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3. Das „Redaktionskollektiv“ der „Österreichischen Volksstimme“

3.1 Das Kulturressort

Im Kulturressort der „Österreichischen Volksstimme“ arbeiteten unter anderem Kulturschaffende, die auch einer Tätigkeit als Maler, Komponist, Autor oder Autorin nachgingen – wobei aus Unterlagen hervor geht, dass eine Nebenbeschäftigung von der Partei eigentlich nicht gewünscht wurde. Die Redakteurinnen und Redakteure sollten sich ausschließlich auf ihre Arbeit in der Redaktion konzentrieren; einzelne Ausnahmen mussten besonders bewilligt werden.255

Nicht nur Musikkritiker, sondern auch Komponist, war beispielsweise Marcel Rubin, der von 1948 bis 1969 als Redakteur für die „Österreichische Volksstimme“ tätig war. Geboren 1905 in Wien, studierte er nach der Matura Jus, doch im Alter von 20 Jahren zog es ihn zum Studium der Komposition nach Paris. Im Sommer 1931 beendete Rubin sein Studium der Rechtswissenschaften in Wien, doch Mitte März 1938 kehrte er nach Paris zurück, da er unter der NS-Herrschaft als Jude diskriminiert und rassistisch verfolgt wurde.

1939 wurde er als „feindlicher Ausländer“ in einem französischen Lager interniert. 1940 freigelassen, flüchtete Rubin 1942 nach Mexiko City, wo er als Chefkorrepetitor an der Oper, Kompositionslehrer sowie Sekretär des dortigen österreichischen antifaschistischen Komitees tätig war.256

1947 kehrte Marcel Rubin nach Wien zurück, wo ihm die „Österreichische Volksstimme“ anbot, als Musikkritiker ihrer Redaktion zu arbeiten. Diese Aufgabe reizte Rubin, da er nicht nur über seine Zeit frei verfügen konnte – und so ausreichend Zeit hatte um als Komponist tätig zu sein –, sondern auch, weil er der Musikkritik erzieherische und kulturpolitische Funktionen zumaß. Durch den Vertrag mit der „Volksstimme“ hatte Rubin keinerlei Redaktionsstunden, bezog als offiziell halbtags beschäftigter Redakteur ein fixes Gehalt und hatte dafür regelmäßig Kulturkritiken zu liefern.257 Bei der Auswahl der zu

255 ZPA der KPÖ, Beschluss des Sekretariats über die Arbeit der Redaktion der Österreichischen Volksstimme, 5.1.1954.

256 DÖW-Dokument 19329.

257 Krones, Marcel Rubin, 30.

besprechenden Konzerte wurde ihm dabei freie Hand gelassen. 1969 trat Marcel Rubin aus der KPÖ aus und zog sich auch als Kritiker zurück.258

Kollege und persönlicher Freund Marcel Rubins war der Komponist und Musikkritiker Friedrich Wildgans. Gemeinsam leiteten sie bereits 1936 die Konzertreihe „Musik der Gegenwart“.259 Nach der Machtübernahme Hitlers in Österreich war Wildgans‘

künstlerische und publizistische Tätigkeit vorerst zu Ende. Seine Arbeiten wurden als

„entartete Kunst“ und „Kulturbolschewismus“ angeprangert und abgelehnt.260 Lediglich seine Funktion als Klarinettist der Wiener Staatstheater konnte er vorläufig weiter ausüben.

Wildgans meinte in einer Zeugenaussage über jene Zeit:

„Erschwerend kam in meinem Falle hinzu, dass ich in erster Ehe (von 1935–1946) mit einer Nichtarierin verheiratet war und schon deshalb – ungeachtet meiner weithin bekannten Gegnerschaft gegen das Hitlersystem, aus dem ich niemals ein Geheimnis gemacht hatte, als Feind des Nationalsozialismus gelten musste.“261

Am 25. Oktober 1940 wurde Wildgans von der Gestapo festgenommen und inhaftiert und im Dezember 1943 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ vom Volksgerichtshof Berlin zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt; die Strafe war durch die Untersuchungshaft verbüßt.

Nach seiner Freilassung betätigte sich Wildgans aktiv in der Widerstandsbewegung. Die Ausübung jeglichen künstlerischen Berufes, auch seine Tätigkeit als Klarinettist, wurde ihm durch den Ausschluss aus der Reichskulturkammer 1943 endgültig unmöglich gemacht.

Wildgans, im April 1945 der KPÖ beigetreten und ab Herbst 1945 ständiger Musikkritiker der „Österreichischen Volksstimme“, missbilligte die von der Sowjetunion ab 1946 vorgegebene musikpolitische Linie zunehmend und dachte über einen Parteiaustritt nach. Endgültig ausgeschlossen wurde Wildgans 1950, als er nach der Rückkehr von einer

258 Rubin war nicht nur Musikkritiker und Komponist, er war auch ehrenamtlicher Sekretär des

„Österreichischen Komponistenbundes“ von 1948 bis 1965; Gründungsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Zeitgenössische Musik; ab 1964 im Vorstand der Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM), ab 1975 Präsident der AKM; ab 1974 Präsident des Rates der Komponisten und Autoren der CISAC – Conféderation Internationale des Sociétes d‘Auteurs et Compositeurs. Nach Rubins Rückkehr nach Wien 1947 fand auch sein Durchbruch als Komponist zu allgemeiner und internationaler Anerkennung statt. Zahlreiche Preise, u.a.: 1964 Verleihung Professoren-Titel, Großer Preis der Stadt Wien, Großer Österreichischer Staatspreis, Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.

259 Krones, Marcel Rubin, 19.

260 Zeugenaussage Friedrich Wildgans 10.10.1953, DÖW-Dokument 2000/W371.

261 Ebda.

Konzertreise in Jugoslawien öffentlich positiv von den dortigen Verhältnissen berichtete.262 In einem Nachruf in der „Österreichischen Volksstimme“ bezeichnete Marcel Rubin seinen Kollegen als einen Künstler, „der keinem Gesetz als seinem eigenen gehorchte, und einen Könner, der vermochte, was er sich vornahm.“263

Axl Leskoschek, Maler, Grafiker und Illustrator, wurde nach seiner Rückkehr nach Österreich im Jahr 1948 ständiger freier Mitarbeiter im Kulturressort der „Österreichischen Volksstimme“. Leskoschek hatte die NS-Herrschaft in der Schweiz und ab 1941 in Brasilien überlebt. Dort war er als Maler erfolgreich und unter anderem auch an der Kunsthochschule in Rio de Janeiro als Professor tätig gewesen.

Leskoschek wurde 1889 in Graz geboren, absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaften in Graz und Prag und war später als Kulturredakteur bei der sozialdemokratischen Tageszeitung „Arbeiterwille“ in Graz tätig.264 In den Zwanzigerjahren besuchte er die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, war Gründungsmitglied der Grazer Sezession und erhielt 1925 den Staatspreis für Grafik.265 1934 nahm er an den Februarkämpfen teil und war bis August 1934 inhaftiert, danach trat er der KPÖ bei. 1936 bis 1937 war Leskoschek wegen kommunistischer Betätigung im Anhaltelager Wöllersdorf inhaftiert, sein Doktortitel wurde ihm aberkannt.

Ernst Fischer – die beiden kannten sich gut aus ihrer Heimat Graz und waren Anfang der Zwanzigerjahre etwa zur selben Zeit beim „Arbeiterwille“ in Graz tätig gewesen – schrieb über Leskoschek:

„Ihn kennenlernen hieß ihn lieben lernen, diesen erquickenden Menschen, in dem sich eine fast kindliche Ursprünglichkeit mit einem grübelnden Intellekt und einem unantastbaren Charakter glücklich vereinigte. Wir stritten über abstrakte Kunst und konkrete Erlebnisse, über gesellschaftliche Aufgaben und philosophische Systeme“.266

262 Mugrauer, Genosse Wildgans, 14.

263 Zum Tode von Friedrich Wildgans, Österreichische Volksstimme, 9.11.1965, 7.

264 Röder/Strauss (Hg.), Biographisches Handbuch, 712.

265 Günter Eisenhut, Axl Leskoschek. Maler Grafiker und Illustrator, in: Günter Eisenhut (Hg.), Axl Leskoschek 1889–1976. Graz 2012, 28–107. – In der Literatur finden sich zwei Schreibweisen des Vornamens: „Axel“ und „Axl“; auch in der „Österreichischen Volksstimme“ wird keine einheitliche Schreibweise verwendet. Leskoscheks eigentlicher Vorname lautete Albert.

266 Unser Freund Axel Leskoschek, Österreichische Volksstimme, 16.11.1952, 11.

Zum 60. Geburtstag von Leskoschek schrieb Fischer außerdem: „Wir freuen uns, daß Menschen wie Du Kommunisten sind. Und du bist wirklich ein Kommunist und weißt, daß es nichts Größeres und Beglückenderes gibt, als in den Reihen unserer Partei für den Sieg der Menschheit zu kämpfen.“267 Erst nachdem Leskoschek 1968 aus der KPÖ ausgetreten war, erhielt er den Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst.