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Die Quellen

Die dichteste Überlieferung unter den Wiener akademischen Nationen besitzt die Ungarische. Es haben sich Nationsbücher, die Matrikel, Statuten und Ak-tenaufzeichnungen enthalten, weiters Sitzungsprotokolle, Kassabücher, Akten-protokolle und Inventare aus dem Zeitraum von 1453 bis 1881 in neun Folian-ten erhalFolian-ten:

25 Zu den Ursachen des Verfalls vgl. Kurt Mühlberger, Zu den Krisen der Universität Wien im Zeitalter der konfessionellen Auseinandersetzungen. In: Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Geschichtsvereine 27 (1991) 269–277.

26 Erlass Ferdinands I. vom 5. April 1548. Kink I/1 (Anm. 10), S. 297–298, 300 und Codex Austriacus, Pars II, fol. 396.

Geschäftsbücher der Ungarischen Nation im Archiv der Universität Wien

Sign. Titel Zeitstellung Umfang Format

NH 1 Liber Nationis Hungaricae 1453-1629 168 fol. 40 x 28 cm NH 2 Liber Nationis Hungaricae 1632-1772 430 fol. 41 x 30 cm NH 3 Liber Nationis Hungaricae 1773-1834 536 pg. 41 x 28 cm NH 4 Membra Nationis Hungaricae 1771-1865 unfol. 41 x 27 cm

NH 5 Sitzungsprotokoll 1838-1881 32 fol. 43 x 27 cm

NH 6 Kassajournal (Ernst Eulog Kluger) 1837-1881 unfol. 39 x 25 cm NH 7 Einreichungsprotokoll 1837-1881 unfol. 43 x 27 cm NH 8 Consignatio Supellectilis 1748-1823 unfol. 31 x 20 cm NH 9 Inventar und Statuten

(Josef Unger) 1838-1871 unfol. 27 x 20 cm

Mit der Teiledition der „Libri Nationis Hungaricae” durch Karl Schrauf für den Zeitraum von 1453 bis 1630 und ihrer Fortsetzung in der Dissertation von Astrid Harhammer-Steindl bis 1711 liegen vorbildliche Bearbeitungen vor. Die Weiterführung und Drucklegung gilt seit langem als Desiderat. Die zum Teil reich illuminierten Nationsbücher enthalten neben der für die prosopographi-sche und für die Migrationsforschung bedeutsamen Matrikel auch Statuten, Akten und Berichte der Prokuratoren von großem universitäts- und kulturge-schichtlichen Interesse.27

In der Matrikel der Ungarischen Nation sind in dem von Schrauf edier-ten Zeitraum von 1453 bis 1630 insgesamt 3296 Eintragungen festzustellen.

In der gleichzeitigen Hauptmatrikel des Rektors, die in diesem Zeitraum noch nach Nationen gegliedert ist, finden wir 6226 Immatrikulationen. Der Rektor hat demnach fast doppelt soviel Eintragungen zur Natio Hungarica als der zu-ständige Prokurator vorgenommen. Es hat sich demnach nur jeder zweite un-garländische Student in die Matrikel der Nation eintragen lassen. Der Grund mag in der Höhe der Matrikeltaxe zu suchen sein. Hinsichtlich der regionalen Herkunft ist der ungarischen Nationsmatrikel für den Zeitraum 1453-1630 fol-gende grobe Verteilung zu entnehmen:28

27 Schrauf (Hrsg.), Die Matrikel der Ungarischen Nation (Anm. 15); Steindl, Die Akademi-schen Nationen (Anm. 10).

28 Schrauf (Hrsg.), Die Matrikel der Ungarischen Nation (Anm. 15) S. XXXIII–XXXIV. Nach diesem Zeitraum wird die nationsweise Eintragung in der Hauptmatrikel aufgegeben. Zur Höhe der Matrikeltaxe s. unten Anm. 29.

Frequenz und Herkunft 1453–1630

Herkunft Frequenz Anteil in %

Ungarische Kronländer 2.449 74

Böhmen und Mähren 458 14

Schlesien, Lausitz, Polen 263 8

Österreichische Kronländer (37),

Süddeutschland (14), ohne Angabe (75) 126 4

Infolge der Kurzlebigkeit der Universitätsgründungen in Fünfkirchen (Pécs, 1367), Altofen (Óbuda, 1395) und Preßburg (Pozsony, 1465) waren die ungar-ländischen Studenten zunächst auf ausländische Universitäten angewiesen. Der ungarische Historiker András Kubinyi hat Wien und Krakau als die wichtigsten Studienziele erkannt. Er stellte fest, dass von 1440 bis 1514 insgesamt 6182, jähr-lich 82 Studenten aus Ungarn an einer dieser beiden Universitäten studierten. Sie stammten aus acht ungarischen Städten: Ofen (Buda) und Pest, Hermannstadt (Szeben), Kronstadt (Brassó), Preßburg, Kremnitz (Körmöcbánya), Kaschau (Kas-sa), Ödenburg (Sopron) und Szeged. Der Großteil der Studenten war bürgerlicher Herkunft. Interessant ist auch folgende Feststellung Kubinyis: „Die Bürgersöhne Ungarns scheinen also nicht an dem Universitätsstudium an sich, sondern nur an dem Universitätsstudium im Ausland Interesse gehabt zu haben.” Dies erinnert uns an die eingangs angesprochenen Grundmotive der Peregrinatio academica.

Zu den Finanzen der Ungarischen Nation

Die Einnahmen der Korporation stammten aus den Taxen bei der Erstimmatri-kulation und der neuerlichen Intitulation bei jeder Graduierung sowie den in der Neuzeit zugewachsenen Stiftungen und Schenkungen. Die Matrikeltaxe betrug anfänglich für einen einfachen Scholar vier Pfennige, für den Bakkalar einen Gro-schen und für den promovierten Magister zwei GroGro-schen. Die Immatrikulation war statutengemäß beim Eintritt in die Universität und bei jeder Graduierung wiederholt gefordert. Befreit waren Arme (sub titulo pauperitatis) und wohl auch Alumnen des Pazmaneums. Die Matrikeltaxe wurde 1504 verdoppelt.29

29 1504 wurden folgende Taxen festgelegt: für einfache Scholaren 2 Kreuzer (8 Pfennige), für Bak-kalare 4 Kreuzer (16 Pfennige), für Magister 8 Kreuzer (32 Pfennige), für Adlige ohne Rücksicht auf den Gradus: 60 Pfennige. Schrauf (Hrsg.), Die Matrikel der Ungarischen Nation (Anm. 15) S. XLI; Harhammer-Steindl, Die Ungarische Nation (Anm. 16), S. 74–75.

Die eingenommenen Gelder mussten großteils für die traditionellen Ereig-nisse des akademischen Jahres und für soziale Dienste aufgewendet werden: die Patronatsfeste, Anniversarien, Krankenpflege und Begräbnisse. Zu diesem Zweck wurden erst im 17. und 18. Jahrhundert – also zu einer Zeit, als die Nationen an-derwärts längst eingegangen waren – bei der Wiener Ungarischen Akademischen Nation fünf Privatstiftungen errichtet beziehungsweise ihr von der Universität zugewiesen:Dazu gehörte die Stiftung des Mediziners Sigmund Geissler von Lu-benau vom 20. Juli 1634 mit 400 Gulden, aus der ab 1641 jährlich 20 Gulden für die teilweise Deckung der Kosten des Patronatsfestes des hl. Ladislaus flossen; die Strasserisch-Wanglerianische Stiftung, die der Ungarischen Nation durch einen Beschluss des Universitätskonsistoriums vom 8. September 1659 einen Betrag von 846 Gulden 40 Kreuzer einbrachte, wobei jährlich zwei Messen für das Seelenheil des Stifters zu lesen waren; weitere 400 Gulden wurden im Wege eines Hypothe-kenbriefes der Badstube Schelkerbad zugewiesen, wobei jährlich 20 Gulden beim zuständigen Balneator unter problematischen Umständen einzutreiben waren. Von diesem Einkommen ist erstmals 1659 die Rede. Weiters gab es ein Einkommen aus dem Wiener Domus Provincialis (1678), aus dem mehrfach Beträge von 40 bis 50 Gulden angewiesen wurden. Schließlich schenkte Graf Kohary von Czabrak nach und nach 1100 Gulden und vermachte in einem Kodizill vom 30. Oktober 1735 weitere 1000 Gulden für die Abhaltung der Anniversarien. In diesem Jahr wird das Nationskapital mit 2650 Gulden angegeben.30 Die Finanzgebarung der Ungarischen Akademischen Nation können wir aus den im Archiv der Universi-tät Wien erhaltenen Geschäftsbüchern recht gut rekonstruieren.31

Im Rahmen der akademischen Feiern war es üblich, an die Patrone oder jeweiligen Stifter ein Vivat mit einem mit Wein gefüllten Festbecher auszu-bringen.32 Die Ungarische Akademische Nation besaß nachweislich einen

sil-30 Harhammer-Steindl, Die Ungarische Nation (Anm. 16), S. 82–88; siehe auch: Personalstand der vier akademischen Nationen 1863 (Anm. 2), S. 32–33. Der im Kodizill genannte Betrag soll vom Prokurator zwar behoben, jedoch dann entfremdet worden sein. Zu den zahlreichen Badstuben im Bereich der Alten Universität in Wien (Stubenviertel) s. Felix Czeike (Hrsg.), Historisches Lexikon Wien, Band I (1992) 230–232.

31 Zu den Quellen siehe Anm. 27 und 28.

32 Bei der Natio Austriaca war ebenfalls ein silberner Pokal in Verwendung. Er wurde jedoch 1786 zusammen mit den silbernen Beschlägen der Matrikel verkauft, um das Stiftungskapital zu erhöhen. Hier war es bislang üblich gewesen, diesen Pokal abwechselnd mit rotem und weißem Wein zu füllen und ein Vivat auf den Stifter des Bechers zu rufen. Siehe: Personalstand der vier akademischen Nationen der Wiener Universität und der P. T. Herren Mitglieder des Sanct Gregorius-Unterstützungs-Vereines. Geschlossen am 31. Dezember 1857 und hrsg. von einem Mitgliede der Centralleitung des St. Gregorius-Vereines (Wien 1858), S. 30.

bernen Nationsbecher, den Sigmund Geissler 1634 gestiftet hatte. Der Becher ist mit der Zeit angeblich unbrauchbar geworden und in Verlust geraten. Paul Fürst Esterhazy von Galantha stiftete 1746 einen neuen Pokal aus vergolde-tem Silber, der 46 cm hoch und mit reichem barockem Dekor versehen war. Er trägt das Wappen des Stifters und eine Widmungsinschrift. Nach der Liqui-dation der Korporation wurde der Pokal 1865 dem Ungarischen Nationalmu-seum übergeben. Im Besitz der Ungarischen Nation waren auch zwei silberne Siegeltypare aus dem Jahr 1652, die den hl. Ladislaus zu Pferde zeigten, eine ihn darstellende Kupfertafel, ein Buch mit den Viten des hl. Stephan und des Emmerich sowie Geschäftsbücher und Akten. Verwahrt wurden alle wichti-gen Utensilien in einer hölzernen Ladula Nationis, die von Prokurator zu Pro-kurator weitergegeben wurde, wobei jeweils zwei Gulden „pro transportanda ladula” in Rechnung gestellt wurden. Die Nationsladen der Österreichischen und der Rheinischen Nation werden noch heute im Archiv der Universität Wien verwahrt.33

Wahrer universitärer Traditionen und exklusive Zirkel

Die eingangs geschilderten Schutzfunktionen der Akademischen Nationen in der Frühzeit der Universität sind schon bei den spätmittelalterlichen Gründungs-universitäten bloße Formalien geworden, wenngleich diese für die Vertretung der Universitätsbesucher gegen-über den akademischen Behörden legitimiert waren. Einerseits haben nun die österreichischen Landesfürsten umfassenden Schutz in den Stiftbriefen garantiert, gleichzeitig darin das traditionelle Ver-fassungsmuster nach dem Pariser Vier-Nationen-Vorbild fortgeschrieben, das im allgemeinen bereits am Ausgang des Mittelalters als „unzeitgemäße Wie-ner Nationenverfassung” als überholt gilt. In Ingolstadt etwa, wo man sich im herzoglichen Stiftbrief von 1472 an dem Wiener Muster orientierte, wurde die Nationenverfassung tatsächlich nicht realisiert. Den Wiener Nationen blieben neben ihren wichtigsten Funktionen als Rektorwähler und Senatsbeisitzer vor allem die Erfüllung sozialer Dienste und kulturelles Engagement. Tatsächlich traten schon früh die Fakultäten in den Vordergrund des universitären Gesche-hens, die Ausübung wichtiger Funktionen (Rektoren, Dekane, Examinatoren)

33 Siehe: Franz Gall, Die Insignien der Universität Wien (= Studien zur Geschichte der Uni-versität Wien 4, Wien 1965) 101–104 und ders., Alma Mater Rudolphina (Anm. 10), S. 84.

Personalstand der vier akademischen Nationen 1863 (Anm. 2), S. 33.

blieben aber weiterhin mit den Nationen verzahnt. Der Nationsturnus mußte bei den Wahlen akademischer Funktionäre streng gewahrt bleiben. Viele mit-telalterliche Universitäten, die ursprünglich gleichfalls der Pariser Nationsver-fassung verpflichtet waren, haben bereits seit dem 13. Jahrhundert die Natio-nen abgeschafft. Neugründungen des 14. Jahrhunderts hatten oft von Haus aus gar keine Nationen mehr vorgesehen oder trotz Nennung in den Stiftbriefen diese nicht mehr eingerichtet.34 Dazu kommt, dass sie schon wegen der hohen Taxen und ihres Ausschlusses von den Funktionen von Studenten zunehmend gemieden wurden. In Wien mutierten sie zu exklusiven Zirkeln, in denen sich vorwiegend hochgestellte Persönlichkeiten aus Universität, Adel und Kirche so-wie bestenfalls Graduierte zusammenfanden. Man blieb „unter sich”. Trotz der Erstarrung in ihren unabänderlichen Traditionen und Statuten, war der Einfluss dieser mittelalterlichen Korporationen an der Universität noch gestiegen. Das gesellschaftliche Ansehen der Nationen wuchs mit zahlreichen immatrikulierten Ehrenmitgliedern und Wappenträgern, die ihr angehörten. Viele Prokuratoren leiteten ihre Protokolle und Memorabilien ab dem 17. Jahrhundert mit ihren Wappen ein. Darüber hinaus waren die Akademischen Nationen als selbststän-dige Korporationen mit besonderen Insignien ausgestattet, die ihre besondere Stellung hervorhoben. So wurde der Österreichischen Nation 1556 ein Wap-pen verliehen (Österreichischer Bindenschild, belegt mit drei goldenen Adlern), ebenso 1626 der Rheinischen Nation (hl. Ursula samt 11 000 Jungfrauen in einem Nachen). Alle Wiener Nationen führten eigene Siegel.35

Sogar zahlreiche Mitglieder des Herrscherhauses finden wir in den gewich-tigen Nationsalben auf kunstvoll illuminierten Schmuckblättern. In das Zentrum dieser Blätter haben sie als jugendliche Erzherzoge zumeist ihre eigenhändige Unterschrift samt persönlicher Devise gesetzt. In der Matrikel der Ungarischen Akademischen Nation finden wir zum Beispiel die Eintragungen von Ferdinand II., 1633 („Corona legitime certantibus”), Ferdinand III., 1633 („Pietate et justi-tia”), Ferdinand IV., 1648 („Pro Deo et populo”), Leopold I., 1666 („Consilio et industria”), Joseph I., 1688 („Amore et timore”) und Leopold II., 1790 („Pietate et concordia”).36 Die Akademischen Nationen trachteten in wachsendem Maße

34 Vgl. Schwinges, Rektorwahlen (Anm. 19), S. 18–21, 55. Kaufmann, Geschichte der deutschen Universitäten (Anm. 3), Band II, S. 65.

35 Gall, Alma Mater Rudolphina (Anm. 10), S. 84 und ders., Österreichische Wappenkunde (Wi-en-Köln 1977), S. 256–259 zu den akademischen Wappen.

36 Siehe: Archiv der Universität Wien, Cod. NH2. Auch in den Alben der Österreichischen Nation gibt es zahlreiche Ehrenimmatrikulationen von Erzherzogen, die Rheinische Nation führte eine gesonderte Wappenmatrikel.

ihr einflussreiches gesellschaftliches Beziehungsgeflecht zwischen katholischer Kirche, kaiserlichem Hof und gelehrter Welt zu festigen, während ihre ursprüng-lichen Funktionen in den Hintergrund traten. Die acht Patronatsfeste des aka-demischen Jahres der Nationen und der Fakultäten wurden zu gesellschaftlichen Ereignissen der Führungsschicht, die mit üppigen Collationes verbunden waren.

Sie waren vorwiegend den Standesstudenten vorbehalten, während die Masse der Studierenden an den Rand des Geschehens gedrängt war.

Nachdem man in Leipzig37 1830 die Nationen bereits eingestellt hatte – als einer der letzten überhaupt –, schritt man in Wien 1838 zur Neuordnung nach

„vaterländischen Gesichtspunkten”: Es gab nun weiterhin vier akademische Na-tionen, deren Einzugsbereiche beziehungsweise Geburtsorte nur inländische Gebiete berücksichtigte, und zwar 1. Die Österreichische Nation (Österreich ob und unter der Enns, Steiermark), 2. die Slawische Nation (Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien), 3. die Ungarische Nation (Ungarn, Slawonien, Kroatien, Siebenbürgen, Militärgrenze), 4. die Italisch-illyrische Nation (Lombardo-Ve-netien, Dalmatien, Illyrien [Kärnten, Krain und Küstenland], Tirol). Ausländer konnten einer beliebigen Nation beitreten.38

Die starke Verankerung im Verfassungsgefüge der Universität wurde nicht angetastet. Das Vorrecht der Rektorwahl blieb den Prokuratoren weiterhin vor-behalten, ebenso der Sitz im Universitäts-Konsistorium. Eine Ausgliederung der Nationen machte in jedem Fall eine Gesamtänderung der Universitätsver-fassung erforderlich. Diese wurde erst nach der Revolution von 1848 politisch durchsetzbar.

Nachleben

Auf der Basis ihrer rechtlichen Stellung als hochprivilegierte Korporationen und ihrer festen Verankerung in der Universitätsverfassung übten die Nationen auch nach ihrer Reform von 1838 im wesentlichen jene traditionellen Funktionen und Riten aus, die in den alten Nationsstatuten festgelegt waren. Durch ihren starken Rückhalt in der katholischen Kirche und am kaiserlichen Hof wurden sie in Österreich kaum in Frage gestellt. Sogar ihre Rückführung in die Uni-versität wurde erwogen. Dies umso mehr, als ihre Repräsentanten mit großem

37 Vgl. Kaufmann, Geschichte der deutschen Universitäten (Anm. 3), Band II, S. 67.

38 Dekret der Studienhofkommission vom 4. November 1838 aufgrund einer Ah. Entschlie-ßung vom 30. Oktober 1838. Kink I/1 (Anm. 10), S. 625–627, Anm. 841.

Engagement für den „katholischen Charakter der Universität Wien” eintraten.

Dies blieb letztlich den Reformern der liberalen Ära vorbehalten, wenngleich die ersten Schritte in diese Richtung schon im Rahmen der „provisorischen”

Thunschen Reform durch die Ausgliederung der Nationen und die Marginali-sierung der traditionellen doctores non legentes gesetzt wurden.39

Nach der Ausgliederung der Nations-Korporationen aus dem Universi-tätsverband traten sie in der Form religiös-karitativer Vereine weiterhin in Erscheinung und führten ihre früheren Traditionen zum Teil weiter.40 1854 gründete man den Sankt Gregorius-Verein der vier Akademischen Nationen, der sich nach dem hl. Gregor dem Großen benannte, dessen Gedenktag (12. März) gleichzeitig der Stiftungstag der Universität Wien ist. Er fungierte bis zu ihrer endgültigen Liquidierung gleichsam als Dachorganisation der nunmehr „frei-schwebenden” akademischen Nationen und entfaltete eine bemerkenswerte Wirksamkeit im karitativen Bereich, aber auch hinsichtlich der zähen, aber aussichtslosen Bemühungen, die mittelalterliche Verfassung wieder herzu-stellen. Ab 1855 wurden „Personalstände” und „Jahresberichte” publiziert, in denen man neben den Mitgliederlisten auch Abrechnungen der Unterstüt-zungsfonds veröffentlichte. Die Binnengliederung des Vereines und der Fonds erfolgte weiterhin nach der 1838 eingeführten Nationengliederung.41 1860 wurde zur Wahrnehmung der sozialen Aufgaben der Verein zur Pflege kran-ker Studierender gegründet, dem weitere akademische Unterstützungsvereine folgten. Letztere gingen jedoch nicht aus den akademischen Nationen hervor, wenngleich sie ähnliche Aufgaben wahrnahmen. Sie orientierten sich an den Fakultäten. Es gab Unterstützungsvereine für Mediziner, für die Hörer der

39 Zu den statutarisch festgelegten Aufgaben zählen die Abhaltung der jährlichen Patronatsfe-ste am Tag des jeweiligen Nationsheiligen: ÖPatronatsfe-sterreichische Nation zuerst: Hl. Kolomann (13.

Oktober), dann: Hl. Leopold (15. November), Rheinische: Nation Hl. Ursula (22. Oktober), Ungarische Nation: Hl. Ladislaus (27. Juni), Sächsische Nation: Hl. Mauritius (22. Septem-ber), Slawische Nation: Hl. Adalbert vom Prag (23. April). Die doctores non legentes wurden 1849 in Doktorenkollegien weitgehend abgesondert. Vgl. Anm. 43.

40 Es wurde zuerst die junge, seit 1838 bestehende Italisch-illyrische Nation im Jahr 1850 li-quidiert, dann folgten die Österreichische 1879 und schließlich im Jahre 1881 die Slawische (einst Rheinische) und die Ungarische Akademische Nation. Siehe: Gall, Alma Mater Ru-dolphina (Anm. 10), S. 89.

41 Personalstand der der vier akademischen Nationen der Wiener Universität und ihres unter dem Schutze des heil. Papstes Gregorius des Großen stehenden Vereines zur Unterstützung würdiger und dürftiger Studirender (Wien 1855 ff.); Erster Jahresbericht des Sanct Gregorius-Vereines oder des Gregorius-Vereines der vier akademischen Nationen der Wiener Universität zur Unter-stützung würdiger und dürftiger Universitätshörer (31. Dezember 1855 ff.).

Rechte, den Philosophenunterstützungsverein, mehrere Unterstützungsverei-ne für mittellose Studierende und für weitere Einrichtungen.42

Nachdem im Gefolge der Revolution von 1848 die Universität Wien als Forschungs- und Lehruniversität nach dem Muster Wilhelm von Humboldts völlig neu organisiert worden war, nahte auch das Ende der akademischen Na-tionen an der Universität Wien. Neben den Doktorenkollegien, die 1873 aus dem Universitätsverband ausschieden, waren sie die letzten mittelalterlichen Relikte gewesen.43