4 .3 » Koaponentielle Analyse
D ie erwähnten pragmatisch orientierten Arbeiten legen den - vor
e ilig e n - Schluss nahe, dass sich Phraseologisnen grundsätz
lic h einer komponentiell-semantischen Analyse entziehen. Dem- gegen ü.3r betonen Autoren w ie Fleischer (1 9 8 3 ), Juh^sz (1 9 8 3 ), G . Wot.iak (1 9 8 6 ), B. ’rfot.jak (1985 a und b) die N ützlichkeit merkmalssemantischer Verfahren auch in der Phraseologie. Gegen merkmalssemantische Konzeptionen allgemein lassen sich g e wichtige theoretische Einwände nennen (v g l. Woiskl 1980, Woetzel 1 9 8 4 ) , ohne dass damit aber die Brauchbarkeit der Verfahren fü r bestimmte praktische, u .a . auch lexikographische Zwecke, grundsätzlich bestritten würde. Mir sch ein t, dass Arbeiten wie die von B. rfotjak (1985 a und b ) , d ie Phraseologismen in einem mehrstufigen semantisch-syntaktischen Verfahren be sc h re i
ben, v i e l zur Erhellung der semantischen S p e zifik des Phraseolo
gismus und seines Verhältnisses zur (sofern vorhanden) lit e r a le n Lesart beitragen. Ic h weise nur auf wenige Punkte h in :
1 . Bei verbalen Phraseologismen, insbesondere den von B . Wotjak untersuchten Somatismen, ze ig en sich oft b ereits auf der noch sehr abstrakten Beschreibungsstufe des Kasusrahmens ("T ie f e n k a s u s ", in Anlehnung an Fillmore3 Kasus-Theorie) klare Unterschiede zwischen phraseologischer und lit e r a le r L esart, so etwa bei jmdm. ln den Arm f a l l e n . Während die lit e r a le Lesart die Kasus Vorgangsträger, Adressat (K örperteilbesitzer.), L o k a t iv /D ir . (K ö rperteil) aufweist, besteht bei der phraseologischen Lesart der Kasusrahmen aus Agens und Adressat (so Votjak 2 2 0 ) . Aehnlich verhält es sich bei ,1mdm. (mit e t w .) ln den Ohren lie g e n .
Sich ln den Haaren l ie fe n etc. Bei den Verben im freien Gebrauch
"handelt es sich jew eils um ein lokal- relationales Zustands
verb mit dem Stativen Prädikat ADESSE und der funktionalen Be
stimmung der Argumente durch den allgemeinen Kaususrahmen P - Zustandsträger - stativer L o k a t iv ." Die entsprechenden Phraseo- loglsmen hingegen "drücken nicht einen Zustand, sondern eine Tätigkeit (Aktionsprädikat) mit dem Kasusrahmen P - Agens - Adressat aus. In diesen Fällen wird also bei der Einbindung
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-eines Verbs in eine phraseologische Einh eit dessen ursprüngliche semantische Valenz "a u s s e r Kraft g e s e t z t "" ( 2 2 ) . Anders ausge- driickt: das V erhältnis von externer und in t e r n e r Valenz des Phraseologismus ein e r s e its , das Verhältnis der (externen) phra
seologischen Valenz und der Valenz der lit e r a le n Lesart anderer
s eits erfahren auf diese Weise eine einleuchtende semantische In te rp re ta tio n , die unschwer auch lexikographisch verwertet werden könnte.
2 . Inn erh a lb der Phraseologie wird durch ein mehrstufiges Be
schreibungsmodell die Nicht-Isomorphie von Inhalts- und Aus
drucksstruktur erkennbar. B . Wotjak ze ig t zum einen, dass Phra
seologismen mit der g leic h en syntaktischen Struktur untersch ied
lic h e iidsusrahmen zugrundeliegen können ( ,1mdm. in die Anne f a l len und .1mdm. auf d ie Nerven f a l l e n : v g l. die genaue Analyse S . 270 f . ) , und zum anderen, dass d iffe r ie r e n d e syntaktische Strukturen d ie annähernd gleic h e Kasusstruktur r e a lisie re n können ( z . B . .Imdm. das F e ll gerben und .tndm. rutscht d ie Hand aus.
S . 2 7 1 ) .
5 . Trotz des grands ätz l i e h n ich t zu bestreitenden idiosynkrati- schen Charakters der Phraseologie eröffnen sich nunmehr neue M öglichk eiten, mindestens T eilbereiche des phraseologischen Be
standes zu "m o d e llie re n ", d . h . auf den verschiedenen An alyse
ebenen M odelle zu form ulieren, nach denen Gruppen von Phraseolo
gismen fu n k tio n ie ren . Diese M öglichkeit eröffnet insbesondere onomasiologisehen Fragestellung in der Phraseologie neue Perspek
tiv e n . Für d ie Lexikographie ergäbe sich m .E. h ier d ie Anregung,
"norm ierte" semantisch-syntaktische Beschreibungsmodelle fUr ganze Gruppen von Phraseologismen zu er s te lle n , die zur V erein he itlich u n g der lexikographisehen Methodik fUhren könnten und d ie G efahr w illk ü r lic h e r Differen ze n der Beschreibung v e r wandter Phraseologismen verringern würden. Es wäre dies ein Verfahren, das dem von Neubauer (1 9 80 ) fUr Wortfelder vo rge
schlagenen analog wäre.
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-4. Eine möglichst weit getriebene komponentielle Analyse der Phraseologismen würde mehr lich t bringen in d ie Problematik der "Xomplexheit" der phraseologischen Bedeutung. In d ie s e r Hinsicht gibt es bis je t z t nicht v i e l mehr als Behauptungen.
Koller '1 9 7 7 . ? C f ./ schlägt eine Unterscheidung von "senan- tisch- pragzatisch einfachen" und "komplexen" Redensarten vor.
«Tenn "ih r e Interpretation unabhängig von situ atio celle n oder textuelien Zusammenhängen, in denen sie gebraucht werden, möglich i s t " , gelten sie als einfach, scnst als komplex.
Als B e is p ie l fü r eine komplexe Redensart nennt er den S t ie r bei den liomerc packen.D i e .>Srterbach-Paraphrase (h ie r *etw . mutig an s-r gefährlichen S te lle anpacken’ nach Fried »rieh gebe "i n etwa das abstrakte nandlungssuster* wieder, "d ie konkrete in h a ltlich e und pragmatische Füllung" erhalte die Redensart erst im HandlungsZusammenhang. Ihre Anwendung setze
"d ie Kenntnis jener typischen Situationen voraus, auf d ie sie angewendet werden kann bzw. in denen s ie angevendet w i r d ", und eine n i c h t-phraseologische Paraphrase sei schwierig zu geben.
Abgesehen davon, dass die bei F rie derlch gegebene Paraphrase unzulänglich i s t (DUEEN GW formuliert etwas treffen der 'in ein er prekären Lug*», S itu ation entschlossen, chna Zögern han
deln1 ), geht *us der an s ic h zutreffenden sersantl sch -pragma
tischen Charakterisierung Kollers m .E. n ic h t hervor, warum d iese Redensart "komplexer" sein so lle als andere. A lle n f a l l s würde daraus hervorgehen, dass s ie "vager* I s t als andere oder dass tian eher eine (pragmatische) Gebrauchsbeschreibung als eine Bedeutungsbeschreibung zu geben hätte.
B. Votjak (1985 b) d is k u t ie rt das Probles auf dem Hintergrund ih re r m e r k m a l s a n a l y t isehen Konzeption anhand des Phraseologls
mus JmdiE. zur Hand gehen. Auch sie halt Phraseologismen fü r besonders komplex, und zwar deshalb, w e il sie "neben dem semantischen Kern nicht selten auch noch Uber eine V ie lza h l 'd if fe r e n z ie r e n d e r und konkretisierender Seme’ " [zitier t nach Cem ysevaJ (273) verfügten. Bei jmdm. zur Hand Rehen
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-reiche d ie im WDG gegebene Paraphrase ( ’ jmdu. h e lfen ’ ) n ich t aus, w e il s ie auch semantisch nicht akzeptable Sätze zu lasse w i e :
x Der Lehrer ging dem Schüler beim Lem e n der Vokabeln zur Hand
* Der M eister geht dem Lehrling bei der Montage zu r Hand Es müsse also s p e z i fi z i e r t werden, dass e3 sic h um ''vorwiegend manuelle T ä tig k eit" handle und dass d e rje n ig e , dem geholfen w ird , "h ö h er oder gle ic h q u a lif iz ie r t /p r ä d e s t in ie r t " sei für die betreffende T ä tig k e it (2 7 3 ).
Das i s t z w e ife llo s zu tr e ffe n d . (DUDEN GW berücksichtigt Immer
hin den ersten Aspekt besser a .3 WDGs ’ jmdm. bei ein er Arbeit durch Handreichungen o .ä . h e lfe n ’ . ) Doch sind solche semanti
schen Sp e zifika tio n e n keine S p e zia lit ä t der Phraseologie. Es g ib t im Deutschen eine ganze Reihe von einfachen Verben, bei denen das so zia le G e fä lle zwischen den Aktanten als Sele ktio n srestrik tio n wirksam i s t (ersuchen, befehlen e t c . ) . Und Merkmale wie 'm a n ue ll’ v s . ’ in t e l e k t u e l l ’ trennen eben
f a l l s ganze Gruppen ein fa ch er Verben. B ereits das Verb bel- stehen würde eine ähnlich "komplexe" Bedeutungsbeschreibung verlangen w ir der Phraseologismus. H ie r wäre gerade zu be
achten, dass es sich gar n ich t um eine T ätigkeit handelt (handeln m uss?), bei der man jmdm. h i l f t , sondern v ie lle ic h t eine schwierige Lebenssituation, dass es sic h nicht um eine
’ Lappalie* handeln d a rf etc.
Dass man v i e l e (s ic h e r lic h n ich t a l l e ) Phraseologismen für semantisch besonders komplex hält, kann also Verschiedenes bedeuten und verschiedene Gründe haben. Ic h möchte ein paar Aspekte nennen - ohne s ie im einzelnen zu disku tie re n -, die bei der Beurteilung des Problems d i f f e r e n z i e r t werden s o llte n ! 1 . Phraseologismen haben s ic h e r lic h häufig semantische S p e z i
fik a t io n e n und Selektionsrestrik tion en , d ie bei der lexiko- graphischen Beschreibung zu wenig beachtet werden. Abers unter
scheiden s i e sich in d ie s e r Hinsicht q u a lit a t iv von Lexemen?
2 . Phraseologismen haben häufig s p e zifisc h e pragmatische (Gebrauchs-) bedingunjen. Unterscheidet s ie das q ua lita tiv von Lexemen und berechtigt das zu der Annahme, Wörterbücher
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-läuterungen von Phraseologiamen hätten ganz anderen Regeln zu folgen als solche von einfachen Wörtern?
3« Bei (im Sinne von G. tfotjak) transparenten vollidiom ati- schen Phraseologiamen wird in der lit e r a le n Lesart häufig ein ganzer Vorgang/eine ganze Situation mit verschiedenen Komponenten formuliert. Eine in diesem Sinne "komplexe" Be
deutung kann auf d ie phraseologische Bedeutung durchschla
gen. Z .B . könnte in einem konkreten Text durchaus s p e z i f i zie r t werden, was denn mit dem S tie r gemeint i s t , den man (im phraseologischen Sinn) bei den Hörnern Packen s o ll. Da
durch werden v ie lfä lt ig e Verkniipfungsmöglichkeiten mit dem Kontext eröffnet (wie s ie etwa in Burger et a l . 1982, oder Greclano 1983) beschrieben s in d . Diese stllistisch- text- lin g u istise h en Potenzen zeichnen ohne Zw eifel den Phraseo- logismua gegenüber Lexemen aus. Aber s in d s ie deswegen be
r eits in der lexikographisehen Bedeutungserklärung zu be
rücksichtigen, und wenn j a , wie? (Ein m öglicher Weg - die
"remoti v ie r ende” Erläuterung - wurde in 4 . 2 . d i s k u t ie r t .) Bei den nicht-transparenten Phraseologiamen bezweifle ic h , ob sie in lexikographischer Hinsicht andere Anforderungen stellen als Lexeme. Hier reduziert s ic h d ie etwaige Kom
p lex itä t auf d ie unter 1 . und 2 . genannten Faktoren.
4. Mit dem Problem der Komplexität hängt das kontroverse Thema der "w eiten Bedeutung" des Phraseologismus und seiner etwaigen "V agh eit" zusammen. Desgleichen d ie Frage, i n w ie weit (nach Koller 1977) grosse Gruppen von Phraseologiamen (wie den S tie r bei den Hörnern packen, im gleichen Boot sitzen e t c .) per se als "Ideo logen«1 bezeichnet werden kön
nen, denen in der Alltagskommunikation generell m anipulati
ve Funktionen zuzuschreiben wären.
F leischer (1 9 8 2 , 184) spricht von der "Beziehungsweite"
der Phraseo logismen, womit er m eint: "d ie M öglichkeit, s ie auf sehr verschiedene Sachverhalte anzuwenden». Ich p flic h t e G- rfotjak (1 9 86 , 189) b e i, der es fUr vorschnell hält,
"au s dem Umfang des von der Bk vorgegebenen Inferenz- bzw.
Inte rp re ta tio n sp o ten tia ls" auf etwas w ie Vagheit oder
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-weite Bedeutung sch liessen zu wollen. Mir scheint hier eine
"o p tisch e Täuschung" v o rzu lie ge n, deren Funktionieren etwa so zu beschreiben wäre: D ie Wortverbindung i n wörtlicher Lesart b ie t e t einen sehr w eiten Splelraina für semantische Um- d^utungsprozesse. Gt.iutzt wird in der Regel aber nur e i n Umdeutungsweg, der dann de® Muttersprachler als der "n a tü r l ic h e " und e in z ig a ö g lich e erscheint (v g l . das in 4. 2 . zu das Kind a l t dem Bade ausschütten Gesagte). So entsteht der Eindruck des besonders "t r e ffe n d e n " B il d e s . Dieses "E i l d "
lässt s ic h nun - in fo lg e des Verlustes der konkreten Denotate und Referenzm öglichkeiten - auf grosse Bereiche von abstrak
ten Sachverhalten ("S i t u a t i o n e n ", "Lebensuostände", "g e s e l l s c h a ftlich e Lage" e t c .) anwenden. Dieses O s z ill ie r e n zwischen
"t r e f f e n d e r B il d l ic h k e it " und abstrakter Referenz nacht be
stimmte Phraseologismen besonders geeignet fü r alltagsrheto- r is c h e , wenn man will, "id e o lo g is c h e " Funktionen. Und der Sem an
t i k e r wundert sich über d ie "V e i t e " der Bedeutung, über d ie er s ic h beim gesamten , strakiwortschatz i n k ein er Welse wundern würde.
Diese Fragen und Ueberlegungen müssten ■-5. den Lexikographen zu e in e r vo rsich tigen Haltung anregen: bevor n icht gezeigt worden i s t , dass Riraseologismcn in einaa lexikographisch relevanten Sinn vager sind a ls
Lexeme,
s o llte man ih re Bedeutung serlüuterung mit der gleich en Präzision formulieren, um d ie man s ic h bei den Lexemen bemüht, und d ie merkmalsseman- tisc h e Analyse s o llte so w eit wie möglich und so d iffe r e n z ie r t w ie m öglich vorangetrieben werden.
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-Karlheinz D a n i e l s :
Aktuelles Verstehen and h istorisches Veislandnis von Redensarten Ergebnisse ein er Befragung
Im folgenden wird über eine Befragung von 60 Probanden zum Verständnis von Redensarten b e r ic h t e t .1 Die Zielsetzung i s t dabei begrenzt auf (p assives) "Verstehen" und (r e fle x iv e s )
"E r k lä r e n ", d .h . die aktive "Verwendung" b le ib t außerhalb der Fragestellung, hierzu hätte es anderer Versuchsanordnungen bedurft. 2 Zunächst sind jedoch einige theoretische Vorkl irungen n ö tig .
Zur Terminologie
Als Befragungsmaterial dienten 10 Phraseologismen, die l t . her
kömmlicher Terminologie als "sprich tw örtlich e Redensarten" be
zeic hnet werden, wobei d ie P r inzip ien der " B i l d l i c h k e i t ", der
"übertragenen" Bedeutung und der "k u ltu rh istorisch en Erklirungs-bedürftigkeit" durchweg gegeben s in d .^ Auf die gesaute damit >
verbundene Kriterien- und K la s sifik a tio n sd is k u s sio n und die m iteinander konkurrierenden Terminologien kann hier n ich t im
einzelnen eingegangen werden, es sei auf die entsprechenden Kompendien verw iesen.^
Zur M aterialausw ahl und -anordnung
Es wurden 10 sprichwörtliche Redensarten ausgewählt, deren "G e b r ä u chlich k eit" als u n tersch ie dlich gelten kann, die aber zum Grundbestand der standardsprachlichen Kompetenz eines Prloiär- sprechers zu rechnen sin d. Bei näherem Hinsehen ze ig t s ic h J e doch, daß im einzelnen un tersch iedlich e Verhältnisse vorliegen, d ie einen Jew eils anderen SchwLerlgWt^rad bedingen, der aber l e t z t l i c h vom Kenntnisstand des Probanden bestimmt i s t . Welche S chw ierigkeiten dabei im D e t a il auftreten können, wird anhand
- 99
der Jew eiligen Beispiele zu erörtern s e in . Hier sei nur gene
r e ll fe s t g e s t e llt , daß nicht einfach, wie bisher meist g e schehen, von einem lin g u is t is c h geschulten Vorverständnis aus- gegangen werden kann, wenn Fragen wie Id io m a t izita t , Ifcertrage- ne und l i t t e r a l e Bedeutung, B ild h a ftig k e it , Bekanntheitsgrad, synchrone M o tiviertheit, Durchsichtigkeit usw. disku tiert werden. Die Situation "vor Ort" gestaltet sich oft w esentlich komplexer als in der ordnenden Übersicht des Phraseologen.
Wohl kaum auf einem anderen Gebiet der Kommunikation gehen w issenschaftliche Annahmen und tatsächlicher Befund so weit auseinander wie Im Bereich der Phraseologie, und h ier besonders der sprichwörtlichen Redensarten.
Um einem ling uistisch en Vorverständnis vom graduellen "S c h w ie r ig k eitsg rad" der einzelnen Redensarten nicht aufzusitzen und d i e sen Irrtum möglicherweise an die Probanden weiterzugeben, wurde deshalb d ie fortlaufende Anordnung l t . Z u fa lls p r in zip gewählt (v g l. Fragebogen am Schluß ).
Ebenso wurde darauf verzic h te t, die B e is p ie le ln erfundene Kon
texte einzubetten, w eil verhindert werden s o llte , daß aus dem Text in h a lt lic h e Sekundärinformationen für Verstehen und E r
klären bezogen werden konnten, die möglicherweise wieder a u f Intentionen der zugrundeliegenden Versuchsanordnung bzw. deren Verfasser zurückzufiihren wären. Es s ollte le d ig lic h darum gehen fe s t zu s t e lle n , was im Probanden bei einem bestimmten Stichwort gleichsam vom Speicher (Lexikon) abrufbar i s t . Dem dienten d ie beiden Fragen:
a) "Was w il l der Benutzer der Redensart damit ausdrücken?"
(a k tue lles Verstehen).
b) "Woher stammt diese Redensart Deiner Meinung nach?"
(h isto risch es V erständnis).
Zur Befragungsmethode
Eine grundsätzliche Schwierigkeit beim "Erklären" von Redensar
ten besteht darin; dau man nicht von einem festgelegten, einma
ligen Bedeutungsumfang sprechen kann,' sondern daß im E in z e l * f a l l mehrere Primärbedeutungen vorliegen können. Von daher
100
-erscheint es generell fragwürdig, phraseologische Einheiten mit "Bedeutungen" zu umschreiben, den phraseologischen In h a lt also nicht-phraseologisch umzubenennen. Hierauf weisen A. Sialm et a l . am B e is p ie l "N ic h t a ll e Tassen im Schrank haben" hin, Indem s ie d ie Umschreibung mit "dumm" durch weitere Synonyma
[z.B . doof, blöd, beschränkt . . . ] ergänzt sehen möchten. 7 Bekanntlich reichen auch Mehrfachumschreibungen n icht aus, den s p e zifisc h e n semantischen Gehalt einer Redensart adäquat w ieder
zugeben, da im Phraseologismus ein "sem antischer Mehrwert", a insbesondere zur Einstellungscharakterisierung, angelegt i s t . Zudem zu sä tzlic h zwischen p o ten tielle r Primärbedeutung und a k tu e lle r Verwendung unterschieden werden. Hierbei spielen sowohl situations- , textsorien- und gruppenspezifische wie auch i n d iv id u e l l e , i d io le k t a le Variablen eine besondere R o l l e .' Q Von Belang I s t in dem z u le t z t genannten Punkt die jew e ils unter
schiedlich e sprachliche Kompetenz des Sprechers. Je geringer d ies e Kompetenz i s t , um so häufiger wird de r Vorgang eines
"konstruierenden Verstehens" fe s tzu s telle n s ein , den T . Scherer folgendermaßen umschreibt! "Man k»nn eine Redensart, die man hört
■mit Sinn f ü l l e n " , ohne d ie Vorstellung, die der Sprecher oder auch d ie Sprachgemeinschaft mit ih r verbindet, verstanden zu haben.
Aus den h ie r genannten Überlegungen ergab sich die Entscheidung fü r einen Fragebogen mit i s o lie r t e n B eis p iele n sprichw örtlicher Redensarten - ein Verfahren, das sein e rseits wiederum auf dem Hintergrund der genannten Schwierigkeiten zu problem atisieren wäre.
Zur Probandengruppe
Die Gesamtzahl von 60 B efragten t e il t sic h in 2 Untergruppen zu j e 30 a u f : Gruppe A besteht aus Schülerinnen und Schillern der Klassen 10-13 an einem Gymnasium im Raum Aachen (im A lter von 16-19 J a h r e n ). Gruppe B setzt sich aus Studierenden des Faches Musik an der Gesamthochschule/Universität Duisburg zusammen.
Das A lt e r i s t hier zwischen
21
und29
Jahren. A lle B efragten«acEM»
101
-hatten eine persönliche Beziehung zur T e s t le it e r in und waren inform iert über die Bedeutung der Befragung für eine akademische Q u a lifik a tio n der L e it e r in .
Die Teilnehmer wurden aufgefordert, den Bogen möglichst spontan auszufiillen und dabei die Frage a) nur dann zu beantworten, wenn es sich um Wissen und nicht um Spekulationen handle. (Ge
wisse Abweichungen hiervon sind a llerdings möglich, da man einen psychologischen Antwortdruck nicht ausschlieäen kann - obwohl den Probanden bekannt war, daß eine n ich t beantwortete Frage von gleichem Auf3Chluäwert war wie eine beantwortete.) Bei Frage b) hingegen waren natürlich spekulative Aussagen nicht auszuschlieuen, Ja in gewisser Weise geford ert. Die benötigte Z eit bewegte sich zwischen 8 und 40 M inuten. Rückfragen waren möglich.
Ergebnisse
a ) Der Bekanntheitsgrad der Redensarten
Bei Frage a) ging es darum festzu s telle n , welche sprichwörtlichen Redensarten den Probanden überhaupt bekannt sind - im Siiine einer vorgeformten "f e s t e n ” sprachlichen Einheit - und welche
Bei Frage a) ging es darum festzu s telle n , welche sprichwörtlichen Redensarten den Probanden überhaupt bekannt sind - im Siiine einer vorgeformten "f e s t e n ” sprachlichen Einheit - und welche