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3. DIE URSACHEN DER GEBURTENBESCHRÄNKUNG

3.4. Zusammenfassung

Nach der Aufzählung und Überprüfung der Tatsachen der Geburtenbeschrän-kung wurde der Schluß gezogen, daß die Folgen eines kontrazeptiven Verhal-tens nicht genügend von ihren Symptomen, sogar von ihren Ursachen losgelöst

404 ANDRÁSFALVY, B.: Blütezeit und Untergang einer ungarischen Volksgruppe: Ormányság.

Über die historischen Gründe, die zur Anomie einer Bauerngesellschaft führten,1987.

werden können. Eine Tatsachenforschung endet konsequenterweise in einer Ursachenforschung; die letzte ergänzt notwendigerweise die erste.

Um die Entwicklung der sozialen Indikation zu einer allumfassenden Sozial-norm zu erforschen, war zunächst die Überprüfung des Ertrags der immensen sogenannten Einkindsliteratur notwendig. Ihre Menge wurde aufgrund der Strukturen der verschiedenen Aussagen und Deutungen, durch die Einführung einer neuen Distinktion geordnet und mit den Termini: monokausal, dualistisch und pluralistisch gekennzeichnet.

Aussagen, die von zeitgenössischen Beobachtern im synchronischen Kon-text gefaßt wurden, und die Charakteristika nicht als Teilsymptome, sondern zunächst als die Ursache im Sinne einer Kausalität auffassen wollten, wurden monokausal, und wegen ihrer Reduzierung auf einen einzigen Umstand Ein-Faktor-Deutung genannt.

Andere synchronische Aussagen und Deutungen, die den komplexen Cha-rakter dieser Anomie wahrnehmend, zwei grundlegenden Umständen ein ent-scheidendes Maß beimaßen – die Zwei-Faktor-Deutungen – wurden dualistisch genannt, und es wurde dabei das Fehlen einer Tiefendimension im zeitlichen beanstandet.

Erst die populistische Analyse hat eine komplexe diachronische Struktur wahrgenommen, darum wurde sie pluralistisch genannt. Eine Erklärung der Anomie des Einkindsystems braucht eine Mehrebenen- und Mehrphasentheo-rie, indem strukturelle, kognitive und zeitbedingte Faktoren gleichermaßen herangezogen und untereinender abgestimmt werden (Drei-Faktor-Deutungen).

Diese Integrierung der drei grundlegenden Ebenen bedeutete weiterhin das zu lösende Problem. Das Psychologikum der Erscheinung sollte erklärt wer-den, wozu das Drei-Phasen-Modell von I. Kovács mehr Chancen zu geben ver-mag als das Tiefenpsychologikum, geboten von G. Roheim. F. Erdei hat das sozioökonomische Spezifikum genügend hypothetisiert und dessen historische Deutung mit mehr Erfolg versucht, ohne dabei zur Klärung der historischen Entwicklung der verschiedenen herauskristallisierten Mentalitäten zu gelangen.

Neueste sozialwissenschaftliche Forschungen konnten sich auf gut vorberei-teten Boden stützen. Demographische Mikroanalysen, vor allem die Anwen-dung der nominativen Methode der historischen demographischen Forschung auf ungarisches Material durch R. Andorka; weiterhin historisch-demographi-sche Makrostudien von P. Demény, K. Tekse – besonders die Untersuchung der Haushaltsstrukturen durch T. Faragó –, haben zu neuen Einsichten geführt, die die früheren Forschungsergebnisse im großen und ganzen guthießen, durch

Vergleiche von internationalen Parallelen dennoch zu einer neuen (Hypo)these gekommen sind, die die Bevölkerungstheorie von G. Mackenroth mit ungari-schen Unterlagen unterstützen konnten.

Andorkas Anteil war dabei eine strukturalistische Integrierung der psycho-sozio-ökonomischen Faktoren, mit ausgeprägter Formulierung eines Mangels an kognitivem Wissen; Faragó hat dabei – in der Gegenüberstellung des typisch-europäischen “Zentrums” mit der südosteuropäisch-ungarischen “Peri-pherie” – die Reihenfolge umgekehrt und auf die entscheidende Rolle der Kognitivität bei der Herausgestaltung einer sozio-ökonomischen Struktur hin-gewiesen.405

Ein Zusammentreffen einer von der christlichen Kirche geprägten Mentalität (asketische Selbsttranszendenz, Eheschließung nicht “auf jeden Fall”, sondern unter bestimmen Vorbedingungen, alternatives zölibatäres Leben ist dabei möglich und sozial vorgeschrieben) mit einer Neuerung im Erbsystem auf dem Bereich des Agrarsektors (Majorat bzw. Minorat), bzw. in der Entwicklung zu einer Sozialnorm: Eheschließung erst unter der Vorbedingung, daß die mate-riellen Grundlagen des Haushaltes geerbt oder neu hervorgebracht werden sol-len – diese Umstände haben den relativ übervölkerten Regionen des europäi-schen Zentrums dazu verholfen, eine neue Bevölkerungsweise, ein neues demographisches Modell zu prägen. – Dabei waren die verschiedene Hungers-nöte, Epidemien oder Kriege ausschlaggebend, die ersten beiden haben im süd-osteuropäisch-ungarischen Bereich keine so grundlegende Rolle gespielt –, um so größer war die Bedeutung der letzten, der Kriege, da es um ein Randgebiet zwischen Zivilisationen ging. Bei günstiger geographische Lage des europäi-schen Zentrums (bei der Verlagerung der Handelswege), bei ständiger Assi-stenz der europäischen Peripherie von (wenigstens) Ost- und Südosteuropa (und der neuentstandenen Kolonien) – mit billigem Rohstoff und gutem Ab-satzmarkt für eigene Produktionen –, hat diese Erneuerung in der Bevölke-rungsweise eine neue Produktionsweise eingeleitet. Die demographische Neuerung des europäischen Zentrums hat zur Neuerung im Wirtschaftssystem entschieden beigetragen, das wiederum entschieden den Prozeß eines demog-raphischen Phänomens – demographischer Übergang genannt – ausgelöst hat.

405 “These seems to be one obvious conclusion: there is no constant relation between populati-on and ecpopulati-onomics in time and space and therefore it is impossible to suggest any single cau-sal model. Only a structuralist concept of the interdependences between economic, social and demographic phenomena would perhaps make a more positive approach possible…”, siehe: LORIAUX, M.: Economics, Populations and Demographic Policy,in: BIFFI, F.

(Hrsg.), 1984. S. 392. – Einige Seiten später spricht M. Loriaux über ein “subsystem of a broader system”, siehe ebenda, S. 400.

Dieser demographische Übergang ist noch nicht vorüber, in unserer Periode hat er sich in der ersten und – teilweise in der zweiten Welt vollzogen, und ist erst heutzutage in der dritten Welt am Beginn der Endphase, indem die frühere rasche Zunahme langsam – in einigen Jahrzehnten, höchstens innerhalb eines Jahrhunderts – auf Null-Zuwachs hin tendiert.

Ohne auf diesem Weg zu weit zu kommen, soll gleich hinzugefügt werden, daß bei dieser Theorie, die die Tiefenschichten der europäischen Gesellschafts-geschichte weit jenseits der erreichbaren und zur Verfügung stehenden demog-raphischen Quellen analysiert und darum nur sehr hypothetisch gesetzt werden kann, es faszinierend ist, daß aufgrund der ungarischen Erfahrungen eine Hypothese bestätigt werden kann (T. Faragó), die bei G. Mackenroth früher, aufgrund der deutschen Unterlagen und Erfahrungen aufgestellt wurde. Falls diese Hypothese durch weitere sozialwissenschaftliche Forschungsergebnisse bestätigt wird, ergibt sich eine neue Sichtweise auf die gemeinsame europäi-sche Vergangenheit.

Neueste ethnologische Beiträge haben zur Auswertung der ungarischen Er-fahrungen weiter geholfen. B. Gémes’ Einsichten tragen wesentlich zu einer besseren Kenntnis des Volkswissens hinsichtlich der Beseelung bei; B. András-falvys Forschungsergebnisse haben erstens die kontrastierenden Mentalitäten und deren sozialpsychologische Dynamiken erfaßt, andererseits die Aufmerk-samkeit auf entschiedene strukturelle Umstände beim ungarischen Modell gelenkt. Dabei ist noch zu klären, wie es dazu gekommen ist, daß die Loslö-sung von der Allmende in anderen europäischen Regionen (z. B. Flandern des 16. Jahrhunderts; mittel- und süddeutsche Regionen der Bauernkriege der Jahre 1524–1526) nicht zum selben Effekt beigetragen hat, wie in diesen süd-osteuropäisch-ungarischen Einkindsregionen des 18. Jahrhunderts. Es fehlt auch noch eine vergleichende Analyse der großen Flußregulierungen des 18.

Jahrhunderts in den ehemaligen Habsburger-Ländern: vor allem in den Nieder-landen, in der Pro-Ebene und im Karpatenbecken, im Donaugebiet.

Sehr bemerkenswert ist der Umstand, daß bei diesem Thema strukturelle Untersuchungen die Notwendigkeit der Klärung von kognitiven Eigenheiten betonen (R. Andorka), die Forschung der Mentalitäten zugleich nicht von den sozioökonomischen Einrichtungen losgelöst werden kann (B. Andrásfalvy).

Ein interdisziplinäres Interesse ist wohl zu betonen,406eine sozialwissenschaft-liche Fundierung der ethischen Einsichten kann wohl nicht entbehrt werden.

406 Siehe SS. 6–7. dieser Arbeit.

So ergab sich nach langen Untersuchungen der Tat- und dann der Ursachen keine letzte Evidenz, nur eine Hypothese, was die Empirie betrifft. Ein letztes Wort können die empirischen Human- und Sozialwissenschaften nicht sagen.

Eine Deutung der Tatbestände ist ohne ein Vorverständnis nicht recht möglich.

Wohl ist die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß eine tiefe Verwurzelung des menschlichen Wesens im Sozialen, Ökonomischen, selbst Ökologischen stär-ker in den Horizont einbezogen werden soll, daß die Kognitivität nur in diesem Zusammenhang methodisch gesichert zur Geltung kommt (und zugleich unent-behrlich herangeführt werden soll). Dies hat selbst ethische Konsequenzen, die im nächsten Kapitel behandelt werden.

Die empirischen human- und sozialwissenschaftlichen Untersuchungen ha-ben an diesem Beispiel neue Einsichten und Akzente für die ethische Fragestel-lung erzielt. Dabei ist es nicht so wesentlich, daß es nun um eine Hypothese geht, diese Hypothese darf zwar nicht von den empirischen Unterlagen losge-löst werden, dennoch ist es nicht notwendig, sie in allen ihren Einzelheiten zu beweisen. Zu einer philosophischen Fragestellung genügte selbst die Möglich-keit, daß eine Rekonstruktion dieser Art nicht unmöglich ist, daß dieses Gedan-kenmodell auf dem Stand unseres Wissens möglich erscheint. Eine Finalität der menschlichen Person und Gesellschaft verfügt also über eine sozioökono-mische Effizienz, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Axiome sind nur innerhalb eines soziologischen Modells zu deuten und können nicht als letzte zwingende Entscheidungsmomente im gesellschaftlichen wie individuellen Planen gelten.

“Die Geburtenkontrolle (…) ist nicht der eigentliche Schwerpunkt der kirchlichen und insbesondere moraltheologischen Diskussion.

Vielmehr haben alle Probleme, die mit einer Revision der Ehemoral zusammenhängen,

existentielle Hintergründe.”

Gagern, F. E. v., 1967