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Die Folgen der Friedensverträge für die Welt

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Wieausden Einzeldarstellungen aus den vorhergehenden Abschnitten zu ersehenist,weisenallefünf Friedensverträgediegleichengrundlegenden Richt-linienauf,sind vondemgleichenGeisteerfüllt,demGeisteeines rücksicht-lossen,durchkeinerleiBedenkenwirtschaftlicherodermoralischerArt ge-hemmtenRachegefühlsundVernichtungswillens. Esließesichdaherkaum

feststellen, undkommtandieserStelleauch wenigerinBetracht,welcher dieserunmenschlichen Verträgefürdas betreffende vergewaltigteLanddie unerträglichsteLastdarstellt. Aberinihrem Gesamteffekt,derhiernicht unterdemGesichtswinkel der unterlegenen odersiegreichenStaaten,sondern vomStandpunkte des neutralundobjektiv urteilendenEuropäers unter-suchtwerdensoll,habensiezunächstinEuropa,einewirtschaftlicheund moralischeVerwirrung hervorgerufen, dieihreSchattenbereitsüberdie ganzeWelt zubreitenbeginnt. UndindemganzendenkendenTeilder zivilisiertenMenschheiterschalltdeshalbimmervernehmlicher derRuf nach Erlösungaus diesem unheilschwangeren Chaos, ausdieser politischenund wirtschaftlichenNot, ausdiesem materiellenundgeistigenElend,das über-allbereitseinezunehmendeKorruption,VerrohungundsittlicheVerwilderung zurFolgehat.

Wenn manannimmt, daß zwar einzelnen der Verträgeinweltwirtschaftlicher Beziehungvielleichtkeine allzugroßeBedeutungbeizumessenist,daßz.B.durch dieunmögliche Aufrechterhaltung der Verträge vonTrianonundNeuillyabsolute Störungen des weltwirtschaftlichen Verkehrs nicht zu befürchtensind, weilder Getreide-undWeinexportUngarnsvielleichtauch sonstreüssirt,weilBulgarien außer RosenölundZigarettentabaküberhauptnichtsausführenkann, soläßtsich andererseitsdochdie politischeBedeutungdieser

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erträgegewißnichtverkennen

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DennkeinMensch kannheute voraussehen, zuwelchenschweren politischen VerwicklungendieVerträgegeradeindiesenstarknationalempfindenden LänderninZukunft führen können.Wir müssenhierbeidesseneingedenksein, daßdieschonim Jahre 1912 auf der Balkanhalbinsel aufglimmendenFunken schließlichden großenWeltbrand entfacht haben.Wasden VertragvonSövres betrifft,derheute nurnochdemNamennachexistiert,so hater inAsien schon heute sehr weitgreifendepolitischeWirkungenausgeübtundbildet in

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Europadas wesentlichsteHindernisfüreineSolidaritätder englischenund französischenPolitik. AlsPoincar£im Märzinder französischenKammer äußerte,„anden Friedensverträgen dürfe nichtgerütteltwerden,“erfolgte derironischeZwischenrufeinesAbgeordneten:„Undwirsteht esmitdem Ver-trage vonS£vres In derTat hat gerade Poincar6 an diesem Vertrageseit demJanuar 1922sostarkgerüttelt,daßkaumnoch etwasvonihmübrig gebliebenist.

AlleRedenüberdieEinigkeitderSiegerstaaten, dieNitti als„literarischesGewäsch“bezeichnet,könnennichtdarüber hinwegtäuschen, daßder ungezügelteChauvinismus derneugebildetenStaaten sehr bedenk-lichepolitischePerspektivenvielleichtschonim nächsten Jahrzehnteröffnet.

Dochallediese politischenEntwicklungsmöglichkeiten sindzurzeitnochim dunklenSchoße derZukunft verborgen,währendwirheuteunsereganze Aufmerksamkeit der brennendsten Frage der Gegenwart, der wirtschaftlichen Desorganisation Europaszuwendenmüssen.

BiszumKriegebildeteEuropaeine wirtschaftlicheEinheitmit einemin hoher Blüte stehenden internationalen Handel, dessen tausendfach mitein-anderverschlungeneFädendurchdenKrieg natürlichzerrissenwurden, durcheinenvernunftgemäßen Frieden aber ohne besondere Schwierigkeit wieder hätten geknüpft werdenkönnen. BeiallenKriegen des19.Jahrhunderts konnten Handelund WandelnachdemFriedensschlüssestetsschnellwieder inGanggebrachtwerden,dochmußtediedurchden Weltkrieg, den fürchter-lichsten allerKriege der Weltgeschichte, hervorgerufeneErschütterung der Weltwirtschaft natürlicheinesehrvielschwereresein. Esistimeinzelnen gewiß nicht ganzleicht,zwischendenAuswirkungendes Kriegesunddenen der Friedensschlüsseeineganz scharfe Grenze zuziehen. Imallgemeinen aber dürfen wir gewiß annehmen,daßwennman1919 nur halbsoviel Voraus-sichtund Mäßigunggezeigt hätte,wieBismarckinden Jahren 1866und1871, dieschweren Störungen der Weltwirtschaftsich bisheute gewiß hätten be-seitigenoderganzvermeidenlassen.

Alseineder verhängnisvollstenFolgen der Friedensverträgemußjedenfalls dievölligeVerwirrung der Währungsverhältnisse bezeichnet werden, durch welchedieWeltinvalutastarkeundvalutaschwacheLändergeteiltwird,von denendie ersteren inkaumgeringerewirtschaftlicheNötegeraten sindals die letzteren. Besonders verderblichfürdiesesinddiemangelndeStabilität des deutschen Markkurses,seineungeheurenSchwankungeninnerhalbeines Tages, durchwelche derohnehindurchden Ausfallvonfast300 Millionen KonsumentengeschädigteAusfuhrhandelnochmehrbeeinträchtigtunddie IndustriezumTeil völliglahmgelegt wird. DurchdieseSchwankungendes deutschen Markkursesistder ganze internationaleHandel aus denFugen

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geraten,zumTeil völligniedergebrochen,zumTeilinwildeSpekulation aus-geartet. AneinzelnenPunktendesErdballshabensichungeheureMassen vonWarenangehäuft,diejedenWertverlorenhaben,weilniemandsiekaufen kann,währendandereLänderdieserWarendringend bedürfen.Zunehmende Arbeitslosigkeitund Verarmunginweiten Kreisen derBevölkerung sindin den meistenLändernEuropaswahrzunehmen.

Schon vordemKriege beganninfolgevonvielfachauftretendemRohstoffmangeleinegewisse Ver-schiebung deswirtschaftlichenSchwerpunktesvon den Ländern mit hoch-kapitalistischerEntwicklungundarbeitstechnischenHöchstleistungenzuden Ländern der Rohstoffproduktion. DieseRichtung der Weltwirtschaftsbe-wegung,dieletztenEndes zueinerBereicherung der Rohstoffländerundzu einerVerarmungderaltenIndustriestaatenführenmuß,hatdurchdie Frie-densverträgeeinewesentlicheVerschärfungerfahren,zunächstfür dieder Rohstoffeberaubten Staaten Mitteleuropas, sowiefür dieneutralen Länder, diekeineRohstoffe habenundsiejetztzu sehrhohen Preisen einkaufen müssen.

Siewirdsichaber späterauchinanderen großen Industriestaaten geltend machenmüssen,ausGründen,dieweiterunteninbezug auf dasbritische Weltreichnocherörtertwerdensollen.

KeyneshatinseinemletztenBuche„Revision des Friedensvertrages“

dieallgemeineLageder Weltwirtschaftdoch wohl etwas zu günstigbeurteilt, so daßseineAuffassungineinem schroffen Gegensatzsteht,nichtalleinzu derrechtpessimistischenAnsicht Nittis, sondern auch zuLloyd Georges großerUnterhausredevom3.April. Keynes meint, derbritischeund amerika-nischeHandel hätten zwareinesehrschwereKrisiszu überstehen gehabt, doch „scheine das Schlimmstejetztüberwundenzusein,“unddieallgemeine Lage der Weltwirtschaftstehe„unterderOberfläche“jetztdochschon wiederfesterdaalsvor zwei Jahren.Hierzuistzu bemerken, daß geradezu derZeit,alsKeynesdiesesBuchbeendete,imNovember1921,der rapide SturzderdeutschenMarkeintratundnoch größere Verwirrunginden inter-nationalenHandel brachte.WennwirgrößereZeiträume im Augehaben, wirddieEntwicklung derwirtschaftlichenVerhältnissevielleichtmehrder optimistischenAuffassung Keynes’alsder pessimistischenNittisentsprechen, weil dieVerhältnisse stärker sindalsdieMenschen,weilphysikalischeund biologische Gesetze schließlichdoch ausgleichendwirkenmüssen. Aber welche OpferundKatastrophenwürdenbiszu einemsolchennatürlichen AusgleichEuropa bevorstehen,wennnichtrechtzeitigenergisch eingegriffen wird?

EinUmstand,demdieAutoren der Friedensverträge gar keineBeachtung geschenkthaben,istdieschonseitlängererZeit in allenKulturstaaten

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merkbaresozialeZersetzung,derenGefahrendurchdie gegenwärtige Weltkrise wesentlich verschärft werdenmüssen. Denn wennauch vorläufig der brutal-plutokratische Geist der Friedensverträgegesiegtzuhabenscheint, sowirddoch gerade deshalb der Klassenkampfin allenStaatenEuropasimmer größerenUmfang und immerschärfereFormenannehmen. DieHoffnungen der russischen Bolschewisten,dienochin letzter Zeitden deutschen Kommu-nismus mit monatlichen Zahlungenvon5MillionenMarkunterstützthaben undentsprechendeGeldsummenfastinallenanderenLändern aufwenden, gründensich,wieschon an andererStellebemerkt wurde, gerade hauptsächlich aufdiedurchdiejetzigenZustände hervorgerufene Gemütsverfassung des europäischenProletariats.UnddaßdieseHoffnungennichtganz unberechtigt sind,zeigen dieErfolgeder russischenAgitation inmanchenLändern, wiez.B.inder TschechoslowakeiundinNorwegen. AuchNittiweist inseinemBucheaufdiese Gefahrenhinundkennzeichnetrichtigdie zu Gewalttätigkeiten neigende Mentalität des deutschenProletariats,wobei erdaraufaufmerksammacht,daß der Geist der Auflehnung auch unter den ArbeiternEnglands,ItaliensundFrankreichsimWachsenist. Während KeynesinseinemerstenBuchedievoneinerhungerndenundverzweifelten Volksmasse drohenden Gefahren ausdrücklich erwähnt,vertritter in seiner letztenPublikationauchin dieserBeziehung einenrechtoptimistischen Stand-punkt. Er meinthier,daßHungerundElend dasProletariat instumpfe Resignation versinkenlassen,währendsozialeundpolitischeRevolutionen nurvoneinerVolksmengeausgingen,die materiell sichergestelltist. Sosei vielleichtdiefranzösischeRevolution gerade darauf zurückzuführen,daßdas Frankreich des18.Jahrhunderts damals dasreichsteLandderWelt war.

Dagegenistzu bemerken, daßdieUrsache derfranzösischen Revolution indemdespotischenDruckderRegierungunddesAdels zu suchenist,der letzteAnlaßaberinderBrotteuerung,also in einer reinenMagenfrage.

Die vernichtendenWirkungenderVerträgeaufdasWirtschaftsleben MitteleuropasundderganzenReiheöstlicherStaatenvomEismeerbiszum Mittelmeer sindinden vorhergehenden Abschnitten eingehend besprochen worden.WasdieneutralenLänderbetrifft,so sinddiean Deutschland an-zrenzendenundmitihminbesondersengemWirtschaftsverkehrstehenden gunächstganz besonders schwerbetroffenworden.

DieSchweiz,einkleinesLandohnenatürlicheReichtümer,leidet be-sonders unter derSchwierigkeit,sichdienötigenRohstoffezu beschaffen undan derHöheseinerWährung. DerletztereUmstandhateinebuchstäblich vernichtendeWirkungaufdiehauptsächlichstenschweizerischen Erwerbs-zweige,sonamentlichdieFabrikationvonSchokoladeundkondensierter

Lukies,Fortmit denFriedensverträgen. 8

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Milch, dieUhrenindustrieinGenfunddasinderSchweizanersterStelle stehendeHotelgewerbe. Dasletztere leidetso sehr,daßvieleHotelbesitzer jahrelang aufalleEinnahmenverzichtenmüssen. Die Stillegungvieler In-dustriezweigehateine ArbeitslosigkeitzurFolge, die in letzter Zeitsoschlimm gewordenist,daßvieleSchweizer Arbeiter nach Süddeutschland auf Arbeit-suche gehen. Aufder Konferenz der SachverständigeninBrüsselimJahre 1920wurdevon der SchweizeinMemorandumvorgelegt,dasdieschlimme Finanzlage desLandesschilderte. Es heißt dortu.a.,daßdieLage noch wesentlichverschlimmertwerde durchdieGefahr,welchefürdieSchweiz indem Zwangebestehe,imAuslandealleRohstoffefürdieIndustriezu teueren Preisen einzukaufen,währendauf deranderenSeitedieSchweizer Produzentensichmit geringemNutzenbegnügenmüßten undnur schwer Absatzfür ihreErzeugnisse fänden.

Unter diesenUmständenistesnicht verwunderlich, daßschon mehrmals der Plandiskutiertwurde,mitHilfe der NotenpresseeinekünstlicheInflationhervorzurufen,denn mitdemstarken FallendesdeutschenMarkkursesseitEnde1921wird natürlichdie wirt-schaftlicheZerrüttung derSchweizimmerbedenklicher.

Hollandistzwarinsofern in einerbesseren LagealsdieSchweiz,alses reicheKolonienbesitzt,aber aufJavaundSumatra habensichungeheure MengenvonReis,Kaffeeund Kakaoangehäuft,die infolgeder Weltkrise unverkäuflich gebliebensind.ImMutterlandeselbst,indemeine entsetzliche wirtschaftlicheDepressionherrscht,hatdiehohe Valuta gerade soverderblich gewirkt wieinderSchweiz, sodaß HandelundIndustrie sehrschwer geschä-digtwordensind.Dabei herrschteinesobedeutende Teuerung,dieschon 1918 zu erregtenDebatteninderKammergeführthatte,seitdem abersich sowesent-lichverschärfthat,daßausdemholländischen Mittelständeviele Rentner-familiennachDeutschlandübergesiedelt sind,weil sieinderHeimatihr Lebennichtmehrfristenkönnen.Dabeiistsehrzu beachten, daß gerade Hol-land zudenLänderngehört, diederKrieginkeinerWeise geschädigthat, die erstdurchdenjetztherrschenden bewaffneten Friedenundfortdauernden wirtschaftlichenKriegszustand,d.h.durch den VersaillerVertrag,in dieseschlimmeLage geratensind.

Indendreiskandinavischen Staaten,diemanwährenddes Krieges ganz besondersalsKriegsgewinnlerbezeichnenkonnte,hatsichdie wirt-schaftlicheKrisis indergleichenWeiseundhauptsächlich ausden gleichen Gründengeltend gemacht wieinHollandundder Schweiz.DasFallenund dieSchwankungendesdeutschen Markkurses,derbiszumMai1920sich vorübergehendnoch auf34,75Mk.füreinenDollarerhobunddamals zehn-malhöherwaralsimMärz1922,hatnamentlichseitdem Sommer1921 auf

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dieIndustrieunddenHandelin allen dreiLändern vernichtendeingewirkt, ammeisten wohlinSchwedenmitseinerhohen Valuta. FürDänemark wurdeesbesonders verhängnisvoll,daß Deutschlandalseiner seinerersten MärktefürseineLandwirtschaftdurchdieValutakrisis gesperrtwurde.

Dabeikamesbaldzueinerimmermehr zunehmendenArbeitslosigkeitund zu schwerenKämpfenumdieHerabdrückungderLöhne. Dadurch,daß DänemarkgroßeMengenvonWarenausAmerikaeinführte,umsie in Deutsch-landabzusetzen,mit ihnen abersitzen blieb,hatessehrgroße Verluste er-litten,währendandererseitsausdiesemGrundedasLebeninKopenhagen billiger istalsinStockholmundChristiania. InSchwedendagegen,das in seinerhohenValutaersticktundgarnichtexportierenkann, herrscht furchtbareTeuerung, verbundenmit großerArbeitslosigkeitundStillstandder meisten Fabriken. SowohlStockholmalsKopenhagenhattensichnoch 1918 mit der Hoffnung geschmeichelt,nachdemKriegeden Ostseehandel ganzansichzureißen,aber derSchwerpunktdiesesHandels hatsich bekannt-lichweiter nachdemOsten,nachRevalverlegt.

DieLageNorwegensist

vielleichtnoch schwierigeralsinden Nachbarstaaten. DasFischereigewerbe, dasimnördlichenNorwegenden wesentlichsten Erwerbszweig derBewohner bildet,kannsichdurch Verteuerung der Brennstoffe (Petroleum)und Gerät-schaften nichtmehrrentieren,namentlichdadieAusfuhrvonHeringen nach Deutschland wegenderValutakrisisundderVerteuerung der Frachten nichtmehrmöglichist.DieArbeitslosigkeithathiereinensehr bedenklichen Graderreicht,wobeidieHerabsetzung der LohnsätzefürSeeleutezu harten KämpfenzwischenReedernundSchiffern,zu einemStreikder Seeleuteund schließlichzuAnfang1921zu einemGeneralstreikführte,hinterdemdie KommunistenführerTranmaelund GreppKyrre standen. So wirdin Nor-wegendiewirtschaftlicheNotlagedurchdenvonMoskauausdirigierten Kommunismusnochverschärft,dereineimmergrößereAusbreitung gewinnt undimHerbst 1921beidenWahlenzu einem Siege derKommunistenüber diegemäßigtenSozialisten führte. InSchwedenherrschtzwar aucheine bemerkenswertesozialeUnruheundSpannung,doch hathierder Kommunis-musnichtsovielBodengewinnen können wieinNorwegen.

Wasdiepsychische und moralische WirkungderFriedensverträge inden skandinavischen Ländernbetrifft,sosinddieVerträgevon der öffent-lichenMeinungallerdreiLänderlängst gerichtet. InDänemarkistman deshalbdavonüberzeugt,daßeineRevision schonlängst invollemGangeist.

InNorwegenhabensieniederschmetterndgewirkt,unddieeigenartige Behandlung der oberschlesischen FragekanndortalsdieschwersteNiederlage desdiplomatischen FrankreichsinderöffentlichenMeinungbezeichnetwerden.

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InSchwedenhatdieüberdieAalandsinselngetroffeneEntscheidung die öffentlicheMeinung davonüberzeugt,daßderVölkerbundeinganz ungeeig-netes Instrument zur EntscheidunginternationalerFragenist.

AuchinSpanien,daswährenddes Kriegesnicht gelitten hatte,sindjetzt ausdenobenerörtertenGründenHandelund Gewerbeschwer geschädigt worden,wobeidie sozialenUnruhen imindustriellenKatalonienals erschwe-rendesMoment hinzukommen. Wieesscheint,istdieAnregungzueinem Zusammenschluß deranderKonferenzvonGenuabeteiligtenneutralen Staatenvon Spanien ausgegangen, dasdieFrage desWiederaufbaues der europäischen WirtschafternsterauffaßtalsmancheandereLänder. Die SympathienfürDeutschland,UngarnundOestetreichsindübrigenshier, abgesehenvielleichtvonFinnland, mitdemFriedensschlüssestärker ge-wachsenal3inirgendeinemanderenLande Europas.

Wichtigerundvon größeremInteresse als indiesenneutralenLändern müssenunsdieindirektenRückwirkungenderbrutalen Friedensdiktate auf dieStaatenerscheinen,von denensieausgegangensind. Frankreichist inEuropaheutealsdereigentlicheGewinner des Krieges anzusehen. Abge-sehenvon den neuen slawischen Staaten,die sich seinesProtektoratserfreuen, istesdaseinzigeeuropäischeLand, dasseine Kriegsziele

vorläufigwenigstens

imvollenUmfangeerreichthat. Gestützt aufeineungeheure Zahlvon Bajonettenübteseine fastschrankenloseHegemonieüber denzumgrößten Teilentwaffneten oderzusammengebrochenenKontinentaus.

Die Kehrseitedieserprunkvollen Siegesmedailleistseine finanzielleund wirtschaftlicheLage. Wasdie erntere betrifft,soistseineStaatsschuldvon 32MilliardenGoldfranksimJahre 1914 auf265 Milliarden imJahre 1921 angewachsen. Dazukommennoch schätzungsweise 26Milliarden, die esden Vereinigten StaatenundEnglandschuldet,ohneseitdemFrühling 1919 die ZinsendieserAnleihen bezahlen zu können. DiesertraurigeZustand der französischenFinanzenerklärt dieübermäßigen Geldforderungen Frankreichs, dasvonDeutschlandden dreifachen Betrag derSummebeansprucht,die Deutschlandbeiden größtenAnstrengungen wirklich zahlen kann.

In wirtschaftlicherBeziehung scheint Frankreichbesserdazustehenals Groß-britannien,wennmanden ganzen HandelsumsatzinBetrachtzieht,derbis heute auf höchstens60%der Vorkriegszeitgesunkenist. Aberdiepassive Handelsbilanz,dieeinenEinfuhrüberschußvonfast2MilliardenFranks aufweist,beieinerAusfuhr,dieseit1918 zwischen300und600 Millionen schwankte,isteinsehrernsterFaktor, derbeidenjetzigenVerhältnissen keineBesserung erwartenläßt.DaFrankreichmitseinerIndustrieund Aus-fuhrinersterLinieaufMittel-undOsteuorpa angewiesenist,somußdie

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Abwürgungdesdeutschen Wirtschaftslebensdie französischeGeschäftswelt sehr schwer schädigen. Soerklärt essichauch,daß gewisse Geschäftskreise inSüdfrankreich sogarwährenddesKriegesdiekommerzielleVerbindung mit DeutschlandvermittelstderSchweiz aufrecht zu erhalten suchten.

DenschlimmstenundverhängnisvollstenEinflußhaben aberdie Friedens-verträgeinFrankreichinmoralischerBeziehung ausgeübt,da das stumpf-sinnigeSchlagwort„Leboche payera“ auf das vonden leitenden Staats-männernbetrogeneVolk wieOpiumeingewiikthat. Währenddie Regie-runges unterließ,einendenfinanziellenNötenentsprechenden Steuerdruck auszuüben,ließendieimVolkegenährtenIllusionenvon phantastischen Reparationszahlungenbis3000MilliardenGoldmark(!),die indas Gebiet des höheren Blödsinns gehören,eineständigzunehmendeArbeitsunlust auf-kommen.Dieletzterehat so bedenklichzugenommen,daß Frankreich heute wohl dasLandinEuropaist,indemamwenigstengearbeitetwird.Während die27 vondenRusseninOstpreußenzerstörtenStädteinanderthalb Jahrenwieder aufgebautwerden konnten,willesmit den entsprechenden ArbeiteninNordfrankreichimmernochnichtvorwärtsgehen. Gute Kenner Frankreichs,wieNitti,haben deshalb gewißrecht,wennsiemeinen,daß beirestloserAusführung der Friedensverträge mit Mitteleuropa auch Frank-reich als erstesder westlichenLänderindenAbgrundgerissenwerden müßte.

NurwenigbesseristdieLage Italiens,wodieStaatsausgabenseit1919 dreimalsohoch sindalsdieEinnahmen unddieStaatsschuldensichmonatlich

um

etwaeine MilliardeLirevermehren.DabeiistdieAusfuhr aufeinFünftel

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etwaeine MilliardeLirevermehren.DabeiistdieAusfuhr aufeinFünftel

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