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Gegenstand literarischer Aneignung und Spezifik der Fra- Fra-gestellung

1. GEGENSTAND UND METHODE

1.1. Gegenstand literarischer Aneignung und Spezifik der Fra- Fra-gestellung

Literatur ist eine Form gesellschaflichen Bewußtseins und gibt in spezifi-scher Weise Aufschluß über dessen Zustand. Als Medien eines kollektiven Kommunikationsprozesses sind literarische Werke als Widerspiegelung ihnen vorausliegender sozialer Verhältnisse interpretierbar und agieren gleichzeitig in ihnen. Fui m und Relevanz dieser Aktivität, Funktion und Funktionswahr-nehmung von Literatur nehmen dabei historisch sich wandelnde, in den Re-produktionszusammenhang des jeweiligen gesellschaftlichen Systems einge-bundene Formen an.

In diesem Verständnis werden hier Werke der Prosaliteratur als Untersu-chungsobjekte betrachtet. Die Frage nach der Auseinandersetzung mit histo-rischen Möglichkeiten individueller Entwicklung seitens der Literatur geht dabei nicht im allgemeinen Gegenstand künstlerischer oder literarischer An-eignung auf. Sie thematisiert jedoch einen Kernbereich des erfaßten Zusam-menhangs. Der in der konkreten Darstellungsgegenständlichkeit jeweiliger Werke gefaßte allgemeine Gegenstand literarischer Weltaneignung wird hier im Sinne von Heises Bestimmung als „gesellschaftliche Praxis" (HEISE 1976, 143) bzw. Schlenstedts bildkräftig verdichteter Formel als „Menschen-welt" verstanden.1 „Menschenwelt - das meint nicht 'Gesellschaft' als Tota-lität aller Beziehungen, wie sie nur die Theorie zu ihrem Gegenstand machen kann, und das meint auch nicht einzelne Sachbereiche. Es meint die Welt, in der sich Menschen als individuelle und kollektive Subjekte in ihren kon-kreten Beziehungen zueinander und im Verhältnis zur Natur und Gesellschaft befinden - in historisch jeweils bestimmter Individualitätsform, in historisch ausgebildetem Naturverhältnis und in besonderen, von der Totalität der Ge-sellschaft geprägten 'Sorten von Familien-, Gemeinde- und Staatswesen'".

„Menschenwelt" wird weiter als „die Erfahrungswirklichkeit, wie sie im Blick der Individuen im Handlungsraum konkreter Gruppen erscheinen und zur Phantasiewirklichkeit übersteigert - idealisiert, grotesk verzerrt, ins Wun-derbare verändert - werden kann" erklärt (SCHLENSTEDT 1981, 157).3

In dieser Bestimmung bildet dieser Gegenstand den allgemeinen Bezugs-rahmen der Fragestellung. „Kunst", schreibt Heise, „ist das 'aufgeschlagene Buch menschlicher Wesenskräfte', welches die von Menschen erzeugte ge-genständliche Welt ihrerseits anschaut und anschauen läßt, geschrieben als Enzyklopädie der Subjektivität in Einheit und Widerspiel von Vergegen-ständlichung und Bewußtheit. (...) ihre historisch entwickelten Kommunika-tionsformen in den unterschiedlichen Gattungen gerinnen in den geistig-sinn-lichen Formen ihrer Gestaltgebung in Zeichen und Syntax zum Schein äs-thetischer Unmittelbarkeit und unmittelbarer Erfahrung. Kunst vermittelt auf diese Weise den wirklichen Subjekten das Selbsterfahren geschichtlicher Subjektivität, genauer, Kunstwerke können dies tun" (HEISE 1976, 11/138).

In Richtung der sich hier abzeichnenden Aspekte des Abbildbezugs im Werk, dessen Stellung als Kommunikationsmittel, deren Konsequenzen für die Werkstruktur und seiner Funktion innerhalb der von ihm reflektierten historisch-gesellschaftlichen Praxis selbst im Verhältnis zu in anderen For-men dominant praktischer oder dominant geistiger (theoretischer) Weltaneig-nung gewonnener Erfahrung und deren Objektivationen sind Bezüge der eingangs genannten Fragestellung zu suchen. Nicht die Aufhebung im All-gemeinen des Gegenstandsbezugs künstlerischer oder speziell literarischer Darstellung, sondern die konkrete Ausgestaltung seiner Erfassung ist dabei Anliegen der Arbeit. Die Frage zielt auf kulturhistorisch symptomatische Aspekte seiner jeweils objektivierten Widerspiegelung, auf die Struktur der jeweiligen erzählten Welten. Gefragt wird nach den Möglichkeiten, die sich individueller Entwicklung in ihnen eröffnen, deren Maß, deren Determinan-ten und deren Wertung.

Ihrem theoretischen Programm nach sind dabei die sozialistischen Gesell-schaften mit einem ungeheuren Anspruch angetreten. „Persönliche Abhän-gigkeitsverhältnisse (zunächst ganz naturwüchsig) sind die ersten Gesell-schaftsformen, in denen sich die menschliche Produktivität nur in geringem Umfang und auf isolierten Punkten entwickelt. Persönliche Unabhängigkeit auf sachliche Abhängigkeit gegründet ist die zweite große Form, worin sich erst ein System des allgemeinen großen Stoffwechsels, der universalen Be-ziehungen, allseitiger Bedürfnisse und universeller Vermögen bildet. Freie Individualität, gegründet auf die universelle Entwicklung der Individuen und

die Unterordnung ihrer gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Vermögen ist die dritte Stufe. Die zweite schafft die Bedingungen der dritten." (GR 75/76) Inhalt der Entwicklung sind in diesem Konzept die jeweils erzeugten Be-dürfnisse, Fähigkeiten, Produktivkräfte der Individuen,4 die, abhängig vom Grad der erreichten Naturbeherrschung, im jeweiligen Gesellschaftszustand zunächst in antagonistischer Form herausgearbeitet werden. Die Entfaltung einer gesellschaftlichen Beziehungstotalität erfolgt danach zunächst in ent-fremdeter Form, privilegierte Aneignung menschlicher Entwicklungsmittel ist zunächst Voraussetzung gesellschaftlicher Höherentwicklung, bis schließlich die Mehrarbeit der Massen aufhört, Bedingung für die Entwicklung des all-gemeinen Reichtums zu sein, „ebenso wie die Nichtarbeit der wenigen für die Entwicklung der allgemeinen Mächte des menschlichen Kopfes" (GR 593).5 Nach Abstreifen der „bornierten bürgerlichen Form" erweist sich in diesem Verständnis der „wirkliche Reichtum" als die „entwickelte Produk-tivkraft der Individuen", als die „im universellen Austausch erzeugte Univer-salität der Bedürfnisse, Fähigkeiten, Genüsse, Produktivkräfte etc. der Indi-viduen", die „volle Entwicklung der menschlichen Herrschaft über die Na-turkräfte, die der sogenannten Natur sowohl wie die seiner eigenen Natur", als das „absolute Herausarbeiten seiner schöpferischen Anlagen, ohne andere Voraussetzung als die vorhergegangene historische Entwicklung, die diese Totalität der Entwicklung aller menschlichen Kräfte als solcher, nicht gemes-sen an einem vorhergegebenen Maßstab, zum Selbstzweck macht, wo er [der Mensch] sich nicht reproduziert in seiner Bestimmtheit, sondern seine Tota-lität reproduziert" (GR 595/596). Ausgehend von diesem Verständnis des Geschichtsprozesses wird von Marx der historische Standort der kommuni-stischen Gesellschaft folgendermaßen charakterisiert: „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist." (MEW 4/482)

Aus diesem Geschichtsverständnis leitet sich der historische Anspruch die-ser Gesellschaften ab. Dieses Geschichtsbild definiert auch theoretisch die historische Perspektive, in der Kunst dann agiert. Umgekehrt werden bei konsequenter Umsetzung des Modells die tatsächlich herausgearbeiteten Mög-lichkeiten menschlicher Entwicklung in ihrer sozialen Strukturiertheit zu Kri-terien für Realitätsgehalt oder Illusionismus künstlerischer Befunde über den

Zustand von 'Menschenweiten'. So wird die die Verständigung über reale Ergebnisse individueller Entwicklung in einer ihrem Verständnis nach sozia-listischen Gesellschaft, die Untersuchung der Historizität der erudierten Situ-ation zu einem besonders aufschlußreichen bzw. problematischen Moment der Funktionserfüllung von Kunst als Medium eines gesellschaftlichen Kommuni-kationsprozesses.