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Juli 1971 hatten Mao und Nixon, zum Erstaunen der Welt- Welt-öffentlichkeit, den bevorstehenden Besuch des US-Präsidenten in

Die Reformulierung des Antikommunismus in Westdeutschland und in den USA (in neuen Perspektiven)

Am 15. Juli 1971 hatten Mao und Nixon, zum Erstaunen der Welt- Welt-öffentlichkeit, den bevorstehenden Besuch des US-Präsidenten in

Rot-China verkündet. Im Mai 1972 besuchte Nixon auch die Sowjetunion, mit der er noch im selben Jahr den Vertrag zur Begrenzung von Raketen-abwersystemen (Anti-Ballistic Missile Treaty) aushandelte und unter-zeichnete.4 Willy Brandt besuchte Warschau und Moskau und erreichte bald die Unterzeichnung der „Ostverträge", die das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und den kommunistischen Staaten in Europa auf eine neue Grundlage stellte.5

Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse, die allesamt mit „Entspan-nung" zwischen Ost und West in Verbindung gebracht wurden, galt die Person Kardinal Mindszentys - übrigens fast übereinstimmend in Ost-europa und in der liberalen und linksstehenden Presse des Westens - als Figur der Vergangenheit. Wer aber waren diejenigen, die sich genau in dieser Zeit, als sich ein Teil der öffentlichen Meinung von ihm abwandten, Kardinal Minszenty unterstützten und sich mit seinem Kampf identifi-zierten? Wie begründeten sie ihre Haltung gegen den liberalen Main-stream? Das sind die Fragen, die ich in meinem geplanten Forschungs-projekt untersuchen möchte. Joseph Kardinal Mindszenty besuchte von Wien aus mehrmals die Bundesrepublik Deutschland und andere demokra-tische Staaten in Westeuropa, darunter Belgien, Frankreich und Groß-britannien, die USA und Venezuela, aber er besuchte auch die autoritäre Diktatur in Portugal und den Apartheitsstaat Südafrika.

Mein Forschungsprojekt bezieht sich zunächst auf die Medien und ihre Berichterstattung: Wie wurde über Mindszentys Reisen berichtet? In wel-che Zusammenhänge wurde der Kardinal und seine Rolle während dieser Besuche eingeordnet? Wie unterschied sich die Kommentierung von Mind-szenty und seinen Reisen in den unterschiedlichen Ländern, die er besuchte, aber auch in Ungarn, Osterreich oder der Bundesrepublik, wo seine Person,

' Z u m Helsinki-Prozess: W I L F R I E D L O T H , Helsinki, 1. August 1975. Entspannung und Abrüstung. München, 1998.

+ Vgl. dazu: DOUGLAS E . SELVAGE, Transforming the Soviet Sphere of Influenae? U.S.-Soviet Detente and Eastern Europe, 1969-1976, Diplomatie History, 33/4 (2009), 671-687.

5 Vgl. zuletzt dazu: J A N KUSBER, Ostverträge 1970/72. Uberwindung oder Zementierung der Teilung Europas?, Deutschland in der Welt. Weichenstellungen in der Geschichte der Bundesrepublik, (Hg. von Andreas Rödder - Wolfgang Elz), Göttingen, 2010, 47-64.

und seine Aktivitäten besondere Aufmerksamkeit erfuhren? Zweitens in-teressieren mich die Gruppen, die Mindszenty öffentlich unterstützten.

Waren sie miteinander in Kontakt, wussten sie voneinander oder han-delten sie völlig isoliert voneinander? Wie verbanden sie ihr Engagement für Mindszenty mit ihren jeweiligen lokalen, regionalen und nationalen Zielen? Schließlich möchte ich drittens mehr über die Sozial- und Kul-turgeschichte dieser Gruppen herausfinden, da sie uns Einblicke in den weiteren Kontext ihrer Zeit, die frühen 1970er Jahren gewähren. Waren sie vereint im Festhalten am Antikommunismus in einer Zeit der Entspan-nungspolitik? Galt ihr Interesse mehr den innerkirchlichen Reformen, die das Zweite Vatikanische Konzil angestossen hatte? Oder hatten sie viel-leicht auch ganz andere Motive?

J O S E P H M I N D S Z E N T Y A L S I N T E R N A T I O N A L E S S Y M B O L D E S A N T I K O M M U N I S M U S

Als Kardinal Mindszenty im September 1971 schließlich zustimmte, die Botschaft der Vereinigten Staaten in Budapest zu verlassen, wurde er nach 15 Jahren Exil von Papst Paul V I in Rom empfangen. Der Papst nannte ihn in einer Presseerklärung ein „Opfer der Geschichte".6 Seine Biographie war damals öffentlich bekannt und wurde in diesem Zusammenhang er-neut erinnert: Mindszenty war 1892 als József Pehm in einem kleinen Dorf in Westungarn zur Welt gekommen und im Jahr 1915 zum Priester geweiht worden. Ab 1917 lehrte er Religion am Knabengymnasium in Zalaegerszeg.

1919 wurde sein Name erstmals in der weiteren Umgebung bekannt, da er wegen einiger kritischer Zeitungsartikel zunächst von Anhängern der Ká-rolyi-Regierung verhaftet worden war, dann von Vertretern der Räter-republik unter Hausarrest gestellt wurde. Nach seiner Ernennung zum Pfarrer von Zalaegerszeg im Oktober 1919 wirkte er fast 20 Jahre in der westungarischen Provinz, machte sich aber einen Namen als hervorra-gender Organisator, tatkräftiger Reformer und Gestalter und auch poli-tisch sich nicht zurückhaltender Hirte. Kurz nachdem er im März 1944 zum Bischof von Veszprém ernannt worden war, winde er aufgrund eines Schreibens an das Szálasi-Regime erneut verhaftet. Bereits 1942 hatte er

6 ROGER GOUGH, A good comrade. Janas Kadar, Communism, and Hungary, London, N e w York, 2006,177.

seinen Namen in Mindszenty ungarisiert und nobilitiert, um damit gegen den übermäßigen Einfluß des nationalsozialistischen Deutschlands auf Un-garn zu protestieren. Die Namensänderung war vor allem als Bekenntnis zur ungarischen Nation zu verstehen, in gewissem Sinne auch zur Aris-tokratie und zum Königtum.7 Vermutlich aufgrund seiner Verhaftung durch die Pfeilkreuzler und wegen seines kompromislosen Eintretens für die Kirche ernannte ihn Pius XII. am 16. August 1945 schließlich zum Erzbischof von Esztergom und Primas von Ungarn, in einer äußerst schwierigen Situation für die katholische Kirche Ungarns. Ein Problem für die Kirche war, dass die Sowjetische Militärverwaltung und die Kom-munistische Partei sie als Bollwerk des Feudalismus betrachteten und dementsprechend die Bodenreform von 1945 in einer Weise gestalteten, dass der überwiegende Teil des kirchlichen Bodenbesitzes und damit das finanzielle Rückgrat der Kirche verloren ging.8 Danach begannen die Kommunisten, aber auch ihre Verbündeten in der Bauernpartei, der So-zialdemokratie und innerhalb anderer Parteien auch den kulturellen und sozialen Einfluß der Kirche zurückzudrängen, besonders im öffentlichen Unterricht und im Presse- und Verlagswesen. Mindszenty gelang es, besonders nachdem die bürgerlichen Parteien von den Kommunisten ent-scheidend geschwächt worden waren, mehr und mehr Menschen gegen diese Politik zu mobilisieren. Besonders während des Marienjahres 1947/48 besuchten Hunderttausende die Veranstaltungen der Kirche, auf denen Mindszenty unverblümt in Reden vor der Errichtung eines kommu-nistischen Regimes warnte, dies sei gleichbedeutend mit dem Untergang der Nation.9 Schließlich demonstrierten die Kommunisten ihre Stärke und

7 Zur Namensänderung äußerte er sich in einem Brief: „Die Namensänderung bereitete große Probleme. Ich habe ihn fünfzig Jahre lang getragen - ich denke mit Wertschätzung [...]. In Deutschland wird eine grauenhafte Propaganda betrieben, u m nachzuweisen, dass unser Land aufgrund der N a m e n eine Stätte deutschen Blutes sei. Ein führender Beamter von Zala wurde aufgrund seines N a m e n s aufgefordert, in den Volksbund einzutreten. Ich habe mich lange damit auseinandergesetzt, es hat meine Seele belastet. Aber sowie ich es als ungarisches Interesse erkannt habe, musste ich es tun." Zitiert nach: ISTVÁN MÉSZÁROS, Mindszenty bíboros és Vas megye [Kardinal Mindszenty und das Komitat Vas], Vasi Szemle, (49.

Jhg.), 1995/3, 32 I

"335-8 F E R E N C TOMKA, Halálra szántak, mégis élünk! Egyházüldözés 1945-1990 és az ügynök-kérdés [Wir wurden zum Tode bestimmt, wir leben jedoch! Kirchenverfolgung 1945-1990 und die Spitzel-Frage], Budapest, 2005.

9 I S T V Á N M É S Z Á R O S , Boldogasszony Eve 1947/48 [Das Marianische Jahr 1947/48], Budapest,

1994; J Ó Z S E F M I N D S Z E N T Y , Hirdettem az Igét. Válogatott szentbeszédek és körlevelek 1944-1975

verhafteten den Kardinal kurz nach Weihnachten 1948. In einem insze­

nierten Prozess wurde Mindszenty schließlich zu lebenslanger Freiheits­

strafe verurteilt.10

Spätestens jetzt war der Fall Mindszenty zu einem internationalen Fall geworden: Im Februar 1949 verurteilte Papst Pius XII öffentlich das Gerichtsurteil und die Verfolgung der Kirche in Ungarn, aber auch in Jugoslawien und in anderen Staaten des sowjetischen Machtbereiches. Vor

einer Viertelmillion Gläubigen auf dem Petersplatz verkündete Pacelli, dass der Papst nicht schweigen könne, wenn die Kirche verfolgt würde.

Für Peter Kent markierte der Protest gegen die Verurteilung Mindszenty's den Beginn von Pius' „einsamem Kalten Krieg".1 1 Die gesamte katholische Welt war in Aufruhr, selbst im fernen Australien kamen 60.000 Menschen zusammen, um gegen die Verurteilung Mindszenty's durch das Budapester Volksgericht zu demonstrieren.12 Auch die Vereinten Nationen nahmen sich des Falls an.13

Für die westliche Presse war der Kardinal zu einem Symbol des Wider­

stands gegen den Kommunismus geworden. Das T I M E Magazine wählte Mindszenty 1949 zum „Man of the Year", was auf die enorme inter­

nationale Aufmerksamkeit des Falls im aufziehenden Kalten Krieg ver­

weist. Selbst in protestantischen Ländern wie dem lutherischen Schweden betrachteten viele Mindszenty als „Held der Religionsfreiheit".14

Schließlich entdeckte auch die Filmindustrie das Thema: Bereits 1950 produzierte Hollywood einen Spielfilm, der auch Dokumentarfilmma­

terial verarbeitete und in dem Charles Bickford die Rolle Mindszenty's

[Ich verkündigte das Wort Gottes. Ausgewählte Predigten und Rundschreiben 7944-/975/> Vaduz, 1982, 155.

1 0 J E N Ő G E R G E L Y - LAJOS IZSÁK, A Mindszenty-per [Der Mindszenty Prozess], Budapest, 1989.

1 1 Z u m internationalen Kontext des Falles Mindszenty: D I A N N E K I R B Y , The Cold War, the hegemony ofthe United States and the golden age of Christian democracy. World Christianities c. 1914-2000, (Hg. H u g h McLeod), Cambridge u. a., 2006,285-303, hier 295; P E T E R K E N T , The Lonely Cold War of Pius XII. The Roman Catholic Church and the Division of Europe, 194.3-1950, McGill U P , 2002, 237 f.

1 2 BRUCE DUNCAN, Crusade or Conspiracy? Catholics and the anticommunist struggle in Aus-tralia, University of N e w South Wales Press, 2001,135.

"3 Vgl. dazu: „Mindszenty Case Is Put Before U. N.", N e w York T i m e s , 18.03.1949.

1 4 Vgl. dazu: Postkarte mit der Aufschrift „Kardinal Josef Mindszenty i Ungern. Relligi-onsfribetens hjälte" (im Besitz des Autors).

spielte.15 Fünf Jahre später stellte Sir Alec Guiness den Kardinal in Peter Glenville's Melodram „The Prisoner" dar, wo es weniger um die politischen als mehr um die psychologischen Aspekte des Falles Mindszenty ging.1 6 In diesem Jahr war es international wieder etwas ruhiger um József Mind-szenty geworden. Doch nachdem im Oktober 1956 die antistalinistische Revolution ausgebrochen war, und der Kardinal von mit dem Aufstand sympathisierenden Truppen aus seiner Haft befreit worden war, stand er erneut im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit.

Am 31. Oktober 1956 wird Mindszenty von einer Abordnung