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Aussage der archäologischen Quellen zum Alltag der höheren Schichten der Burgbewohner in Böhmen

Das Studium ausgewählter Aspekte des Alltags auf den Burgen gehört in Böhmen zum übli-chen Repertoire der mittelalterliübli-chen Archäologie (letzte Zusammenfassung in Durdík 2010). Dieser Thematik wurde jedoch bisher keine größere Synthese gewidmet, wie sie z. B. für das deutschspra-chige Milieu Christof Krauskopf (2005) versuchte. Die bisherige Forschung orientierte sich bei den einzelnen Lokalitäten mit wechselnder Intensität und Tiefe vor allem auf die betrieblichen Aspekte, z. B. Belege der Produktion im Areal der Vorburgen (regionale Zusammenfassung in Durdík 1983;

Zusammenfassung in Durdík 2004; Hložek 2006 und 2007), die Küchen (Zusammenfassung in Cejpová 1987), das osteologische Material, die Wasserversorgung und Hygiene (Zusammenfassung in Durdík 2009b), das Wirtschaften mit Wärme und weiterhin auf das Metallinventar, neuerdings auch auf die Praktiken des Aberglaubens und ähnlich. Alle diese Aspekte betrafen das ganze Spektrum der sozial unterschiedlichen Burgbewohnerschaft (z. B. Meyer 2006).

Am Beginn der folgenden Erwägungen ist die Tatsache zu betonen, dass im Mittelalter kein voll-kommen universeller Alltag der Burgen existierte (z. B. Krauskopf 2010), ebenso wie es keine univer-selle Lösung der Burgen gab (zur Auswirkung dieser Tatsache in der europäischen mittelalterlichen Literatur siehe Vavra 2006). In den höheren sozialen Ebenen, denen wir uns nachfolgend widmen wol-len, war der Alltag vor allem durch die momentane gesellschaftliche Position der Besitzer oder Benützer der Burg determiniert. Dennoch können gewisse gemeinsame oder überwiegende Charakterzüge und Tendenzen nicht bezweifelt werden. Notwendig ist auch die Tatsache zu bemerken, dass das Studium des Burgenalltags auf allen Ebenen gesetzmäßig interdisziplinär sein muss, wenn es ein plastische-res und glaubwürdigeplastische-res Bild einer mittelalterlichen Realität erzielen will. In seinem Rahmen können die archäologischen Quellen eine bedeutende, in mancher Hinsicht sogar eine Schlüsselrolle spielen.

Die archäologische Sicht ist jedoch, wie weiter gezeigt wird, sehr beschränkt. Vor allem durch die Archäologisierung der mittelalterlichen Realität und ihre Aussage wird dadurch für viele Fragen einge-schränkt bis stark limitiert, obwohl sie zweifellos auch in diesen Fällen nicht zu übergehen ist.

Der Alltag der höchsten Schichte der Burgbewohnerschaft, also vor allem der Burgbesitzer oder Benützer und deren Familien ist archäologisch schwerer zu erfassen, als der Alltag der niedrigeren sozialen Schichten, der sich vom Alltag ihrer Zeitgenossen auf anderen Siedlungseinheiten nicht sehr unterschied und dem bisher auch viel geringere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Die Erkenntnis ist hier wesentlich komplizierter, vor allem infolge der Einschränkung einer mehr standardmäßigen Archäologisierung oder anderer Aussagen eines wesentlichen Teiles ihrer Komponenten. Hier versu-chen wir einige Bemerkungen zu dieser Komponente des Burgenalltags beizutragen. In ihrem Rahmen gehen aus der Sicht der archäologischen Quellen viele Tatsachen eher verloren und die unüberlegte Interpretierung ihrer Aussage, respektive nur einfacher Zusammensetzung des Fundstoffes kann zu fa-talen Irrtümern und Vereinfachungen führen.

Als Beispiel sei erwähnt, dass ein klassisches Feld, auf dem sich der Alltag der einzelnen sozialen Schichten der Burgbewohner zweifellos markant unterschied, war der Umlauf des Geldes. Ein detaillier-tes Studium wurde jedoch auch aus dieser Sicht nur den Münzfunden aus der Burg Týřov zuteil (Durdík und Nemeškalová-Jiroudková 1989). Interessante Informationen bringen Belege des Umgangs mit klei-nen Münzen, die in den niedrigeren Schichten gesetzmäßig gewertet wurden – aus diesem Milieu kenklei-nen wir auch die Nützung des Bruchstückes einer größeren Münze als Schmuckstück –, während im oberen

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Milieu der Burg die Beziehung zu denen wesentlich weniger ängstlich war, wie z. B. ihr reichliches Vorkommen im Abfall am Hang unter dem Palas der Burg Týřov beweist. Ein interessantes Phänomen zeigen auch Belege der Münzenfälschungen (z. B. Týřov – Durdík und Nemeškalová-Jiroudková 1989 oder Ronovec – Durdík und Nemeškalová-Jiroudková 2010).

Im Rahmen des Alltags der höchsten Schichte beachten wir zunächst die Erscheinungen auf statu-tarischem Gebiet. Wir verzichten hier auf Informationen, die aus anderen Quellen erhalten werden kön-nen und bemerken nur, dass eikön-nen statutarischen Charakter die Wohnart hatte, die heute mit Methoden der bauhistorischen Entwicklung erforscht wird. Es handelt sich vor allem um die Entstehung der Wohneinheit (Wohnung), ihr System, Lösung und Ausrüstung (z. B. Durdík 2009a; Anderle 2008; Rykl 2007 und 2010.)

Gegenstände mit statutarischem Charakter sind aus insgesamt begreifl ichen Gründen schwer archäo-logisierbar. Ein klassisches Beispiel sind die Siegelstöcke der adeligen oder geistlichen Personen. Dieser unter den erwähnten Personen übliche Gegenstand wurde wegen der rechtlichen Kraft seines Abdrucks nach Beendigung seiner Funktion (meistens nach dem Tod des Besitzers) systematisch vernichtet. Nur ganz ausnahmsweise sind Exemplare zu fi nden (z. B. in Křivoklát – Durdík 1981; Jindřichův Hradec – Durdík 1993; oder Pušperk – Durdík 1985; Abb. 1: 1–2), die in die archäologische Situation durch ein nicht standardmäßiges Vorgehen gelangten, meistens durch den Verlust an einer Stelle, wo das Auffi nden kompliziert war (Möglichkeit des Fallens in eine unzugängliche Spalte, in Schlamm und ähnlich).

Eine viel günstigere Situation besteht auch nicht bei den Funden statutarischen Charakters, die nach außen hin die Position eines Hochgeborenen charakterisierten, wie vor allem Rittersporne (Abb. 1: 3), Schwerter, Banner und dergleichen mehr, die wir eher aus den langzeitig erhaltenen Sammlungen kennen und weniger oft als Funde aus archäologischen Situationen. Es handelt sich – außer dem ursprünglichen Stoffwimpel, der unter unseren Bedingungen kaum archäologisierbar ist, oder dem aus organischen Materialien erzeugten Schmuck für einen Helm – um Gegenstände, die aus hochwertigem und teuerem Material erzeugt wurden und eine künstlerisch anspruchsvolle Form haben.

Die Beziehung zu ihnen schloss praktisch ihre Entfernung aus und das hochwertige Material hatte un-bestritten einen beträchtlichen Wert, auch wenn die Gegenstände nicht mehr funktionsfähig waren und kein (z. B. kommemorativer) Grund für ihre Erhaltung vorlag. In solchen Fällen teilten sie das Schicksal der besseren Waffen (siehe weiter) und wurden rezykliert. Bei den Bannern ist noch die Tatsache zu bemerken, dass sie in ihrer absoluten Mehrzahl auf Fahnenstangen mit funktionsfähigen Kampfspitzen getragen wurden. Funde verzierter zeremonieller Spitzen (Abb. 1: 4) sind sowohl in den Sammlungen als auch in den Fundstoffen europäischer Provenienz mehr als selten (z. B. Denkstein 1969).

Kompliziert ist auch die Situation der Gegenstände statutarischen Charakters auf etwas niedrige-rem sozialem Niveau. Ein klassisches Beispiel bieten die prunkvoll verzierten Armbrustbolzeneisen (Abb. 1: 5), bei denen angenommen wird, dass sie ein statutarisches Abzeichen der Kommandanten der Schützeneinheiten waren (z. B. Kalmár 1957; Nickel 1969; der letzte tschechische Fund stammt aus der vorgeschobenen Bastei der Burg Český Šternberk, vergl. Durdík und Brych 1984; Abb. 1: 6).

Die Tätigkeiten, mit denen sich der Hochwohlgeborene mit Rücksicht auf seine Position und den ihr entsprechenden moralischen Kodex beschäftigen konnte, waren im Wesentlichen nicht sehr zahlreich.

Eine Bedeutung für den Alltag der Burg hatte vor allem die Pfl ege der ritterlichen Tugenden und der damit verbundenen Courtoisie. Eine der grundlegenden Unerlässlichkeiten war in diesem Zusammenhang die prunkvolle Gastfreundschaft, verbunden mit einer unter ihresgleichen üblichen Freigebigkeit.

Das erforderte allerdings einen entsprechenden Rahmen. Dafür war der anspruchsvollste und re-präsentativste Raum im Burgpalas – der große Saal – geeignet. An dieser Stelle lassen wir die Probleme der betrieblichen Verbindungen, der Ausmaße, Ausschmückung und architektonischen Gestaltung bei-seite und beachten die Möglichkeiten der Aussage archäologischer Quellen.

Zu den im großen Saal organisierten Aktionen gehörte hauptsächlich eine prunkvolle Tafel. Von der Ausstattung, die dazu erforderlich war, fehlt in der Evidenz der üblichen archäologischen Situation vor allem das Metallgeschirr, insbesondere das aus Silber und Zinn. Dies nicht nur mit Rücksicht auf

Abb. 1: Gegenstände statutarischen Charakters. 1, 2 – Persönliche Siegelstempel aus den Burgen Křivoklát (1) und Jindřichův Hradec (2; Fotos: K. Vlček); 3 – Prunkrittersporn (nach Denkstein

1969); 4 – verzierte zeremonielle Bannenspitze (nach Nickel 1969); 5 – hypertrophes verziertes Armbrustbolzeneisen (nach Nickel 1969); 6 – verziertes Armbrustbolzeneisen aus der vorgeschobenen

Bastei der Burg Český Šternberk, links Zustand vor, rechts nach der Konservierung (Zeichnung: T. Durdík). Verschiedene Maßstäbe.

Fig. 1: Statutory objects. 1, 2 – Personal seal matrices from the castles of Křivoklát (1) and Jindřichův Hradec (2; photos by K. Vlček); 3 – ceremonial spur (after Denkstein 1969); 4 – decorated ceremonial

tip of a banner staff (nach Nickel 1969); 5 – oversize decorated crossbow bolt head (after Nickel 1969); 6 – decorated crossbow bolt head from the bastion of Český Šternberk Castle, image on the left

before, the one on the right after conservation (drawing by T. Durdík). Various scales.

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den Wert und die Rezyklierbarkeit des Materials, sondern auch auf Grund weiterer Tatsachen (z. B.

bei Zinn auch auf seine Zerlegbarkeit im Frostzustand). Bei der üblichen Archäologisierung verlieren wir auch Gegenstände aus organischen Stoffen. Wenn es zu keiner „pompejanischen“ Situation kommt (wie z. B. im Vasallenhaus der Burg Křivoklát, siehe Durdík 2001b und 2002), ist natürlich das archäo-logisierte Bild durch die Tatsache determiniert, dass es allgemein ohne Rücksicht auf das Material um Gegenstände ging, die, wenn sie nicht unreparierbar waren, nicht weggeworfen wurden. Allgemein kann neben Glas nur mit Keramik oder einigen Metallgegenständen gearbeitet werden. Auch im Rahmen der Keramik fanden sich teuere und ausnahmsweise importierte Gefäße und Gegenstände (Kerzenständer, Plastiken und ähnlich; z. B. Durdík 1984; Abb. 2). Die Zusammensetzung der keramischen Ensembles auf den Burgen charakterisiert ohne Rücksicht auf den Fundort allgemein die stärkere Vertretung der hochwertigen Keramik, besonders der Trinkgefäße (Krüge, Pokale, Becher, Humpen). Wie die Funde im bereits erwähnten Vasallenhaus in Křivoklát zeigten, konnten sich auf den Tischen auch sehr spe-zialisierte und kaum üblich benützte Gefäße befi nden (z. B. prunkvolle Pokale mit Stürzen für heiße Alkoholgetränke, importierte Becher, spaßhafte Trinkgefäße, Gewürzbecher; Abb. 2). Ein normaler Gegenstand am Tisch war auch das Aquamanile aus Metall sowie aus Keramik, das beim Essen zum Waschen der Hände diente. Für das vornehme Milieu ist die anspruchsvolle Form dieses speziellen Gefäßes charakteristisch, sowohl in Metall- als auch in keramischer Ausführung. Sehr oft hatte es die Form eines Ritters in voller Rüstung, eines Löwen oder Greifs. Der neueste Fund aus der Burg Pořešín hatte die Form eines Wildschweins (Abb. 3: 3). Die Spitzenform des Tafelgeschirrs war ein hochge-schätzter Besitz, was anschaulich seine Unterbringung bezeugt, zusammen mit dem übrigen wertvollen Besitz (Rüstung und Waffen) in den Truhen der Vasallen in Křivoklát.

Wesentlich schlechter sind wir aus den archäologischen Quellen über die luxuriösen metallenen Tischgegenstände informiert, die zweifellos eine sehr raffi nierte und anspruchsvolle Form erreichen konn-ten, wie z. B. der bronzene Haselnussknacker aus der Burg Týřov beweist (Durdík 2001a; Abb. 3: 1).

Eine prunkvolle Gastfreundschaft erforderte natürlich auch eine entsprechende Vorversorgung, vor allem mit Getränken. In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant sich der großen Ausmaße der Burgkeller bewusst zu werden, in denen die Fässer gelagert waren (z. B. Durdík 2006) und auch der Tatsache, dass aus dem Burgenmilieu (z. B. Křivoklát und Vimperk / Winterberg) auch die Belege der Erzeugung von Spirituosen in Form der Funde von Fragmenten keramischer Destillierapparaten stam-men (Abb. 3: 4).

Für die Realisierung prunkvoller Gastmähler konnte in der Nachbarschaft des großen Saales auch die kleine Küche für Pfannengerichte (Minutenküche) dienen, die zum Aufwärmen der Gerichte und be-sonders zur schnellen Zubereitung von Fleisch (Rösten, Spießbraten u. a.) bestimmt war; solche Küche befi ndet sich z. B. im Vasallenhaus in Křivoklát (Durdík 2001b und 2002; Abb. 3: 2).

Die archäologischen Belege der sonstigen, vor allem im großen Saal organisierten und mit Courtoisie verbundenen Aktivitäten sind wesentlich bescheidener. Die Überreste von Musikinstrumenten sind in Anbetracht dessen, dass sie in absoluter Mehrheit aus organischen Stoffen erzeugt waren, sehr selten.

Ein interessantes Problem präsentieren die Beweise der Anwesenheit von Büchern, die besonders in der

Abb. 2: Prunktafelgeschirr. 1 – Polychromierte keramische Tafelplastik aus der Burg Žebrák (Zeichnung: P. Chotěbor); 2–7 – Funde aus der Truhe im Ministerialhaus der Burg Křivoklát: zwei

importierte keramischen Prunkpokale für heiße alkoholischen Getränke (2, 3), Gewürzbecher (4), importierter Steinzeuggefäß (5), Igelpokal (6), spaßhaftes Trinkgefäß (7; Fotos: H. Toušková).

Verschiedene Maßstäbe.

Fig. 2: Decorative ceramic tableware. 1 – Painted ceramic table sculpture from Žebrák Castle (drawing by P. Chotěbor); 2–7 – fi nds from a chest found in the Vassals' House of Křivoklát Castle:

two imported decorative goblets for hot alcoholic drinks (2, 3), mugs for spices (4), imported stoneware vessel (5), goblet in the shape of a hedgehog (6), fun drinking vessel (7; photos by H.

Toušková). Various scales.

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Abb. 3: Tisch und Küchenausrüstung. 1 – Bronzener Haselnussknacker aus der Burg Týřov (Zeichnung:

H. Komárková); 2 – großer Bronzemörser aus der Schnellgerichtküche im Ministerialenhaus der Burg Křivoklát (Foto: H. Toušková); 3 – Fragmente einer Aquamanile in der Form einer Wildschwein aus der Burg Pořešín (Foto: T. Durdík); 4 – Fragmente eines keramischen Destillierapparats (Alembicum)

aus der Burg Vimperk (Zeichnung: H. Komárková). Verschiedene Maßstäbe.

Fig. 3: Table and kitchen utensils. 1 – Bronze nutcracker from Týřov Castle (drawing by H.

Komárková); 2 – large bronze mortar from the auxilliary kitchen in the Vassals' House of Křivoklát Castle (photo by H. Toušková); 3 – fragments of an aquamanile in the shape of a wild boar from Pořešín Castle (photo by T. Durdík); 4 – fragments of a ceramic distillation apparatus (Alembicum)

from Vimperk Castle (drawing by H. Komárková). Various scales.

Abb. 4: Zeit und Freizeit. 1 – Funktionsfähige Replik einer schweizerischen Uhr aus den 1340er Jahren (Foto: T. Durdík); 2 – eiserner Oszillator aus solcher Uhr aus der Burg Velešín (Zeichnung:

H. Komárková); 3 – bronzener Buchbeschlag aus der Burg Týřov (Foto: V. Jílková); 4 – Stecknadeln aus der Burg Týřov (Foto: V. Jílková); 5 – Schachfi gur und Würfel aus der Burg Týřov (Zeichnung: T.

Durdík). Verschiedene Maßstäbe.

Fig. 4: Time and leisure. 1 – Working replica of a Swiss clock from the 1340s (photo by T. Durdík);

2 – iron Oscillator of a similar clock from Velešín Castle (drawing by H. Komárková); 3 – bronze fi tting for a book cover from Týřov Castle (photo by V. Jílková); 4 – pins from Týřov Castle (photo by

V. Jílková); 5 – chess piece and dice from Týřov Castle (drawing by T. Durdík). Various scales.

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Form von Beschlägen der Bindungen (Abb. 4: 3) im archäologischen Material der böhmischen Burgen nicht selten sind. Diese Funde bringen uns allerdings überhaupt keine Aussage über den Charakter dieser Bücher, besonders wenn es sich um Bücher der liturgischen oder poetischen Literatur, oder um Werke mit Ritterthematik handelte. Die anspruchsvollen, reich verzierten Bindungen ermöglichten an-scheinend nur das Ausschließen der üblichen betrieblichen, z. B. wirtschaftlichen Aufzeichnungen.

Das höchste Niveau der Burgbewohner unterschied sich unbestreitbar von den übrigen Schichten durch den etwas anderen Zutritt zur Zeitempfi ndung. Diese verlangte auch eine genauere Zeitmessung.

Die Funde der Taschensonnenuhren kennen wir erst seit der Renaissance (z. B. Landštejn oder Jirny;

vergl. Špaček 2007). Vor allem in den großen Sälen der mittelalterlichen Burgen kann auch mit der Existenz mechanischer Uhren gerechnet werden (siehe Michal 1976 und 1987; Durdík 1991), die zwei-fellos den Gegenstand eines großen Prestiges darstellten. Ihren Nachweis kompliziert die Tatsache, dass es sich um ein sehr spezifi sches Erzeugnis handelt, das außer den Zahnrädern für den üblich informierten Archäologen im zerlegten Zustand sehr schlecht erkennbar ist. Dass Bestandteile mechanischer Uhren im Fundstoff böhmischer Burgen zu fi nden sind, beweist u. a. der Fund des Armes eines Balanciers aus der Burg Velešín (Durdík 2008; Abb. 4: 2).

Die Hochwohlgeborenen konnten ihre Langweile mit Spielen vertreiben. Die Funde von Spielkarten sind auf Grund des Materials, aus dem sie erzeugt waren, sehr selten; zuletzt wurden Spielkarten unter dem Fußboden des Vladislavschen Saales der Prager Burg gefunden. Aus den Burgen kennen wir jedoch eine unübersehbare Menge von Schachfi guren (Abb. 4: 5) und Spielsteine, die mit den Spielen Dame, Tric-Trac und Mühle verbunden werden können, ebenso wie die Würfel (Abb. 4: 5). Ein Zeitvertreib der hochwohlgeborenen Damen war vor allem auch die Stickerei. In den Ensembles der Burgen registrieren wir meistens Nadeln, Stecknadeln (Abb. 4: 4), Fingerhüte, kleine Scheren u. ä. Zu entscheiden, von wem und wozu diese Gegenstände benützt wurden, sind wir nicht fähig.

Eine bedeutende, den Hochgeborenen vorbehaltene Tätigkeit war die Jagd, die unbestreitbar mit großem Interesse betrieben wurde, wie u. a. die starke Beliebtheit der Jagdszenen und Motive auf den Ofenkacheln beweist. In einem leichten Widerspruch zu dieser bestimmt berechtigten Vorstellung ste-hen die Ergebnisse der Analyse osteologischer Materialien aus den böhmiscste-hen Burgen, die einen etwas geringeren Anteil von Knochen des Jagdwildes belegen, als zu erwarten wäre (z. B. Peške 1994).

Eine spezielle Jagdausrüstung registrieren wir in den Fundkollektionen nur ausnahmsweise.

Was die Waffen anbelangt, hatten sie meistens einen eher universellen Charakter und ihre ein-deutige Klassifi zierung ist nicht problemlos. Es sind mit ihnen die gleichen Probleme verbunden, wie mit den Kriegswaffen. Für eine spezielle Jagd konnte allerdings auch eine spezialisierte Munition be-nützt werden, z. B. leichte Pfeile für eine Vogeljagd (z. B. Prihoda 1932). Eine ausgesprochene Jagd- (zur Vogeljagd) oder Zimmerwaffe war die Ballestra (z. B. Harmuth 1975), aus der mit Lehm- oder Glaskugeln geschossen wurde, die wir aus dem Milieu der Burgen kennen und die von Archäologen oft für ein Kinderspielzeug gehalten wird. Die Waffe selbst war überwiegend aus Holz, ihre Bestandteile je-doch aus beständigeren Materialien und deshalb ist es möglich, sie mit dem Rest einer kleinen Armbrust zu verwechseln.

Zu einer speziellen Jagdausrüstung gehörte auch eine Vorrichtung zum Scheuchen, die oft aus ke-ramischen, an Schnüre gebundenen Glöckchen bestand. Höchstwahrscheinlich können damit die Funde solcher Glocken (Abb. 5: 3) verbunden werden (z. B. Durdík 1977).

Zur Jagd wurden auch Jagdhunde gezüchtet, jedoch nicht selten außerhalb der Burg (z. B. auf der Burg Křivoklát gehörte die Zucht zu den Pfl ichten der Vasallen; vergl. Kočka 1936). Eine vornehmere und beliebte Art der Jagd war die falkenartige Benützung von Raubvögeln. Auf den Burgen müssen wir mit ihr als einer üblichen Erscheinung rechnen, obwohl den einzigen verlässlichen Beleg zwei Koben für die Zucht dieser Vögel bilden (Abb. 5: 1), die am Hofe neben dem Haus der Vasallen in Křivoklát gefunden wurden (z. B. Durdík 2001b und 2002). Insgesamt laufend fi nden wir bronzene Schellen (Abb. 5: 4), die aber auch einen anderen Zweck haben konnten.

Abb. 5: Jagd. 1 – Koben für die Raubvögelzucht und Teile eines Prunkjagdwagens aus der Ministerialenhaus der Burg Křivoklát (Foto: T. Durdík); 2 – Trophäenbearbeitung eines Rehbockgeweihes und ein Trink(?)horn aus der Burg Tetín (Zeichnung: H. Komárková);

3–4 – Tonschelle zum Scheuchen (3) und Bronzeschellen aus der Burg Týřov (4; Fotos: K. Vlček und V. Jílková). Verschiedene Maßstäbe.

Fig. 5: Hunting. 1 – Cage for breeding birds of prey and parts of a ceremonial hunting wagon from the Vassals' House of Křivoklát Castle (photo by T. Durdík); 2 – processing of roebuck antlers for a trophy and a drinking(?) horn from Tetín Castle (drawing by H. Komárková); 3–4 – ceramic scaring bell (3)

and bronze bells from Týřov Castle (4; photos by K. Vlček and V. Jílková). Various scales.

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Abb. 6: Waffen. 1–4 – Teil des Truheninhaltes im Ministerialenhaus der Burg Křivoklát: Armbrust (1), Ersatzlanzenspitze und Hufeisenpfl egegarnitur (2), Streitaxt (3), Lauf einer kleinen Handfeuerwaffe (4; Fotos: T. Durdík und K. Vlček); 5 – Kinderstreitaxt und 6 – Kindersteigbügel aus der Burg Rabí (Zeichnung: T. Durdík); 7 – Repertoire von Projektilen aus dem ersten Vorburgtor der Burg Zlenice

aus der Belagerung in den 1460er Jahren (Zeichnung: L. Raslová). Verschiedene Maßstäbe.

Fig. 6: Weapons. 1–4 – Part of the contents of a chest found in the Vassals' House of Křivoklát Castle:

crossbow (1), replacement lance tip and horseshoes mending kit (2), battle axe (3), barrel of a small fi rearm (4; photos by T. Durdík and K. Vlček); 5 – child’s battle axe and 6 – child’s stirrup from Rabí Castle (drawing by T. Durdík); 7 – repertory of projectiles from the outer bailey gate of Zlenice Castle

from a siege in the 1460s (drawing by L. Raslová). Various scales.

Eine interessante Frage präsentiert die Trophäennützung des erlegten Wildes. Bisher wurde all-gemein angenommen, dass z. B. die Trophäenbearbeitung des Geweihes erst eine Angelegenheit des Barocks und noch jünger ist. Aus der Untersuchung auf der Burg Tetín stammt allerdings zweifellos die Trophäenbearbeitung des Rehbockgeweihes (Abb. 5: 2), die an die Wende vom 13. zum 14. Jahrhunderts datiert ist (Peške 1994).

Einer der wichtigsten Lebensinhalte der Hochgeborenen war der Kampf, für den sie seit Kindheit erzogen und vorbereitet wurden. Für die jungen Söhne der Burgherren begann das Üben der Waffenbeherrschung und weiterer Fertigkeiten für den Kampf sehr frühzeitig und dazu musste auch eine entsprechende Ausstattung gesichert sein. Auch die kindliche Ausrüstung und Ausstattung war eine durchaus kostspielige Angelegenheit und in den archäologischen Funden fi nden wir sie nur selten.

Stichprobenweise erwähnen wir das hölzerne Schwert aus der Zisterne der Burg Jindřichův Hradec oder das kindliche Streitaxt und Steigbügel aus der Burg Rabí (Durdík 1989; Abb. 6: 5–6).

Die Waffen, Rüstungen und Ausstattung sind allgemein im archäologischen Material sehr wenig vertreten und in einer markant modifi zierten Form, so dass das gewonnene Bild von der mittelalterlichen Realität bestimmt beträchtlich entfernt ist. Das hat einige Ursachen. Vor allem ging es um Gegenstände, die auf Grund ihrer Qualität und Kostspieligkeit bis auf Ausnahmen nicht weggeworfen wurden. Erzeugt waren sie meistens aus qualitätsgerechtem Material, das erneut benützt oder verkauft werden konnte;

im Fall der Beschädigung war es oft möglich auch nur Teile neu auszunützen, z. B. den Knauf eines Schwertes für einen Streitkolben. Sie waren Gegenstand der Evidenz, ihre Lagerung und ihr Schutz

im Fall der Beschädigung war es oft möglich auch nur Teile neu auszunützen, z. B. den Knauf eines Schwertes für einen Streitkolben. Sie waren Gegenstand der Evidenz, ihre Lagerung und ihr Schutz