• Nem Talált Eredményt

Die Ausmaße. Internationale Parallelen

Die Abnahme der Geburtenrate und der Bevölkerungszahl, die Furcht vor der Entvölkerung des Landes, der Schwund des Ungartums, das sind wichtigste Themen in der Einkindsliteratur. Man stößt auf Statistiken, Tabellen, Zusam-menstellungen, die erneut dieses Thema behandeln und eine reale Gefahr her-aufbeschwören (so z. B. Abb. Nr. 4–7). Andererseits gibt es doch im Lande eine ziemlich hohe Geburtenrate, die sich allerdings allmählich verringert.

Fragen, die mit der geschichtlichen Änderung der Geburtenrate, der Säug-lings- und Kindersterblichkeit und der Fruchtbarkeit zusdammenhängen, fan-den eine Antwort in der Theorie des demographischen Übergangs. Alle Länder und Nationen der modernen Welt, die sich von einem überlieferten, auf der Landwirtschaft aufbauenden Wirtschaftssystem zu einer starken Industrialisie-rung und VerstädteIndustrialisie-rung entwickelten, sind von hoher Sterblichkeit und Frucht-barkeit zur niedrigeren Sterblichkeit und FruchtFrucht-barkeit herabgesunken. Die Frage stellt sich nun, wie sich dieser Zustand in den einzelnen Ländern bzw.

konkret in dem von uns behandelten Land, Ungarn, entwickelt hat.

Seit Thompson und Landry ist die Theorie des demographischen Übergangs mehrmals geändert worden.100 In Nordwesteuropa, wo die Industrialisierung zuerst Einzug hielt, hat man als entscheidende Faktoren nur die Sterblichkeit und Fruchtbarkeit ins Auge gefaßt. Blacker hat einen wichtigen weiteren Umstand 1947 erwähnt: zwischen der Verminderung der Sterblichkeits- und der Geburtenrate verstreicht ein beträchtlicher Zeitabschnitt, bis an die hundert

99 KLINGER, A. – MIKES, G.: Adatok az Ormánság népesedésének néhány kérdéséről, 1963.

S. 71. – Eine grundlegende statistische Untersuchung der ganzen Region Ormánság unter diesem Aspekt läßt noch auf sich warten. – Ein neuester Artikel ist nach Abschluß der Mate-rialsammlung erschienen: MOLNÁR, GY. – NOVÁK, Z.: Az Ormánság demográfiai jellem-zői a XX. században,1988.

100 Zusammenfassung nach: ANDORKA, R.: Determinants of fertility…,1978. SS. 18–26.

Jahre. So weisen die zuerst industrialisierten Länder einen großen Überschuß an Bevölkerung nach dem demographischen Übergang auf.

J. Hajnal hat einen Unterschied zwischen den beiden Hälften von Europa 1965 beobachtet: es gibt zwei Typen der Nuptialität. Der erste im “klassischen”

Europa mit der späten Eheschließung, bei Männern bis zu 30 Jahren, bei Frau-en gegFrau-en 25 Jahre, sowie eine große Anzahl Ledige. WährFrau-end der Übergangs-zeit neigte das demographische Verhalten der Bevölkerung zu einem niedrigen Heiratsalter und einer niedrigeren Anzahl der Ledigen. Der Überschuß der Bevölkerungszahl rührt daher, daß sich die Nuptialität wesentlich erhöht hat.

Der östliche Teil von Europa jedoch verläuft in entgegengesetzter Richtung:

zwischen Petersburg und Triest gab es anfänglich ein niedriges Heiratsalter, bei Männern gegen 18–20 Jahre, bei Frauen gegen 14–16 Jahre –, und fast volle Nuptialität, eine sehr geringe Anzahl von Ledigen. Während des Übergangs nahm das Heiratsalter zu, die eheliche Fruchtbarkeit ab, der Bevölkerungsüber-schuß ist nach dem Übergang nicht so groß. Spezifisch noch für Südosteuropa ist, daß der Übergang wesentlich später, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts einsetzt und erst in den 30er Jahren unseres JahrhunJahrhun-derts abschließt.101

Beiden Typen ist gemeinsam, daß der Übergang mit der verminderten Sterb-lichkeitsrate anfängt und erst Jahrzehnte später die verminderte Geburtenrate erfolgt. Das hängt meistens mit der Industrialisierung zusammen, die bessere hygienische Verhältnisse geschaffen hat, und so die früher allgemein große Säuglings- und Kindersterblichkeit wesentlich verringert; es muß nicht mehr die Hälfte der lebend Geborenen bis zum 10. Lebensjahr begraben werden.

Es gibt jedoch Gebiete, in denen schon vor dem Beginn der Industrialisie-rung eine niedrige Fruchtbarkeit nachgewiesen werden kann. A. J. Coale hat 1967 zwei Regionen erwähnt: eine mediterrane und eine baltische, und 1969 eine dritte, die atlantische Region. Nach den Untersuchungen von P. Demeny (1968) und K. Tekse (1969) läßt sich eine vierte, die ungarische, oder besser gesagt, die südosteuropäische Region unterscheiden.

Ungarische Historiker, so neulich L. Katus, sprechen von einem dritten Typ des demographischen Übergangs, dessen Merkmale dem ungarischen (=süd-osteuropäischen) Muster anhaften: “Zum dritten Typ lassen sich vorläufig Ungarn und Spanien (und wahrscheinlich auch Rumänien) rechnen. Das tradi-tionelle Bevölkerungsmodell wird – neben der frühen und allgemeinen

Ehe-101 HAJNAL, J.: European marriage patterns in perspective,1965; sowie derselbe, Two kinds of preindustrial household formation system, 1982 und 1983 (!); weiterhin: SKLAR, J. L.:

The role of marriage behavior in the demographic transition: The case of Eastern Europe around 1900,1974.

schließung – durch die relativ weite Verbreitung der Geburtenbeschränkung in der Ehe, das früh beginnende Sinken der ehelichen Fruchtbarkeit, besonders bei Bauern, charakterisiert. Auch hier beginnt der Übergang ein Jahrhundert später mit dem Rückgang der Sterbeziffer, aber es kommt zu keiner Bevölke-rungsexplosion, weil die eheliche Fruchtbarkeit schon am Anfang des Über-gangs ziemlich niedrig ist und eine sinkende Tendenz aufweist. Am Ende des 19. Jahrhunderts hat der Fertilitätsrückgang modernen Typs ein beschleunigtes Absinken der Geburtenziffer zur Folge, was auch hier dadurch gefördert wird, daß die Nuptialität langsam abnimmt. Ungarn als Ganzes gehörte zum dritten Typ, aber auf regionaler Ebene sind innerhalb des Landes alle drei Typen zu finden, unter ihnen mit größerer Häufigkeit der Typ 2 und 3.”102

Dieser dritte Typ entspricht also unserer Geburtenbeschränkung, der Gebur-tenkontrolle und dem Einkindsystem in Ungarn.

Eine Verminderung der ehelichen Fruchtbarkeit, trotz der großen Nuptialität, wird in der demographischen Literatur “Strategie” genannt, die gewisse Volks-schichten anwenden, um auf die Herausforderungen der Umwelt zu reagieren.

Eine ähnliche Strategie hat man Westeuropa für eine frühere Periode, für das 16–17. Jahrhundert, zugeschrieben. Hier hat man eine Geburtenkontrolle dadurch praktiziert, daß man die Jugend gezwungen hat, im späteren Alter zu heiraten, bzw. ledig zu bleiben. So erwähnt K. David fünf mögliche Strate-gien:103

1. Erhöhung der Anzahl der Ledigen, 2. Verschiebung des Heiratsalters,

3. Empfängnisregelung (mit Volks- oder modernen Methoden), 4. Abtreibung,

5. Auswanderung (in die Städte bzw. ins Ausland).

Ungarn kennt die ersten beiden Strategien nicht, wohl aber alle anderen. Die dritte und vierte Strategie kennzeichnen die Regionen, die uns interessieren, die fünfte trifft man auch im Nordosten des Landes, der meistens die Merkma-le des osteuropäischen Typs aufweist. Innerhalb eines Landes können also zwei Arten von Strategien entwickelt werden, eine passive – Empfängnisregelung bzw. Abtreibung – und eine aktive – Auswanderung. Die Agrarbevölkerungen

102 KATUS, L.: A demográfiai átmenet kérdései Magyarországon a 19. században,1980; zitiert nach dem deutschen Text: derselbe, Die Probleme des demographischen Übergangs in Ungarn vor dem ersten Weltkrieg, 1982. S. 83.

103 DAVIS, K.: The theory of change and response in modern demographic history,1963.

können eine starre und eine bewegliche Strategie entwickeln. Einige Land-schaften starben aus, andere wurden übervölkert.

Zusammenfassend kann man sagen, daß in Ungarn zwischen zirka 1750 und 1945 in gewissen Agrargesellschaften eine immer mehr verbreitete Praxis der Geburtenbeschränkung als Strategie angewandt worden ist, die sich nicht ver-ändern ließ. Infolge der ernsten Lage wurde dieses Verhalten zum Modell für das ganze Ungartum erhoben.104

2.2. Soziographisch-demographische Darstellung der Geburtenbeschränkung

An dieser Stelle werden die Vermittler und Träger, die angewandten Praktiken, die Auffassung, Ideologie und die Folgen der Geburtenbeschränkung behan-delt: Aspekte, die eher durch soziographische und weniger statistisch-demogra-phische Unterlagen beschrieben werden können.