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Emanzipation: Die moraltheologische Relevanz

4. DIE MORALTHEOLOGIE UND DIE GEBURTEN-

4.4. Emanzipation: Die moraltheologische Relevanz

Im folgenden werden einige ethische Überlegungen im einzelnen kurz behan-delt, die als Arbeitshypothesen für eine weitere Forschung gedacht sind.

1. Die moraltheologische Relevanz neuester historisch-demographischer Erkenntnisse

Die Relevanz der Bevölkerungsweisen und die der Heiratsstrategien ist wich-tig. In der Vergangenheit waren alternative antikonzeptive Strategien möglich.

Anstatt von einer Sexualkasuistik neuester Ausgabe (Frage der Lizeität von verschiedenen neuen Mitteln und Wegen) sind mehr Chancen für die moral-theologische Argumentation auf dem Gebiet des Grundverhaltens, der Funda-mentaloption vorhanden: eine asketische Heiratsstrategie im Westen trug in der Vergangenheit dazu bei, eine neue Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung her-vorzubringen.

Die Frage der Übervölkerung wurde zum festen Bestandteil des Arsenals ethischer Beweisführung. Man soll sich vor voreiligen Schlüssen hüten. So z. B.

sprach R. Mols von über 100 000 Milliarden Menschen im Jahre 2469, auf-grund einer Hypothese in der demographischen Literatur;418neuestens wird von der Mehrheit der Demographen die These angenommen, daß die Bevölkerung der Erde um 2100 um 10 Milliarden stabilisiert wird.419Es ist nicht alles

mög-418 MOLS, R.: Démographie et paternité responsable,1969. SS. 399–400.

419 DEMENY, P.: A Perspective on Long-term Population Growth,1984: STEMPELL, D.: Welt-bevölkerung. Ursachen und Tendenzen der Bevölkerungsentwicklung,1983. SS. 116.ff. – Neulich ist die beste Zusammenfassung zur Frage der Theorie des demographischen Über-gangs erschienen, die ich noch nicht konsultieren konnte, CHESNAIS, J–C.: La transition démographique, 1986. M. Loriaux warnt vor einer Überschätzung der europäischen Erfah-rungen, von einer Projektion des demographischen Überganges auf die dritte Welt, siehe:

LORIAUX, M.: Economics, Populations and Demographic Policy,in: BIFFI, F. (Hrsg.), 1984. S. 392. – Einige Seiten später: “…the so called population explosion in the Third World is not necessarily the beginning of the end of the world, but only a stage in a process of change, a sequence in a destabilising process which has a known origin and which will have a definite end”, siehe: LORIAUX, M., ebenda, S. 400. – Zum Standpunkt des

Magiste-lich, was biologisch möglich ist. Die Demographen sprechen von einer logisti-schen Linie in der Bevölkerungsvermehrung, die auch anderen Gesetzen folgt, nicht nur der Biologie.

Eine Übervölkerung ist immer relativ. Man soll nach neuen Wegen und Mög-lichkeiten suchen, um einen Überschuß an Bevölkerung ernähren zu können.

2. Abweichendes Verhalten als Sozialnorm

Oft vertritt man die Meinung, es gehöre zur Autonomie der Frau, über die Hin-nahme einer Schwangerschaft zu entscheiden. Falls eine negative Einstellung zu einer Schwangerschaft sozial relevant wird, kann man nicht mehr über Autonomie sprechen: die Frauen handeln und denken unter sozialem Druck.

Die soziale Indikation ist vom christlichen Strandpunkt aus nicht annehmbar, ihre Anwendung in großen Ausmaßen, als Sozialnorm in einer Gesellschaft nicht einmal auf der Grundlage einer säkularisierten Ethik vertretbar, da sie wirtschaftlich nicht, oder sehr schwer haltbar wird. Darum kann dies mit dem soziologischen Terminus “abweichendes Verhalten” benannt werden.

Die ungarische Entwicklung ist nach all dem Gesagten gut bekannt. Welche Aussagen beinhaltet das für die heutige moraltheologische Diskussion?

In vielen säkularisierten Gesellschaften ist ein ähnlicher Prozeß entstanden, wie in Ormánság, in Sárköz, selbst in Ungarn, auf Landesebene erfährt man eine Entwicklung wie in diesen einst lokalen Regionen. Neuentstandenes menschliches Leben wird nicht mehr heilig, man spricht in Wohlstandsgesell-schaften über “ökonomische Schwierigkeiten” und Notlage, eine Abtreibung erfolgt unter ärztlicher Assistenz in großen Ausmaßen, auf Kosten der Kran-kenkassen, oder kontrazeptive Techniken und Mittel verhindern eine Empfäng-nis in gesellschaftlichen Ausmaßen. Staatsmänner und Institutionen schlagen Alarm, da eindeutig ein Bevölkerungsschwund eingesetzt hat. Die christlichen Kirchen müssen ihren Standpunkt in einer Defensionslage darlegen, und das ist keine leichte Aufgabe, die Leute handeln anders, als die Bischöfe es ihnen sagen.

In Anbetracht der sozialen Indikation und einer antikonzeptiven öffentlichen Meinungsbildung sollen dennoch christliche Kirchen, Gruppen,

Pfarrgemein-riums siehe: CAFFARRA, C.: The Demographic Question in the Magisterium of the Church, in: BIFFI, ebenda, SS. 33–46.

den und Diozesen ihren Mut nicht verlieren, und selbst unpopuläre Lehrinhal-te weiLehrinhal-ter verkünden, damit vom abweichenden VerhalLehrinhal-ten keine Sozialnorm all-gemeingültig entwickelt wird; damit die christlichen Gruppen immer ihre Alternative verkünden – und auch realisieren. Das ist eine prophetische Aufga-be, die übernommen werden muß, sonst sind die Kirchen dem biblischen Lebensauftrag nicht treu und verlieren ihre Glaubwürdigkeit.

Gegenargumente, wie Fragen der Übervölkerung oder der verantworteten Elternschaft, werden noch weiter behandelt werden.

3. Soziale Indikation im individualethischen Horizont?

Zur heutigen Diskussion über die Geburtenregelung

Heutige Alternativen in der moraltheologischen Diskussion gelten folgender-maßen:

Nach dem konservativen Standpunkt wird die These aufgestellt: empfange-nes Leben ist heilig. Es ist keine Geburtenkontrolle nach der Empfängnis erlaubt. Eine Geburtenregelung ist wohl vor der Empfängnis vorstellbar, aber nur durch Enthaltsamkeit, bzw. durch natürliche Methoden. Eine Entwicklung in Richtung einer neuen Sexualkasuistik ist feststellbar: Lizeität.420

Nach der fortschrittlich geltenden Argumentation wird danach gefragt: was bedeutet “natürlich”? Und das eben in der heutigen Situation, da die Mensch-heit durch Übervölkerung bedroht ist! Bei der Geburtenkontrolle, sogar bei der Abtreibung soll eine Güterabwägung erfolgen, es fällt unter das gleiche Gesetz wie das Töten, dessen Verbot nicht absolut ist.

420 “In pastoral and ecclesial practice, the need for a coherent view of the social and political dimension of the population problem tends to fade into the background so as to give promi-nence and support to the responsibilities of the individual or couple. The debate on popula-tion has become polarised to too great a degree on the morality of the actual methods of birth control. (…) It is highly dangerous, for the Church’s doctrine, to grapple with the neo-Mal-thusian trend solely with regard to methods. An excessive polarisation on methodes and on a-social concept of the idea of responsible parenthood, could, without meaning to do so, make Chrsitian thinking accept to premises of the Malthusian line of argument. (…) Chris-tian thinking runs the risk of no longer being able to extend the debate on population to its intrinsic dimension which is social and political. Too often, values, like human life, are defended only on the level of the individual or the couple, leaving out of account the values which are involved to an equal degree at a group level: economic, social and political”, siehe:

GUERTECHIN, T. L. de.: Development and Population Policy. Critical Analysis of a Demo-graphic Policy in Brazil,in: BIFFI, F. (Hrsg.), 1984. SS. 336–337.

Beide Argumentationen sind einem individualethischen Horizont verhaftet oder sind methodisch porblematisch. Der Standpunkt der “natürlichen” Metho-den ist schwer haltbar in einer Welt, in der alles durch Metho-den Menschen umgestal-tet und manipuliert wird. Nicht die Natürlichkeit einer Methode oder eines Mit-tels entscheidet über den ethischen Wert, sondern die Absicht des Menschen, der sie anwendet. – Bei der Übervölkerungsthese sahen wir, daß dies zwar noch lange eine große Sorge bedeuten wird, allerdings nicht so groß, wie früher gedacht wurde; eine gerechtere Verteilung der materiellen Güter könnte einen Ausweg bieten.

Kann ein sozialer Notstand die soziale Indikation rechtfertigen? Wenn eine Gesellschaft in eine Lage gerät, in der die mögliche Abwehrreaktion als einzi-ger Ausweg nur die am ungarischen Muster kennengelernte “passive Strategie”

zu sein scheint, lohnt sich ein kontrazeptives Verhalten, sogar eine Geburten-beschränkung auf lange Sicht? Ist dies sozialethisch gerechtfertigt? Die Ant-wort ergibt sich leicht: Nein.

Kann man in dieser Lage im individuellen Kontext sozialethisch argumentie-ren? Darf man eine “Verantwortung” für das Ganze übernehmen? “Wer hat wofür Verantwortung?”421

Ist es richtig, auf individueller Ebene für eigene Taten und deren Folgen, zwischen Sein und Haben zu wählen?

Im sozialen Notstand ist die Entscheidung fürs Leben nicht ein Zeichen der Unverantwortlichkeit. Eben dadurch nimmt man die rechte Verantwortung für eine gerechtere Zukunft an, wenn man sich fürs Leben entscheidet, wie man gleich bei der sozialethischen Argumentation erfahren kann.

Eine soziale Indikation anzunehmen ist im individuellen Kontext methodisch ungerecht, im sozialen Kontext grundsätzlich verfehlt; eine soziale Relevanz der sozialethischen Indikation führt – wenn unaufhaltsam – konsequenterwei-se zur Selbstauflösung der Gekonsequenterwei-sellschaft.

421 SPAEMANN, R.: Wer hat wofür Verantwortung?…,1982.

4. Sexualkasuistik und Bevölkerungsweise.

Zur Geschichte der Moraltheologie

“Moraltheologie” – das klingt in den Ohren der Öffentlichkeit auch heutzuta-ge noch, als ob es “Sexualtheologie” bedeutete. Und zwar nicht ohne einen guten Grund, da es eine Obsession der Moraltheologen durch eine Sexualka-suistik unbestreitbar gegeben hat. Besonders die Manualistik hat diesbezüglich vieles beigetragen, beladen mit dem Erbe der Jahrhunderte, in denen sich die west-europäische Neuerung in der Bevölkerungsweise allgemein durchgesetzt hat. Es ist eine Feststellung der Demographen, daß eine Bevölkerungsweise im Bewußtsein der gegebenen Bevölkerung immer als eine vorgegebene Wirklich-keit erschienen ist, und so konnte sie sich von deren zwingender Kraft nicht loslösen.

Es wäre von großer Bedeutung für die geschichtliche Entwicklung der moraltheologischen Lehre, zu überprüfen, inwieweit die Probleme der Sexual-ethik, die in einer Gesellschaft mit spätem Heiratsalter – 10–15 Jahre nach der Pubertät – und mit niedriger Heiratshäufigkeit – mit vielen Zölibatären von einem äußeren Zwang und nicht von einer inneren, religiösen, übernatürlichen Überzeugung her –, als typisch menschliche Probleme erschienen sind, und nicht als spezielle Probleme einer speziellen Gesellschaftsentwicklung, zur Aufbauschung und Präzisierung der sexualethischen Traktate beigetragen haben. Es war wohl nicht klerikale Hypersensibilität oder reine Neugier, die dies hervorgebracht haben, sondern ein reales Problem und eine tagtägliche Erfahrung der Beichtväter.

5. Sozialethische Überlegungen

a. Familienethisches

Es wurden neue Einsichten in die Familien- und Haushaltsgröße gewonnen.

In der neuesten Zeit sind Kernfamilien in entwickelten, industrialisierten Gesellschaften allgemein verbreitet, aber in einer von der “europäischen Neue-rung” verschiedenen Bevölkerungsweise: mit frühem Heiratsalter (zwar durch die allgemeine Hochschulbildung wieder etwas verspätet auch durch die zur Zeit zu beobachtende Auflösung der früheren Eheschließungsmodelle über-haupt – Ehe ohne Trauschein – in Frage gestellt) und mit möglichst voller

Hei-ratshäufigkeit, das generative Verhalten ist wohl auch durch die neuen Einsich-ten in der Medizin immer mehr kontrazeptiv ausgerichtet.

Die heutige Kernfamilie ist weiterhin materiell einseitig dem Staat, der Makrogesellschaft ausgeliefert. Sogar dem Sozialstaat, der gegen den Genera-tionenvertrag schwer verstößt. Das generative Verhalten kann erst durch Anwendung des Familienprinzips in der Verteilung des Bruttonationaleinkom-mens verbessert werden.

So ist der Träger der Verantwortung für die Nachkommenzahl nicht mehr nur die Kernfamilie, sondern die ganze Gesellschaft.422

b. Gesellschaftsethisches

Man spricht über eine Übervölkerung der Erde – und das ist richtig. Man lehnt dafür in hochentwickelten Gesellschaften mit rationalem Verhalten, mit Kern-familie, hochentwickelter Medizin und mit dem “Sozialstaat” die Verantwor-tung ab. Das führt logischersweise zum Ergebnis: weitere Übervölkerung in der “dritten” Welt und eine rasche Unterbevölkerung in der “ersten” bzw.

“zweiten” Welt.

Eine Solidarität wird auf diese Weise falsch verstanden.

Wie im Laufe dieser Arbeit mehrmals betont wurde, ist die Übervölkerung immer relativ. Es ist noch nicht bekannt, was für Auswege unter dem heutigen demographischen Druck in Zukunft gefunden werden können, wie dies die westeuropäische Bevölkerung des Hochmittelalters und der frühen Neuzeit nicht gekannt hat. Und noch mehr heutzutage, da die Entwicklung sich so beschleunigt hat!

Eine horizontale, synchronische Solidarität wird auch die geschichtlichen Wurzeln nicht genügend klären können. Die Über- und gleichzeitig Unterbe-völkerung sind doch wechselseitig bedingt!

Eine recht verstandene Solidarität soll vertikal, diachronisch argumentieren, ausgerüstet mit den neuesten Erkenntnissen der historischen Demographie, seien es noch so unausgegorene Verfahrensweisen, die dabei entwickelt wor-den sind.

Wenn eine Gesellschaft zum neuen Leben ja zu sagen imstande ist, dann sagt sie ja für die eigene Zukunft, die in der biblischen Schöpfungsbotschaft immer als absolut, radikal neu erscheint; das Leben kann grundsätzlich nicht zur Dis-kussion gestellt werden, es ist ein absoluter Wert. Sagt die Gesellschaft zum

422 ausgearbeitet bei D. KUHN, siehe Anm. Nr. 412.

neuen Leben ein prinzipielles “wenn…dann…”, so ist es eigentlich ein “Nein”, und die Folge ist schon im Selbsturteil gegeben, ein Fehlverhalten, das eine Fehlideologie hervorbringt. Es ist nur eine Frage der Zeit, wie lange es noch dauern wird.

6. Wirtschaftsethische Überlegungen

Eine Übervölkerung ist immer relativ, und wenn man sich einer radikalen Geburtenkontrolle enthält, dann soll man sich ja nach bestimmten Epochen vor der Gefahr einer relativen Übervölkerung hüten.

Ohne sie wäre es aber in der späten Altsteinzeit nicht zur neusteinzeitlichen Revolution gekommen: in dieser neusteinzeitlichen Revolution hat eine grund-sätzliche Neuerung, die Kornwirtschaft, eine zweihundertfache Verdichtung der Bevölkerung ermöglicht.

Ohne eine Übervölkerung wäre es in der Frühneuzeit des europäischen Zen-trums nicht zur industriellen Revolution gekommen, mit einer Verdichtung von mehreren Deutzender der Bevölkerung.

Eine Übervölkerung soll also mit erhöhter Produktion erwidert werden. Sie ist Ergebnis einer veränderten Mentalität, die durch Schulung erreicht werden kann. Dafür braucht man Entwicklungshelfer, die aus hochindustrialisierten Ländern kommen, und sie werden erst kommen können, wenn sie in genügen-der Zahl vorhanden sind. Es werden also mehr Geburten in hochindustrialisier-ten Ländern dazu beitragen können, in Zukunft weniger Geburhochindustrialisier-ten in unterent-wickelten Ländern zu haben.