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Beispiel: Das Internationale Sambafestival in Coburg

6 Auswirkungen der brasilianischen Migration auf Mitteleuropa

7 Beispiel: Das Internationale Sambafestival in Coburg

Coburg ist eine deutsche Kleinstadt in Franken (Bayern). Der Ort wurde im elften Jahrhundert zum ersten Mal erwähnt und erhielt seine Stadtrechte im Jahre 1331. Obwohl Coburg schon lange Sitz des Herrscherhauses Sachsen-Coburg-Gotha war, entschied sich die Bevölkerung im Jahr 1920 dazu ein Teil Bayerns zu werden. Während des kalten Krieges lag die Stadt im „Zonenrand-gebiet“ zur DDR, doch seit der Wiedervereinigung befindet sich Coburg wieder im Herzen Deutschlands.

Das Internationale Samba Festival ist – laut der Homepage der Veranstalter – das größte Festival seiner Art in Deutschland und das größte „Brasilien Festival“

außerhalb Brasiliens. Es fand zum ersten Mal 1992 statt, feierte im Jahr 2016 seinen 25. Geburtstag und wird stets am zweiten Wochenende (Freitag–Sonn-tag) im Juli veranstaltet. Das Festival wurde von Rolf Beyersdorf, Christof Pila-ryzk und Michael Häfner im Jahr 1987 gegründet. Die Idee hatte Häfner im Anschluss an den Besuch eines Samba Festivals in Kopenhagen und wollte danach in Coburg etwas Ähnliches organisieren. Es gelang ihm zunächst die Stadt Coburg für die Idee zu begeistern und im Anschluss die Versicherungs-gesellschaft HUCK Coburg als Sponsor von 10.000 DM zu gewinnen. Im ersten Jahr rechneten die Veranstalter mit circa 3.000 Besuchern. Doch es kamen circa 30.000 Menschen in die Stadt11. Heute zieht das Festival Gäste und Musi-ker nicht nur aus Deutschland, sondern aus der ganzen Welt an. So war die exotischste Teilnehmergruppe im Jahr 2018 die Gruppe Samba Masala aus

10 De Andrade 1928.

11 Damals hatte die Hauptbühne noch kein Dach, doch es regnete nicht.

Singapur, die sich aus Studenten einer Wirtschaftsuniversität zusammensetzt und alle zwei Jahre circa 45 ihrer 90 Mitglieder nach Coburg schickt12.

Im Kern vereint das Festival Batucada Gruppen aus der ganzen Welt mit in Deutschland lebende Brasilianern und der einheimischen Bevölkerung. Auf-grund der großen Lautstärke – vor allem wegen der vielen Trommeln – verlas-sen jedoch auch einige Einheimische während des Festivals die Stadt. Auf der musikalischen Ebene treffen sich in Coburg die Mitglieder vieler Amateurgrup-pen. Aber auch für Profis aus dem In- und Ausland ist Coburg ein wichtiger Anlaufpunkt. Darüber hinaus werden regelmäßig auch bekannte „Stars“ aus Brasilien zum Festival eingeflogen. Verantwortlich für die Buchungen ist Nini Beyersdorf, die brasilianische Ehefrau des Mitbegründers Klaus Beyersdorf, die seit 2003 in Coburg lebt und seit 1998 als Musikerin regelmäßig am Festival teilnimmt. Zu den bekanntesten Gruppen und Bands aus Brasilien, die bisher auf dem Festival aufgetreten sind, gehören z.B. Olodum und die Gruppe Terra Samba. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren aber auch immer wieder die Könige und Königinnen des Karnevals von Rio nach Coburg eingeladen.

Wie das Oktoberfest in Blumenau ist auch das Samba Festival in Coburg ein großer Touristenmagnet und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die ehemals strukturschwache Region. Mehr als 100 Gruppen mit circa 3.500 Künstlern kommen jedes Jahr zum Festival in die Stadt. Darüber hinaus zieht die Veran-staltung zwischen 150.000 und 200.000 Besucher an. Während die Musiker in kostenlosen Gemeinschaftsunterkünften (z.B. Coburger Schulen) untergebracht werden, sind die Hotels im Umkreis von circa 30 km um die Stadt herum regelmäßig ausgebucht. Das Festival erwirtschaftet im Schnitt 4,5 Millionen Euro, die in der Region bleiben. Der aktuelle Bürgermeister Norbert Kästner erwähnt in diesem Zusammenhang auch, dass die Besucherzahlen seit vielen Jahren stabil geblieben sind und das Festival somit auch in Zukunft in Coburg bleiben wird. Geographisch gesehen verteilt sich das Festival auf die Coburger Altstadt, die im späten Renaissancestil erbaut wurde und eine malerische Kulisse für das Festival bietet. Während des Events wird ein Teil davon abge-sperrt und nur den Festivalbesuchern der Zutritt erlaubt. Innerhalb des Gelän-des befinden sich mehrere große Bühnen und auch einige kleine Auftrittsorte, die von den teilnehmenden Gruppen regelmäßig bespielt werden. Hierzu gehört z.B. die Hauptbühne auf dem Coburger Schlossplatz, der von der „Ehrenburg“

begrenzt wird und auf dem sich auch das Versorgungszelt für die Musiker befindet.

Eine zweite Bühne befindet sich auf dem Marktplatz und eine weitere auf dem Albertsplatz, der nach dem – in Coburg geborenen – Ehemann von Queen Victoria benannt wurde. Weitere Auftrittsorte befinden sich vor dem

12 http://www.sambamasala.com/

kaffee, im Prinzengarten und im Hofgarten. Darüber hinaus gibt es auch defi-nierte Auftrittsorte am Salzmarkt am „Wein-Oertel“ und an der „Mauer“. All diese Orte werden zwischen 10:30 und 23:00 Uhr von verschiedenen Batucada Gruppen bespielt. Anschließend werden die Auftritte noch durch ein Abendpro-gramm im Coburger Kongresshaus ergänzt. Dort sind vorwiegend brasilianische Musiker zu hören und der Schwerpunkt liegt nicht mehr auf dem Genre Samba Batucada. Zu den Solokünstlern und Gruppen, die in den letzten Jahren regel-mäßig im Kongresshaus aufgetreten sind, gehört z.B. Vando Oliveira, der dort 2016, 2017 und 2018 stetes eine „Roda de Samba“ veranstaltet hat. Im Jahr 2018 feierte dort auch Osmar Oliveira mit seiner Gruppe Sambatuque sein 35-jähriges Bühnenjubiläum. Darüber hinaus besteht das Abendprogramm aus verschiedenen Wettbewerben (Schönheitswettbewerb, Kostümwettbewerb, Tanzwettbewerb) und Akrobatik Vorführungen. Am Rande des Festivals werden zudem noch zahlreiche Tanz- und Trommelworkshops veranstaltet. Letztend-lich wird am Sonntag um 10:30 Uhr sogar ein „Samba Gottesdienst“ im Stadt-park abgehalten. Das Festivalprogramm wird kulinarisch durch Stände mit Spezialitäten aus Brasilien und dem Rest der Welt abgerundet. Auch die Händ-ler von genretypischen Instrumenten, wie z.B. die Firma Kalango, sind in Coburg regelmäßig vertreten, um die „Sambistas“ mit in Brasilien produzierten Instrumenten auszustatten. Darüber hinaus ist auch ein bekannter Geträn-kehersteller aus Brasilien (Pitú) vor Ort, der in Coburg mittlerweile auch als Großsponsor des Festivals auftritt.

Obwohl es – z.B. in Bremen13 – auch noch andere Sambafestivals in Deutsch-land gibt, so hat sich das Internationale Samba Festival in Coburg zu einem der wichtigsten Fixpunkte in der brasilianischen Musikszene Europas entwickelt, da andere Veranstaltungen, wie z.B. das Festival Viva Afro Brasil in Tübingen14 oder das Brasilienfest in Grabenstädt leider eingestellt wurden.

8 Fazit

Abschließend kann man festhalten, dass der Vergleich der Migrationsbewegun-gen zeiMigrationsbewegun-gen konnte, dass die GrenzüberschreitunMigrationsbewegun-gen von Mitteleuropa aus nach Brasilien lange Zeit dominant waren. Trotzdem hat der kulturelle Import aus dem deutschsprachigen Kulturraum die brasilianische Gesellschaft bis heute nur sehr punktuell – vor allem aber in Südbrasilien – beeinflusst. Darüber hin-aus ist dieser „deutsche Einfluss“ auf Brasilien – selbst in Deutschland – kaum bekannt. Trotzdem erfreut sich das Oktoberfest in Blumenau wachsender Beliebtheit, wodurch sich die Begeisterung für die dort präsentierte Art der

13 Homepage: http://bremer-karneval.de/

14 Homepage: https://www.samba-festival.de/

deutschen Kultur auf ganz Brasilien ausdehnt. Die sprachlichen und musikali-schen Impulse, die vom Festival ausgehen sind allerdings – in Bezug auf das ganze Land – nur als gering anzusehen und beispielsweise nicht mit dem natio-nalen und internationatio-nalen Einfluss des Karnevals in Rio vergleichbar.

Die Migration von Brasilien nach Deutschland hingegen ist ein relativ junges Phänomen. In Deutschland findet sich kein geographisches Zentrum der Mig-ration, wo sich die Mehrheit der eingewanderten Bürger niedergelassen hat.

Vielmehr verteilt sich die eingewanderte Bevölkerung auf verschiedene städti-sche Zentren. Großstädte wie Berlin, München oder Köln konstituieren kultu-relle Zentren, in denen man auch brasilianische Musik mit lokalen Akteuren (z.B. in München: Osmar Oliveira und Vando Oliveira, z.B. in Berlin: Dudu Tucci) finden kann. Demnach ist es umso erstaunlicher, dass sich die fränkische Kleinstadt Coburg zu einem weltweiten Zentrum für brasilianische Musik ent-wickelt hat. Dies ist vor allem auf die Initiative der drei „Erfinder“, der lokalen Politik und der lokalen Wirtschaft zurückzuführen, die das Potential für die einst „strukturschwache Region“ erkannt haben. Trotz der kurzen Geschichte der brasilianischen Einwanderung, zeigt sich in Deutschland an vielen Stellen eine wachsende Begeisterung für die brasilianische Kultur. Dies spiegelt sich vor allem an der gewachsenen Popularität der Genres Capoeira (z.B. im Sportpro-gramm vieler Universitäten) und Samba Batucada wider. So gibt es mittlerweile mehr als 130 Batucada Gruppen in Deutschland. Da beide Genres auch auf dem Sambafestival in Coburg stark vertreten sind, trägt die Veranstaltung damit insgesamt zur weiteren Verbreitung und Popularität der brasilianischen Kultur in Deutschland bei.

Letztendlich sind beide Festivals repräsentativ für das beständige Interesse beider Kulturen aneinander, was sich vor allem in Musik und Tanz ausdrückt.

Wie die weitere Entwicklung der deutsch-brasilianischen Migration und der kulturelle Austausch zwischen Brasilien und Deutschland – insbesondere mit Bezug auf die vorgestellten Festivals – aussehen wird, ist nicht vorhersehbar.

Man kann jedoch davon ausgehen, dass beide Veranstaltungen die deutsch-brasilianischen Beziehungen weiter positiv beeinflussen werden und der sprachlich-musikalische Austausch zwischen beide Ländern davon profitieren wird.

Literatur

Arendt Goldenbaum, Jean Marco. 2012. Neue Noten unter einem neuen Him-mel: Die in Brasilien eingewanderten deutschsprachigen Komponisten und deren Einfluss auf die brasilianische Musik. Augsburg: Opus Server (Online).

De Andrade, Oswald. 1928. Manifesto Antropófago. In Revista de Antropofagia.

Sao Paulo.

De Oliveira Pinto, Tiago. 1989. Weltmusik - Brasilien: Einführung in die Musik-traditionen Brasiliens. Mainz: Schott.

Duffy, Eve M., and Metcalf, Alida C. 2012. The Return of Hans Staden: A Go-between in the Atlantic World. Baltimore: The Johns Hopkins University Press.

Herzog, Andreas. 2016. 25 Jahre Samba-Festival Coburg. Coburg: Neue Presse GmbH.

Moniz-Bandeira, Luiz Alberto. 2013. „Deutsche in Brasilien: Von der Kolonisa-tion bis zur Weimarer Republik“. In Wachstumsmarkt Brasilien. Wiesba-den: Springer.

Pögel, Johannes. 2012. Pedro Álvares Cabral: Die Entdeckung Brasiliens.

Wiesbaden: Marixverlag.

Sambaco GmbH (Hrsg.). 2017. 26. Internationales Samba Festival Coburg 14.–

16. Juli 2017. Coburg: Sambaco GmbH / DCT Druck

Staden, Hans. 1557. Warhaftige Historia und beschreibung eyner Landtschafft der Wilden/ Nacketen/ Grimmigen Menschfresser Leuthen [...]. Marpurg [Marburg]: Kolbe.

Stelzig-Willutzki, Sabina. 2011. Soziale Beziehungen im Migrationsverlauf.

Hamburg: Springer.

Von Dungen, Johannes. Unbekannt. Vom Freund zum Partner: Die deutsch-brasilianischen Kulturbeziehungen im Wandel. Regensburg: ConBrio Ver-lags GmbH.