• Nem Talált Eredményt

von Heinrich, Thomas und Klaus Mann

Den Gedanken eines „gemeinsamen Europas“ verbindet man meist mit dem 20. Jahrhundert, und es ist auch wahr, dass diese Idee erst 1951 zur Wirklichkeit wurde. Es gab aber schon seit dem 13. Jahrhundert immer wie-der Denker, die das Problem einer Einigung Europas beschäftigte. Es blieb aber stets nur bei Entwürfen und Plänen. Weder die politische noch die wirtschaftliche Situation ließ es zu, einen alle europäischen Länder übergrei-fenden Diskurs über eine solche Einigung zu beginnen. Das veränderte sich nach dem Ersten Weltkrieg, der klar gemacht hat, dass in ihm Europa zum Spiel der Großmächte wurde. 1923 erschien das Buch Pan-Europa von Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi, der versuchte, ein vereintes Europa als Alternative zum „Sterben“ dieses Erdteils anzubieten. Er wollte mit der politischen und wirtschaftlichen Einigung des alten Kontinents die natio-nalistischen Feindschaften überwinden. Mit dem in diesem Buch entworfe-nen Konzept einer europäischen Einigung Coudenhove-Kalergis begann einer der wichtigsten Diskurse der zwanziger Jahre.

Was war also Kalergis Ausgangspunkt? Wie lauten seine Grundthesen? Woher kommt der Name? Wie hat sich Coudenhove-Kalergi dieses gemeinsame Europa vorgestellt? 1910 erschien Alfred H.

Freids Buch Pan-Amerika. Diese Schrift über die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit der Länder Amerikas hatte Coudenhove-Kalergi inspiriert, den alten Kontinent auf eine ähnliche Weise zu eini-gen. Er hat sich die Vereinigung als eine „prozeßhafte Abfolge“1 vorge-stellt. Als erster Schritt wollte er eine Konferenz einberufen, deren Ziel der Abschluss eines Bündnisvertrags der europäischen Länder sei.

Danach sollten diese demokratischen Länder eine Zollunion schaffen.

Sind dann diese beiden ersten Stufen verwirklicht, könne in einem drit-ten Schritt das gemeinsame Europa errichtet werden.

Das erste, was in diesem „neuen“ Europa von Grund auf umgestal-tet werden sollte, sei das politische System. Um die in Europa herrschen-de Anarchie zu bekämpfen, müsse als Ergebnis herrschen-des Zusammenschlusses

ein demokratisches System geschaffen werden. Wie könne aber eine sol-che sowohl pazifistissol-che als auch demokratissol-che politissol-che und kulturel-le Union tatsächlich verwirklicht werden? Beim Nachdenken über die Lösung dieses Problems stellten sich folgende Fragen:

- Sollten Großbritannien und Russland an dieser Union teilnehmen?

- Wie können der Frieden und die Staatsgrenzen erhalten werden?

- Können Deutschland und Frankreich in dieser Vereinigung zusammen-arbeiten, oder gibt es dafür keine Chance?

- Gibt es eine europäische Nation?

- Wie könnte man die schon zustande gekommene europäische Union dauerhaft bewahren und weiterentwickeln?

Auf all diese Fragen findet man ausführliche Antworten in der Pan-Europa-Schrift. Das erträumte Europa sollte eine demokratische Basis haben (sowohl politisch als auch wirtschaftlich). Deshalb wollte Coudenhove-Kalergi weder Großbritannien noch die Sowjetunion in dieses Bündnis aufnehmen. Großbritannien sei – meinte er – sowohl politisch als auch wirtschaftlich zu mächtig geworden. Mit seinen Kolonien bilde es einen neuen Erdteil. Dieses Problem könnte jedoch gelöst werden, nämlich durch „den Anschluß Großbritanniens und Irlands an Pan-Europa – jedoch ohne seine Kolonien und Dominions.“2 Dieser Lösungsvorschlag blieb freilich nur Theorie, denn führte man es so durch, würde es das Ende des britischen Reiches bedeuten.

Großbritannien sollte also als ein Pufferstaat neben Europa stehen und die Sicherheit der Union und des englischen Reiches garantieren.

Der andere Staat, der aus dieser Union – nach Coudenhove-Kalergis Meinung – ausgeschlossen werden müsse, ist Russland. Mit die-sem enorm gewachsenen russischen Reich könne Europa militärisch nicht mehr Schritt halten. Um die russische Invasion zu verhindern, und die Demokratie zu verbürgen, sollte ein wirtschaftlicher, ein politi-scher und ein militäripoliti-scher Garantiepakt abgeschlossen werden.

Nach dem Ersten Weltkrieg war Europa sowohl wirtschaftlich als auch politisch desorganisiert. Der damals existierende Völkerbund war wegen seiner abstrakten Struktur „anorganisch“3der die Selbständigkeit Europas nicht sichern konnte. Er könne – so Kalergi – den alten Kontinent weder vor der russischen Hegemonie, noch vor der wirt-schaftlichen Bedrohung durch Amerika schützen. Coudenhove-Kalergi wollte die europäische Kooperation im Völkerbund weiterentwickeln

und zugleich eine Union der europäischen demokratischen Staaten schaffen.

Neben dem England, Russland und den Völkerbund betreffenden Problemkomplex gab es noch einen weiteren, viel problematischeren:

„die Rivalität zwischen […]Deutschland und Frankreich“4. Diese beiden Länder kämpften seit Jahrhunderten um die europäische Hegemonie, was das Zustandekommen der Vereinigung Europas verhindert.

Eine Union zwischen Frankreich und Deutschland war unmöglich, solange an ihrer Spitze rivalisierende Dynastien standen; sie blieb unmöglich, solange Frankreich Republik, Deutschland Monarchie war: sie ist möglich geworden, seitdem das republikanische Ideal die beiden Nachbarn verhindert.5 Die Vernichtungspolitik dieser beiden Länder soll durch eine Versöhnungspolitik abgelöst werden, sonst würden beide Staaten ver-schwinden. Obwohl die Verwirklichung dieses erträumten, idealen Zustands die extreme Linke (Kommunisten) und Rechte (Militaristen und nationale Chauvinisten) sowie die Protektionisten entschieden in Frage stellten, haben Coudenhove-Kalergi und seine Pläne Wien bald zur Mekka der Pan-Europa-Bewegung gemacht. Es gelang ihm, zahlreiche ein-flussreiche Politiker für seine Gedanken zu gewinnen, unter ihnen den österreichischen Bundeskanzler Ignaz Seipel, den tschechoslowakischen Außenminister Edouard Beneš, den deutschen Reichstagspräsidenten Paul Löbe, den französischen Ministerpräsidenten Edouard Herriot oder die Außenminister Aristide Briand und Gustav Stresemann.

In der ersten Hälfte der 20er Jahren, nachdem in Deutschland das politische System „relativ gefestigt“6war, und allmählich eine politische Entspannung einsetzte, haben Aristide Briand und Gustav Stresemann ihre bis 1929 dauernde politische Aussöhnungsarbeit begonnen. Sie woll-ten sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Einigung Europas durchsetzen, besonders aber die Aussöhnung Deutschlands und Frankreichs, die als Grundelemente dieser Arbeit galten. Die beiden Politi-ker haben nicht nur im diplomatischen Leben eine wichtige Rolle ge-spielt; sie waren auch die Hauptrepräsentanten dieser politischen Rich-tung. Das beweist auch die Tatsache, dass nach dem Tode Stresemanns dieser Weg in Deutschland nicht mehr weiterverfolgt wurde. Einen ent-scheidenden, inspirierenden Anstoß haben diese beiden Politiker von der

Literatur bekommen, denn „die größte Anziehungskraft übte die Europa-Idee auf die Dichter aus“.7Diese behandelten dieses Thema nicht nur in ihren Schriften, sondern organisierten auch Zusammenkünfte: „Die Schriftsteller sind die Vordiplomaten. Das war wörtlich wahr. Nach uns entschlossen sich dann auch Briand und Stresemann.“8

Die Schriftsteller der Familie Mann und die Pan-Europa-Politik

„Die Schriftsteller sind die Vordiplomaten.“9 Es waren tatsächlich Schriftsteller, die die Arbeit der Politiker vorbereiteten, indem sie die Gedanken Coudenhove-Kalergis zum Modethema machten und die Idee der deutsch-französischen Versöhnung propagierten. Solche Wegbereiter findet man sowohl in Deutschland als auch in Frankreich, die entweder in Gruppen oder allein für diese Gedanken geworben haben. Eine solche Bewegung war zum Beispiel die 1919 in Frankreich von Henri Barbusse und Romain Rolland gegründete „Clarté, interna-tionale de la pensée“. Um die Kulturzeitschriften La Nouvelle Revue Française [NRF]von Jacques Rivière in Paris und Die Neue Rundschau [NR], die in Berlin von Rudolf Kayser geleitet wurde, herauszugeben, versammelten sich Autoren wie Félix Bertaux, Georges Duhamel, Alain Desportes, Jean Richard Bloch (NRF) Hermann Hesse, Alfred Wolfenstein, Otto Flake, Emil Ludwig, Heinrich Mann, Thomas Mann, Klaus Mann, Max Rychner, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi, André Suarès, José Ortega y Gasset, Guglielmo Ferrero, Karl Renner, Paul Göhre oder August Müller. Aus diesem Kreis hebe ich heute Heinrich Thomas und Klaus Mann hervor, von denen jeder eine eigene Beziehung zur Politik hatte.

Heinrich Mann war ein Autor, der seine politischen Ansichten häu-fig in publizistischen Schriften mitteilte. Seine diesbezüglichen Äuße-rungen beziehen sich meist direkt auf tagespolitische Ereignisse. Er war ein entschiedener „Kämpfer“ für die Demokratie, was das Publikum aber nicht immer rechtzeitig verstanden hat. Nach dem Ersten Weltkrieg, als sich noch sehr viele Deutsche (sowohl Literaten als auch Politiker oder die Menschen auf der Straße) gegen Frankreich und für die Revision der Pariser Verträge einsetzten, schrieb Heinrich Mann über die französische Republik, über die neue deutsche Demokratie, über eine deutsch-franzö-sische Zusammenarbeit. Er hatte es früher als seine Zeitgenossen erkannt,

dass Europa, der europäische Geist nur dann am Leben bleiben kann, wenn zunächst Frankreich und Deutschland, dann aber der ganze alte Kontinent zusammenzuarbeiten fähig sind. In diesem Sinne schrieb er seine Artikel, Essays und Romane und wurde „eine Art kultureller Bot-schafter“10zwischen Deutschland und Frankreich.

Seine Rolle als kultureller Botschafter hatte sein Bemühen erleich-tert, die Gedanken Coudenhove-Kalergis zu verbreiten – sowohl unter den Schriftstellern und Dichtern, als auch unter den Diplomaten und Politikern. Er konnte sehr viele Geistesgenossen für diese Gedanken gewinnen, obwohl er mit dem Grafen nicht in jedem Punkt einverstan-den war. Über diesen Meinungsunterschied kann man ausführlich im Essay VSE(die Vereinigten Staaten von Europa) lesen:

Er [Coudenhove-Kalergi] berechnet, Pan-Europa, der einzige Schutz gegen übermächtige außereuropäische Staatenkonzern, liege im Interesse vieler starker und sogar entgegengesetzter Faktoren. Die Industrie werde sich überzeugen lassen, ihr Geschäft sei dort. Die Sozialdemokratie werde dafür zu haben sein, die Freimaurer könnten dabei zu gewinnen hoffen, noch mehr die katholische Kirche. Coudenhove wirbt in allen Lagern. Er erstrebt den ersten paneuropäischen Kongreß für das Jahr 1926 genau hundert Jahre nach dem ersten panamerikanischen.11

Der entscheidende Unterschied zwischen dem Coudenhoveschen und dem Mannschen Paneuropa-Konzept betraf die Rolle Englands und Russlands in dieser künftigen Union. Heinrich Mann war mit dem Ausschluss dieser Länder nicht einverstanden; diesen Schritt hat er nicht mitgehen können. Das lässt sich damit erklären, dass Heinrich Mann mit der von Kurt Hiller (im Jahre 1926) gegründeten Gruppe Revolutionärer Pazifisten sympathisierte, die eine sozialistische Position eingenommen hat. Abgesehen von diesem Unterschied war er der wich-tigste und aktivste Verteidiger des Europäismus. Er hat Konferenzen und Kongresse organisiert, um den Europa-Gedanken zu popularisieren und hat sein Einverständnis mit ihm in Essays und Artikeln nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, besonders in Frankreich kundgetan. Ebenso wie sein Bruder, Thomas Mann, Heinrich Mann war einer der wichtigste Repräsentanten dieser Ideen und einer der prominentesten deutschen Gesprächspartner der

franzö-sischen Intellektuellen: Thomas, Mann „weil er das Deutsche als kultu-rell andere vertrat.“12, Heinrich Mann durch seine „profranzösische Einstellung“. Dieser seiner Überzeugung ist der ältere Mann sein Leben lang treu geblieben.

Thomas Manns und Heinrich Manns Beziehung zur Politik unter-scheidet sich grundsätzlich. Thomas Mann hat einen anderen Weg als sein Bruder gewählt. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, stark von den Geschehnissen des Krieges und von der Verflechtung von Literatur und Politik in der französischen Literatur beeinflusst, nahm er dagegen Stellung, dass man sich im literarischen Rahmen, das heißt mittels Literatur, über Politik äußert. In seinen Betrachtungen eines Unpolitischen nennt er die Schriftsteller – darunter auch seinen Bruder – die in litera-rischen Werken zur Politik Stellung beziehen, „Zivilisationsliteraten“.

Er befasste sich sowohl mit Literatur als auch mit Politik, aber diese bei-den Bereiche blieben bei ihm voneinander getrennt. Über seine politi-schen Stellungnahmen können wir in seinen literaripoliti-schen Werken keine Aussagen finden. Es waren seine Essays, Briefe und Tagebucheinträge die seine politische Haltung widerspiegelt. Das beweisen die folgenden Tagebucheinträge, in denen er sich über Politik äußerte:

Die Zeitung widerwärtig wie immer. K. will mich bereden, bei den bevor-stehenden Reichstagswahlen meine Stimme abzugeben u. zwar für die Demokraten, um das Bürgertum zu stützen. Ich würde allenfalls für die Deutsche Volkspartei stimmen. Wie aber die Dinge in Bayern liegen, wo die Mittelpartei keinesfalls Aussichten haben und die Waage nur zwischen Sozialismus und Katholiken schwankt, werde ich mich uninteressiert ver-halten. (München, Dienstag, den 25.04.1920)13

[…] Wahltag. Selbst die alte Muhme ging wählen, […]. Meine „Stimme“

nicht abzugeben, war ich seit längerem entschlossen gewesen. (Sonntag, den 06.06.1920)14

In seinen literarischen Werken hat er erst nach 1922 über Politik ge-schrieben. Das kann damit erklärt werden, dass sich die politische Lage der Nachbarländer – Deutschlands und Frankreichs – verändert hat.

Deutschland hat sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik den Weg der Demokratie gewählt, was der deutsch-französischen

Aussöhnung und der Verbreitung der Gedanken über ein gemeinsames Europa entgegenkam. Diese Veränderung der politischen Lage hat auch die Beziehung zwischen Heinrich und Thomas Mann beeinflusst. Der seit 1918 bestehende Zwist der beiden war zu Ende gekommen.

Thomas Mann hat durch die Vermittlung seines Bruders Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und seine Vorstellungen über das gemein-same Europa persönlich kennen gelernt, und auch er wurde Anhänger des Unionsgedankens. Er hat seine früheren Ansichten aufgegeben und einen konservativen Kampf um die Vereinigung der europäischen Länder angefangen. Sowohl in seinen Essays als auch in seinen Briefen oder Tagebucheinträgen schrieb er über die Notwendigkeit der deutsch-französischen Versöhnung, und über das gemeinsame Europa, die die Zukunft seiner Kinder und des alten Kontinents sichern konnte.

Europa, das ist eine gesellschaftliche und rationale Idee, es ist die Zukunft, es ist das väterliche Prinzip, es ist Geist. Solange die Völker fürchten, solan-ge man sie fürchten läßt, daß sie ihre Seele verraten, indem sie Europa bejahen, weil nämlich Geist und Seele unversöhnliche Gegensätze seien – solange wird Europa nicht sein.15

Heinrich und Thomas Mann setzten sich nach 1922 mit der Literatur für die politische Neugestaltung Europas ein. Beide haben die Geburt und die Entwicklung der deutschen Demokratie miterlebt; so haben sie verstehen können, was diese sowohl politische als auch wirtschaftliche Veränderung bedeutet, welche Folgen sie für die Zukunft der europäischen Länder hat.

Der viel jüngere, gemeinsam mit der deutschen Republik aufwach-sende Klaus Mann hatte eine ganz andere Beziehung sowohl zur Politik als auch zur Literatur.

1925 hat er seine erste größere Auslandsreise unternommen, nach der er sich besonders der neuen französischen Literatur zuwandte.

Dieser immer engere Kontakt mit der französischen Kunst, Literatur und Ideenwelt trug zu seiner Politisierung bei. Über sein politisches Engagement hat er sich 1927 im Essay Heute und Morgen. Zur Situation des jungen geistigen Europas geäußert. Diese Schrift enthält alle seine Gedanken über die Rolle der Literatur im politischen Leben, über Politik – ganz konkret – seine Vorstellung über das künftige Paneuropa.

Klaus Manns Paneuropa-Bild vereint in sich drei schon ausgearbei-tete Vorstellungen: die Coudenhove-Kalergis, Ernst Blochs und Heinrich Manns. Der Unterschied zwischen den drei aufgezählten „Plänen“ und dem von Klaus Mann ist, dass der jüngste Autor aus der Familie Mann die Problematik von der Position des „jungen geistigen Europas“16sieht. Wie Heinrich Mann der kulturelle Botschafter war, ebenso war Klaus Mann ein Vermittler der Gedankenwelt seiner „vielfältig gespalteten“17 europäi-schen Generation. Diese Spaltung könnte einfach abgeschafft werden: „Ist uns sogar das Ziel noch nicht gemeinsam, das uns erst zur Gemeinschaft weihen könnte, so ist es doch das Suchen nach einem Ziel.“18

Damals gab es Ziele, unter denen man die Jugend vereinen zu kön-nen glaubte. Die „Slogans“ lauteten: Nationalismus und Militarismus, Geistfeindschaft, Sport und Körper. So sind die denkenden geistigen Europäer selbstverständlich allein geblieben. Dies Leute nennt Klaus Mann Europäer, denn sie sind der einzige „geistige Nachwuchs Europas“19. Eine Gemeinschaft, die eingesehen hatte, dass das Schaffen eines Paneuropas selbstverständlich ist. Wenn dieses Europa zwischen Westen und Osten, zwischen Russland und Amerika selbständig stehen möchte, dann müssen die europäischen Länder zusammenhalten.

Nach Klaus Manns Meinung sind die wichtigsten Bedingungen die-ser Vereinigung: man soll darauf hoffen, dass „das geistige Europa ent-steht“20.Man soll es aber auch wollen und entschlossen sein, das erwünschte Ziel und die einzige Lösung zu erreichen. In dieser

„Situation“ ist sehr wichtig daran zu glauben. Es soll eine Art Utopie sein.

Man soll sich bemühen den „Geist dieser Utopie“21am Leben zu halten:

„Wir stehen an keinem Ende, wir stehen am Anfang: das ist das erste und wichtigste, was wir wieder eingesehen haben.“22

Schon damals hat der junge Autor eingesehen, dass dieser Prozess, nämlich die Schaffung einer europäischen Union, noch lange dauern wird. Man soll daran ständig arbeiten, „der Techniker und der Intellektuelle zusammen“23, dass dieser große und notwendige Plan ein-mal Wirklichkeit werde.

Klaus Mann ebenso wie Heinrich Mann und Thomas Mann haben ihr ganzes Leben lang für diese Vorstellungen und Pläne gearbeitet. Mit ihren Schriften versuchten sie immer mehr Menschen – sowohl Deutsche als auch Franzosen, Engländer oder Italiener – für diese Gedanken zu

gewinnen, denn diese Union kann nur dann verwirklicht werden, wenn es alle wollen, und an ihre Verwirklichung glauben können.

Anmerkungen

1Lützeler, Paul Michael: Die Schriftsteller und Europa. Von der Romantik bis zur Gegenwart.Baden-Baden: Nomos, 1992, S. 313.

2Coudenhove-Kalergi, Richard Nikolaus: Pan-Europa. Wien: Pan-Europa-Verlag, 1923, S. 42.

3Ebd., S. 82.

4Ebd., S. 119.

5Ebd., S. 121.

6Hermand Jost – Trommler Frank: Die Kultur der Weimarer Republik. Frankfurt am Main: Fischer, 1988, S. 28.

7Lützeler [Anm. 1], S. 316.

8Mann, Heinrich: Die Literatur und die deutsch-französische Verständigung (1927). In: Ders.: Essays. Bd. 2. Berlin: Aufbau, 1954, S. 333.

9Ebd., S. 333.

10Lützeler [Anm. 1], S. 299.

11Mann, Heinrich: VSE (1924). In: Ders.: Essays. Bd. 2. Berlin: Aufbau, 1954, S. 281.

12Lützeler [Anm. 1], S. 337.

13Mann, Thomas: Tagebücher Bd.1. 1918–1921. Hg. von Peter von Mendelssohn.

Frankfurt am Main: Fischer, 1979, S. 439.

14Ebd., S. 443.

15Lützeler [Anm. 1], S. 321.

16 Mann, Klaus: Zur Situation des jungen geistigen Europas (1927). In:

Naumann, Uwe von – Töteberg, Michael (Hg.): Die neuen Eltern. Aufsätze, Reden, Kritiken. 1924–1933.Hamburg: Rowohlt, 1992, S.131.

17Ebd., S.131.

18Ebd., S.132.

19Ebd., S.142.

20Ebd. S. 147.

21Ebd. S. 149.

22Ebd. S. 151.

23Ebd. S. 147.