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Der historische und prosopographische Kontext und Möglichkeiten einer Zuweisung

In document Studia Byzantino-Occidentalia (Pldal 90-109)

Historische und prosopographische Anmerkungen zum illustrierten Brautgedicht

V. Der historische und prosopographische Kontext und Möglichkeiten einer Zuweisung

Die Mehrzahl der Forscher hat an Anna von Frankreich und dem Jahr 1179/80 festgehalten ohne jemals den Text einer Prüfung zu unterziehen und den Hintergründen nachzugehen.

Die Personen

Überlegen wir zunächst, welche ausländischen Prinzessinnen unter Berücksichtigung der vom Text, nicht den Illustrationen, gegebenen

25 Spatharakis (Anm. 10).

26 Jeffreys (Anm. 3) 101.

27 Hilsdale (Anm. 2).

28 Hennessy (Anm. 14). Sie konnte die Arbeit von Hilsdale nicht mehr berücksichtigen.

29 Sie hat diese Handschrift erneut behandelt in Tsamakda, V. (Hrsg.): A Companion to Byzantine Illustrated Manuscripts. Leiden 2017, 177–182 und übernimmt hier alle Argumente ihres Aufsatzes aus dem Jahr 2006.

Identifizierungsmöglichkeiten eine Ehe mit dem Sohn eines byzantinischen Kaisers eingehen konnten.30 Wir schließen dabei jene Prinzessinnen aus, de-ren Vater kein regiede-render König eines Landes des „Westens“ war und von byzantinischen Kaisern, die nicht in Konstantinopel lebten (während des Lateinischen Kaiserreiches) und beziehen das relativ breite paläographische Votum (nach 1200 bis vor ca 1320) mit ein,31 so dass etwa Piroška/Eirene, die Frau des Johannes II. Komnenos oder Rita von Armenien, die Frau Michaels IX., nicht in Frage kommen.32 Somit bleiben drei Prinzessinnen:

1) Agnes-Anna von Frankreich. Ihr Vater, Ludwig VII., war, als seine Tochter im Sept./Okt. in Konstantinopel eintraf,33 noch am Leben. Er starb ein Jahr später, am 18. Sept. 1180. Es war keine rhetorische Übertreibung, ihn als ρηγάρχης zu bezeichnen. Die Braut war erst acht Jahre, Alexios war bei der Ankunft der Prinzessin gerade 10 Jahre alt34 und von Geburt an porphyrogennetos.

Er wurde 1171 (im Alter von zwei Jahren) zum Mitkaiser gekrönt,35 so dass das Gedicht den Vater korrekt μέγας αὐτοκράτωρ nennt. Die Schwester (ei-gentlich Halbschwester), die der fremdländischen Prinzessin entgegenging und sie im Zelt empfing, war die früher mit Béla von Ungarn verheiratete Maria.36 Sie war 1152 (aus Manuels Ehe mit Berta von Sulzbach) geboren und bei der

30 Zum Hintergrund ausländischer Eheschließungen im engeren Kaiserhaus s. Schreiner, P.:

Die kaiserliche Familie: Ideologie und Praxis im Rahmen der internationalen Beziehungen zu Byzanz. In: Settimane di Studio della Fondazione Centro Italiano di Studi sull' Alto Medioevo 58 (2011) 735–779, bes. 763–771.

31 Die bloße Kopie eines früheren Textes kann wegen der Einmaligkeit seines Inhalts (der sich auf eine ganz konkrete Situation bezieht und keinen Allgemeincharakter hat) und der darauf Bezug nehmenden Illustration in jedem Fall ausgeschlossen werden.

32 Piroška würde den prosopographischen Erfordernissen entsprechen, aber unter keinen Umständen war sie bei ihrer Hochzeit (1104/5) den persönlichen Gefahren ausgesetzt, die in den vv. 67–77 erwähnt sind, aber auch die Schrift schließt den Anfang des 12. Jh. aus. Eine armenische Braut kann nicht Prinzessin aus dem „Westen“ genannt werden. Auch konnte Michaels Schwester Simonis, geboren kurz vor der Eheschließung (1295), nicht jene Aufgaben übernehmen, von denen das Gedicht spricht.

33 Es handelt sich um ein errechnetes Datum. Da die Hochzeit am 2. März (1180) stattfand, war die Braut wegen der Schwierigkeiten einer Hochseeschiffahrt im Winter sicher schon im Sommer/Herbst 1179 angekommen.

34 Da beide das kanonistische Alter noch nicht erreicht hatten, wurde keine Ehe geschlossen, sondern nur eine Verlobung.

35 Schreiner, P.: Die byzantinischen Kleinchroniken. 2. Teil. Historischer Kommentar. Wien 1977, 171–173.

36 Dazu Barzos, K.: Ἡ γενεαλογία τῶν Κομνηνῶν. II. Thessalonike 1984, 439–452 (Nr. 153).

Ankunft der Prinzessin schon 27 Jahre alt. Konform mit dem Gedicht v. 101 war sie als porphyrogennete geboren. Sie wird aber (v. 86) gleichzeitig auch als die „erste“ (älteste) Tochter bezeichnet. Im Jahre 1179 hatte aber Manuel nur eine einzige Tochter, da Marias (Halb-)Schwester Anna im Alter von vier Jahren 1160 gestorben war.37 Es ist unwahrscheinlich, dass ein Laudator bei dieser festlichen Gelegenheit eine vor 20 Jahren als kleines Kind gestorbene Tochter (und zudem Halbschwester) im Rahmen des zeremoniellen Ablaufs überhaupt erwähnt und mitgezählt hätte. Der Wortlaut („erste“) deutet darauf hin, dass es noch eine zweite (jüngere) Tochter in der kaiserlichen Familie gab, was im Jahr 1179 jedoch nicht der Fall war.

2) Anna von Ungarn. Wir wissen nicht genau, wann Anna nach Konstantinopel kam. Als Andronikos am 8. Nov. 1272 zum Mitkaiser gekrönt worden war,38 ist in einer Quelle von seiner „ungarischen Frau“ (δέσποινα Οὔγηρισα) die Rede, was allerdings nur bedeutet, dass Andronikos bei der Krönung schon verheira-tet war. Ihr Vater, Stephan V., war zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Er starb am 6. August 1272 im Alter von nur 33 Jahren.39 Als das Gedicht verfasst wurde, war der Vater aber noch am Leben oder die Nachricht von seinem Tod noch nicht in die Kaiserstadt gelangt. Ein Problem bereitet die Bezeichnung porphy-rogennetos (v. 26), die daher auch viele Autoren veranlasste, das Gedicht nicht auf Andronikos und die ungarische Prinzessin zu beziehen, da dieser möglicher-weise vor der Ausrufung des Vaters (Michaels VIII.) geboren ist und ihm daher dieser Titel nicht zustand. In der Tat gibt es keine Quelle, die das Geburtsdatum des späteren Kaisers explizit nennt. Franz Dölger hat genaue Überlegungen auf Grund indirekter Hinweise angestellt, die eine Geburt zwischen Februar und November 1258 annehmen.40 Er geht aber in erster Linie vom kanonischen Heiratsalter von 14 Jahren im Jahr der Eheschließung 1272 aus, das keineswegs immer eingehalten wurde, wie die hier erwähnten Beispiele aus den Jahren 1179/80 (Anna von Frankreich und Andronikos) und 1355 (Maria Kyratza aus Bulgarien und Andronikos IV.) zeigen. Es besteht kein Grund, auch eine Geburt (bald) nach Januar 1259 (der Ausrufung Michaels zum Kaiser)41 anzunehmen, so dass der Titel auch formell gerechtfertigt wäre. Allerdings bleibt die Frage, ob

37 Zu Anna s. Barzos (Anm. 36) 452–453 (Nr. 154).

38 Schreiner (Anm. 35) 205.

39 Lemma Bak, J.: Lexikon des Mittelalters. VIII. München 1997, 114–115. s. v. Stephan V.

40 Dölger, F.: Die dynastische Familenpolitik des Kaisers Michael Palaiologos (1258-1282). In:

Dölger, F.: Paraspora. Ettal 1961, 178–188, hier p. 186 und Anm. 32.

41 Zum Datum Schreiner (Anm. 35)108–109.

in diesem Poem den Ausdruck „porphyrogennetos“ überhaupt eine chronolo-gisch verwendbare politische Bedeutung zukommt. Der Text stellt, wie gezeigt wurde, keine offizielle Hofdichtung dar, die etwa im Auftrag des Kaisers ent-standen ist, sondern entstammt der Feder eines griechisch sprachigen Begleiters (Begleiterin) der fremdländischen Prinzessin, der vielleicht gar nicht wusste, dass der byzantinische Prinz die Purpurgeburt um einige Monate verpasst haben könnte, zumal auch die kaiserliche Propaganda diesen kleinen Makel, sollte er tatsächlich existiert haben, eher verschwiegen hat. Die „erste“ Schwester war Eirene, die 1278 Ivan III. Asen heiratete.42 Auch eine zweite Schwester, Anna, war zum Zeitpunkt der Hochzeit schon geboren, da sie 1278 den Despoten von Neopatrai heiratete, aber schon vorher Stephan Milutin von Serbien ehelichen sollte.43 Alle prosopographischen Angaben sind also mit dieser Eheschließung vereinbar.

3) Maria-Keratza (Kyratza), Tochter des Zaren Ivan Alexander (1355 ?). In der Literatur wurde für die Hochzeit stets das Jahr 1356 angenommen, obwohl wir über ein datiertes und lange bekanntes Dokument aus dem Patriarchatsregister verfügen, das den Abschluss der Eheverhandlungen mit dem bulgarischen Zaren auf den 17. August 1355 datiert.44 Vielleicht sind aber diese Verhandlungen nicht identisch mit der Eheschließung selbst, die auch etwas später erfolgt sein könnte.

Auch Maria Keratza erfüllt viele Bedingungen an die Aussagen des Textes.45 Ihr Vater ist ein mächtiger König (Ivan Alexander), ihr Bräutigam (Andronikos), der spätere Gegenkaiser (1376–1379) ein Porphyrogennetos. Er hatte aber zum Zeitpunkt der Begegnung im Jahr 1355 (oder bald darauf) nur eine Schwester

42 Trapp, E. (Hrsg.): Prosopographisches Lexikon der Palaiologenzeit. 9. Faszikel. Wien 1989, Nr. 21359. Sie war wohl 1260 geboren und auf jeden Fall im staatsrechtlichen Sinn eine porphyrogenneta und 1272 in einem Alter, das schon gewisse repräsentative Verpflichtungen erlaubte.

43 Trapp (Anm. 42) Nr. 21350.

44 Die falsche Angabe geht wohl auf einen Eintrag bei Papadopulos, A. Th.: Versuch einer Genealogie der Palaiologen 1259-1453. München 1938, Nr. 81 zurück und wurde u.a. auch von Hennessy (Anm. 14) übernommen. Das Synodaldokument (das Miklosich-Müller mit richti-gem Datum schon 1860 veröffentlicht haben) ist nun neu ediert in: Koder, J. (et al.) (Hrsgg.):

Das Register des Patriarchats von Konstantinopel. 3. Teil. Wien 2001, 542–547 (Nr. 261). Dazu Darrouzès, J.: Les regestes des actes du Patriarcat de Constantinople. I,5. Les regestes de 1310 à 1376. Paris 1977, Nr. 2381, und Dölger, F.: Regesten der Kaiserurkunden des Oströmischen Reiches. Fasz. 5. München 1965, reg. 3044 und 3047.

45 Zusammenfassend zu ihrer Biographie s. Schreiner, P.: Una principessa bulgara a Genova.

In: Pistarino, G. (Hrsg.): Genova e la Bulgaria nel Medioevo. Genua 1984, 223–233.

(Eirene), die im Jahr 1349 geboren und daher zum Zeitpunkt der Hochzeit ihres selbst erst siebenjährigen Bruders sechs Jahre alt war.46 Eine zweite Schwester war im Herbst 1355 noch nicht geboren.47 Die Titulierung der bulgarischen Braut als „Herrin des Westens“, auf die wir noch zurückkommen, ist auf eine Prinzessin aus dem orthodoxen Bulgarien nicht anwendbar. Es sollte an dieser Stelle aber auch darauf hingewiesen werden, dass wir nicht wissen, wie alt Maria Keratza war und wann sie tatsächlich in die Kaiserstadt kam, da sie auf dem Portraitbildnis im Londoner Psalter, das auf Grund einer sicher datierten Subskription im Jahr 1355/56 (der 9. Indiktion des Weltjahres 6864), also nach Abschluss des Ehevertrages, noch im Kreis der bulgarischen Zarenfamilie (in Tarnovo) dargestellt ist.48 Dies scheint zu zeigen, dass die tatsächliche Eheschließung noch auf sich warten ließ, ganz im Gegensatz zu den Worten des Poems (vv.1–26), die ein rasches Handeln auf beiden Seiten erkennen lassen. Wesentliche Punkte sprechen also entschieden gegen eine Zuweisung von Text und Bild in das Jahr 1355 (oder wenig später), nicht zum wenigsten auch die paläographische Einordnung der Schrift, die so spät nicht anzusetzen ist.49 Obwohl Cecily Hennessy die historischen Elemente nur unvollständig geprüft hat und die philologischen (trotz der eigenen Übersetzung) überhaupt nicht, und auch Literatur und Quellen nur unvollständig kennt, behauptet sie:

The marriage of Andronikos IV therefore meets all the historical requirements of the poem.50

46 Zur Schwester s. Luttrell, A.: John V’s Daughters: a Palaiologan Puzzle. Dumbarton Oaks Papers 40 (1986) 103–112, bes. 103 und Anm. 10. Zum sicher bekannten Geburtsdatum des Andronikos s. Schreiner (Anm. 35) p. 273. Maria war als erste Tochter nach Andronikos und vor Maria geboren.

47 Erst im Jahr 1356 wurde Johannes V. wieder ein Kind geboren, das bereits 1358 starb, doch ist ungewiss, ob Junge oder Mädchen, vgl. Ganchou, Th.: Les chroniques vénitiennes et les unions ottomans des filles de l'empereur byzantin Jean V Palaiologos, Eirènè et Maria (1358 et 1376). In: Kolditz, S. – Koller, M.: The Byzantine-Ottoman Transition in Venetian Chronicles.

Rom 2018, 162–196, bes. 180 und Anm. 47.

48 Živkova, L.: Četveroevangelije cara Ivana Aleksandra. Sofia 1980, 48. Die von Papadopulos (Anm. 44) Nr. 81 vorgebrachten „Quellen“ für ein Alter von 9 Jahren erweisen sich als falsch.

49 Prato (Anm. 13). Prato hat eine gewisse Variationsbreite von Schriften vorgelegt, die von Hennessy (Anm. 14) wohl nicht voll akzeptiert wird und sie sich daher (p. 139) auf eine wenig geglückte Suche nach zeitlich späteren Beispielen macht, die auch paläographisch eine Rechtfertigung ihrer Datierung garantieren sollten.

50 Hennessy (Anm. 14) 142.

Äußere Umstände

Der Text enthält weitere Hinweise, die Identifizierungen von Personen, die im Gedicht begegnen, unterstützen oder ausschließen:

1) Das Meer und die Schiffe

Das Gedicht schreibt (v. 25) von einem Schiff des fremdländischen Kaisers, das die Nachricht über die Annahme des Eheersuchens nach Konstantinopel brachte. Fol. 2 zeigt dann bildlich die Ankunft dieses oder eines anderen Schiffes, das in Zusammenhang mit der Ankunft der Prinzessin und der Eheschließung steht.51 Diese verschiedenen Hinweise auf eine Seefahrt im Gedicht ließen bisher kaum Zweifel aufkommen, dass die Adressatin nur Anna von Frankreich sein könne. Man hat aber nie die Länge der Weg – und Fahrtstrecke aus Paris in Erwägung gezogen. Die Gesandtschaft hatte zu-nächst die Landstrecke vom Paris zum Mittelmeer zu bewältigen, um dann mit genuesischen und pisanischen Schiffen nach Konstantinopel zu gelangen, die bei Robert die Clari und in der genuesischen Chronistik erwähnt sind.52 Der Weg allein von Genua nach Konstantinopel wird auf ein bis zwei Monate veranschlagt,53 so dass die Reise mindestens zwei bis drei Monate gedauert hat.

Diese Dauer schließt mehrere zu verschiedenen Zeiten (bald hintereinander) ankommende Schiffe in jeweils derselben Angelegenheit aus. Man muss sich zudem fragen, welchen Weg das (erste) Schiff, das der (französische) König schickt (v. 25) aus Paris nehmen soll, da die Seine bekanntlich nicht in ein Meer mündet, von dem aus der Weg nach Konstantinopel führt. Auch aus diesem Grund ist es nicht möglich, dass sich die Schiffsreise auf die französische Brautwerbung bezieht. Dagegen wurde der Wasserweg (über das Schwarze Meer und die Donau) häufig zur Reise nach Ungarn gewählt: 1365 reiste Kaiser Johannes V. auf diese Weise zu König Ludwig von Ungarn,54 und 1436

51 Vom Text her hat es den Anschein, dass drei Schiffe in relativ kurzem zeitlichem Abstand anka-men: (1) das schnelle Schiff, das der Vater der Braut schickt, (2) ein weiteres Schiff (als solches im Gedicht aber nicht ausdrücklich bezeichnet) mit den Boten des byzantinischen Kaisers, die eine schriftliche Nachricht des Vaters der Braut überbringen (v. 38), und (3) ein weiteres, ebenfalls nicht explizit genanntes Schiff, das „wenige Tage später“ (v. 47) die Braut brachte.

Zur bisher nicht belegten Bezeichnung des Schiffes s. Kriaras, E.: Λεξικό της μεσαιωνικής ελληνικής δημώδους γραμματείας. VII. Thessalonike 1980, s.v. θαλασσοκούντουρον, το.

Das Lexikon paraphrasiert den Begriff mit „Botenschiff “. Die genannte Sekundärliteratur (Kahane – Pietrangeli) ist mir unzugänglich.

52 Robert de Clari (Anm. 21) 144 und Literatur in Anm. 115.

53 Balard, M.: La Romanie Génoise. II. Genua 1978, 577.

54 Schreiner (Anm. 35) 294–295.

wählt Isidor von Kiev denselben Weg, um über Buda und Lviv nach Moskau zu kommen.55 Wenn im Gedicht der Vater der Braut sagt (v. 25), er schicke sofort ein Schiff zum Kaiser, so muss sich seine Residenz an einem Wasserweg nach Konstantinopel befunden haben, was für Buda zutrifft.56 Der Wasserweg schloss die unmittelbare Berührung der Territorien fremder Staaten aus, im vorliegenden Falls besonders Bulgariens, das Stephan (noch als Thronfolger unter Bela IV.) im Jahr 1266 angegriffen und dessen Königstitel er angenom-men hatte.57 Unter diesen Umständen wäre es unklug gewesen, seine Tochter den politischen Gefahren des Landwegs durch Bulgarien nach Konstantinopel auszusetzen, ganz abgesehen von der größeren Bequemlichkeit zu Schiff.

2) Der Begriff "Westen" (δύσις)

Das Lob der Prinzessin wird an zwei Stellen (v. 45 und 97) mit ihrer Herkunft aus dem Westen (δύσις) verbunden.58 Dieser primär geographische (und as-tronomische) Begriff galt als sicheres Indiz für die französische Prinzessin.

Der Westen, der sich in übertragener Weise auch auf die mit der Kirche des „Westens“, Rom, verbundenen Länder bezieht, begegnet auch an ande-ren Stellen der byzantinischen Dichtung in Zusammenhang mit Ungarn.

Theodoros Prodromos nennt im Lobgedicht auf die Mitkaiserkrönung von Alexios, dem ältesten Sohn von Johannes II. (1122), dessen Mutter, die Ungarin Piroška, „Herrin aller Völker des Westens“ (κυρία πάνθων τῶν ἐθνῶν τῆς ἑσπέρας).59 Eine Prinzessin aus dem orthodoxen Bulgarien und dem ideolo-gischen Einflussbereich Konstantinopels (Maria-Keratza) kann dagegen nicht als „Herrscherin des Westens“ bezeichnet werden.

3) Politische Passagen im Gedicht

Erstmals hat Michael Jeffreys auf sehr individuelle politische Stellen im Gedicht (vv. 67–77) hingewiesen, wie man sie in einem Brautgedicht kaum

55 Schreiner, P.: Ein byzantinischer Gelehrter zwischen Ost und West. Zur Biographie des Isidor von Kiew und seinem Besuch in Lviv (1436). Bollettino della Badia Greca di Grottaferrata 3 (2006) 215–228, bes. 219.

56 Da Stephan im August 1272 auf der bei Buda gelegenen Donauinsel Csepel starb, hat er sich auch in den vorausgehenden Monaten in oder bei seiner Residenz in Buda aufgehalten.

57 Zlatarski, V.: Istorija na balkarskata daržava prez srednite vekove. III. Sofia 1940, 519–520.

58 Allein Hennessy (Anm. 14) 143 hat Beispiele zu diesem Begriff gebracht, die aber bei dieser Fragestellung nicht hilfreich sind.

59 Hörandner (Anm. 5) 179. lin. 85 (Gedicht I).

erwartet.60 Der Lobredner der Prinzessin berichtet von zwei Begegnungen (ὑπαπαντή) unmittelbar nach ihrer Ankunft: die erste war jene mit ihrem Schwiegervater, dem Kaiser, zu dem sie (von der Anlegestelle) der gesamte Hofstaat geleitet hat (vv. 51–66). In einer zweiten Begegnung (vv. 67–77) wurde die Prinzessin den μεγάλοι (v. 77), den nicht zum engeren Kreis des Kaiserhauses gehörenden Aristokraten Konstantinopels, vorgestellt. Hier warnt der Begleiter der Prinzessin und Verfasser des Poems, vielleicht mit einer gewissen Übertreibung, vor einer großen Gefahr (κίνδυνος πολλά) und sogar schmachvollem Tod (θάνατος ἐπώδυνος), der für ihn (als den Lobredner, oder auch die Prinzessin ?) die Folge sein könnte. Unser Text schildert aber diese Begegnung (die offensichtlich glücklich verlaufen war) nicht. Vielmehr beginnt (v. 78) auf dem Recto eines neuen Folio die Schilderung der Begegnung der Prinzessin mit der ältesten Schwester des Bräutigam. Es müßte ein Folio ausgefallen sein, obwohl die kodikologische Rekonstruktion von Canart dagegen spricht.

In jedem Fall deuten die Worte auf eine konkrete Gefahr hin (nicht nur eine allgemeine politische Lage), die von der städtischen Aristokratie ausgeht.

Eine Opposition gegen Manuel I. in den Jahren vor seinem Tod läßt sich aus den Quellen ersehen und ist in der Literatur auch diskutiert worden.61 Eine noch kritischere Situation bestand aber 1272 im Zusammenhang mit der Westpolitik Kaiser Michaels VIII. Es waren wohl weniger die bekannten Strömungen gegen die Unionspolitik des Kaisers. Die Opposition stand – und so ist auch der Tenor des Gedichtes – in konkretem Zusammenhang mit einer Prinzessin aus Ungarn. Schon ihr Großvater Béla IV. hatte (1269) Verträge mit dem byzantinischen Erzfeind, Karl von Anjou, geschlossen.62 Eine Schwester der Agnes/Anna, Maria, war mit Karl, Herzog von Salerno, verheirat, ihr Bruder Laudislaus (IV.) hatte Isabella, die Tochter Karls von Anjou, zur Frau.

Die ungarische Braut konnte daher sehr wohl als Spionin der Anjou betrachtet werden und stieß daher auf Ablehnung in politischen Kreisen Konstantinopels.

Die wenigen Strophen zu dieser politischen Konstellation, die im Gedicht erhalten sind, erlauben keine weiteren Vermutungen, zeigen aber in jedem Fall, dass es 1272 eine politische Opposition gegen eine ungarische Eheverbindung

60 Jeffreys (Anm. 3) 106–108.

61 Zur älteren Literatur Jeffreys (Anm. 3) 114 Anm. 46. Magdalino, P.: The Empire of Manuel I. Komnenos (1143–1180). Cambridge 1993 ist auf diese Vorgänge nicht eingegangen.

62 Geanakoplos, D. J.: Emperor Michael Paleologus and the West, 1258–1282. A Study in Byzantine-Latin Relations. Cambridge 1959, 216.

des Thronfolgers gab, wie sie 1279/80 gegen eine französische Prinzessin nicht erklärbar ist. Auch diese Verse bekräftigen eine Zuweisung des Poems in das Jahr 1272.

4. Die Brücke

Die Brücke auf f. 3v begegnet nicht im Text des Gedichtes und kann nicht zu Fragen seiner Datierung oder der Identifizierung von Personen beitragen.

Umgekehrt leistet die Datierung dieses Gedichtes auf das Jahr 1272, wie sie aus den bisherigen Ausführungen evident ist, einen Beitrag zur Geschichte dieses häufig zitierten und abgebildeten Bauwerkes. Fol. 3v gibt bildlich die Ankunft der Prinzessin wider, die auf f. 3r in Worten geschildert wurde (vv. 51–66).

Wie das Zeremonienbuch des Pseudo-Kodinos mitteilt, landet eine Prinzessin, wenn sie zu Schiff ankommt, nahe der Blachernenkirche,63 also am kaiserlichen Privathafen des Blachernenpalastes.64 Dort wird sie vom Hofstaat empfangen und dann zum Kaiser, also in den Blachernenpalast (oder dessen Areal) geführt.

Die Illustration ist über drei Ebenen ausgebreitet und muß von oben nach unten gelesen werden. Im oberen Register kommt die Prinzessin von links und wird (rechts) von adeligen Damen empfangen. 65 Im unteren Register befindet sie sich schon (vor dem Kaiser ?) im Palast. Das mittlere Register bildet eine Brücke ab, die auch in ihre landschaftliche Umgebung eingebettet ist.66 Im tatsächlichen zeremoniellen Ablauf hat die Prinzessin nie eine Brücke überschritten, und sie

63 Zum Text des protokollarischen Empfanges s. oben Anm. 15.

64 S. dazu jetzt Preiser-Kapeller, J.: Heptaskalon und weitere Anlegestellen am Goldenen Horn. In: Daim, F.: (Hrsg.): Die byzantinischen Häfen Konstantinopels. Mainz 2016, 99–108, bes. 102–103.

65 Ich danke Arne Effenberger für die mir zugeschickte Beschreibung dieser Szene: obere Zone:

links deutlich schwarze Bodenlinie, darauf links Gruppe der Ankommenden und rechts die drei empfangenden byzantinischen Damen. Rechts Bema in Vorderansicht und Draufsicht, durch Gitterschraffur betont; darauf steht die eingekleidete Braut, immer noch mit schönen langen Zöpfen (die Rolle links deutet vielleicht ein Kissen an, aber kein Sitz erkennbar), rechts zwei Byzantinerinnen, die aber tiefer auf einer dünnen, schwarzen Bodenlinie stehen. Diese Bodenlinie verläuft hinter der Brücke weiter nach links und ist verschattet, so dass sich die blauen Säulen gut abheben.

66 Ich füge hier wieder die (ungedruckte) Beschreibung von Arne Effenberger ein: Bogenbrücke auf 10 Säulen (rechts enger gestellt) mit Gebälk, darüber Abschluß mit einem Konsolengesims.

Auf der Spitze lateinisches Kreuz mit geschweiften Enden. Rechts und links je eine menschliche Gestalt, ein Arm vorgestreckt, wohl Konstantin und Helena zuseiten des Kreuzes, weiter links ein, weiter rechts zwei Kreuze. Links und rechts der Brücke bewohnte Uferzone. Auffällig ist aber die Insel oder Halbinsel unter der Brücke, die es so nicht gegeben haben kann... Interessant ist aber die phantasiereiche Ausgestaltung, z. B. das kleine Fort am linken Zipfel.

ist auch im Zeremonienbuch des Pseudo-Kodinos nicht erwähnt. Am unteren Teil des Goldenen Horns, etwa 800 Meter vom Blachernenhafen entfernt, befand sich eine in die Zeit Justinians zurückreichende Brücke (auch Kallinikos- oder Panteleimonbrücke genannt). Zudem gab es seit dem frühen 14. Jh. (oder

ist auch im Zeremonienbuch des Pseudo-Kodinos nicht erwähnt. Am unteren Teil des Goldenen Horns, etwa 800 Meter vom Blachernenhafen entfernt, befand sich eine in die Zeit Justinians zurückreichende Brücke (auch Kallinikos- oder Panteleimonbrücke genannt). Zudem gab es seit dem frühen 14. Jh. (oder

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