheint stillschweigend anzunehmen, dass iciar nach Analogie von diar sich im Moselfränkischen beheimaten lasse.1 Tat-sächlich zeigt das Rheinland ausser einem Gebiet zwischen Hunsrück und Barmen auch für 'deri durchwegs r-Abfall.

§ 259. wiarn 'werden'.2 — Da das Bistritzer ia wohl unmittelbar auf ein e zurückzuführen ist, wird hier die Verbreitung der Formen verbunden mit ¿-Ausfall angemerkt.

Es heisst wären in einer kleinen Enklave von Bernkastel bis in den Hochwald und in einem schmalen Gebiet von Wadern südlich

•des Hochwaldes bis hinein nach Lothringen; ivären bzw. weren spricht man in Westfalen, Hessen, auch Hessen-Darmstadt, und endlich in Bayern.

Um ein Bild von der Verbreitung der Form tcären im 11.

12. Jahrhundert zu haben, müssten hier eigentlich noch alle diejenigen Gebiete aufgezählt werden, die heute «-Abfall zeigen. Es wird unter-lassen, um keine Verwirrung in den gebotenen Überblick zu bringen.

§ 260. hpn '(hi)nten'. — Die Assimilation tritt als abgegrenztes Gebiet in Thüringen und Sachsen, östlich der Saale, entgegen. Und zwar geht ein schmaler Streifen mit unsicheren, zackigen Grenzen

«twa vom Thüringer Wald bis Langenberg und erweitert sich hier zu einem Gebiet mit den ungefähren Grenzorten Schildau, Dresden, Sayda, Chemnitz.

Die Assimilation in diesem Gebiete ist im Vergleiche mit der Bistritzer nur prinzipiell beachtenswert, denn der Stamm als solcher hat hier Gutturalisierung zu -heng erfahren.

In der Gestalt von' *hen findet sich· das Wort vereinzelt im

"westlichen Moselfränkisch. Natürlich lässt sich schwer entscheiden, ob diese rheinischen *hen- *M«-Formen nur Relikte eines früher zusammengehörigen Gebietes sind, oder ob die Assimilation jung ist.

Weinhold3 scheint für das erstere zu sprechen (»Ausstoss des d geschieht unter Begünstigung von benachbartem l, r, n, d. i. infolge von Assimilation.«)

Im übrigen lautet dieses Wort im heutigen Mitteldeutsch meist

*hene, und es muss dahingestellt bleiben, ob die Einwanderer die assimilierte Form, wie sie heute in einzelnen moselfränkischen

Ort-" 1 B. Mda. § 2, I b .

. 2 ». . . grösser werden«; das Moselfränkische zeigt in diesem Zusammen-hang durchwegs »grösser *gehn'.

3 A. a. 0 . § 189. .

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