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Beobachtungen zur Baustruktur

Das Schloß in Meißen unterscheidet sich nicht nur in seiner Grundriß- und Fassadendurchbildung von anderen Herrschaftssitzen, sondern auch im konstruktiven Aufbau des tragenden Mauerwerks.

Die neuartige architektonische Gestaltung mit den glatten Fassadenfl ächen und den weit gespannten Gewölben in mehreren Etagen übereinander im Inneren des Gebäudes beruht auf der vom Werkmeister Arnold von Westfalens Idee des Wandpfeilersystems, das hier erstmalig nachzuweisen ist. Arnold glie-derte das Mauerwerk in weit nach innen gezogene tragende Mauerwerkspfeiler aus Bruchsteinen, deren Tiefe nach oben hin zunimmt, um einen hochgelegenen Schwerpunkt zu erhalten. Durch das große Eigengewicht dieser Mauerwerkskörper werden die Resultierenden der etwas darunter angreifenden Gewölbe-Schubkräfte „überdrückt“ und die Kräfte über die nach dem Prinzip der gotischen Strebepfeiler funktionierenden Wandpfeiler sicher nach unten abgeleitet. Die Pfeilerköpfe liegen hoch oben im Dritten Obergeschoß und sind außen hinter der tief herunter gezogenen Dachhaut versteckt. Ganz oben, auf ihrem höchsten Punkt liegt das aus Sparren und Zerrbalken gebildete Dreieck des Dachstuhls auf und verklammert mit seinen Fußpunkten die Pfeilerköpfe der beiden Fassadenseiten miteinander. Zusätzlich geben im Mauerwerk der Querwände des Dritten Obergeschosses versteckt liegende Strebebögen ei-nen Halt. Untereinander sind die benachbarten Wandpfeiler durch jeweils in Geschoßhöhe angeordnete kleinteilige Gewölbegruppen aus mit Ziegeln gemauerten Zellengewölben – ebenfalls eine Arnold’sche Erfi ndung – ausgesteift. Letztere wirken statisch gesehen wie fl ächenaktive Faltwerke und durch ihre dem Prinzipalbogen folgende Krümmung als formaktives Tragwerk; sie besitzen hohe Quersteifi gkeiten

Tab. 1: Meißen, Albrechtsburg, Großer Wendelstein. Übersicht der Steinmetzzeichen (Zeichnung: Architekturbüro Donath, 2006).

Tab. 1: Meissen, Albrechtsburg, the Large Spiral Staircase. Overview of stonemasons’ marks (drawing by Architectural Bureau Donath, 2006).

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(Radova-Stikova und Rada 2001; vergl. Donath, G. 2012). Dieses Prinzip schuf die konstruktiven Voraussetzungen nicht nur für den Bau der spätgotischen obersächsischen Hallenkirchen, sondern auch für solche einzigartigen „Raumerfi ndungen“ wie die des Wladislawsaales von Benedikt Ried in der Prager Burg.

Bauabfolge

Nahezu alle der an den Architekturgliedern verwendeten Werksteine aus Sandstein – er stammt aus dem stromauf von Meißen gelegenen Brüchen des Elbsandsteingebirges – tragen Steinmetzzeichen (Tab. 1). Diese als Abrechnungsmarken benutzten Zeichen ließen zum einen auf den hohen Grad der Bauorganisation schließen. Andererseits ermöglichten sie aber auch vor allem im Vergleich mit dem gleichzeitig unter Arnold von Westfalen in seiner Funktion als Dombaumeister aufgeführten Dritten Turmgeschoß des Meißner Doms und dem Schlossbau in Torgau als unmittelbarem Nachfolgebau des Meißner Baus eine relative Chronologie der Entstehung der einzelnen Bauteile. Weitere Hinweise lie-ferten im Laufe der Bauzeit wechselnde Profi lfolgen und Bauinschriften; vor allem aber die bis dahin noch nicht erfassten Dendrodaten der Dachwerke.3

Gleichzeitig erfolgte eine gründliche Auswertung des Urkunden- und Archivalienbestandes.

Aufgrund dieser Summe neuer Erkenntnisse der Bauforschung ist es möglich geworden, die Bauabfolge im 15. Jahrhundert detaillierter als bisher darzustellen.

3 Der umfangreiche Katalog der Steinmetzzeichen und die Dokumentation der Untersuchung der Dachwerke (Dendrodaten, Abbundzeichen) des Architekturbüros Donath harren noch der Veröffentlichung; sie liegen bisher nur beim Auftraggeber und im Sächsischen Landesamt für Denkmalpfl ege, Dresden, vor.

Abb. 4: Meißen, Albrechtsburg.

Rekonstruktion des

Bauzustandes von 1478 nach Dendrodaten und Baubefunden.

Fertiggestellt ist der Südtrakt mit Großem Wendelstein und Mittelbau; Westfl ügel und Nordostbau begonnen (Zeichnung: M. Donath / Architekturbüro Donath, 2007).

Fig. 4: Meissen, Albrechtsburg.

Reconstruction of the building progress in 1478 according to dendrochronological data and structural analysis. The south wing with the Large Spiral Staircase and the central building were completed, construction of the west wing and the northeastern building started (drawing by M. Donath / Architectural Bureau Donath, 2007).

Mit dem Bau des Schlosses wurde am 24. Juni 1471 begonnen. Der Bau wurde in drei großen Abschnitten vollzogen. Zuerst wandte man sich den südlichen Teilen zu. Vom Südfl ügel, dem Mittelbau und dem Großen Wendelstein wurden zunächst nur die unteren Teile bis zum Ersten Obergeschoß er-richtet. Dann konzentrierte man sich auf den Südfl ügel und Teile des Mittelbaus, die für die Errichtung des Wendelsteins maßgeblich waren. Das Holz für die Dachkonstruktionen des Südfl ügels und des Wendelsteins wurde 1477 gefällt. 1478 war der erste Bauabschnitt im Wesentlichen vollendet (Abb. 4).

Der zweite große Bauabschnitt zwischen 1478 und 1483 konzentrierte sich auf den Mittelbau. Man errichtete die Obergeschosse mit dem talseitig angeordneten Kapellenturm und den im Winkel zum Westfl ügel eingefügten Kleinen Wendelstein. 1482 wurde das zum Bau des Dachstuhls benötigte Holz geschlagen. 1483, ein Jahr nach dem Tod von Arnold von Westfalen, lässt sich der Bauzustand wie folgt beschreiben: alle Gebäudefl ügel einschließlich aller Türme und Lukarnen bis auf den Westfl ügel und den Nordostbau waren funktionstüchtig fertiggestellt. Im Mittelbau war der Ausbau des Dachgeschosses vorbereitet (Abb. 5).

Im letzten Bauabschnitt wurden der Westfl ügel und der Nordostbau errichtet. 1485 war man im Dritten Obergeschoß angekommen. Inzwischen wurde der Bau unter dem Werkmeister Conrad Pfl üger weitergeführt. Die für die Dachkonstruktion des Nordostbaus benötigten Bäume wurden zwischen 1485 und 1487 gefällt. Das Dach des Westfl ügels entstand 1488/89. Um 1490 war das Schloß äußerlich voll-endet; es fehlte nur noch der Innenausbau des Nordostfl ügels.

Die Datierungen machen deutlich, dass die Landesteilung von 1485 keinen Einfl uss auf den Baubetrieb in Meißen hatte. Beide Parteien betrachteten den Bau als Symbol der wettinischen Landesherrschaft und bezahlten ungeachtet ihrer „politischen Neuorientierung“ weiterhin den Schloßbau.

Am Westgiebel von 1489 sind daher auch das sächsische Wappen der herzoglichen albertinischen als auch das Kurwappen der kurfürstlichen ernestinischen Linie der inzwischen „geteilten“ Bauherrschaft Abb. 5: Meißen, Albrechtsburg.

Rekonstruktion des

Bauzustandes von 1483. 1485 waren auch die bis dahin begonnenen Baukompartimente des Westfl ügels / Nordostbaus vollendet (Zeichnung: M.

Donath / Architekturbüro Donath, 2007).

Fig. 5: Meissen, Albrechtsburg.

Reconstruction of the building progress in 1483. By 1485, the previously begun parts of the west wing / north-east building had been completed also (drawing by M. Donath / Architectural Bureau Donath, 2007).

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angebracht. Um 1495 wurden die Arbeiten während des Innenausbaus der oberen Nordteile einge-stellt. Erst 1521 vollendete Jakob Heilmann von Schweinfurt mit dem Schlingrippengewölbe über dem Wappensaal diesen Bereich.

Raumprogramm

Die Albrechtsburg besitzt kein bewegliches Mobiliar aus der Zeit ihrer Entstehung. Wenn man so will ist sie ein Bau- und Raumdenkmal, ein Museum seiner selbst oder – besser – ein Architekturmuseum für Paradigmenwechsel bei der spätgotischen Bauplanung einer Residenz mit zwei Hofhaltungen. Nicht nur beim Bau, sondern auch bei der funktionellen Planung des neuen Schlosses vollzog sich ein bisher in der Kunstgeschichte nahezu einzigartig gebliebener Wechsel in der Auffassung funktionaler und kon-struktiver Überlegungen in der Architektur: die beiden Brüder wollten die ihnen von ihrem Vater, Friedrich dem Sanftmütigen, übertragene gemeinsame Landesregierung auch durch gemeinsames Wohnen doku-mentieren. Diese Funktionen für zwei Hofhaltungen alle unter einem Dach unterzubringen bedurfte es hochkomplexer Überlegungen für die Anordnung der verschiedenen Repräsentations- Verwaltungs-, Wohn- und Funktionsräume sowie der dazu gehörenden Laufgänge sowohl für die Herrschaft als auch deren Diener. Das hat Stephan Hoppe bewiesen, der 1996 die Inventare der Albrechtsburg auswertete.

Seine Beobachtungen konnten jedoch durch die jüngsten Untersuchungen am Bau – nicht zuletzt durch das aus konstruktiven Gründen notwendig gewordene Öffnen bisher vermauerter Schächte, hinter de-nen sich Treppen- und Laufgänge verbargen – ergänzt werden und bestätigen noch einmal nachdrück-lich seine These, dass das neuzeitnachdrück-liche „Stuben-Appartementsystem“ (Hoppe 1996), das sich im 16.

Jahrhundert im deutschen Schloßbau durchsetzte, zuerst in Meißen nachzuweisen ist.

Zunächst fallen die nicht übersehbaren Turmarchitekturen der Wendelsteine auf. Mit der Unterscheidung in Höhe und Form weisen sie bereits auf eine Hierarchisierung der Erschließungswege des Schloßbaus für „private“ und „öffentliche“ Zwecke hin. Im Inneren setzen sich diese Differenzierungen durch feine „Aufästelungen“ in Haupt- und Nebengänge fort. Über die jeweils zugeordneten Portale, Treppen und Flure erschließen sich entweder Repräsentations- oder die Privaträume der beiden Bauherren. Dabei wird das Begehen des „öffentlichen“ Wegesystems regelrecht für den Betrachter vom Schlosshof aus inszeniert – ganz gleich ob es sich um das Empor- oder Herabschreiten im Großen Wendelstein handelt oder um den festlichen Einzug zum Gottesdienst in der benachbarten Domkirche, der über eine weitgespannte offene Loggia im Ersten Obergeschoß zu einem extra dafür neu geschaf-fenen Portal in der Querhaus-Nordfassade führt. Von dort erreichte man die emporenartig ausgebildete nördliche Lettnerbühne, von der aus man dem Gottesdienst beiwohnen konnte. Stets ist man darauf be-dacht, dass der Benutzer dieser Wege zumindest erkennbar bleibt und auch selbst die Blickbezüge zum Burghof behält – Blickbezüge, die aber erst in der Barockarchitektur Allgemeingut der Baukunst werden und dort ganz selbstverständlich sind.

Angeschlossen an dieses Wegenetz der vertikalen und horizontalen Kommunikation befi nden sich oberhalb der Repräsentationsräume im Zweiten Obergeschoß die zu Gruppen zusammengeführten

„Stuben-Appartements“ des Kurfürsten und des Herzogs, die im Wesentlichen stets aus mindestens zwei heizbaren Wohnräumen, einem kaltem Schlafraum und den ihnen zugeordneten Aborten beste-hen. Diese sind nun aber keine Abtritte in Erkern oder Abortnasen, sondern in das Gebäudeinnere ori-entierte Schächte, die bis zur Kellersohle führen. Dort münden zahlreiche Leitungen der Dach- und Hofentwässerung ein und spülen so die Fäkalien aus dem Gebäude heraus. Durch eine wohldurchdachte Anordnung der Abortsitze war eine Stapelung über fünf Nutzungsebenen möglich. Bis hoch hinauf zu den Räumen der Dienerschaft im Dachboden waren die Schächte konzipiert und runden somit das Bild des hohen funktional-technischen Niveaus des Schloßbaus (Abb. 6). Nach Ausbau des 1972 recht un-sensibel in den Abortschacht des Mittelbaus eingefügten Aufzuges ließ sich die Struktur und Anordnung der Kammern sehr gut rekonstruieren. Auch in dem bis 2009 als Installationsschacht genutzten Abort

Abb. 6: Meißen, Albrechtsburg. Schnitt durch das Abortschachtsystem des Mittelbaus. Rekonstruktion des ursprünglichen Zustandes nach Ausbau des 1972 eingebauten Personenaufzuges

(Zeichnung: M. Donath / Architekturbüro Donath, 2009).

Fig. 6: Meissen, Albrechtsburg. Section through the privy shaft system of the central building.

Reconstruction of the original situation upon replacement of the 1972 built-in passenger lift (drawing by M. Donath / Architectural Bureau Donath, 2009).

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des Südtraktes gelang die Freilegung und didaktische Präsentation eines hochmodernen Abortsystems in der Zeit der Spätgotik.4

Raumgroße Heizkammern münden in verwegen durch die Geschosse verzogene Kamine und Schornsteine, bis sie oberhalb der Dachfl äche in verzierten Schornsteinköpfen die Rauchgase freigeben, während vor allem im Inneren der Wandpfeiler geführte Warmluftkanäle auch die Räume temperieren konnten, in denen man keinen repräsentativen Kamin einbauen wollte.

Eine besondere Stellung nimmt der Nordostbau mit dem Westfl ügel ein. Zunächst ist dieser ab dem Zweiten Obergeschoß durch einen schmalen Laufgang vom Kernbau (Mittelbau mit Südfl ügel) abgetrennt. Zwei in ihren Bauformulierungen unterschiedlich ausgebildete Türgewände eröffnen je-weils den Zugang zu diesen beiden Bereichen, die in ihrer inneren Ausgestaltung auch unterschied-lichen Ausmalungs- bzw. Farbkonzeptionen folgen5 – der Kernbau gotischen Fassungsprinzipien mit Fugenbetonungen, der Nordostbau ganz im Geiste der Frührenaissance. Diesem Teil des Schlosses wur-den bislang verschiewur-dene Funktionen zugeordnet. Das Auffi nden verschiedener schmaler Laufgänge und Treppen innerhalb mächtiger Mauerwerkspfeiler – vom Dachgeschoß bis in das Erste Obergeschoß reichend – lassen aber vermuten, dass die hier entstandenen Räume ein zusätzlicher Empfangsraum des Kurfürsten bzw. einen Gästetrakt darstellen sollten, der jeweils bequem sowohl durch die Diener erreicht werden konnte als auch die Zugangsmöglichkeit von den privaten Bereichen aus bot, ohne „öf-fentliche“ Kommunikationswege kreuzen zu müssen. Bemerkenswert ist neben der für die Durchbildung des Baukörpers zuvor schon beschriebenen Wirkung des belvedereartigen Gebäudefl ügels die bauliche Inszenierung des Ausblicks. Nach drei Seiten konnte der Blick fächerartig nicht nur über das zum Schloß gehörende Territorium, sondern auch über das Elbtal hinweg weit in das Land schweifen. Es fällt auf, dass alle die zweischiffi gen und sehr tiefen Repräsentationsräume Licht (und natürlich auch Ausblicke) nach zwei Seiten besitzen, während aus den privaten Räumen entweder nur der Ausblick zum Hof oder zur Talseite möglich ist. Auch diese optischen Verknüpfungen von Architektur mit ihrer Umgebung ge-hörten zu den angestrebten neuen Inszenierungen von „Überschaublicks-Herrschaft“ (Hoppe 1996) des Meißner Baus. Kombiniert mit dieser polyfokalen Situation ordnete Arnold von Westfalen an der Talseite

4 Ausführliche, bisher noch nicht veröffentlichte Dokumentation des Architekturbüros Donath besteht beim Auftraggeber und im Sächsischen Landesamt für Denkmalpfl ege Dresden.

5 Restauratorische Befunduntersuchungen von Dipl. Rest. Gunter Preuß, Elke Schirmer und Oliver Ander, 2010.

Abb. 7: Meißen, Burgberg über der Elbe von Südosten mit (von links nach rechts) Dompropstei, on the Elbe from the southeast with (from left to right) the Cathedral Chapter, the cathedral towers, Liebenstein and eastern extensions of the cathedral as well as the south wing, chapel tower and northeastern building of Albrechtsburg Castle (photo by Architekturbüro Donath, 2010).

des Gebäudes in den Obergeschossen des Kapellenturms „studioli“ nach italienischem Vorbild an. Mit der Platzierung solcher Studierstuben hoch oben sollte eine Allegorie des „immerzu wachen Herrscherblicks auf das Geschehen in Stadt und Land“ in ein entsprechendes architektonisches Bild überführt und als Ausdruck der Weisheit (sapientia) des Herrschers verstanden werden (Müller 2004, 255).

Zusammenfassung

Als Residenzschloß an historisch bedeutsamen Ort errichtet, beeindruckt die Albrechtsburg durch ihre Architektur und nicht zuletzt durch ihre außergewöhnliche Geschichte. Dass sie diese in solch gutem Zustand überdauert hat, verdankt sie nicht nur dem Zufall und glücklichen Umständen. Änderten sich schon kurz nach Errichtung des Schlosses die Ansprüche der Fürsten an ihre Residenzen und fand auch das politische und höfi sche Leben an anderen Orten statt, so blieb das Schloss doch stets als Stammschloß der albertinischen Linie der Wettiner in Erinnerung. Geriet die Albrechtsburg auch manchmal an den Rand des Vergessens, so waren doch fast allen, die darüber bestimmten und verfügten, der Respekt und die Bewunderung für eine außergewöhnliche architektonische Leistung des spätgotischen Werkmeisters Arnold von Westfalen zu eigen (Abb. 7). Bei Planung und Bau des neuen Schlosses vollzog sich ein Paradigmenwechsel: während in den talseitigen Untergeschossen noch die Wehrfunktionen dominier-ten, entstanden über einem Erdgeschoß mit Verwaltungsräumen in den darüber liegenden Etagen vor allem Repräsentations- und Wohnräume für die Haushaltungen der beiden Brüder, die ihre gemein-same Landesregierung auch durch gemeingemein-sames Wohnen dokumentieren wollten. Diese Funktionen alle unter einem Dach unterzubringen bedurfte es hochkomplexer Überlegungen für die Anordnung der verschiedenen Wohn- und Funktionsräume sowie der dazu gehörenden Laufgänge sowohl für die Herrschaft als auch deren Diener. Hochmoderne Abortsysteme runden das Bild der neuen Anlage als Wohnschloss ab. Obwohl das Schloß in Meißen im Spätmittelalter niemals fertiggestellt wurde, gilt es doch als „Geburtsort“ für den modernen Schloßbau.

Im Dachbodenbereich ließ sich bei den kürzlich durchgeführten Bauuntersuchungen genau ermit-teln, was zum spätgotischen Baubestand gehört, welche Bauteile in welcher Reihenfolge entstanden und was später verändert wurde. Auch die Befunde im Dritten Obergeschoß ermöglichen es, den Bauablauf in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sehr detailliert zu rekonstruieren. Erste Beobachtungen besonders im Hinblick auf die Formentwicklung der Bögen, Fenster und Nischen haben wichtige Ergebnisse gebracht. Dabei hat es sich bereits jetzt schon als neue Erkenntnis herausgestellt, dass der spätgotische Schlossbau in einem wesentlich kürzeren Zeitraum als bisher angenommen in drei großen Bauabschnitten von 1471 bis 1489 errichtet worden war.

Dipl.-Arch. Günther DONATH, Dombaumeister Dom zu Meißen Domplatz 7, D-01662 Meißen baubuero@architekt-donath.de

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Günter DONATH

One Residence for Two Households: The Highly Complex Spatial and Building Programme of Albrechtsburg Castle in Meissen, 1470

Albrechtsburg – a castle providing a home for the Saxon King as well as a place for his governmental work – was erected on historically important soil and impresses its visitors not only with its architecture but with its out-standing history as well.

Even though the political and social customs of the residing electors changed shortly after the construction of the castle and with them their demands on their residences, Albrechtsburg was never completely forgotten. It re-mained the ‘home castle’ of the Albertinian line of the House of Wettin.

When the late Gothic master builder Arnold von Westfalen planned Albrechtsburg, a shift of paradigm in castle-building happened: the lower fl oors facing the valley were still dominated by fortifi cations, the ground fl oor hosted administrative rooms, but the upper fl oors were designed to provide rooms for representative and residential pur-poses of the residing aristocracy. At the time, Saxony was ruled by two brothers, Elector Ernst and Duke Albrecht, and they wanted to document their joint government by joint housing arrangements. These circumstances demanded a lot of careful consideration when it came to planning the different administrative, representative and residential rooms with their connecting hallways. An ‘ultramodern’ toilet system completed the task of making Albrechtsburg a residential castle.

A recent architectural investigation of the attic clearly showed which parts of the building are of late Gothic origin, helped to establish the chronology of the construction process and brought to light proof of alterations made to the building later on. Combined with the fi ndings on the third upper fl oor, it allowed a meticulously detailed reconstruction of the building process in the second half of the 15th century. In the course of this reconstruction, it became clear that the late Gothic castle was built in a shorter time frame than previously assumed. The results of the architectural investigation lead to the conclusion that Albrechtsburg was erected in three major stages taking place between 1471 and 1489.

Literatur

DONATH, Günter 2009, Markgraf Wilhelm I. und der Meißner Dom als wettinisches Machtsymbol. – In: Wilhelm der Einäugige, Markgraf von Meißen (1346–1407), Sandstein, Dresden, S. 118–124.

DONATH, Günter 2010, Neuere Ergebnisse der bau- und kunsthistorischen Forschung am Großen Wendelstein der Albrechtsburg in Meißen. – In: Werkmeister der Spätgotik, hrsg. von Stefan Bürger und Bruno Klein, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S. 291–321.

DONATH, Günter 2011, “Als wenn es Kirchenfenster weren“ – Die Restaurierung der Glasmalereien. – In:

Albrechtsburg Meißen – Baumaßnahmen des Freistaates Sachsen 2003 bis 2010, Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, Dresden, S. 60–61.

DONATH, Günter 2012, Reverse engineering – Beobachtungen zur Baustruktur des Großen Wendelsteins der Albrechtsburg in Meißen. – In: Traces of Making. Form, Konstruktions- und Entwurfsprinzipien von spätgoti-schen Gewölben. Design and Construction of Late Gothic Vaults. Tagungsband des Internationalen Kolloquiums vom 20./21.1.2012 in Meißen, hrsg. von Katja Schröck und David Wendland, Petersberg, erscheint 2013.

DONATH, Matthias 2006, Vom Keller bis zum Dach. Neue Forschungen zur Baugeschichte der Albrechtsburg. – Monumenta Misnensia. Jahrbuch für Dom und Albrechtsburg zu Meißen 7, 2005/2006, S. 146–167.

DONATH, Matthias 2011, Ein Exkurs in die Vergangenheit – Zeittafel. – In: Albrechtsburg Meißen – Baumaßnahmen des Freistaates Sachsen 2003 bis 2010, Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, Dresden, S. 10–15.

DONATH, Matthias und THIEME, Andre 2011, Albrechtsburg Meißen. – Edition Leipzig, Leipzig.

HOPPE, Stephan 1996, Die funktionale und räumliche Struktur des frühen Schloßbaus in Mitteldeutschland.

Untersucht am Beispiel landesherrlicher Bauten der Zeit zwischen 1470 und 1570. – Verlag, Köln.

MÜLLER, Matthias 2004, Das Schloß als Bild des Fürsten. Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reiches (1470–1618). – Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.

RADOVA-STIKOVA, Milada und RADA, Oldrich 2001, Das Buch von den Zellengewölben. – Jalna, Prag.

SCHMID-HECKLAU, Arne 2010, Die archäologischen Ausgrabungen auf dem Burgberg in Meißen. – Landesamt für

SCHMID-HECKLAU, Arne 2010, Die archäologischen Ausgrabungen auf dem Burgberg in Meißen. – Landesamt für