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Die architektonische Form der Bebauung der Vorburgen als möglicher Gradmesser ihrer sozialen Bedeutung

Mit Blick auf die bisherigen Erkenntnisse, die durch fachübergreifend konzipierte Untersuchungen mittelalterlicher Burgen gewonnen wurden, ist offensichtlich, dass die mittelalterliche Burg nicht nur ein hochkompliziertes, aus der komplexen und vielschichtigen mittelalterlichen Kultur hervorgegangenes Artefakt war, sondern auch ein sehr bedeutendes Symbol des europäischen Mittelalters. Die symbolische Bedeutung der Burg lag nicht nur in ihrer Ausstattung, sondern auch in ihrer architektonischen Gestalt.

Hochwertige steinerne Architektur besitzt vielseitiges Demonstrations- und Symbolpotential. An dieser Stelle kann man sich zur Illustration eines der möglichen Demonstrations- und Bedeutungsaspekte der Architektur auf einen Aphorismus von E. H. Carr (1967, 18) stützen, dass der Urheber der Architektur, also die Person des Erbauers des Burgobjekts oder eines seiner Teile, durch Architektur das ausdrückte, was er dachte, oder was andere von ihm denken sollten, das er dachte. Grundlegend erscheint daher die Frage, was der Erbauer der Burg möglicherweise durch derer Form und Ausstattung mitteilen wollte und wem, denn es ist verständlich, dass die mittelalterlichen Burgen, so wie andere Artefakte aus der Zeit des Altertums und des Mittelalters, von verschiedenen Personengruppen auf verschiedene Weise wahrgenommen wurden.

Türme

In verschiedenen Umfeldern gelege-ne Türme stellten bedeutende architektoni-sche Elemente dar, die im Hinblick auf ihre Ausstattung als Bauten an der Grenze zwischen Wohn-, Verteidigungs-, Repräsentations- und Lagerfunktionen mit ungewöhnlich hoher sym-bolischer Bedeutung fungierten. Es ist daher nicht erstaunlich, dass man einige Realisierungen rein im Kontext der demonstrativen Architektur bewerten kann (Durdík 2004a und 2006a). Was die Vorburgen der mittelalterlichen Burgen in Böhmen betrifft, lässt sich eine Reihe von Fällen der Erbauung dieser Objekte dokumentieren, ob nun aus Verteidigungs- oder Residenzgründen.

Dieses architektonische Element, das in weiteren und engeren Zusammenhängen auch als nicht zu übersehendes Machtsymbol begriffen wurde, diente jedoch in jedem Fall dazu, das Bild der Burg zu vervollständigen, wie sie vom mittelal-terlichen Menschen wahrgenommen wurde.

In der ritterlichen Dichtung wird den Türmen als Burgattributen relativ große Aufmerksamkeit gewidmet. So zum Beispiel im Lais Sir Orfeo aus der Zeit um das Jahr 1300: „... die Burg … um die ein hundert Türme standen“ (Austin 1984, 71). Der niedrige Geistliche William Langland (1332–1386) beschreibt die Burg in seinem Gedicht Piers Plowman mit folgenden Worten:

„Als ich nach Osten hoch zur Sonne sah,

er-Abb. 1: Libštejn (Kreis Plzeň-Nord), visualization of the bailey; present situation. The

arrows indicate the probable remains of square towers (after Kasl 2010, 298).

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blickte ich auf einem Hügel einen Turm, gut gebaut; ein tiefes Tal unter dem Donjon“ (Austin 1984, 81).

Im Spätmittelalter wurde die Burg als eine komplexe Welt aus Allegorien und Romanzen betrachtet.

In der ritterlichen Dichtung wird die Burg als ein Bild der Wirklichkeit und als ideologisches Symbol aufgefasst. Es ist daher verhältnismäßig wahrscheinlich, dass die gewählte architektonische Form der Vorburg im Falle von Burgen von höherem qualitativem Niveau kein Selbstzweck war. Auch im Falle einer Bebauung der Vorburg mussten jedoch die Form, die räumliche Struktur und die Funktion der Objekte den Ansprüchen, die an das konkrete Vorburgareal gestellt wurden, genügen. Als ein Beispiel dafür kann die Vorburg der Burg Libštejn genannt werden (Abb. 1). Bei den Oberfl ächenuntersuchungen der Lokalität wurden in Rahmen der Vorburg die wahrscheinlichen Wohntürme identifi ziert, welche auch in den schriftlichen Quellen mehrmals erwähnt wurden (zuletzt Kasl 2010, 294, 297, Abb. 2). In dieser Sinn kann die Bedeutung auch auf andere Varianten von turmartigen Objekten übertragen werden, besonders die Torbauten oder die Verteidigungsobjekte, z. B. die Basteien, oder weitere Türme, welche in Rahmen den Vorburgen, vor allem in der Anblickzone des Areals der Vorburg, erbaut wurden.

Burgspeichern

Burgspeichern stellen, ähnlich wie Türme oder Befestigungen, vollends funktionelle Bauten dar, denen eine große symbolische und gesellschaftliche Bedeutung zugeschrieben wird. Die Lagerung von Getreide und die entsprechenden Lagerobjekte waren im Mittelalter und in der Neuzeit eine Notwendigkeit auf der einen und ein Symbol der materiellen Versorgung auf der anderen Seite (z. B.

Rykl, in Druck). Die Tatsache, dass dieser Artikel in möglichst hochwertigen gemauerten Gebäuden gelagert wurde, hängt auch mit dessen Schutz vor Feuer und anderen Einfl üssen zusammen. Es ist daher nicht erstaunlich, dass sich diese Objekte in einigen Fällen, besonders in der älteren Zeit, im Bereich der Kernburg konzentrierten. Als Beispiele können der bedeutende Turm der Burg Kost im Kreis Jičín (Durdík 2000, 273–275 mit weiterer Literatur) mit Speicherböden oder die Speichergebäude in der Nachbarschaft des Wohnturms der Burg Kozí Hrádek im Kreis Tábor dienen (Hložek und Menšík 2009;

Hložek, Křivánek und Menšík 2011; Abb. 2).

Die Identifi zierung von Burgspeichern mittels archäologischer Quellen ist keinesfalls einfach und im Rahmen einer Bewertung und Beschreibung erhaltener Geländerelikte ohne archäologische Untersuchungen oder ohne einer wenigstens minimalen Sonde nicht realistisch. Nicht immer mussten jedoch die Getreidespeicherräume die Form eines selbständigen Objektes annehmen, sie konnten auch einen Teil von Mehrzweckbauten in Gestalt von Speicherböden bilden. Dieser Umstand muss jedoch nicht notwendigerweise die Bedeutung dieser Speicherräume mindern.

Abb. 2: Kozí (Kreis Tábor).

Der Pfeil kennzeichnet den Burgspeicher (Grundriss nach Menclová 1972, Bd. 1, 428).

Fig. 2: Kozí (district Tábor).

The arrow indicates the castle granary (ground plan after Menclová 1972, vol. 1, 428).

Allein auf Grundlage des Vorkommens verbrannter Getreidekörner wurde ein Gebäude im westli-chen Teil der Burg Kozí Hrádek als Speicher interpretiert. Mit Blick auf die Logik des Burgbetriebs und auf die sich verändernde funktionelle Ausrichtung der Vorburgen im Zuge der Steigerung der unterneh-merischen Aktivitäten des Adels im Laufe des 15. Jahrhunderts lässt sich die Existenz von Kornhäusern im Bereich der Vorburgen größerer Burgen annehmen. Auf der Ebene der erhaltenen Geländerelikte wurden diese Objekte bisher jedoch nicht identifi ziert.

Unter den am besten erhaltenen im Vorburgbereich gelegenen Kornhäusern sind die Kornhäuser auf Bechyně (Durdík 2000, 54–56 mit weiterer Literatur) und Švihov (Muk 1979; Durdík 2004b, 68) verzeichnet. Das Burgspeicher in der Vorburg der Burg Bechyně (Abb. 3) stellt einen unterkellerten go-tischen Bau dar, der schon auf einer Zeichnung der Vorburg von Willenberg festgehalten wurde (z. B.

Durdík 2002, 11). Über den zweischiffi gen Kellern mit rippenlosen Kreuzgewölben mit halbgerundeten Stirnen befi nden sich drei Speichergeschosse mit fl acher Decke und geschnitzten Mittelpfeilern aus Holz, die die Mittelbalken der Balkendecken stützen. Mit Blick auf den Charakter der steinernen Tür- und Fensterlaibungen lässt sich die Entstehung des Kornhauses auf das Ende des 15. Jahrhunderts datieren, als ein weitgehender Umbau des Burgareals realisiert wurde. Als jüngste Grenze für die Entstehung kann man das Jahr 1518 auffassen, in dem die Burg samt Dominium unter mehrere Eigentümer aufgeteilt wurde (Muk 1979, 115). Die umgesetzten

archi-tektonischen Elemente weisen allerdings eine große Ähnlichkeit mit Gliedern auf, die bei dem Umbau des Franziskanerklosters in Bechyně ge-nutzt wurden; dieser wurde im Jahr 1491 erbaut.

Sehr interessant ist weiterhin der Zusammenhang zwischen der Bechyner Burgspeicher und dem Bau der Burg Švihov (Abb. 4), auf den schon D. Menclová (1972, Bd.

2, 410; siehe auch Durdík 2000, 545–548 mit weiterer Literatur; Durdík 2004b, 67) hingewie-sen hat. Offensichtlich hat sich am Aufbau der Burg Švihov und des Burgspeichers der Burg Bechyně die selbe Bauhütte beteiligt. Das be-weisen sowohl die ähnlichen Konzepte der bei-den Burgspeicher als auch einzelne Stein- und Baudetails, wie z. B. die rippenlosen Gewölbe (Muk 1979, 116). view of the locality. The arrow indicates the castle granary (aerial photo after: www.

panstvi-bechyne.cz/zamek-cz/

zamecky-areal/).

Abb. 4: Švihov (Kreis Klatovy), Burgspeicher;

heutiger Zustand (Foto: J. Hložek).

Fig. 4: Švihov (district Klatovy), castle granary;

present situation (photo by J. Hložek).

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Hinsichtlich der bisherigen Erkenntnisse zu den mittelalterlichen Kornhäusern in Böhmen lässt sich festhalten, dass es sich um zwei der größten aus dem Mittelalter erhaltenen Kornhäuser handelt, die in möglichen Zusammenhängen mit zeitgenössischen Kornhäusern aus dem Klostermilieu stehen könnten. In beiden Fällen ist bemerkenswert, dass es sich um eine der ersten Umsetzungen rippenloser Kreuzgewölbe in Böhmen handelt. Aus funktioneller Perspektive kann man die beiden Kornhäuser au-ßerdem als sehr wichtige Belege für die Entwicklung des adeligen Unternehmertums bewerten.

Ähnliche Eigenschaften können auch mit anderen Objekten und Betrieben verbunden werden, die beachtliche Einnahmen sicherstellten. Als typisches Beispiel können weitläufi ge, in den Vorburgen gele-gene Brauereien (z. B. Durdík 2006b) dienen, deren Produktion bei Weitem nicht nur den sicher relativ großen Bedarf der Burgbewohner deckte, sondern die (besonders im Falle gebundener Schankhäuser) auch eine beträchtliche, und dabei fast nicht versiegende Einnahmequelle darstellten. Besonders große Brauereien trifft man zum Beispiel auf den Burgen Žampach (Kreis Ústí nad Orlicí; Cejpová 1988), Krašov (Kreis Plzeň-Nord; Durdík 1975), oder in der Vorburg der Burg Lipý (Kreis Česká Lípa), wo man spätestens im Laufe des 14. Jahrhunderts mit der Existenz einer Brauerei rechnen muss (z. B.

Panáček 2004, 379–380). Zur Deckung des Bedarfs der Burgbewohner reichten jedoch weit kleinere Anlagen völlig aus, wie sie zum Beispiel auf der Königsburg Křivoklát (Kreis Rakovník) freigelegt wur-den (Durdík 2006c). Es ist möglich, diesen Objekten, hypothetisch und mit einigem Maß an Vorsicht, ähnliche Eigenschaften wie den Speichern zuzuschreiben.

Weitere bedeutende Bauelemente der Vorburgen mit einer möglichen