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4. Zäsuren kommunistischer Journalistengeschichten

4.2 Exil – Stationen kommunistischer Lebenswege

4.2.3 Anmerkungen zur Remigration österreichischer Journalistinnen und

Jene Journalistinnen und Journalisten, die aus dem Exil heimkehrten, bildeten eine Minderheit im österreichischen Journalismus. Laut Hausjells Untersuchungen kehrten insgesamt 21 zuvor vertriebene Journalisten zwischen 1945 und 1947 zurück nach Österreich und waren danach wieder im Journalismus tätig.423 Am Beginn der Zweiten Republik repräsentierten die aus dem Exil heimgekehrten Journalistinnen und Journalisten unter den Redaktionsmitgliedern der österreichischen Tagespresse eine kleine Gruppe von 5,5 Prozent.424 Trotz der geringen Zahl an heimgekehrten Journalisten und Journalistinnen konnten im Vergleich zu anderen Tageszeitungen vor allem die „Arbeiter-Zeitung“, das Zentralorgan der SPÖ, und die „Österreichische Volksstimme“ in den Jahren 1945 bis 1947 etwas mehr als die Hälfte ihres Redaktionspersonals aus heimgekehrten Exilanten rekrutieren.425 Die Heimkehrerquote war hierbei bei den kommunistischen Journalisten am

420 Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), Österreicher im Exil. Grossbritannien 1938–1945, 598.

421 Hilde Koplenig, Erinnerungen, in: Ilse Korotin/Karin Nusko (Hg.), „... genug Geschichte erlebt.“ Hilde Koplenig (1904–2002). Erinnerungen, (biografiA 6), Wien 2008, 13–285, 282.

422 S. Schwarz/Ganglmair, Emigration und Exil 1938–1945, 845.

423 Hausjell, Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, 123.

424 Ebda.

425 Hausjell, Österreichische Journalisten und Publizisten im Exil (1933/34 bis 1945), 306.

höchsten, „was vermutlich wesentlich mit der kadermäßig organisierten KPÖ zu tun hat.“426 In der KPÖ-Presse dominierten die heimgekehrten Emigranten mit über 27 Prozent deutlich. Es kann festgestellt werden – obwohl ein großer Teil der KPÖ-Journalisten durch das Verbot 1933 emigriert oder in die Illegalität gegangen und ein weiterer Teil später Opfer des Nationalsozialismus geworden war –, dass es die KPÖ schaffte, für die

„Österreichische Volksstimme“ überraschend viele erfahrene Journalisten und Journalistinnen zu gewinnen, wie auch das Kapitel 6 dieser Arbeit („Analyse der Kurzbiographien“) zeigt. In der so genannten parteiunabhängigen Presse arbeiteten allerdings kaum heimgekehrte Vertriebene. Als wichtiger Grund für eine Rückkehr von Journalisten und Journalistinnen kann – neben anderen Motiven – vor allem die Vertrautheit mit der deutschen Sprache angeführt werden.

Jenö Kostmann, stellvertretender Chefredakteur der „Österreichischen Volksstimme“, verbrachte die Jahre der Emigration in Großbritannien und wurde 1945 von der KPÖ eingeladen, nach Wien heimzukehren und seine journalistische Laufbahn in der Heimat wieder aufzunehmen. Er erhielt schließlich eine Ausreiseerlaubnis um an einem internationalen Studentenkongress in Prag teilzunehmen, mit der Verpflichtung wieder nach London zurückzukehren. Kostmann reiste allerdings von Prag über Bratislava nach Wien weiter:

„Und dann kam der Tag des Kriegsendes und des Sieges. Ich erhielt alsbald eine Einladung des Chefredakteurs Erwin Zucker-Schilling vom neuen Zentralorgan der KPÖ, Volksstimme, zurückzukehren und eine leitende Funktion zu übernehmen. Dazu aber brauchte ich eine Ausreiseerlaubnis aus England und die Einreiseerlaubnis der britischen Besatzungsmacht in Österreich.

Doch zunächst sah es nicht nach baldiger Wiederkehr in die Heimat aus. Denn so schwer es war, Zuflucht in diesem Land zu finden, so schwer war es dann, auch wieder herauszukommen. [...] Ich bemühte mich natürlich ebenfalls um die Heimkehr, wurde aber zwischen Home Office und War Office hin und her geschickt. [...]

Ich hatte keine Wohnung und stand völlig mittellos da, doch konnte ich gleich meine Tätigkeit in der kurz zuvor zugelassenen Volksstimme aufnehmen. Das war wenige Tage vor den ersten Nationalratswahlen. [...] Meine Gattin konnte mit unserem Sohn erst ein Jahr später die Heimreise nach Österreich antreten. Ein hoffnungsvoller, neuer Lebensabschnitt hatte für mich begonnen.“427

426 Hausjell, Österreichische Journalisten und Publizisten im Exil (1933/34 bis 1945), 334.

427 Kostmann, Zeitzeuge, 841–842.

Auch Leopold Grünwalds Rückkehr aus der Sowjetunion nach Österreich verlief nicht reibungslos: „Überraschende Entdeckung: man will mich mit ,sanfter‘ Gewalt in der Sowjetunion zurückhalten. Im Institut [Institut Nr.205, Komintern-Nachfolgeorganisation]

schlägt man mir vor, für die KPdSU zu arbeiten. Versuche aus Prag und Wien, mich ,loszueisen‘, schlagen vorerst fehl.“428 Es sollte eineinhalb Jahre dauern, die Ausreiseerlaubnis durchzusetzen.

Grünwald wurde 1901 in Wien geboren und war schon während seiner Schulzeit Mitglied in der „linken“ Mittelschülerbewegung.429 1919 übersiedelte er nach Ostböhmen, ab 1921 war er Mitglied der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und als Journalist bei verschiedenen Zeitungen tätig, ab 1937 arbeitete er als Prager Inprekorr-Korrespondent in Frankreich, 1938 als Redakteur der „Roten Fahne“ und „Welt am Morgen“ in Prag.430 1939 flüchtete er schließlich über Polen in die Sowjetunion, da er vom NS-Regime als Jude rassistisch verfolgt wurde. Er wurde journalistischer Mitarbeiter im Komintern-Apparat, Chefredakteur des „Sudetendeutschen Freiheitssenders“, später Mitarbeiter des Instituts Nr. 205.

Nach Kriegsende sah Grünwald keine Arbeitsmöglichkeit in der Tschechoslowakei und lehnte daher eine Ausreise nach Prag ab; er wollte in seine Heimatstadt Wien zurückkehren. Grünwald legte die Gründe seines Wunsches, nach Wien heimzukehren, beim Kaderchef der Österreich-Abteilung im ZK der KPdSU dar. Auf seine Frage, ob er ein Gefangener sei, lachte der Kaderchef verlegen „gab aber zu, daß ich zwar nicht gefesselt werden könne, daß man aber Zeit brauche, um mich zu überzeugen, um wieviel besser es für mich wäre, als CSR-Experte im sowjetischen Apparat zu arbeiten.“431 „Ich mußte beginnen“, so Grünwald, „um meine Ausreise aus der UdSSR einen regelrechten Kampf zu führen. Ich ging von Pontius zu Pilatus.“432 Im November 1946 wurde die Ausreise schließlich genehmigt, am 30. Dezember 1946 konnte Grünwald über Budapest nach Wien reisen: „Neujahr 1947. In der Pension ,Alt-Wien‘ in der Inneren Stadt untergebracht. So schließt ein Lebensabschnitt, meine ‘russischen Jahre‘.“433 Nach seiner Rückkehr nach Wien wurde Grünwald innenpolitischer Redakteur der „Österreichischen Volksstimme“.

428 Leopold Grünwald, Wandlung. Ein Altkommunist gibt zu Protokoll, Wien 1979, 94.

429 Akten der Journalistengewerkschaft Wien, Personalakt Leopold Grünwald, Fragebogen vom 14.2.1947.

430 Röder/Strauss (Hg.), Biographisches Handbuch, 249.

431 Grünwald, Wandlung, 94.

432 Ebda.

433 Ebda, 96–97.

Auch der Schriftsteller und Publizist Fred Wander kehrte 1945 nach Wien zurück: „Ich konnte nicht aufhören, die Menschen auf den Straßen zu betrachten und mich dabei zu fragen – was wäre aus euch geworden, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte?“ Die Rückkehr nach Wien empfand Wander als persönliche Niederlage: „Ich hatte mir im Mai 1938, bei meiner Ankunft in Frankreich, geschworen, nie wieder den Boden von Wien zu betreten! Und ich kam jetzt wohl nur vorübergehend zurück, um vielleicht meine Mutter, meine Schwester, den Bruder zu finden.“434

1917 in Wien geboren, emigrierte Wander 1938 über die Schweiz nach Frankreich. Er wurde wie viele andere bei Kriegsbeginn als „feindlicher Ausländer“ interniert, 1940 erreichte Wander die nicht-besetzte Zone Frankreichs. Nach einem Fluchtversuch in die Schweiz wurde er der Gestapo übergeben und 1942 nach Auschwitz deportiert. 1945 kam er nach seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald über Salzburg nach Wien, arbeitete in den folgenden Jahren als Reporter und Fotograf der KP-nahen Presse, gelegentlich für die

„Österreichische Volksstimme“, vor allem für die „Stimme der Frau“ und den „Abend“, wo Ernst Epler, ab 1959 Redakteur der „Volksstimme“, sein Lehrmeister wurde.435

Ernst Epler wurde 1912 in Wien geboren und war bereits ab 1933 Mitglied der KPÖ.436 1938 konnte er als jüdischer Emigrant nach England flüchten, von 1941 bis 1943 war er als Redakteur der „Austro-American“ Tribune in New York tätig. Im September 1949 kehrte er – wahrscheinlich auf Einladung der KPÖ – zurück nach Österreich.437

Wander wird 1947 Mitglied der KPÖ, damit sei der Schritt in die Presseorgane der Partei vorgegeben und das Betätigungsfeld für einen „kommunistischen“ Journalisten klar definiert gewesen, „denn die Medienlandschaft im Österreich des ersten Nachkriegsjahrzehnts war strukturiert nach einem spezifischen ,Proporz-Journalismus‘

entsprechend den vier alliierten Streitkräften und deren ideologischer Ausrichtung.“438 Wander, der 1955 in die DDR zog und sich als freischaffender Schriftsteller neuen literarischen Projekten widmete, schätzte, wie er viele Jahre später schreibt, die

434 Fred Wander, Das gute Leben oder Von der Fröhlichkeit im Schrecken. Erinnerungen, Göttingen 2006, 114.

435 Aufgrund seiner sporadischen journalistischen Arbeit für die „Volksstimme“ zählt Wander nicht zur Untersuchungsgruppe.

436 Da Epler erst ab 1959 für die „Volksstimme“ tätig war, zählt er nicht zur Untersuchungsgruppe.

437 S. Guttmann, Ernst Epler.

438 Christine Schmidjell, „Das Brot der Geschichtenschreiber liegt auf der Straße.“ Fred Wander als Journalist in Wien 1950 bis 1954, in: Walter Grünzweig/Ursula Seeber (Hg.), Fred Wander. Leben und Werk, Bonn 2005, 125–151, 126.

„Lebendigkeit“ der Kommunistinnen und Kommunisten, das kritische Denken und die angeregten Gespräche:

„Während ich andererseits in den Parteiversammlungen – die ich meistens mied – etwas Totes spürte. Die Sprüche und Losungen an der Wand, das mit rotem Stoff bespannte Rednerpult, die Häßlichkeit der Parteilokale. Und dazu das stereotype Wiederholen immer der gleichen Phrasen, die sektiererische Sprache, der Parteijargon, all das langweilte mich, stieß mich ab, wie mich als Kind gelegentliche Besuche in der Synagoge oder der Kirche mit ihren toten Ritualen gelangweilt und abgestoßen hatten!“439

In der Redaktion der „Stimme der Frau“ lernte Wander die spätere „Volksstimme“-Redakteurin Rosa Grossmann-Breuer kennen:

„Ich machte Fotos und kleine Reportagen für Rosl, und bald wurden wir Freunde. Die Themen – Frauenschicksale und Jugendkriminalität – lagen mir, alles noch von der Kriegszeit besetzte Geschichten. Rosl und ich waren ungefähr gleichaltrig, und sie gefiel mir in ihrer lockeren Art, mit Menschen umzugehen, neugierig kameradschaftlich, voll von Ideen und einem urwüchsigen Humor.“440

Als Redakteur in den Fünfzigerjahren in Wien war Wander ein „umtriebiger Berichterstatter urbaner Randgeschichten“441, der vor allem über die damaligen sozialen Missstände in Wien und Umgebung schrieb: schlechte Wohnverhältnisse, Arbeitslosigkeit, Delogierungen junger Familien, Jugendkriminalität und das Schicksal alleinerziehender Frauen waren wiederkehrende Themen seiner Reportagen. Wander beschreibt die Neugier für diese Inhalte folgendermaßen:

„Alles in der Welt war eine Frage von Herrschaft und Unterwerfung. Diese in mir arbeitende konzentrierte Wahrnehmung wendete sich vor allem der anderen Seite zu, den Unterworfenen. Wie auch meine Neigung zur politischen Linken nie mehr war als meine Solidarität für die im Leben Gescheiterten, die kleinen Leute, die Versager. Die zwanziger und dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts waren sehr lehrreich dafür.“442

439 Wander, Das gute Leben, 139.

440 Ebda, 137.

441 Schmidjell, „Das Brot der Geschichtenschreiber liegt auf der Straße“, 125.

442 Wander, Das gute Leben, 372.