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Die treue Frau und das schlimme Weib

1. GEGENSTAND UND METHODE

2.5. Suche nach dem persönlichen Sinn individuellen Lebens unter unspektakulären Verhältnissen. Gyula Fekete: Die

2.5.1. Die treue Frau und das schlimme Weib

Zum Erzählverfahren

Ein Mann und eine Frau führen fünf Jahre lang eine glückliche Ehe. Sie haben eine Wohnung, leben in relativem Wohlstand, die Frau ist jung und schön. Da verläßt der Mann die Frau um einer anderen willen, die einen schlechten Ruf und drei Kinder von verschiedenen Vätern hat. Er könnte nicht einmal angeben, aus welchen Gründen er so handelt, aber er fühlt, er muß es tun, und die Entscheidung wird von ihm als endgültige getroffen.

So läßt sich, ganz knapp, der Grundvorgang des Kurzromans zusammen-fassen. - Diese Geschichte wird fortlaufend, in chronologischer Ordnung erzählt. Sie umfaßt auf der Gegenwartsebene einen Zeitraum von etwa einem

halben Jahr. Ein auktorialer Erzähler, der auch Einblick in die Innenwelt der Figuren hat, spricht und teilt auch sein Wissen über deren Vorgeschichte mit. Dies geschieht in einigen zusammenfassend berichtenden Passagen bei Einführung der Figuren, weitere Mitteilungen erfolgen, wo es zum Verständ-nis der Reaktionen der Akteure und des Geschehens notwendig ist. Selten erhalten solche Eröffnungen den Charakter von szenisch vergegenwärtigen-den Rückblicken, in der Regel wird raffend berichtet. Im Rahmen seiner knappen Mitteilungen widmet der Erzähler jenem Ehepaar, Östörs, und ihrer Mitmieterin und zugleich nominellen Hauseigentümerin, Tante Orsolya, die meiste Aufmerksamkeit. Mitteilungen über jene durch einen Tausch mit frü-heren Mietern zugezogene "alleinstehende Frau" erfolgen nur allmählich, im Zuge des Geschehens.

Der Erzähler spricht über weite Strecken distanziert, führt die Handlungen der Personen zusammenfassend berichtend, aber auch szenisch vergegenwär-tigend von außen vor, dann wieder nähert er sich im Ton und in den im Laufe des Erzählens vorgenommenen wertenden Feststellungen der Person,

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über die gerade berichtet wird. In einzelnen Szenen tritt er fast ganz zurück, übernimmt dann aber auch wieder Außensicht auf die Figur, berich-tet, was sie tut. Solche Ubergänge erfolgen oft von Satz zu Satz, innerhalb eines Absatzes. Das Spektrum, in dem die Erzählsituation einzelner Sätze sich verändert, ist also sehr breit. Die beschriebenen Umbrüche dienen pri-mär dazu, die Aufmerksamkeit des Lesers wachzuhalten, die in ihren Details bis kurz vor das Ende nicht sehr dramatische Geschichte eingehend, aber noch ohne Vorfestlegung von Sympathien für einzelne Figuren seitens des Erzählers vorzuführen. Eine Signalfunkton der beschriebenen Eigenheiten der Erzählweise in dieser Hinsicht läßt sich m.E. nicht feststellen. Die Zuwei-sung solcher Sympathien, die Formulierung von Werturteilen ist dem Leser als Aufgabe zugewiesen. Als Bezugspunkt fungiert die hinter den erzählten einzelnen Ereignissen Gestalt gewinnende Geschichte, die sich darin manfe-stierenden Haltungen der Akteure.

Hinter dem Text zeichnet sich eine Erzählerfigur ab, die weitreichendes Wissen über das Leben der Akteure und deren Innenwelt hat. Ihre Vertrau-enswürdigkeit ist nicht in Zweifel zu ziehen, jedoch erhebt sie keinen An-spruch auf Allwissenheit: Worte, Taten und Gedanken der Akteure werden, wo sie nach Maßgabe der Mitteilungsabsicht des Erzählers Aufmerksamkeit verdienen, mitgeteilt, jedoch - über das den Akteuren selbst Bewußte hinaus

- nicht interpretiert, auf psychologische Ursachen, auf den Betreffenden

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selbst nicht bewußte Motive, Absichten, Zusammenhänge zurückgeführt.

So wird die Geschichte um das Ehepaar Östör erzählt, wie sie auf dem Bewußtseinsstand der Beteiligten erscheint. Besonders Östörs Konflikt, sein Versuch, sich über seinen Lebensanspruch klarzuwerden, wird damit sehr ernst genommen. Indem er aber auch durchaus nicht nur in Innenndarstel-lung erscheint, wird vermieden, seinem Standpunkt zu ausschließliche Gel-tung zukommen zu lassen und zugleich eine gewisse Distanz zu ihm auf-rechterhalten. Auch das Befremdliche des Vorgangs wird in dieser Vortrags-weise betont, und zugleich ist die Befremdlichkeit des erzählten Vorgangs dem Leser gegenüber hervorgehoben. Auf diese Weise freilich ist bereits in der erzählerischen Präsentation der mitgeteilten Details und Episoden auch der "strukturelle Mittelpunkt" des Werkes (SZÉLES 1964, 50) nicht ein-deutig festgelegt. Der Roman läßt sich zunächst sowohl als Geschichte des

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Zerfalls einer Ehe als auch als Prozeß des Ringens Ostörs lesen. Vom Ende her gesehen, bei jedem weiteren Lesen richtet sich die Aufmerksamkeit

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jedoch vor allem auf das Zustandekommen der genannten Entscheidung .

Der Vorgang

Imre und Iri sind seit fünf Jahren verheiratet. Bisher hat nichts die Har-monie ihres Zusammenlebens gestört. Sie leben in einer Vorstadtsiedlung, gemeinsam mit zwei anderen Mietparteien in einem ehemaligen Einfamili-enhaus, in dem inzwischen recht und schlecht drei selbständige "Wohnun-gen" abgeteilt worden sind - diese Umgebung erweist sich im folgenden als

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Katalysator . Imre ist Facharbeiter, verdient recht gut, Iri hat nach der Heirat ihre alte Arbeit aufgegeben und verdient in Heimarbeit etwas zum Familienbudget dazu. Sie ist eine hübsche und gepflegte Frau und stolz auf ihre unbedingte eheliche Treue. Iri hat eine größere Erbschaft zu erwarten, beide planen, ein Auto zu kaufen. Doch sind Anzeichen einer gewissen Gewöhnung und damit einhergehenden Langeweile, die sich im Laufe der Jahre eingestellt haben, unverkennbar.74 In Östör beginnt sich undeutlich das Gefühl eines Mangels bemerkbar zu machen. Die stillschweigenden Über-einkünfte, innerhalb derer er bisher lebte, beginnen ihm weniger tragfähig

zu erscheinen, er beginnt ihre Inkonsequenzen und Widersprüche wahrzuneh-men .

Eines Tages zieht in die hintere Wohnung des Hauses eine Frau mit drei Kindern ein. Es wird beobachtet, daß Fremde zu ihr kommen, die Kinder sind unerzogen und laut und, da die Mutter arbeitet, meist unbeaufsichtigt.

Tante Orsolya und Iri reagieren mit unverhohlener Abneigung auf Frau Palócz und ihre Kinder. Das Leben im Haus verwandelt sich in einen Kleinkrieg. Auch Imre findet sich zunächst an der Seite seiner Frau auf einer Seite des Grabens wieder, freundet sich jedoch trotzdem mit den Kin-dern an. Zunächst auch in der Hoffnung, sie damit etwas vom Lärmen abhalten zu können, bringt er ihnen einen jungen Hund mit und baut dann

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auch einen Stall für ihn. Er findet Freude an dieser Beschäftigung, zu-nächst auch, weil neben den Kindern auch Iri in den kleinen Hund vernarrt ist und er ihr so eine Freude zu machen meint. Er verbringt zunehmend mehr Zeit mit den Kindern und mit Basteleien für sie. Seine Frau sieht es mit gemischten Gefühlen; dem Ehemann als großem Kind ist sie bereit, eine Spielerei zuzugestehen, die neuen Mitbewohner sind ihr nach wie vor unsympathisch. Als Iri in der Erbschaftsangelegenheit verreist und der ge-wohnte Ablauf der gemeinsamen Abende damit unterbochen ist, passiert es, daß Östör die Nacht schließlich mit der anderen Frau verbringt. Imre und Klári betrachten den Vorfall nicht als Grundlage einer Änderung ihrer per-sönlichen Beziehungen. Imre fühlt sich eher noch stärker an Iri gebunden, 77 doch die "zweiten Flitterwochen" sind auch schnell wieder vorbei .

Ein Schwangerschaftsabbruch, den seine Frau überraschend vornehmen läßt, bringt Östör noch einmal in die Nähe der Nachbarin. Während der Zeit, die Iri fort ist, beginnen beide miteinander zusprechen. Nach Iris Rückkehr findet das Leben im Haus wieder in das alte Gleis. Nur "wegen des Hundes stießen sie manchmal zusammen", der Mann "war imstande, ganze Stunden mit dem Hund und den Gören zu verbringen.(...) es war schwer zu ertragen, daß ihr Mann sich in seiner Freizeit täglich mit etwas beschäftigte, was außerhalb ihres Ehelebens lag. So etwas hatte es vorher nicht gegeben."

(460*) Das Verhältnis beider kühlt sich ab. Während Iri nach einer Ursache für das Verhalten ihres Mannes zu suchen beginnt, ist Östör geneigt, den Prozeß normal zu finden. "Eben das fand er natürlich, diese Abkühlung.

Niemand kann ein Leben lang seiner Frau am Rockzipfel hängen; auch vom Eheleben hat man irgendwann genug. Er fühlte, er liebte seine Frau, und

wenn Iri ihn in Frieden ließe - wenn sie nicht Anspruch auf jede freie Minute erheben würde - würde er sie noch mehr lieben." (462*)

Hier wird nun ganz aus der Position Östörs erzählt. Der auktoriale Er-zähler tritt zurück hinter die Figur des Mannes, der versucht, sein Unbeha-gen an seinem doch zugleich als glücklich verstandenem Leben zu begrei-fen.78 Östör stellt fest, daß ihn die zunehmende Eingerichtetheit seines Le-bens, im wörtlichen Sinne dessen Einrichtung und Überhäufung mit Gegen-ständen, eigentlich langweüt. Der Hund dagegen ist ein lebendiges Wesen,

"kein Gegenstand, sondern ein handelndes Subjekt", etwas Unfertiges, mit eigenem Willen Begabtes. Dabei ist sich der Mann sicher, daß es nicht sein nicht geborenes Kind ist, das ihm eigentlich fehlt. "Irgendeine nicht benenn-bare Sache fehlt, irgendeine Brücke zu den Menschen, zu den jetzt leben-den und zu leben-denen, die später geboren werleben-den, zur Kontinuität des Lebens.

Etwas, das Sorgen, Anstrengungen, gegebenenfalls auch Plagerei wert ist."

(463) Im Moment, stellt er fest, fehlt nicht einmal etwas, der Hund und die Kinder - "eben diese drei" - füllen diese sich manchmal bemerkbar machen-de Leerstelle aus. Die Beklemmung rührt vorläufig von machen-der Frage nach machen-der Dauer dieses Zustandes her. Östör würde den Status quo, der sich im Laufe des Sommers herausgebildet hat, gerne aufrechterhalten.

Klári erwartet ein Kind von Östör. Noch bevor der eine Entscheidung treffen kann, taucht ihr geschiedener Mann auf und will ihr gemeinsames Kind, für das er bereits das Erziehungsrecht eingeklagt hat, mit Gewalt

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mitnehmen. Ostör vetreibt ihn, Iri fühlt sich betrogen. Sie denkt zunächst an Scheidung, zugleich ist auch sie sicher, ihren Mann zu lieben. So ver-sucht sie vorläufig, ihm eine Lektion zu erteilen und verweigert ihm jedes Gespräch, jede Gemeinschaft. Es gelingt ihr, die fremde Frau, die selber gerne aus dieser Situation befreit wäre, zu einem Wohnungstausch mit ihren Großeltern zu bewegen. Von einem Tag zum anderen organisiert sie den Umzug. Sie glaubt, sich damit ein für alle Mal von dieser Frau und von der von ihr ausgehenden Gefahr für ihre Ehe befreit zu haben. "Ganz klar spürte sie - auch schon aus dem Verhalten dieser Frau - daß ihr Mann sie liebte und daß er ganz und gar nicht vorhatte, sie zu verlassen." (489)

Östör ist zunächst rational bereit, sich mit dieser Lösung abzufinden.

Angesichts der Spuren des Umzuges kann er allerdings nicht umhin, an die Frau und die drei Kinder zu denken. "Die schlechte Stimmung bedrückte

Östör. Die ganze Welt war leer - noch nie hatte er so sehr gespürt, wie leer die Welt ist. Dieses seltsame Gefühl überraschte ihn; bis dahin - zweiund-dreißig lange Jahre lang - war ihm das nie eingefallen, und jetzt erfaßte er von einer Minute zur anderen klar, daß das Leben keinen Sinn hat. Die Tage vergehen unwiederbringlich, die schönsten Tage vergehen, und nichts bleibt von ihnen. Nichts, aber auch nichts bleibt von ihnen. // Er saß auf dem Hauklotz und grübelte bitter." (483*)

Er ist sich sicher, daß seine Frau ihn liebt und der Grund für den Zerfall ihrer Ehe nicht eigentlich in jenem Vorkommnis zu suchen ist. Er grübelt nächtelang und zieht dann plötzlich und endgültig aus.

Sicht auf Möglichkeiten menschlicher Entwicklung

Östörs Leben mit Iri ist ein Leben in relativem Wohlstand und vor allem darauf angelegt, diesen Zustand zu erhalten und zu steigern. Dies verliert für Östör zunehmend an Anziehungskraft. Die Gewöhnung, die sich im Laufe ihrer Ehe eingestellt hat, wird in diesem Fall nicht von der Fortset-zung der bisherigen Alltags, der Entdeckung neuer Vergnügungen und Frei-zeitbeschäftigungen zugedeckt, sondern wird zum Nährboden für die durch jenes Mangelgefühl provozierten Fragen. Der Roman untersucht, was

ge-schieht, wenn sich jemand - innerhalb der genau umrissenen Lebensbedin-gungen Östörs - diesen Fragen stellt.

Östör liebt seine Arbeit, aber sie füllt ihn nicht vollständig aus, "eigent-lich füllte sie nicht einmal die wöchent"eigent-lichen achtundvierzig Stunden aus."

(422*) Er ist Dreher und verrichtet in der Regel vorgegebene Aufgaben.

Wenn die Maschine das Werkstück mechanisch bearbeitet, ergibt sich für ihn Zeit zum Sinnieren. Während im allgemeinen gleichzeitig mit diesen von der Maschine nicht ganz gebundenen Minuten auch Pläne und Einfälle da sind, die sie ausfüllen, spürt Östör zuerst diese Lücke, "..erst viel später dachte er sich etwas dazu, womit er dieses Loch stopfen könnte. Die Leere ausfüllen, suchen, was fehlt." (424*) Doch "das spätere Mangelgefühl ent-sprang nicht aus der Arbeit, es bezog sich auch nicht darauf, sondern auf das Leben selbst, irgendwie auf die ganze Welt." (423/24*) Östör denkt dabei nicht daran, seinen Beruf oder seine Arbeit aufzugeben. Dies, diese soziale Positionierung des Helden trägt wesentlich zu der Härte der

Frage-Stellung bei. Östörs Arbeit in ihrer spezifischen Fo t t i ist auf lange Sicht notwendig; für ihn wird sie sehr lange, warscheinlich dauerhaft, Grundlage seines Lebensunterhalts sein. Als eine solche Voraussetzung erscheint sie auch im Roman, später wird auf diese Sphäre nicht weiter eingegangen.

Zwar überlegt Östör später auch: "Wenn er Kraftwerke planen würde oder Wohnsiedlungen, oder gewaltige Statuen meißeln würde für öffentliche Plät-ze, an denen die Leute sich ergötzen könnten, dann würde das Fieber des Schöpfertums jede Minute ausfüllen, und ihm würde nichts fehlen." (463*) Doch diese Überlegungen sind für ihn keine praktische Alternative. Die Spekulation stellt Östörs Tätigkeit, der Zuarbeit zu einem bereits geplanten, vorgegebenen Ganzen, auf das er in der Verrichtung seiner Arbeit keinen persönlichen Einfluß hat, Möglichkeiten des individuellen Einsatzes gegen-über, die hier als eigenständige Leistung in der Öffentlichkeit erscheinen, als selbständiger Beitrag zum Gemeinwohl. Sie stellen in diesem Zusammen-hang unmittelbar jene "Brücke zu den Menschen" (463) dar, die ihm fehlt.

Seine Arbeit allein - "möglich, daß der Fehler bei ihm lag, möglich, daß es an der Arbeit, an den gegebenen Umständen und Anforderungen oder am Geist der Zeit lag" (422) - ist nicht geeignet, diese Beziehung herzustellen.

Untersucht wird im folgenden, welche anderen Mögichkeiten dazu ihm ver-bleiben. Dies wird ausgelotet, indem verfolgt wird, welchen Anspruch an sein Leben er formuliert, nachdem ihm deutlich wird, daß das Bisherige zu wenig ist.

Einige Jahre lang hatte seine Ehe mit Iri alle seine freien Energien ge-bunden. (429) Mittlerweile jedoch ist sie in dieser Weise nicht mehr dazu geeignet. Zunächst scheint der kleine Hund und die Beschäftigung mit ihm ein Mittel, diese Lücke auszufüllen. Der Bau des Stalles erscheint ihm 80

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auch als Möglichkeit, etwas Eigenes zu leisten. Doch erweisen sich nicht die Basteleien als eigentliches Mittel zur Überwindung des ihn bedrückenden Zustandes. Das Tier bahnt Beziehungen zwischen Östör und den Kindern an. Gegenüber dem in sich selbst kreisenden Leben mit Iri spürt er hier eine Verbindung zu der "Wärme der menschlichen Schicksale". (462*) Die Kin-der erweisen sich als Möglichkeit eines Bezuges zum Allgemeinen, dessen Mangel in seinem Leben etwa die zitierten Grübeleien über seine Arbeit konstatieren. Die Beschäftigung mit ihnen bildet einen unmittelbaren Beitrag zur Kontinuität der Gattung, einen erfahrbaren, eigenen Bezug dazu, und es

stellt sich heraus, daß "gerade diese drei" für ihn inzwischen diesen Bezug ausmachen.

Der im Werk vorgeführte Ausgang ist damit noch nicht zwangsläufig.

Fekete führt, wie oben dargelegt, ein Gestrüpp von Bedingungen und einigen Zufällen vor, die ihn schließlich mit herbeiführen. Östör ist sich, selbst nachdem ihn seine Frau mit dem Tausch vor vollendete Tatsachen gestellt

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hat, immer noch sicher, Iri zu lieben. Es wird dann von der Gegenwart der Spuren der Frau und der Kinder berichtet und davon, wie der Mann mehrere Tage und Nächte grübelt. Seine Überlegungen werden im Laufe des Erzählens eingestreut, eine klare Motivation seiner Tat wird hier nicht ge-geben. Berichtet wird, daß es einen Moment lang das Einfachste für ihn wäre, doch zu bleiben. Dann wird sein endgültiger Weggang konstatiert.

Seine Einsamkeit, die er in seiner Ehe immer wieder festgestellt hatte, wird so durchbrochen.

Die schon im Titel vorgenommene Gegenüberstellung der zwei Frauen läuft so auf eine Gegenüberstellung von zwei Lebensweisen hinaus. Széles hat das sehr klar formuliert: "Frau Palócz steht der blaß gezeichneten Iri nicht gegenüber, aber sie steht einer geordneten Welt wie der Iris deutlich gegenüber.(...) Zum Bedauern und zu dem Gefühl der Verantwortung kommt in dem grübelnden Östör auch anerkennende Achtung und Beschämung hin-zu, und das führt ihn zu der Wende um 180 Grad - nicht in erster Linie von seiner Frau, persönlich, sondern eher von seinem bisherigen Leben

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fort..." (SZELES 1964, 51) Dem in sich kreisenden Leben Iris und ihrer Familie wird mit der Entscheidung des Mannes nicht Unmoral, sondern eine andere Moral entgegengestellt.

Östör ist innerhalb des Erzählten nicht imstande, ein Gegenideal zu dem von Iri und ihrer Familie vertretenen zu formulieren. Wo ihrer beider Le-bensweise , etwa von seinem Vater, der sich einen Enkel wünscht und ihr Leben selbstsüchtig findet, in Frage gestellt wird, deutet er die Vorwürfe um, da sie aus seinen Denkkonventionen heraus nicht widerlegbar wären.

Nur ein dunkles Unbehagen bleibt. Deutlich wird zunächst das Sinndefizit seines gegenwärtigen Lebens, das ihn nach einem Ausweg suchen läßt.

Vorgeführt wird dann seine praktische Stellungnahme. In diesem Ver-ständnis wird ein Entwicklungsprozeß dargestellt und mitverfolgt. Da Östörs Reflexion des Prozeses den Bezugspunkt der Darstellung bildet, reicht diese

Entwicklung inhaltlich zunächt nur bis zum Kenntlichwerden einer Rich-tung. Andere Figuren, selbst Iri, bleiben bei dieser Schwerpunktsetzung blaß und fungieren vorrangig als Gegenpol. Während sich Östör aus einer für ihn sinnentleerten Umgebung befreit, verhält diese sich statisch.

In dem Roman wird hauptsächlich nach den Möglichkeiten des Individu-ums in einer sehr begrenzten sozialen Welt bzw. einem sehr begrenzten Bereich der es umgebenden Soziatät gefragt, aus der auszubrechen die Mit-telpunktsfiguren auch keinen Versuch machen. Ihre Rollendefinition (Beruf, Arbeit, auch das Verhältnis zur Arbeit als etwas zum Bestreiten des Lebens-unterhalts notwendigem) ist Voraussetzung, sie wird nicht in Frage gestellt.

Untersucht wird, indem Östörs Konflikt dargestellt und mitverfolgt wird, welche Möglichkeiten ein Mensch innerhalb dieser Bedingungen, unter die-sen Voraussetzungen hat, um einen ihm angemesdie-senen, würdigen Lebens-anspruch zu finden, um sein Leben als sinnvoll zu erfahren.84 Entsprechend erscheint dieses soziale Umfeld sehr eingeengt. Selbst die Figurenbiogra-phien sind in den mitgeteilten Einzelheiten auf das Allernotwendigste redu-ziert, sie bilden individuelle Erscheinungen typischer Verläufe. Die Gesell-schaft, die ungarische Gesellschaft der frühen sechziger Jahre - die frühe

"sozialistische Gesellschaft" - ist stillschweigend anerkannte Voraussetzung des Lebens der Akteure und ihrer Reflexionen über dieses Leben. Ihre Ge-danken kreisen vor allem um ihre individuelle Existenz, die Familie, den Bereich der von ihnen verrichteten Arbeit, ihre unmittelbaren Lebensbedin-gungen. Dies erscheint als Bereich möglicher Veränderungen, persönlicher Einflußnahme. Ihre Rolle im Makrokosmos der Gesellschaft erscheint als gegeben, nachdem Beruf und Wohnort einmal feststehen. Diese Konstellation reflektiert von der Seite des Romans her nicht nur real vorhandene

"sozialistische Gesellschaft" - ist stillschweigend anerkannte Voraussetzung des Lebens der Akteure und ihrer Reflexionen über dieses Leben. Ihre Ge-danken kreisen vor allem um ihre individuelle Existenz, die Familie, den Bereich der von ihnen verrichteten Arbeit, ihre unmittelbaren Lebensbedin-gungen. Dies erscheint als Bereich möglicher Veränderungen, persönlicher Einflußnahme. Ihre Rolle im Makrokosmos der Gesellschaft erscheint als gegeben, nachdem Beruf und Wohnort einmal feststehen. Diese Konstellation reflektiert von der Seite des Romans her nicht nur real vorhandene