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5 Gesellschaftliche Dimensionen der Lebenswelt

5.1 Frauenrollen in den Familienbeziehungen

„Die Stellung der Frau in der Gesellschaft und in der Familie können wir nur in enger Abhängigkeit von der Stellung der Familienmitglieder beider Geschlechter und der Familie als einen gesellschaftlichen Organismus betrachten.“521 Die Frauenwelt war in der Vergangenheit wie auch heute ein Teil des gemeinschaftlichen Lebens im Dorf und in der Familie.

Die Rollenzuschreibung der Frauen bei Ungarndeutschen geht auf deren Ansiedlung in Ungarn und den Ursprungsgebieten der Siedler zurück. „Seit dem 19. Jahrhundert beinhaltet das Frauenbild die Reproduktion leistende und die männliche Produktionsarbeit ergänzende

521 Culinovic-Konstantinovic, Vesna: Analyse über die Stellung der Frau in der Gesellschaft und in der Familie.

In: Hrvatsko Ethnološko Društvo (Hg.): Die Frau in der Bauernkultur Pannoniens, 18-21 November 1980.

Zagreb: Universitätsverlag "Liber" Zagreb. 1982, S.57.

Frauenfigur.“522 Frauen waren zuständig für die soziale Reproduktion und für die Erziehung der Kinder durch die Vermittlung ihrer psychischen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten, und schließlich auch zuständig für den Haushalt.523

Die bäuerliche Familie nach Röder war „eine patriarchal geprägte Dreigenerationenfamilie, die aus Eltern, Kindern, Enkelkindern, Knechten, Mägden und Gesellen bestand.“524 Bis zum Zweiten Weltkrieg lebten die Ungarndeutschen in Großfamilien. Das Einkindsystem wie bei den Ungarn war bei den Ungarndeutschen nicht üblich und nur in einzelnen Regionen (wie z.B. im Banat) bei den reichen Familien verbreitet. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts hatte das Anerberecht Bestand, wonach nur der älteste Sohn die Bauernwirtschaft erbte und seine Geschwister als Knechte im Haus verblieben oder wegzogen. Frau H.M. aus Nagynyárád berichtet über das Erbsystem zur Zeit ihrer Mutter:

„Als meine Mutter herkam, das ist ein ganz großer Bauernhof gewesen. Ich sag ja, die hatte sieben lebende Kinder. Der älteste Sohn hat den Hof gekriegt. Die anderen haben jeder drei Feld gekriegt, dann waren sie abgespeist. So war das. Die Oma hat dann ein Auszugshäuschen gehabt. Die haben ihren Haushalt gehabt und auf dem Feld geschafft.

Die Weinberge und auf dem Feld.“525

In diesem Fall erbte auch der älteste Sohn. Die anderen hatten noch Glück, dass sie überhaupt ein Stück Feld bekommen hatten und die Großmutter zog ins Altenteil. In der Generation der Interviewpartnerinnen gab es bereits Änderungen. Im Falle von Frau R.A.526 aus Kübekháza wurde ihr vom Vater auch Feld und Boden zugesprochen wie ihren älteren Brüdern, worauf sie sehr stolz war.

Frauen konnten in den Familien ihr eigenes Geld haben, worüber sie selber verfügten. Dies verdienten sie sich durch den Verkauf der Waren, die sie angebaut oder in Hausarbeit hergestellt hatten. Nach Weber-Kellermann hatten Frauen in der patriarchal geordneten Bauernwelt eine schwache gesellschaftliche Stellung.

522Kaiser-Kaplaner, Ingrid: "Gottscheer Frauenschicksale im 20. Jahrhundert". Eine sozialgeschichtliche Untersuchung Vertriebener anhand von Erzählungen Betroffener, Reihe Studia Carinthiaca, Band VII, Verlag Hermagoras / Mohorjeva, Klagenfurt, 1993, S. 16.

523 Alle Aufgaben im Haushalt und um das Haus oblagen den Frauen. Sie backten Brot, kochten, sorgten für die Kleidung der Familienmitglieder, stellten Butter und Käse her, versorgten das Kleinvieh etc.

524 Röder, Annemarie: Die Donauschwaben als ethnische Gruppe. Dissertation. Universität Tübingen. 1978. S.

252.

525 Interview – H.M. S. 252.

526Interview – H.M. S. 267. – „Die Mädel haben genau so viel bekommen, wie die Jungs, gleich geteilt. Mir hat mein Vater noch etwas mehr gegeben. Sie haben auch gebaut, das Haus hat aber mir gehört. So war das bei uns daheim.”

Im Alltag unterlagen die Frauen einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Arbeiten, die große körperliche Kraft und Anstrengung verlangten, oblagen den männlichen Familienmitgliedern. Dennoch sind die Aufgabenbereiche der Frauen nicht nur auf Hausfrau und Mutter zu reduzieren. Wie im Kapitel „Frauenarbeit“ und Erwerbsarbeit beschrieben, verrichteten sie in der bäuerlichen Familienwirtschaft viele Arbeiten zusammen mit den männlichen Familienmitgliedern. Sie arbeiteten wie die Männer im Weinberg,beteiligten sich an allen Feld- und Erntearbeiten, außerdem kochten und wuschen sie, versorgten das Vieh mit Futter, bestellten den Garten. Wo zwei oder mehrere verheiratete Frauen in einem Haus wohnten, dort erledigte die älteste den Haushalt, sie kochte, nähte für die Kinder und sorgte für alles, während die anderen der Landwirtschaft nachgingen.527 Christina Niem untersucht das Problem in ihrer Forschung „Alt sein in Nadwar“ und beschreibt auch die Aufgabenbereiche der Großmütter, die die Enkel betreuten, den Haushalt führten und das Kleinvieh versorgten, während die Tochter bzw. die Schwiegertochter ihrer Arbeit im Agrarbereich nachgingen.528 Darüber hinaus pflegten Frauen die Kranken und Alten der Familie.

Nach Ingeborg Weber-Kellermann „lebten die Frauen in allen sozialen Schichten weniger als individuelle Personen als vielmehr in eingeübten und tradierten Beziehungssystemen zu Eltern, Ehemann, Familie und Kindern. Ihre passiv-kindliche Abhängigkeit vom Vater und später vom Gatten, dann ihr mütterliches Verhalten in der Familie bestimmten ihre Qualität als Frau.“529 Frauen pflegten ein weites und breites Netzwerk an sozialen Beziehungen in der Familie, Verwandtschaft und Dorfgemeinschaft, wodurch sie an Ansehen gewannen.

Nach Annemarie Röderwaren Männer Träger der Autorität in den Familien und den Gemeinschaften der Donauschwaben.530 Dieser formellen Autorität der Männer stand eine informelle Autorität der Frauen gegenüber. Denn Frauen entschieden Fragen der Kindererziehung, die häusliche Domäne und hatten besondere Kenntnisse (Heilkunde, Lied- und Erzählgut). Nach Tibor Valuch war der Mann Familienoberhaupt und Hausherr. Er verwaltete das Familieneinkommen und jeder war ihm zum Gehorsam verpflichtet. Auch in ungarischen Familien hatte die Rolle des Familienoberhaupts der Mann inne, jedoch war die

527 Solymár, Imre: Die Mentalität der Deutschen in Südtransdanubien. Bonyhád, 2003. S. 261.

528 Niem, Christina: Alt sein in Nadwar. In: Schwedt, Herbert (Hg.): Nemesnádudvar - Nadwar. Leben und Zusammenleben in einer ungarndeutschen Gemeinde. Unter Mitarbeit von Ulrich Tolksdorf. Marburg: N.G.

Elwert Verlag Marburg (Schriftenreihe der Kommission für Ostdeutsche Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde E.V., Band 50). 1990, S. 183-218. hierS.195.

529 Weber-Kellermann, Ingeborg: Frauenleben im 19. Jahrhundert. München 1998, S. 230.

530 Röder, Annemarie: Die Donauschwaben als ethnische Gruppe. Dissertation. Universität Tübingen. 1978, S.

245.

wahre Führung der Familie und Organisation des Familienlebens in den Händen der Frau,531 so auch bei den Ungarndeutschen. Der von den Frauen erwartete Gehorsam und ihre einseitige Orientierung auf die Familie hat im Lauf der Zeit abgenommen, wie auch die Rolle und die Funktion des Mannes als Familienoberhaupt.532

Den Frauen war die wichtige Rolle der Kindererziehung und -pflege anvertraut. Die Familie als zentraler Ort der Sozialisation und die Rolle der Frauen im Sozialisationsprozess ist dadurch von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Sie haben an die Nachkommen die Werte ihrer Familie und Gemeinschaft weitergegeben und sie zur Arbeit herangezogen. Von der Mutter lernt das Kind die Sprache, den Dialekt. Durch Erzählungen wird dem Kind das Wissen über seine Herkunft, seine Ahnen vermittelt. Es lernt auch Gestik, Mimik, Sprachakte von der Mutter. Dieses Wissen wird innerhalb der Familienbeziehungen, in Kameradschaften und in der Dorfgemeinschaft weiter vertieft. Von der Mutter erlernt das Kind auch die ungeschriebenen Gesetze des ethisch-moralischen Handelns innerhalb der Familie und der Gemeinschaft.

Frauen waren zuständig für die Pflege der Sitten und Bräuche und für das religiöse Leben. Sie kannten das Liedgut, wie man welchen Brauch begeht, und das Ritual der religiösen Feste.

Die Frauen sind schließlich diejenigen, die die Kultur der Ungarndeutschen pflegen und hüten und das Wissen darüber haben. Andrásfalvy Bertalan hebt diese besondere Rolle der Frauen hervor, dass das „Weibliche direkt oder indirekt, in jedem Bereich der Kultur präsent ist.“533 Ingeborg Weber-Kellermann betont, dass „im Umkreis der Brauch- und Glaubenswelt die Frauen aktiv handelten, kompetent waren und ihr Wissen weitergaben über sprachliche und ethnische Grenzen hinweg.“534 Sie hüteten dieses Wissen und waren deswegen in der Dorfgemeinschaft angesehen und respektiert. Bei der Pflege von Bräuchen übernahmen die Frauen die dominante Rolle, wie zum Beispiel bei der Vorbereitung von Hochzeiten. Aus solchen Domänen waren Männer teilweise oder ganz ausgeschlossen. Frau K.R. aus Nemesnádudvar berichtet über den Brauch der Herbergssuche von Maria und Josef, bei dem das Bild der heiligen Familie von Familie zu Familie wanderte. Dieser Brauch wurde nur von Frauen gepflegt und das Bild von einer Frau zur anderen übergeben, von Liedern und

531 Valuch Tibor: Hétköznapi élet Kádár János korában. Corvina Kiadó, Budapest, 2006, S. 102.

532 Ebenda.

533Andrásfalvy, Bertalan: Die Stellung der Frau in verschiedenen ethnischen Gruppen in der Baranja. In:

Hrvatsko Ethnološko Društvo (Hg.): Die Frau in der Bauernkultur Pannoniens, 18-21 November 1980. Zagreb:

Universitätsverlag "Liber" Zagreb. 1982, S. 151.

534 Weber-Kellermann, Ingeborg: Die Rolle der Frau beim Akkulturationsprozess in einer gemischtsprachigen Siedlung Ungarns. In: Ingeborg Weber-Kellermann (Hg.): Zur Interethnik. Donauschwaben, Siebenbürger Sachsen u. ihre Nachbarn. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1978, S. 315–326. hier S. 319-320.

Gedichten begleitet.535 Auch „im Bereich der Liedüberlieferungen sind es im Wesentlichen Frauen, die als Bewahrerinnen und Vermittlerinnen auftreten.“536

Nach Annemarie Röder537 mussten Frauen sich immer sittlich benehmen. In der Öffentlichkeit durften ledige Mädchen sich nur unter der strengen Obhut der Mutter oder der Großmutter bewegen. Sie hielten sich in der Regel immer im Kreise von Frauen auf. Die Rolle von Frau und Mann war in der Öffentlichkeit genau abgegrenzt.

Im Roman Winterlamm538 aus der Feder von Márton Kalász sehen wir die Figur der ‘Mutter Mess‘. Sie ist diejenige, die als verlässlicher und starker Beziehungspunkt für alle in der Familie gilt. Sie ist es, die alles überlebt und meistert. Sie war es, die immer bestrebt war, die Familie zusammenzuhalten. Am Ende des Romans ist es sie, die den Zerfall der Welt und ihrer Familie mit ansehen muß. Ihre Familienmitglieder zerstreuen sich in der Welt und sie verliert den Glauben an eine rationale Weltordnung.539

Durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen vollzog sich eine grundsätzliche Änderung in der Lebenswelt der Frauen, nicht nur in der Öffentlichkeit sondern auch in den Familienbeziehungen.

Viele Frauen waren während des Krieges allein zu Hause geblieben. Neben all ihre Pflichten und Aufgabenbereichen mussten sie noch zusätzlich das Vieh versorgen, die Felder bestellen, ernten und die Familie ernähren. Sie haben de facto die Rolle des Familienoberhauptes übernommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb in vielen Familien dieser Zustand erhalten, denn viele der Ehemänner, Väter, Brüder und Söhne sind entweder im Krieg verstorben oder waren in Kriegsgefangenschaft. Frauen mussten in diesen Situationen „ihren Mann stehen“.

Sie waren zugleich Vater und Mutter für ihre Kinder.540Diese Konstellationen verlangten den Frauen vieles ab. Infolge des Fehlens des männlichen Partners waren sie gezwungen, deren

„männliche“ Rollen und Aufgabenbereiche zu übernehmen. Weil jedoch bei den Ungarndeutschen die männlichen und weiblichen Rollen nicht so scharf abgegrenzt waren,

535 Interview – K.R. S. 146-147.

536 Weber-Kellermann, Ingeborg: Die Rolle der Frau beim Akkulturationsprozess in einer gemischtsprachigen Siedlung Ungarns. In: Ingeborg Weber-Kellermann (Hg.): Zur Interethnik. Donauschwaben, Siebenbürger Sachsen u. ihre Nachbarn. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 315–326. hier S. 319.

537 Röder, Annemarie: Die Donauschwaben als ethnische Gruppe. Dissertation. Universität Tübingen. 1978, S.

239.

538 Kalász, Márton: Winterlamm. Verlag Styria, Graz, Wien, Köln, 1992.

539 Propszt Eszter: A kortárs magyarországi német irodalomról, Budapest : Firefly Outdoor, 2012, S. 75.

540 Scholz, Stephan: Nur eine Stunde der Frauen? Geschlechterkonstruktionen in der Erinnerung an Flucht und Vertreibung. In:Aubele, Edeltraud; Pieri, Gabriele (Hg.): Femina Migrans. Frauen in Migrationsprozessen (18.-20. Jahrhundert). Sulzbach (Taunus): Helmer, U., 2011, S. 99-125, hier S.115.

weil die Frauen gleichermaßen an der Arbeit Männer beteiligt waren,541 war ihnen die Arbeit, die sie jetzt allein übernehmen mussten, nicht fremd. Tapferkeit und Stärke der Frauen und ihr Arbeitswillen ermöglichte das Überleben der Familien. Die Mutter von Frau F.J. blieb mit vier Kindern allein zu Hause. Wie auch die Mutter von Frau K.E. mit drei Kindern. Frau Mikli542 wurde mit ihrem Sohn und ihren Schwiegereltern nach Deutschland ausgesiedelt. Da ihre Schwiegereltern schon alt waren und ihr Sohn noch sehr jung, musste sie allein für die ganze Familie sorgen.

Die damit einher gehende Emanzipation und ihre Folgen waren aber nicht in allen Bereichen des Alltagslebens von Dauer. Nach der Rückkehr der Männer sollte wieder die alte Ordnung in den Familien einkehren. Das war aber nicht so einfach, denn die Männer hatten an Autorität eingebüßt. So schreibt auch Stephan Scholz, dass „die Erfahrung von einmal gewonnener Selbstständigkeit zu einer nicht wieder rückgängig zu machenden Emanzipation führte.“543 Dies löste häufig Ehekrisen aus, besonders durch die Selbstständigkeit der Frauen im Bereich der Arbeit und der dadurch bedingten finanziellen Unabhängigkeit. Viele Frauen wurden im sozialistischen Ungarn erwerbstätig, genauso wie die vertriebenen Frauen in Deutschland. Der eigene Verdienst sicherte ihnen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Oft äußerten die Interviewpartnerinnen, dass sie keinen Mann gebraucht hätten, weil sie sich selber und ihre Kinder versorgen konnten. So äußert sich auch Frau H.M.: „Man findet überall Anschluss. Ich brauche da keinen Mann. Ich kann das alleine.“544 Durch diese neu gewonnene Selbstständigkeit der Frauen fanden die Ehemänner schwer ihren Platz in den Familienbeziehungen und in vielen Fällen lebten sich die Ehepartner auseinander oder trennten sich. Der Schriftsteller Christian Graf von Krockow schreibt in seinem Buch „Die Stunde der Frauen“ über die männliche Ordnung, dass sie deshalb zusammenbrach, weil sie überholt war.545 Es geht hierbei nicht darum, die patriarchale Ordnung in Frage zu stellen, denn dieser Rollenwechsel wurde nicht von den Frauen selbst herbeigeführt, sondern von äußeren Faktoren erzwungen. In Deutschland wurde nach dem Krieg die Emanzipation und

541 Solymár, Imre: Die Mentalität der Deutschen in Südtransdanubien. Bonyhád, 2003. S. 260.

542 Molnár, Annamária: Frauenschicksale im Spiegel der Geschichte, Universität Pécs, 2007.

543 Scholz, Stephan: Nur eine Stunde der Frauen? Geschlechterkonstruktionen in der Erinnerung an Flucht und Vertreibung. S. 99-125 In:Aubele, Edeltraud; Pieri, Gabriele (Hg.): Femina Migrans. Frauen in Migrationsprozessen (18.-20. Jahrhundert). Sulzbach (Taunus): Helmer, U., 2011, S.118.

544 Interview – H.M. S. 247.

545 Krockow, Christian Graf von: Die Stunde der Frauen. Bericht aus Pommern 1944 bis 1947. München. dtv, 1991, S. 9.

die Selbstständigkeit der Frauen als „unerwünschte Kriegsfolgen wieder demontiert.“546 Die Eingliederung der männlichen Familienmitglieder nach deren Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft, aus der Zwangsarbeit in die Familien, in den Alltag zog große Spannungen in den Familien nach sich. Es war schwer für die Frauen, ihre verantwortungsvolle, gut gemeisterte Rolle des Familienoberhauptes, die über alles selbstverantwortlich entschied und für die Familie in der Abwesenheit des Mannes sorgte, auf einmal aufzugeben und sich wieder unterzuordnen. „Die neue Frau der unmittelbaren Nachkriegszeit verstand sich hingegen selbst als innovativ und brach mit den überholten Rollenbildern und weiblichen Tugenden, sowohl im privatem wie im öffentlichen Leben.“

Dies ging nicht immer konfliktfrei von statten. „Die aus dem Krieg und der Gefangenschaft zurückkehrenden Männer sahen sich ihrer gesellschaftlichen Normalität beraubt. […] Sie sahen sich mit emanzipierten Frauen konfrontiert, die sich ihre neu erworbene Freiheit nicht einfach wieder nehmen lassen wollten.“547 Die zurückgekehrten Männer waren auch oft nicht dieselben wie vor dem Krieg.

Zusammenfassend ist festzustellen: Neben der traditionellen Rollenzuweisung, der geschlechtsspezifischen Produktions- und Reproduktionsaufgaben der Frau, die verantwortlich für den Fortbestand der Familie und für den Haushalt war, wurden den Frauen die Sicherung der existenziellen Grundlage der Familie übertragen, weil die Rolle als Familienoberhaupt auf das Fehlen der männlichen Familienmitglieder zurückzuführen war.

Sie waren verantwortlich für den Fortbestand der Familie. Frauen übernahmen somit auch die Bereiche, die früher den Männern vorbehalten waren.

546 Scholz, Stephan: Nur eine Stunde der Frauen? Geschlechterkonstruktionen in der Erinnerung an Flucht und Vertreibung. In:Aubele, Edeltraud; Pieri, Gabriele (Hg.): Femina Migrans. Frauen in Migrationsprozessen (18.-20. Jahrhundert). Sulzbach (Taunus): Helmer, U., 2011, S. 99-125, hier S.119.

547 König, Julia; Schmitz, Susanne: Phänomene der Nachkriegszeit aus einer feminisischen Perspektive. In:

Feminismus Seminar (Hg.): Feminismus in historischer Perspektive: Eine Reaktualisierung, transcript Verlag, 2014, S. 170.