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Grenzen und Möglichkeiten der Oral History für die Geschlechtergeschichte

2 Quellen und Methode

2.3 Oral history

2.3.1 Grenzen und Möglichkeiten der Oral History für die Geschlechtergeschichte

Geschichte war und ist die Vergegenwärtigung von den geschichtlichen Ereignissen, Geschehnissen, an die erinnert wird. Schon von den Anfängen der Menschheit an wurdenWissen, Traditionen und Geschichten über die Geschehnisse in mündlicher Form weitergegeben. Man war auf dieses Wissen der Generationen angewiesen, oft auch für das Überleben der nächsten Generation. Das Lernen geschah durch Weitergabe des Wissens von einer Generation zur anderen. Es ist also keine Errungenschaft der Neuzeit und der Methode der Oral History, solche diese mündlichen Quellen zu nutzen. Die Geschichtsschreibung lebt von dem Erinnern und von dem Gedächtnis der Menschen. Denn Menschen machen und schreiben Geschichte, jeder auf seine ganz eigene und individuelle Art, auch als Kollektiv.

Nach Ingrid Kaiser-Kaplaner erschließen sich mit Hilfe der Oral History die Lebensräume, Handlungsspielräume, die „Kontinuität und der Wandel des Frauenalltags in Erwerbsleben, Haushalt und Familie sowie die Entwicklung des alltäglichen Geschlechterverhältnisses“.141„Man bekommt einen Blick in die Erfahrungen, Hoffnungen, Träume und Wünsche sowie den privaten und öffentlichen Handlungsspielräume der Frauen“.142

140 siehe dazu: Kapitel: Bedeutung der Erinnerung und des Gedächtnisses für die Geschlechtergeschichte.

141 Kaiser-Kaplaner, Ingrid: "Gottscheer Frauenschicksale im 20. Jahrhundert". Eine sozialgeschichtliche Untersuchung Vertriebener anhand von Erzählungen Betroffener, Reihe Studia Carinthiaca, Band VII, Verlag Hermagoras / Mohorjeva, 1993, S.11., siehe auch: Kaiser-Kaplaner, Ingrid: "Schicksale Kärntner Sloweninnen im Zeitraum 1930 - 1950". Eine sozialgeschichtliche Darstellung anhand erzählter Erinnerungen. Reihe Studia Carinthiaca, Band VIII, Verlag, Hermagoras / Mohorjeva, 1995.

142 Hagemann, Karen: "Ich glaub nicht, dass ich Wichtiges zu erzählen hab'…". Oral History und historische Frauenforschung. In: Herwart Vorländer (Hg.): Oral History. Mündlich erfragte Geschichte. Göttingen:

Vandenhoeck & Ruprecht (Kleine Vandenhoeck-Reihe, 1552), 1990, S. 29–49. hier S. 36.

Diese Methode hat auch ihre Grenzen, denn die Erinnerung hat Grenzen und Wissenschaftler stellen oft die Zuverlässigkeit des Gedächtnisses in Frage. Denn das Berichtete liegt vom Zeitpunkt des Interviews zurück und geht durch den „Filter der Erinnerung“.143 Deshalb ist eines der größten Kritikpunkte an der Oral Histor, das Gedächtnis selber, mit dem man hier arbeitet. Die Oral History Methode basiert auf den Erinnerungen der Interviewpartner, auf deren Gedächtnis. Dieses Gedächtnis ist aber von vielen Faktoren abhängig und wird von vielen Faktoren beeinflusst, wie z.B. dem Alter, dem Geschlecht, den Lebensumständen, dem kulturellen und politischen Umfeld. „Das Gedächtnis ist performativ, beeinflusst von Zeitpunkt, emotionalem Zustand und politischen Verhältnissen.“144 Das Gedächtnis zieht Grenzen der Überlieferung in mündlicher Form, ist aber auch eine Möglichkeit der freien Äußerung. Karen Hagemann weist darauf hin, dass „das Problem von Erinnerung und Gedächtnis sich bei allen Quellen stellt, die retrospektivische Ereignisse, Prozesse und Erfahrungen schildern; zentraler Unterschied ist die zeitliche Differenz zum Bericht.“145 Nach Hagemann „wird die Qualität der Erinnerung durch bestimmte Faktoren beeinflusst wie die Art des Erinnerungsgegenstandes und dessen individuelle Bedeutung146, dem Grad des Begreifens und Verarbeitens des Erinnerten147, die sozio-kulturelle Bedeutung des Erinnerten.“148

Ob sich jemand erinnern möchte und zu einem Interview bereit ist, muss er oder sie selber entschieden. Unter Zwang kann man sich nicht erinnern. Deshalb wurde auch bei dieser Untersuchung im Falle der Interviewpartnerinnen vorausgesetzt, dass sie von sich selbst aus bereit waren, über ihr Leben Auskunft zu geben. Dennoch ist die Frage zu stellen, was im Gedächtnis der Interviewpartner verdrängt oder umgedeutet wurde.

Ferner stellt sich die wichtigste Frage nach Hagemann in Bezug auf das Erinnern im Alter und das Gedächtnis überhaupt. In wie weit hat sich die Erinnerung an das Geschehene, also die retrospektivische Erinnerung während der Zeit durch den individuellen und der kollektiven

143 Vorländer, Herwart: Mündliches Erfragen von Geschichte. In: Herwart Vorländer (Hg.): Oral History.

Mündlich erfragte Geschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Kleine Vandenhoeck-Reihe, 1552), 1990, S. 7–29., hier S. 7.

144 Niethammer, Lutz; Trapp, Werner (Hg.): Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Praxis der "Oral history". Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1985, S. 471–475. hier: S. 490.

145 Hagemann, Karen: "Ich glaub nicht, dass ich Wichtiges zu erzählen hab'…". Oral History und historische Frauenforschung. In: Herwart Vorländer (Hg.): Oral History. Mündlich erfragte Geschichte. Göttingen:

Vandenhoeck & Ruprecht (Kleine Vandenhoeck-Reihe, 1552), 1990, S. 29–49. hier S. 40.

146 Dinge die regelmäßig im Alltag vorkommen werden nicht so gut erinnert wie einmalige Erlebnisse im Leben

147 Das was man nicht versteht kann auch nicht genau erinnert werden. Es entsteht darüber ein gezerrtes Bild.

148 Hagemann, Karen: "Ich glaub nicht, dass ich Wichtiges zu erzählen hab'…". Oral History und historische Frauenforschung. In: Herwart Vorländer (Hg.): Oral History. Mündlich erfragte Geschichte. Göttingen:

Vandenhoeck & Ruprecht (Kleine Vandenhoeck-Reihe, 1552), 1990, S. 29–49. hier S. 40.

Wertewandel und dem Wandel der Norm geändert? Nach Hagemann „prägt das kollektive Gedächtnis in nicht unerheblichem Maße die individuelle Erinnerung; Ereignisse und Prozesse, die kollektiv als relevant gelten und entsprechend vermittelt werden, kann das Individuum meist leichter im Gedächtnis behalten.“149 Man muss deshalb das Gedächtnis kritisch betrachten, denn es kann Inhalte, Erinnerungen selektieren und auch oft verdrängen und manchmal auch verfälschen.150

Oft wird an der Oral History die Frage gestellt, ob das Erzählte, die erlebte Geschichte bei der Erzählung von den interviewten Personen neu konstruiert wird. Geht es bei jedem Erzählen um eine neu konstruierte Erfahrung oder nicht. Vieles fließt auch aus dem kollektiven Gedächtnis in das individuelle Gedächtnis mit hinein. Dies auseinanderzuhalten und zu filtern ist eine große Herausforderung.

Als weitere Kritik gegen die Oral History wird oft der Einwand gebracht, dass die Gesprächssituation (Interviewer- Interviewte Beziehung) einen Einfluss auf den Gesprächsverlauf, auf die Erzählung selber haben kann. Die Interviewer unterschätzen oft ihren persönlichen Einfluss auf die Interviewte Person. Die persönliche Bezugnahme zum Thema ist schwer auszuschließen, dennoch aber erforderlich. Die Darstellung der erlebten und gelebten Geschichte erfordert besonders großes Taktgefühl und die Distanz des Interviewers, auch wenn es oft besonders schwer fällt Distanz zu halten. Wenn jedoch kein Vertrauensverhältnis zwischen den zwei Personen entsteht, können auch nicht die relevanten und wichtigen, subjektiven Daten gesammelt werden. Neben dem Vertrauensverhältnis ist auch die unterschiedliche Sozialisation der beiden Personen ausschlaggebend, ihr Wissen beeinflusst auch den Gesprächsverlauf.

Als Kritikpunkt gegen die Methode wird weiterhin auch von Herwart Vorländer erwähnt, dass in der Beziehung Fragender-Befragte der Interviewer das Gespräch in die Richtung leitet zu Aussagen und Themenkreisen, die er hören möchte bzw. für wichtig hält.151

Das Geschlecht und das Alter des Interviewers sind gleichfalls relevant, weil die Frauen betreffenden Themen oft leichter angesprochen werden können, wenn zwischen Interviewer und Interviewtem eine Gleichgeschlechtlichkeit besteht. Durch die Gleichgeschlechtlichkeit

149 Ebenda S. 41.

150 Ebenda.

151 vgl dazu: Vorländer, Herwart: Mündliches Erfragen von Geschichte. In: Herwart Vorländer (Hg.): Oral History. Mündlich erfragte Geschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Kleine Vandenhoeck-Reihe, 1552), 1990, S. 7–29.

werden auch Themen angesprochen, die für Frauen sehr intim und belastend waren wie Vergewaltigung, Erniedrigung, körperliche Beschwerden, Menstruation usw. Auch bei der Analyse der Lebenswege und des Erlebten war die Gleichgeschlechtlichkeit von Vorteil.

Jedoch hätte die Interviewführung einer Person anderen Geschlechts in die Arbeit eventuell andere Gesichtspunkte hervorgebracht.

Wenn ein großer Altersunterschied zwischen Interviewer und Interviewten besteht, kann es oft dazu kommen, dass manche Themen nicht angesprochen werden, weil von der interviewten Person vorausgesetzt wird, dass die jüngere Person das nicht erlebt hat und somit auch nicht verstehen kann. Kommentare wie „Das Kennen Sie ja nicht.“ „Dazu sind sie ja noch viel zu jung.“ „Das ist lange her….“ kamen oft bei den Interviews vor.

Karin Hagemann fasst sehr gut die ‚Benimmregeln‘ des Interviews zusammen, damit das Interview gelingt: „Damit die Gesprächspartner beim Erzählen ihrer Lebensgeschichte die Subjektivität entfalten kann, muss die Interviewerin die Kunst des aktiven Zuhörens beherrschen: Sie sollte die eigene Person zurücknehmen können, der Gesprächspartnern insbesondere im offenen Interview genügen Raum und Zeit zur Entfaltung lassen und ihr auch auf scheinbare Nebenwege geduldig folgen, zugleich aber auch als Gegenüber präsent bleiben, gegebenenfalls spontan reagieren, Einfühlungsvermögen zeigen, die eigenen Erkenntnissinteressen und Fragen nicht aus dem Blick verlieren und nachfragend den Bericht nachvollziehen und ergänzen.“152

Sich positiv oder auch negativ auf das Interview können verbales und nonverbales Kommunikationsverhalten auswirken. Dies kann den Interviewverlauf maßgeblich mit bestimmen. Besonders Frauen sind sehr empfänglich für die nonverbale Kommunikation.

Bei den Forschungen von Karin Hagemann zeigte sich, dass auch die „lebensgeschichtlichen Erzählungen der Frauen in offenen Interviews sich deutlich von denen der Männer unterscheidet.“153 Auch Anette Kuhn betont, dass die „Bedeutung der Geschlechterdifferenz für das Erinnern und Gedenken”154 nicht unwesentlich sei. Ferner weist Anette Kuhn darauf hin, dass „zur Weiterentwicklung der Erinnerungsarbeit auch die besondere Beachtung der

152 Hagemann, Karen: "Ich glaub nicht, dass ich Wichtiges zu erzählen hab'…". Oral History und historische Frauenforschung. In: Herwart Vorländer (Hg.): Oral History. Mündlich erfragte Geschichte. Göttingen:

Vandenhoeck & Ruprecht (Kleine Vandenhoeck-Reihe, 1552), 1990, S. 29–49, hier S. 29-48. hier: 36-39.

153 Ebenda, S. 36-40.

154Kuhn, Anette: Oral history und Erinnerungsarbeit: Zur mündlichen Geschichtsschreibung und historischen Erinnerungskultur. In: Ruth Becker und Barbara Budrich (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung.

Theorie, Methoden, Empirie. 2. Aufl. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss. (35). S. 360.

historischen Ursprünge unserer Geschichte gehört, die matriarchale und patriarchale durchmischte Traditionen aufweist und die bis in unsere Gegenwart hinein von der schöpferischen Wort, Bild und Symbol herstellenden Kraft von Frauen geprägt ist.”155 Nach der Lektüre von Herbert Schwedts Forschungsergebnissen über das Dorf Nemesnádudvar156 („Frauenleben in Nadwar“ und „Mann sein in Nadwar“) kann dasselbe für die Erinnerungen und Aussagen von Männern und Frauen der ungarndeutschen Minderheit festgestellt werden.

Frauen sprechen im Allgemeinen offener über Persönliches, über Familie, Kinder, die Rolle in der Gemeinschaft, die sie einnehmen, während Männer eher über gesellschaftliche Rahmenbedingungen sprechen, über Wirtschaft, Politik, Zerwürfnisse und Probleme im Dorfleben.

Wenn man auf die Frage der Zuverlässigkeit der Erinnerung eingeht, ist auf Portelli zu verweisen. Er meinte, dass „die Diskrepanz zwischen Fakt und Gedächtnis den Wert der mündlichen Quellen nicht reduziert, sondern vergrößert. Denn Gedächtnis und Imagination wirken aktiv und kreativ daran, Schlüsselereignissen und der Geschichte insgesamt Sinn zu verleihen.“157

Nach der These des kollektiven Gedächtnisses von Maurice Halbwachs sei „das individuelle Gedächtnis von ‚sozialen Rahmen‘ abhängig und durch soziale Gruppen geformt.“158 Man kann davon ausgehend behaupten, dass das Erinnern der Frauen ihrer sozialen Stellung im Dorf, ihrer religiösen Zugehörigkeit und ihrer Rolle in der Familie entspricht.

Kritik an der Oral History Methode wird auch von Harald Welzer geübt. Seiner Ansicht nach wird die Erinnerung „anwendungsbezogen gestaltet, d.h. sie entsteht anhand aktueller Bedürfnisse und Situationen.“159 Er betont auch, dass der Interviewer einen großen Einfluss auf die Erzählung und den Dialog ausübt. Für Welzer ist die Zeitzeugenerzählung eine

„adressatenbezogene Konstruktion“, in der „biographische Erfahrungen nach ihrer sozialen und emotionalen Bedeutsamkeit, nach narrativen und normativen Erfordernissen und nach Maßgabe nachträglichen Wissens jeweils neu figuriert und präsentiert werden.“160

155Ebenda.

156 Schwedt, Herbert (Hg.): Nemesnádudvar - Nadwar. Leben und Zusammenleben in einer ungarndeutschen Gemeinde. Unter Mitarbeit von Ulrich Tolksdorf. Marburg: N.G. Elwert Verlag Marburg (Schriftenreihe der Kommission för Ostdeutsche Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde E.V., Band 50). 1990.

157Obertreis, Julia (Hg.): Oral history. Stuttgart: Steiner. Und Obertreis, Julia (2012): Oral history - Geschichte und Konzeptionen. In: Julia Obertreis (Hg.): Oral history. Stuttgart: Steiner, 2012, S. 7–31, hier S. 22.

158 Ebenda, S. 23.

159 Ebenda, S. 27.

160 Ebenda, S. 28.

„Früher nahm man an, das Gedächtnis bestehe aus einer Aneinanderreihung von gespeicherten Erfahrungen, die zwar verdrängt werden oder nicht abrufbar sein können, aber prinzipiell unverändert erhalten bleiben.“161 Heute herrscht die Erkenntnis vor, „dass Gedächtniscode ein Leben lang Modifizierungen, Transformationen und Neuinterpretationen erfahren.“162

Als weiterer Kritikpunkt gegen die Interviewmethode ist das Verhältnis von Tonbandaufnahme und Transkript anzusehen. Vieles kann im schriftlichen nicht wiedergegeben werden und deshalb ist das Transkript eine ärmere Quelle als die Tonbandaufnahme. Schon im Kapitel über das Interview wurde darauf näher eingegangen.

Dennoch sind die Transkripte wichtige Dokumente.

Oral History wurde in der akademischen Forschungswelt oft vehement kritisiert. Diese Kritik kann auch damit zusammenhängen, dass die Methode oft von Laien benutzt wurde und auch von journalistischen Kreisen favorisiert wird. Natürlich haben viele Faktoren einen Einfluss darauf, was uns die Interviewpartner erzählen. Die Person des Interviewers (ob es eine Frau oder Mann ist) ist bestimmend, der Ort des Interviews, das Thema selber, die Befindlichkeit des Interviewpartners, deren gesellschaftliche Stellung, Alter und nicht zu vergessen der Einfluss der Gemeinschaft und der Familie, in der sie lebt.

Auch Soziologen üben Kritik an der Methode der Oral History und fragen „ob eine erinnerte Geschichte nicht lediglich ‚aktuelle Rekonstruktion‘ ist, die nichts über die Vergangenheit sagt, sondern bloß etwas über heutige Deutungsmuster, Orientierungen und Lebensauffassungen“163 der Gegenwart. Die Gefahr, die Botschaft des Interviewten falsch einzuordnen und zu interpretieren, besteht immer.

Oft wird der Oral History und ihrer Untersuchungsmethode vorgeworfen „sie sei zufällig, einseitig, subjektiv.“164 Nach Vorländer ist dies aber auch für die normalen´ Quellen typisch,

„denn unter dem Verdacht von Fehlerinnerung, ideologiegeleiteter Interpretation, Schönfärberei bis zu bewusster Fälschung müssen auch Quellen gestellt werden mit denen

161Obertreis, Julia; Stephan, Anke: Erinnerung, Identität und "Fakten". Die Methodik der Oral History und die Erforschung (post)sozialistischer Gesellschaften (Einleitung). In: Julia Obertreis und Anke Stephan (Hg.):

Erinnerungen nach der Wende. Oral history und (post)sozialistische Gesellschaften = Remembering after the fall of communism : oral history and (post)socialist societies. 1. Aufl. Essen: Klartext, 2009, S. 9–37, hier S. 12.

162Ebenda, S. 11.

163 Vorländer, Herwart: Mündliches Erfragen von Geschichte. In: Herwart Vorländer (Hg.): Oral History.

Mündlich erfragte Geschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Kleine Vandenhoeck-Reihe, 1552), 1990, S. 7–29, hier S. 21.

164 Ebenda, S. 15.

man im normalen Historikeralltag zu tun hat.“165 Dennoch ist es wichtig auch nach anderen Quellen zu suchen, „seien es bildliche, schriftliche oder gegenständliche Quellen, also Objekte.“166 Vor der Interviewphase wurde auch deshalb jede interviewte Person gebeten, falls vorhanden alte Photographien, Gegenstände oder schriftliche Belege herauszusuchen.

Dies förderte auch das Erinnern an das Vergangene. Somit sind „die aufgezeichneten lebensgeschichtlichen Erzählungen ein Produkt kooperativer Anstrengung und rekonstruieren die Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart.“167 Bei der Auswertung der Interviews war besonders darauf zu achten, ob es irgendwelche inhaltliche Widersprüche gibt oder gar Brüche in der lebensgeschichtlichen Erzählung.

Es ist schwer, den Wahrheitsgehalt einer Erinnerung in Frage zu stellen, wenn man als Interviewer die erinnerte Zeit nicht miterlebt hat und sie nur aus den Geschichtsbüchern kennt. Trotz dieser Kritikpunkte an der Methode der Oral History bin ich mir ganz sicher, dass dies die effektivste Methode für diese Art von Forschung ist. Die für die Forschung ausgewählten InterviewpartnerInnen lieferten Quellenmaterial unschätzbaren Wertes. Sie lieferten nicht nur aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive wichtiges Material sondern auch aus linguistischer, volkskundlicher, kulturgeschichtlicher, sozialgeschichtlicher, soziologischer und psychologischer Sicht.

Unabhängig von der Kritik an der Oral History ist sie heute eine unerlässliche und wertvolle Forschungsmethode vieler Wissenschaftsdisziplinen geworden. Sie bietet eine ganz neue Art Geschichte zu erfassen.

Nach Niethammer soll „die Arbeit mit Erinnerungsinterviews eine Forschungstechnik sein mit methodischen Möglichkeiten und Problemen, die nur innerhalb der jeweiligen sozio-kulturellen Kontexte, der historischen Diskurse und der Beziehung zwischen den Forschern und ihren Partnern, die Geschichte erinnern, lernen und machen, sinnvoll erwogen und präzisiert werden können.“168

Bei der Auswertung ist darauf zu achten, dass die Berichte der Frauen über die soziale Wirklichkeit ihrer Zeit oft mit Interpretationen oder Filtern verbunden ist oder etwas

165 Ebenda.

166 Hagemann, Karen: "Ich glaub nicht, dass ich Wichtiges zu erzählen hab'…". Oral History und historische Frauenforschung. In: Herwart Vorländer (Hg.): Oral History. Mündlich erfragte Geschichte. Göttingen:

Vandenhoeck & Ruprecht (Kleine Vandenhoeck-Reihe, 1552), 1990, S. 29–49, hier S. 36-37.

167 Ebenda, S. 36-38.

168Niethammer, Lutz; Trapp, Werner (Hg.): Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Praxis der "Oral history". Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1985, S. 14.

Nacherzähltes wiedergegeben wird. Was von der vorhergehenden Generation ausgesagt wird, zum Beispiel über Mutter oder Großmutter, ist die eigene Wertung die eigene Interpretation oder das Nacherzählen von Gehörtem oder Gesehenem. Dennoch bleibt festzustellen, dass ein Wirkungszusammenhang nur durch das eigene subjektive Erzählen der interviewten Personen entsteht. Damit soll nochmals betont werden, dass das Ziel dieser Arbeit nicht die Repräsentativität ist. Es ist wichtig, bislang tabuisierte Themen zu erforschen, solange noch die Zeitzeuginnen leben.