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Mai 2000 erinnerte sich Kardinal König im Rahmen eines Gedenkgottesdienstes in Mariazell 20 aus Anlass des vor 25 Jahren erfolgten

UND KARDINAL MINDSZENTY Die Ostpolitik des Vatikans

Am 14. Mai 2000 erinnerte sich Kardinal König im Rahmen eines Gedenkgottesdienstes in Mariazell 20 aus Anlass des vor 25 Jahren erfolgten

Heimganges des Primas von Ungarn: „Unvergesslich bleibt mir als

emeri-2 0 DAW Kardinal König-Archiv, F. König, Predigt im Gedenkgottesdienst in Maria-zell am 14. Mai 2000.

tierter Erzbischof von Wien die erste Begegnung mit dem Kardinal-Primas als isolierter Gast in der amerikanischen Botschaft. Diese Begeg-nung mit ihm, meine Teilnahme an seinen Sorgen und seiner HoffBegeg-nung hatte mich damals wichtige Erkenntnisse gelehrt. Mir wurde bewusst, welche Größe und welche Bedeutung der einsame Mann in der Botschaft für Kirche und Welt hatte. Mir wurde damals aber auch bewusst, welche Möglichkeiten sich für den Erzbischof von Wien ergeben, um mit den Bischöfen jenseits des Eisernen Vorhanges Verbindung aufnehmen zu sollen.

In meiner Erinnerung haben sich folgende Züge des gefangenen Primas von Ungarn tief eingegraben: Erstens, er stellte sich kompromisslos als Verteidiger seiner Kirche ein. Er gab mir immer wieder zu verstehen, dass er bereit sei, für seine Kirche in Ungarn als Märtyrer zu sterben. Ein Zweites. Er Hebte seine Heimat Ungarn über aUes und woUte sein Land unter keinen Umständen verlassen, obwohl man ihm in dieser Hinsicht seitens der kommunistischen Regierung goldenen Brücken ins Ausland zu bauen bereit war. Und ein drittes: Der Papst in Rom als Inhaber des Petrus-amtes war für ihn eine letzte und bindende Autorität. Auch dann, wenn er eine Entscheidung des Papstes schwer verstehen konnte. Er hatte schwer darunter gelitten, dass Paul VI. ihn bat, nach Rom zu kommen, in der Hoffnung, damit die MögHchkeit eines Modus vivendi mit der etabHerten kommunistischen Regierung zu schaffen, als er ihn, ohne sein Einver-ständnis, am 5. Februar 1974 aus pastoralen Erwägungen seiner erzbischöf-lichen Funktionen enthob, ohne damit einen Nachfolger zu ernennen. Der Kardinal steUte dazu fest, dass diese Entscheidung einzig und aUein vom ApostoHschen Stuhl getroffen worden sei. Die damals unter Paul VI. einse-tzende "Ostpolitik des Vatikans" war für Mindszenty schwer verständlich."

KARDINAL KÖNIGS VERSTÄNDNIS VON VATIKANISCHER OSTPOLITIK

Und was Kardinal König unter „Ostpolitik" verstand, das hat er wieder-holt in Vorträgen und Diskussionen klar und deutlich ausgesprochen - ich darf ihn am besten direkt zitieren: „Was heißt eigentlich Vatikanische Ostpolitik? Meiner Meinung nach wül dieses so sehr strapazierte und so vielfach gewoHt und ungewoUt missverstandene Wort nichts anderes sagen, als dass der Vatikan sich bemüht, in Verhandlungen mit Regierungen

kommunistischer Länder der Kirche vor Ort ein Mindestmaß an Atem-raum zu schaffen." Er sah von Anfang an illusionslos die Möglichkeiten und Grenzen solchen Bemühens.

In einem am 24. April 1965 erschienenen Beitrag in der Tageszeitung

„Neues Osterreich" unter dem Titel: „Wien - Luftkreuz Südost" spricht er von Wien im Herzen Mitteleuropas als einer Stadt mit mehreren Kopf-bahnhöfen, aber: Wien will keine Endstation, kein bloßer Kopfbahnhof des Westens sein, Wien will wieder Umsteigestation sein, vor allem nach dem Südosten. Wer nach Wien kommt, soll nicht in ein feindliches Land kommen, ob vom Westen, ob vom Osten... Wien ist gleichsam eine Druck-ausgleichkammer weltpolitisch, aber auch geistig verschiedener Druckver-hältnisse. Und dies alles, so der Kardinal, trifft doch auch auf die Kirche zu.

Und das ist eine Herausforderung für den Wiener Erzbischöflichen Stuhl.

„Geschichte und Geographie legen es dem Erzbischof von Wien nahe, Verbindung mit seinen Kollegen im Bischofsamt im Osten aufzunehmen, sie aufzusuchen, wo immer und wann immer es geht, mit ihnen zu reden, ihre Wünsche zu hören und durch seine Präsenz, durch seine Anwesenheit in ihrem Heimatland zu zeigen, dass die Kirche sie nicht abgeschrieben, sie nicht vergessen hat."

Und dann kommt er auf die Möglichkeiten zu sprechen, die der Kirche heute gegeben sind, um das schwere Los der Katholiken im Osten zu erleichtern: „...erstens durch Änderung der politischen Machtverhält-nisse, zweitens durch eine Anpassung der Kirche an die bestehenden Macht-verhältnisse. Das erste heißt im Extrem Kampf, das zweite Unterwer-fung." Und er zieht den Schluss daraus: Die Kirche konnte den einen Weg nicht gehen und nicht den anderen, sie konnte nicht zum politischen Kampf aufrufen, aber auch nicht zur Kapitulation. Sie musste einen Mit-telweg versuchen. Und dann spricht er vom „österreichischen Weg der zähen, aber geduldigen Widersetzung und der Unterscheidung zwischen Politik und Seelsorge, zwischen Ideologie und Mensch."

Und Kardinal König stellt21 - immer muss man denken, es war das Jahr 1965 - klar: „Die Kirche hat versucht, versucht es noch und wird es weiter versuchen, durch Verhandlungen mit den Regierungen zweierlei sicher-zustellen. Zunächst eine ordentliche Hierarchie, d.h. amtierende Bischöfe und Priesternachwuchs. Denn wo der Hirt geschlagen ist, zerstreut sich die

2 1 FRANZ K Ö N I G , Weder Kampf noch Kapitulation, Der Atheismus als Herausforderung, FRANZ KARDINAL K Ö N I G , Worte zur Zeit, (Hg. Richard Barta), Wien, 1968,104 f.

Herde, heißt es und der Kommunismus wusste sehr wohl, warum er zuerst die Bischöfe auszuschalten versuchte. Und zum zweiten ein Minimum an Wirkungsmöglichkeit über den Kultraum hinaus, das heißt vor allem Religionsunterricht für die Jugend, kirchliche Presse und Literatur."

Und er ist sich bewusst: „Die Kirche, das heißt hier konkret, der Vatikan, hat bei diesen Verhandlungen manche Zugeständnisse gemacht, die die wenigen Repräsentanten der Kirche in diesen Ländern nicht machen konn-ten, ohne als Kapitulanten von ihren Gläubigen abgelehnt zu werden.

Gewiss war auch dies ein Wagnis und der Ausgang ist ungewiss. Aber Ungewissheit und Wagnis ist das Kriterium menschlichen Handelns. Und welcher andere Weg wäre noch offen?"

Und er fragt weiter: „Ist das nun Koexistenz? Es kommt darauf an, was man unter dem Wort versteht... Wenn Koexistenz ein Miteinanderleben in Gegensätzen heißt, so müssen zumindest die Katholiken in den kommu-nistischen Ländern mit dem Kommunismus als Staatsdoktrin koexistieren.

Das mag uns nicht recht und ihnen nicht angenehm sein. Aber dies ändert nichts an den Tatsachen. Und wir können den Katholiken nur helfen, in einer solchen Koexistenz überhaupt existieren zu können. Darum geht es.

Um die nackte Existenz, um ein bisschen geistige Atemluft... Worauf wir warten ist nicht ein Zusammenbruch des Systems, nicht eine offizielle Änderung der kommunistischen Doktrin. Wohl aber warten wir auf die Weiterentwicklung einer schon vorhandenen Diskrepanz zwischen Theo-rie und Praxis, zwischen Doktrin und Leben in diesen Ländern... In diesem Spalt muss auch die Kirche ihren Fuß hineinzustellen versuchen, um durch rein juristische Abmachungen die Zufuhr von ein wenig Frischluft zu garantieren... Diese frische Luft kann auch von Osterreich kommen...

Wir sind nicht nur die Nächsten, wir sind auch die Verwandtesten. Sie kann kommen durch unser Gebet, aber auch durch unser praktisches Verhalten."

Ich denke, das ist auch eine mögliche Antwort auf immer wieder gehörte Vorwürfe gegenüber der Vatikanischen Ostpolitik dieser Jahre.

Und schließlich - was seine Person betrifft und den besonderen Stand-ort Wien: „Wien ist die letzte Station für den, der vom Westen nach dem Osten fährt; es ist die erste Station des Westens für den Besucher aus dem Osten. Beiden wirkt sie vertraut."22

2 2 Ebd., no.

Kardinal König hat Wien immer als „Brücke" verstanden und nicht als

„Brückenkopf". Daher ergab sich alles andere als gewissermaßen logische Konsequenz seiner Funktion als Erzbischof dieser Stadt. Er sah sich nicht als Ostdiplomat, vielmehr: „Ich habe gegen eine solche Fehleinschätzung immer protestiert, allerdings vergebens. Denn offizielle Verhandlungen mit Regierungen werden nur durch das Staatssekretariat des Vatikans bzw.

seiner diplomatischen Vertreter geführt. Meine Reisen erfolgten wohl mit Wissen des Vatikans, aber nicht in offizieller Mission. Die Sache war viel einfacher. Die Wiener Erzdiözese hat vielfältige geographische, kulturelle und historische Beziehungen zu den Ländern Osteuropas. Darin sah ich meine Legitimation. Durch meine Präsenz zu zeigen, durch meine An-wesenheit in den verschiedenen Ländern den Menschen dort zu zeigen, dass die Kirche sie nicht abgeschrieben, sie nicht vergessen hat.'"3

Ich hoffe und bin eigentlich überzeugt, dass Kardinal König genau das, trotz der fast ausweglos schwierigen menschlichen Gesamtsituation, auch seinem seiner Freiheit und Würde beraubten bischöflichen Mitbruder József Mindszenty glaubhaft machen konnte.

A N N E M A R I E F E N Z L

23 FRANZ K Ö N I G , Auch den Gegner als Gesprächspartner ernst nehmen, FRANZ KARDINAL

KÖNIG, Kirche und Welt, Ansprachen, Referate, Aufsätze, (Redaktionelle Betreuung Mag. Friedrich Müller), Wien, 1978, 88 f. und K Ö N I G , 1968,106.

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