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Academic year: 2022

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TIBOR GYURKOVICS

CHEFVISITE

DER ALTE

editio plurilingua epl

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TIBOR GYURKOVICS

CHEFVISITE

DER ALTE

editio plurilingua epl

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Megjelent az 1999. évi Frankfurti Könyvvásárra Középpontban Magyarország

Schwerpunktthema Ungarn

Veröffentlicht mit Unterstützung des ungarischen Kultusministeriums und der Frankfurt ‘99 gemeinnützigen GmbH

(Budapest)

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Tibor Gyurkovics

Chefvisite / Der Alte

1999/10

ISBN 963 8435 16 X ISSN 1585-082-X

© Magyar Írók Egyesülete

© Gyurkovics Tibor (Nagyvizit / Az öreg)

© German translation Ita Szent-Iványi

© German translation Erika Bollweg

© Book design Makovecz Benjamin

© Editor Serdián Miklós György

© epl+’99 Multilingual editions P.O. Box 1714 Budapest 1465, Hungary Shark Print Kiadó, Kaposvár Verzál Nyomda, Hódmezôvásárhely First edition German/English 1400 HUF No part of this book may me used or reproduced in any manner without written permission from the publisher, except in the context of reviews.

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CHEFVISITE

– Tragikomödie in zwei Teilen – PERSONEN

ZOLTÁN BADARI BÉLA CZIEGLER PÉTER FAZEKAS LAJOS F. TÓTH KLÁRI

BARBIER MÁRIA DEZSÔ ISTVÁN IBI

CHEFARZT ASSISTENZARZT

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I. Teil

Ein Vierbettzimmer in einem modernen Kranken- haus. Man sieht auf vier nebeneinanderstehende weisse Eisenbetten. Das Zimmer scheint zu schwanken. Es liegt hoch, im vierten Stock. Die ausladenden Kronen von Kastanien schauen zum Fenster herein. Klares, heiteres Wetter. Die rechte Seite wird fast völlig von einem grossen zweiflügli- gen, bis zur Decke reichenden Fenster eingenom- men. Nur einer der Flügel lässt sich öffnen. Unter dem Fenster ein Heizkörper. Neben dem Fenster ein Waschbecken mit Spiegel, auf dem Sims Toiletten- sachen, daneben ein Wandschrank mit Fächern.

Davor ein weisser Tisch, darauf (in einem Einweckglas) gemeinsame Blumen, Salz, Löffel, Servietten, Brötchen. Zwei Stühle, zwei Schemel.

Links eine weisse Tür, darüber eine bläuliche Glüh- birne. In der Ecke ein Abfalleimer. Am Fussende des dritten Bettes ein Infusionsapparat mit roten Kunststoffschläuchen und Flaschen mit Ringer- Lösung betriebsfertig, aber nicht in Gebrauch.

Auf den Nachttischen zwischen den Betten kleine persönliche Dinge, Hosenträger, Haaröl, Apfel- sinen, Bücher, Brillenetuis, Lichtbilder, Rasier- apparate, Zigaretten usw.; man erkennt: Hier leben Menschen, aber es herrscht keine Unord- nung. Das Zimmer muss einen sterilen, luftigen, aber lebendigen Eindruck hervorrufen, muss heiter und gläsern wirken. Die blauen und weissen Farben dominieren, die Sachen der Patienten – Bademäntel, Pyjamas, Frottierhandtücher – sind in lebhaften Farben gehalten. Am Kopfende der Betten Klingeln, Kopfhörer, am Fussende Kranken- tafeln mit Fieberkurven oder gar nichts. (Cziegler liegt im ersten Bett, ein an ein Eichhörnchen erinnernder älterer Mann, er trägt einen eigenen tigerartig gemusterten Pyjama. Meistens sitzt er im Schneidersitz, fummelt an dem Verband um

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seinen Leib, zieht ihn zurecht. Im zweiten Bett liegt Fazekas, in einem verwaschenen hellblauen Krankenhauspyjama. Er hat eine leichte Operation hinter sich. Ein lebhafter, stattlicher Mann mittler- en Alters voller Lebenswillen. Er scheint überhaupt nicht krank zu sein. Im dritten Bett liegt Badari, ein Schwerkranker. Mit Heiterkeit bemüht er sich, von seinem bedenklichen Zustand und überhaupt von allen unangenehmen Dingen keine Notiz zu nehmen. Er will sich auch hier unter allen Um- ständen wohlfühlen, sieht alles durch die rosarote Brille. Er trägt ein kragenloses Krankenhaushemd mit Bündchen. Er steht nicht auf, bei ihm ist gerade eine Infusion abgesetzt worden, trotzdem raucht er. Er ist alterslos, krank, unscheinbar. F.

Tóth liegt neben ihm im vierten Bett, bäuchlings.

Etwa achtundzwanzig Jahre alt. Er redet wenig.

Meistens ist er auf der Palme, glaubt nicht an echte Krankheiten, würde am liebsten jedem, der sich ihm nähert, ein Kissen an den Kopf werfen.

Fazekas liest, Badari raucht, Cziegler stöhnt, dann setzt er sich doch auf, nimmt den Schneidersitz ein, F. Tóth stellt sich schlafend.)

BADARI

Was ist denn das? (Im Takt tönen Laute herauf, sie klingen erschreckend und doch angenehm – das Quaken von Fröschen.)

CZIEGLER

Dreimal dürfen Sie raten. (Scheint überhaupt nicht zuzuhören.)

BADARI

Aber nein, ich frage in vollem Ernst. Was um alles in der Welt ist das?

CZIEGLER

(Winkt ab, sieht vielsagend zu Fazekas, der von seiner Lektüre aufblickt.) Sparen Sie sich die Mühe, es lohnt nicht.

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BADARI

Wieso? Darf ich denn nie etwas fragen? Bringt euch denn nichts aus der Ruhe? Was für Töne sind das? Was ist das überhaupt?

FAZEKAS Frösche.

BADARI

Frösche? Das ist doch unmöglich! Frösche in einem Krankenhaus? Das ist doch ein moder- nes Krankenhaus, oder? Nur mit Hängen und Würgen ist es mir gelungen, aufgenommen zu werden. Und wenn nicht ein alter Kollege von mir seine Beziehungen hätte spielen lassen…

CZIEGLER

Da können Sie von Glück sagen, dass es noch rechtzeitig…

BADARI

Péter, so sagen Sie doch endlich mal etwas!

Hören Sie, Péter? Wozu braucht man hier Frösche?

F. TÓTH

(Ohne den Kopf vom Kissen zu heben:) Zur Schwangerschaftsbestimmung…

BADARI

Unten ist ein kleiner Teich. Im Park, wo die Patienten spazierengehen, denen es besser geht…

F. TÓTH

Um die Schwangerschaft vorzubereiten…

BADARI

Seien Sie jetzt still. Sie haben auch nichts anderes als das im Kopf, dabei sind Sie kaum imstande, sich zu rühren. Reden Sie, Péter. Sie können das am besten.

F. TÓTH Es stimmt.

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FAZEKAS

Au! (Zischt schmerzvoll, während er sich aufsetzt, angelt mit den Händen nach dem am Fussende angebrachten Haltegurt.) BADARI

Haben Sie Schmerzen? Nicht sehr angenehm.

Frösche! Nein so was! Erschreckend.

CZIEGLER

Sie sollen aber beruhigend wirken. Zwei Tausender hab ich dem Chef für die Frösche gegeben. Und was habe ich davon gehabt?

Mein Bauch musste noch einmal aufgemacht werden. Diese Bande…! (Tastet nach seiner Wunde, stöhnt.) Wäre ich doch lieber nach Italien gefahren, alles war schon beim Reisebüro bezahlt. Aber nein, ich habe mich überreden lassen… Solche Hände gibts nicht noch einmal… Fassen Sie die Gelegenheit beim Schopf und lassen Sie sich die Steine entfernen… Na, ich habe die Gelegenheit beim Schopf gefasst… Die Dreckskerle…

BADARI

Péter, wenn Sie sowieso aufstehen, machen Sie doch das Fenster auf.

CZIEGLER

Wollen Sie die Frösche noch deutlicher hören?

BADARI

Nein. Frische Luft will ich.

CZIEGLER

Warum rauchen Sie? Sie dürften gar nicht rauchen.

BADARI

Nicht einmal das gönnen Sie mir?

FAZEKAS

(Richtet sich auf.) Soll ich es nun aufmachen oder nicht?

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CZIEGLER

Im Gegenteil, ich meine es gut mit Ihnen. Ihr Leben hängt nur noch an einem Faden, aber rauchen wie ein Schlot.

BADARI

Mein Leben hängt nur noch an einem Faden?

CZIEGLER

Das haben Sie behauptet. Als man Sie brachte, da haben Sie den grossen Mund gehabt. Sie haben gesagt: „Meine Herren, es hat

geklingelt”. Was haben Sie damit gemeint? Hm?

FAZEKAS

Soll ich nun das Fenster aufmachen?

BADARI

Natürlich, ich ersticke ja.

CZIEGLER

Das werden Sie schön bleiben lassen. Die Wunde von Lajos erkältet sich sonst.

F. TÓTH

Mir ist schon alles egal. Vor zwei Wochen wurde ich operiert, und meine Frau hat mich noch nicht einmal besucht. Soll ich noch was sagen?

BADARI

(Zitiert sich selbst.) Meine Herren, es hat geklingelt. Was habe ich wohl damit gemeint?

Was denken Sie? Der Chefarzt sagte…

CZIEGLER

Um Gottes willen, erzählen Sie uns jetzt bloss nicht, was der Chefarzt gesagt hat. Das haben wir schon hundertmal gehört. „Kollege Badari… er hat Sie nämlich mit Kollege angeredet… Kollege Badari, ich will Sie ja nicht erschrecken…” Tun Sie ihm schon den Gefallen und machen Sie das Fenster auf.

FAZEKAS

Na endlich! (Öffnet das Fenster, das Quaken ist noch deutlicher zu hören.) Frühling! (Breitet die Arme aus, greift dann an seine Wunde.)

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Au! (Sieht hinunter.) Von hier aus

hinunterspringen – das wäre das Richtige. Man spannt ein grosses Sprungtuch aus, und…

(Zeigt es.) BADARI

Péter, stecken Sie mir doch meine Zigarette an.

FAZEKAS

In meinem Pass stand: Artist. (Sucht nach Streichhölzern.)

BADARI

Haben Sie grosse Nummern bestritten?

FAZEKAS

Grosse Nummern? Nicht die grosse Nummer ist wichtig… Es war gefährlich, Herr Badari. Was meinen Sie, wer wagt das schon? Sich auf den Rand des Fenstersims zu stellen…

BADARI

Und von da aus mussten Sie hinunterspringen?

Sind Sie auch geflogen?

FAZEKAS

Aber ja! (Legt die Streichholzschachtel auf den Handrücken, wirft sie hoch, zündet

währenddessen die Zigarette an, mal glückt es, mal nicht.) Ich habe als Fallschirmspringer angefangen. Ich wurde eigens dafür

ausgewählt. Später habe ich dann sogar an einem Flügel gehangen. Ihnen allen würde vom blossen Anblick schlecht werden.

BADARI

Danke schön. An einem Flügel haben Sie gehangen?

FAZEKAS

Ja, mit dem Kopf nach unten. Unter mir schwamm die Landschaft… Und die Menschen waren so winzig.

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BADARI

Frösche! Das ist doch unmöglich! Ich werde mit dem Verwalter sprechen. Schliesslich geht es nicht nur um meine Ruhe…

CZIEGLER

Ich zum Beispiel empfinde das als ganz angenehm; das ist doch Leben. Etwas, was von draussen hereinkommt. Ziehen Sie doch bitte den Vorhang beiseite, damit mir die Sonne in die Fassade scheint.

BADARI

Péter! (Die Frösche verstummen.) Na, endlich! Die Quakerei hat aufgehört.

Geben Sie mir doch das Ding da. (Er meint den Gurt.)

FAZEKAS

(Geht mit Märtyrermiene, die er zu verhehlen sucht, zu Badari, gibt ihm den Gurt in die Hand und hilft ihm, sich aufzurichten.) Hier, Herr Badari…

BADARI

Wenn Sie so nett wären, vielleicht auch das Kissen ein bisschen…

FAZEKAS

Gern. (Schüttelt ihm das Kissen auf, dabei bedeutet ihm Cziegler durch Gesten: ein unerträglicher Kerl!)

BADARI

Ich werde doch wieder gesund, nicht wahr, Péter? (Er versucht, ihm in die Augen zu sehen, aber Péter befasst sich lieber damit, das Kissen zurechtzuklopfen.)

FAZEKAS

Sie haben zugenommen, Herr Badari, entschieden zugenommen.

(Cziegler zieht mit der Hand einen waage-

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rechten Strich durch die Luft, bedeutet Faze- kas: Aus, mit dem geht’s zu Ende; aber es ist keine lieblose, nur eine sachliche Feststellung.) BADARI

Den Eindruck habe ich auch. Meine Beine sind schwerer geworden.

CZIEGLER

Ein gutes Zeichen…

BADARI

Nicht wahr, Sie sind auch der Meinung! Sie werden dicker. Der Chefarzt hat gesagt, ich werde völlig ausgespült, durchgespült… und das würde für die Heilung von grosser Bedeutung sein.

CZIEGLER Und ob.

BADARI

(Dreht den Kopf von einem zum anderen.) Nicht wahr? Ich werde an den Apparat geschaltet und durchgespült. Danach komme ich noch für einen Monat auf die

Nervenstation, und dann gehts nach Hause.

Wissen Sie, was das heisst, nach Hause, Péter?

FAZEKAS

Nein. Ich habe noch nie irgendwo Anker geworfen. Höchstens einmal für zwei Monate.

BADARI

Ja natürlich, Sie waren immer unterwegs.

FAZEKAS

Ja… Brüssel… London… Skandinavien…

Häuser aus Glas… neue Hotels…

F. TÓTH

Und neue Frauen.

CZIEGLER

Warum bieten Sie uns dann dauernd Ihre Madonnen an? Wieso springen Sie nicht lieber?

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FAZEKAS

Ich biete sie ja gar nicht an. Ich sage nur, diese alten Bilder sind schön. Die Frauen von einst.

(Stösst gegen den Infusionsapparat, der kippt zur Seite, aber bevor er umfällt, fängt er ihn wie ein Jongleur auf und schafft ihn in die Ecke.) Vor zwei Jahren habe ich mir den Arm gebrochen, an fünf Stellen. Versuchen Sie doch mal, mit gebrochenem Arm zu springen.

BADARI

(Zieht die Ente unter sich hervor, reicht sie Fazekas.) Es geht nicht, Péter.

FAZEKAS

(Nimmt die leere Ente, hält sie ein bisschen von sich weg, trägt sie hinaus:) Die damaligen Frauen hatten noch Anstand, Schamgefühl…

Sie wohnten in Burgen. Sogar ihr Gesicht verhüllten sie… (Geht hinaus.)

F. TÓTH

Inzwischen…

CZIEGLER

(Zu Tóth.) Der hat heute nicht hier geschlafen, stimmt’s?

F. TÓTH

Abends um zehn ist er jedenfalls verschwunden.

CZIEGLER

Und im Morgengrauen wieder aufgetaucht, nicht wahr?

BADARI

Wie viele Frauen ihn besuchen…! Ich kann sie schon nicht mehr voneinander unterscheiden.

CZIEGLER

Ach Sie! (Es klingt, als sagte er. Was wissen Sie schon!) Es handelt sich doch nicht um Frauen ausserhalb des Hauses. In der Nacht! (Fazekas kommt zurück, spürt die plötzlich eingetretene Stille, geht zum Fenster, sieht hinaus.)

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BADARI

Wirklich, Péter, wieso muss ich mich während der Besuchszeit mit diesen Frauen abgeben. Sie verkrümeln sich und ich liege hier… mit ihnen.

FAZEKAS

Mit was für Frauen?

BADARI

Ich weiss nicht, ob diese Edit Ihre Verlobte ist, sie sagt, Sie wohnen bei ihr. Und sie hat mir erzählt, dass Sie das Fleisch nur mit viel Sosse mögen… aber offen gesagt, das geht mich nichts an. Und saure Gurken…

FAZEKAS

Warum lassen Sie sich von ihr einwickeln? Mir geht es hier gut. Das Schiff schwimmt…

BADARI

Ja, es schwimmt, es schwimmt. Aber auch Sie schwimmen hier – in Ihren Frauengeschichten.

FAZEKAS

Navigare necesse est…

BADARI

Was sagen Sie da?

FAZEKAS

Schiffahrt tut not. Das haben schon die alten Römer gesagt…

BADARI

Aber wir sind Ungarn. Hier, in einem Krankenhauszimmer. Ich weiss gar nicht, ob man Sie operieren musste. Auf alle Fälle stelle ich die Frauen hier am Bett einander der Reihe nach vor. Obwohl ich mich nicht rühren kann.

Regeln Sie es doch irgendwie so, dass Sie, wenn Sie entlassen werden, eine nach der anderen…

FAZEKAS

Wer denkt denn hier an Entlassung? Ich will, dass man mich physisch völlig wieder in Ordnung bringt. Vielleicht lasse ich mich auch

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in ein Sanatorium einweisen, irgendwo im Gebirge. Ich muss ausspannen, mich regenerieren, mich erholen…

F. TÓTH

Das müsste man.

BADARI

Ich wohne allein. Schon fünfzehn Jahre, seit meine Frau tot ist. Oder sind es bereits zwanzig Jahre?

F. TÓTH

Das ist doch nun wirklich unwichtig!

BADARI

Ich habe eine Einzimmerwohnung mit allem Komfort, ich kann nicht klagen. Nur kommen sehr wenig Leute zu mir.

CZIEGLER

Niemand, was?

BADARI

Wo denken Sie hin? Aber meine Freunde sind sehr beschäftigt. Ein Ingenieur und ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes… sie sind oft auf Dienstreisen.

FAZEKAS

Jetzt werde ich auch die Wohnungsfrage lösen.

F. TÓTH

Sie haben doch gesagt, Sie haben keine Wohnung.

FAZEKAS

Ich tausche. Diese Bilder werden mir die nötigen Moneten bringen… und die investiere ich dann in ein Haus. In Monostor habe ich eine Ruine gesehen, die kann ich bekommen.

Ein Haus mit einer Holzveranda, und einem eingestürzten Stall… Allein, endlich einmal allein… in einem Umkreis von fünf Kilometern keine Menschenseele…

F. TÓTH

Zu uns dagegen kommen viele Leute. Zu

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FAZEKAS

Eine Frau! (Zu F. Tóth.) Ich könnte mir vorstellen, dass es in früheren Zeiten noch Frauen gegeben hat… Diese Madonnen… das waren noch Frauen, mein lieber F. Tóth. Aber heutzutage sind sie alle gleich. Eine Nacht…

Das glauben Sie nicht?

F. TÓTH Doch, ja.

CZIEGLER

(Zu F. Tóth.) Tag für Tag besuchen ihn mindestens drei Frauen, trotzdem faselt er von Madonnen.

F. TÓTH

Um den braucht man sich nicht mal hier Sorgen zu machen.

CZIEGLER

Abends um zehn. (Sie reden alle gleichzeitig.) BADARI

Ja, richtig, Péter, wer ist diese Frau eigentlich?

KLÁRI

(Kommt fröhlich herein. Alle mögen sie. Sie bringt Fieberthermometer, Spritzen,

Infusionsflaschen.) So, da wäre ich. (Legt die Flaschen auf den Tisch.)

CZIEGLER

Ich hab schon gedacht, Sie würden überhaupt nicht mehr zu uns kommen. Dabei tut mir diese verdammte Wunde entsetzlich weh, der Verband drückt oder was weiss ich…

KLÁRI

Aber, lieber Herr Cziegler, wir haben den Ver- band doch erst gestern gewechselt. Ich hatte in der Sechs alle Hände voll zu tun… (Teilt die Fieberthermometer aus.) Geht es Ihnen besser?

(Tóth nimmt mit schmerzlicher Miene das Thermometer entgegen.)

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BADARI

Wo waren Sie denn, Schwester Klári, wir haben so auf Sie gewartet.

KLÁRI

Dabei habe ich mich beeilt. (Steigt aus den Schuhen, steigt auf den Stuhl, bringt die klem- mende Jalousie in Ordnung, betrachtet ihr Werk andächtig.) Ich habe mich nur geduscht.

CZIEGLER Geduscht?

KLÁRI

Ja, um mich zu erfrischen. Die Kälte

durchdringt meinen ganzen Körper. Ich habe heute langen Dienst.

BADARI

… den ganzen Körper…!

F. TÓTH

Ich wünschte, die Kälte würde auch meine Frau durchdringen. (Fazekas will, das Handtuch über der Schulter, hinausgehen.) KLÁRI

Wo wollen Sie denn hin?

FAZEKAS

Ich…? Nur… zum Röntgen… ich muss zum Röntgen.

KLÁRI

Heute wird überhaupt nicht geröntgt. (Steigt vom Stuhl.) Haben Sie den Blumen Wasser gegeben?

FAZEKAS Ja.

KLÁRI

Danke. (Befühlt seine Hand, während sie die Blumen übernimmt.) Aber Ihre Hand ist heiss.

Haben Sie Temperatur? Messen Sie sofort.

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FAZEKAS

Seit drei Tagen bin ich fieberfrei. Was soll ich da also messen? (Klári trägt Badaris

Temperatur ein.) BADARI

Sehen Sie sich doch mal meine Wunde an, Schwester Klári. Ich glaube, sie ist entzündet.

Ein einziger roter Streifen ist das Ganze.

Vielleicht ist sie sogar aufgeplatzt.

KLÁRI

(Zeigt an ihrem Leib die Wundstelle.) Ist diese Stelle hier empfindlich?

FAZEKAS

(Lachend zu den anderen.) Ich bin nicht empfindlich.

CZIEGLER

(Eifersüchtig) Was für ein Dreck hier wieder ist!

Wird denn hier überhaupt nicht saubergemacht?

Und Sie, Sie sind mit Ihren Gedanken auch woanders, das steht fest. In der Nacht haben Sie nicht einen Blick zu uns hereingeworfen.

KLÁRI

(Sich rechtfertigend.) O doch, ich war hier.

BADARI

Das waren Sie!

KLÁRI

(Tut, als frage sie Fazekas) Geben wir Herrn Badari eine Infusion, ja?

FAZEKAS

Das können wir machen.

KLÁRI

(Holt den Apparat.) Die Flasche da, bitte.

(Fazekas bringt sie ihr.) KLÁRI

(Zu Badari.) Ich glaube, es hat Ihnen geholfen. Sie kommen jetzt für kurze Zeit an den Tropf. (Schliesst Badari an das

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Infusionsgerät an. Zu Fazekas, der Badari am Arm festhalten soll.) Halten Sie ihn hier fest, bitte!

BADARI

Sagen Sie, Schwester Klári, was gibts eigentlich unten im Park?

KLÁRI

Was kanns in einem Park schon geben?

Bäume, Sträucher, Rasen, Blumen… Nicht wahr, Herr Fazekas?

BADARI

Und Frösche.

KLÁRI Frösche?

BADARI

Ja, hören Sie selbst! Psst… Jetzt quaken sie gerade nicht.

KLÁRI

Passen Sie auf, falls es danebentropft. Sie können ja schon damit umgehen.

BADARI

Also das darf doch nicht wahr sein, dass man hier Frösche hält! Ich habe doch genug gelitten.

CZIEGLER

Ich habe viel mehr gelitten. Wenn Sie wüssten, was für Krämpfe ich gehabt habe. Sie glauben doch nicht etwa, ich hätte erlaubt, dass man an mir herumschnippelt, wenn ich nicht vor Schmerzen hätte schreien müssen? Und ich war mutterseelenallein, wankte nur durch die drei grossen Zimmer…

FAZEKAS

In Canberra war ich einmal sternhagelvoll. Auf einer Schubkarre brachte man mich nach Hause. Waren Sie schon mal betrunken, Schwester Klári?

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KLÁRI

Ich? Warum sollte ich mich betrinken?

FAZEKAS

Aber Sie, Sie waren doch schon mal blau, Herr Badari?

BADARI

Warum hätte ich blau sein sollen? Wann war ich je blau?

FAZEKAS

Um ein bisschen gelöster zu sein. Um zu schweben. Hier ist Ihr Kaffee, Schwester Klári.

Ich giesse einen Schuss Rum rein.

KLÁRI

Woher haben Sie denn Rum? (Nimmt den Kaffee.) Ich möchte keinen Schwips bekommen.

F. TÓTH

Da haben Sie recht. Es ist nicht gut für eine Frau, wenn sie den Kopf verliert.

FAZEKAS

Schwester Klári verliert doch nicht den Kopf!

Das ist es ja gerade, dass…

CZIEGLER

(Wütend:) Ach, machen Sie doch mit ihr was Sie wollen! Von mir aus!

FAZEKAS

Sie hat geduscht nach der Nacht.

F. TÓTH

So kaputt war sie?

KLÁRI

Warum hätte ich kaputt sein sollen? (Fazekas öffnet den Schrank, dabei fällt ein Medizinball heraus, Klári und er wollen ihn wieder in den Schrank legen – die Szene spielt sich wie eine Pantomime ab.)

CZIEGLER

(Eifersüchtig:) Sie spielen Ball! Also das ist doch die Höhe! Ich reisse die ganze Geschichte

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jetzt runter. Schmeisse sie in die Ecke!

(Beginnt, den Verband abzuwickeln.) KLÁRI

(Läuft zu ihm.) Ich bitte Sie, Herr Cziegler, lieber Herr Cziegler, das dürfen Sie nicht! Sie verletzen ja die Wunde. (Zu Fazekas.) So helfen Sie mir doch!

FAZEKAS

(Eilt auch zu Cziegler.) Ich bin ja schon da.

(Sie versuchen Cziegler zu bremsen, dabei balgen sie sich ein bisschen, der Ball rollt währenddessen in die Mitte.)

CZIEGLER

Na, wenn schon! Jedenfalls will ich hier nicht länger leiden.

BADARI

Soll ich klingeln?

CZIEGLER

Unterstehen Sie sich!

FAZEKAS

(Hält Czieglers Beine fest, damit er nicht herumstossen kann.) Natürlich klingeln Sie!

Sehen Sie denn nicht, was er anstellt? Er reisst sich die Wunde auf! Na, klingeln Sie schon!

BADARI

(Versucht nach der Klingel zu greifen.) Ich kann sie nicht erreichen!

CZIEGLER

Wagen Sie ja nicht, zu klingeln! Ich will nicht mehr leben, kapieren Sie doch endlich! Ich will nicht länger leiden.

KLÁRI

(Drückt ihn mit sanfter Gewalt aufs Kissen.) Aber Herr Cziegler! Sie sind doch sonst nicht so feige? Am Ende müssen wir Sie noch

anbinden! Schämen Sie sich denn nicht? Sich hier aufzuführen wie ein Mummelgreis!

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CZIEGLER

(Liegt auf dem Kissen.) Für diese neueste Tonart bedanke ich mich ganz besonders. (Kühl.) Bisher habe Sie die noch nie angeschlagen.

KLÁRI

(Ordnet ihr Haar, sie ist unsicher, keucht ebenfalls, ringt nach Fassung. Spricht schein- bar zu Fazekas:) Ja, was wollte ich doch noch?

Ja, richtig, das Waschbecken…! Ach, das hat Zeit… (Geht hinaus. Stille.)

F. TÓTH

(Zu Cziegler:) Regen Sie sich doch nicht auf!

Was haben Sie nun davon?

BADARI

Also eines ist sicher, wenn der Chefarzt hier wäre, könnte so was nicht passieren. Was wird, wenn er das erfährt?

FAZEKAS

Was soll schon werden?

BADARI

Er wird einen Riesenkrach schlagen.

F. TÓTH

Der Chefarzt behandelt nicht ambulant.

FAZEKAS

Sagen Sie, was erwarten Sie eigentlich vom Chefarzt? (Stolpert über den Ball, stösst ihn beiseite.)

BADARI

Was ich von ihm erwarte? (Schreit:) Ordnung!

F. TÓTH

Schreien Sie doch nicht so!

FAZEKAS

Sie reden von ihm, als wäre er der Allmächtige.

(Mit Bezug auf Cziegler.) Sie sehen doch selbst, was er zum Beispiel mit ihm gemacht hat! Was also wollen Sie von dem Chefarzt? (Zu F. Tóth, mit Bezug auf Badari.) Dass er ihn heilt? Dass er ihn durchspült, ausspült und er

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dann nach Hause geht? (Zu Badari.) Glauben Sie im Ernst, dass Sie wieder nach Hause gehen können? (Feuert den Ball in den Schrank, schliesst die Tür zu.)

BADARI

Ich glaube, was ich will!

CZIEGLER

(Setzt sich wieder auf, schreit.) Ich reisse das Zeug runter! Ich habe genug!

(Die Tür geht auf, ein Mann in weissem Kittel mit einer Arzttasche tritt ein.)

BARBIER

Guten Tag. (Fazekas geht an seinen Platz, alle bringen hastig das Bettzeug in Ordnung, liegen dann gewissermassen in „Habacht- Stellung”.)

BARBIER

Bin ich hier richtig? (Stille.) Man hat mir gesagt, ich werde in der Zweiundzwanzig erwartet.

Und da bin ich.

CZIEGLER

Mir tut die Wunde weh.

BARBIER Ich verstehe.

CZIEGLER

Kann es sein, dass sie wieder aufgebrochen ist?

BARBIER

Das glaube ich nicht.

CZIEGLER

Hier, sehen Sie, hier.

BARBIER

Das sind die Wundränder.

CZIEGLER

Ich will aber nicht so leben…

BARBIER

(Liebenswürdig, verklärt.) Sie müssen.

CZIEGLER

Hier, in dieser Umgebung?

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BARBIER

Das geht vorbei.

CZIEGLER Was?

BARBIER

Nun, das… das alles.

CZIEGLER

Ich bin wie in Schweiss gebadet. Völlig erschöpft.

BARBIER

Man wird Sie trocken reiben. Ich schicke jemanden.

CZIEGLER Vielen Dank.

BARBIER

Keine Ursache.

CZIEGLER

Und seien Sie mir nicht böse.

BARBIER

Ich bin Ihnen doch nicht böse.

CZIEGLER

Wissen Sie, mir ist, als quirlt Nebel in meinem Kopf.

BARBIER

Das kommt vor.

CZIEGLER

Ich schäme mich.

BARBIER

Das brauchen Sie nicht.

CZIEGLER

Fühlen Sie mal meine Hand. Ich schwitze.

BARBIER

Sie ist ein bisschen feucht.

CZIEGLER

In meiner Kindheit hatte ich immer feuchte Hände. In der Schule.

BARBIER

Kein guter Ort.

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CZIEGLER

(Nickt matt.) Weiss Gott nicht.

BARBIER

Machen Sie die Augen zu.

CZIEGLER

Auch später… wenn ein Mädchen meine Hand nahm, wurde mir die Handfläche feucht.

BARBIER Das gibt es.

CZIEGLER

Nicht wahr, das kann jedem passieren?

BARBIER

Das ist etwas sehr Menschliches.

CZIEGLER

Ich will aber nicht mehr…

BARBIER Sie müssen!

CZIEGLER

Wissen Sie, ich hab nachgedacht… es lohnt nicht. Tausendzweihundert Kilometer habe ich zu Fuss zurückgelegt. Ich bin müde geworden.

Man hat mich an die russische Front gebracht…

zum Arbeitsdienst… Ohne Stiefel bin ich zurückgekommen. Durch Moore und Sümpfe…

ich bin am Ende.

BARBIER

(Sie sprechen jetzt leise, als wären sie allein auf der Welt.) Nein, das sind Sie nicht.

CZIEGLER

Ich hatte Typhus bekommen, vielleicht ist alles darauf zurückzuführen. Wir sind nur gelaufen und gelaufen, über endlose Steppen, bei Eis und Schnee. Es war zu viel… zu viel, was ich leiden musste. Und nicht nur das. Wissen Sie, ich kann mich einfach nicht davon freimachen…

Ich gehe nur und gehe, aber ich komme nie an.

BARBIER

Sie werden wieder gesund werden.

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CZIEGLER

Nie mehr werde ich gesund. Meine ganze Fami- lie, verstehen Sie? Nur eine Schwester ist mir ge- blieben. Und ich selbst wage nicht, eine Familie zu gründen. Ich fürchte, man nimmt sie mir weg.

Verschleppt meine Kinder… dabei habe ich gar keine. Man schiesst auf sie – und aus und vorbei.

(Bricht in Lachen und Weinen zugleich aus.) BARBIER

Beruhigen Sie sich.

CZIEGLER

Ja, ich soll mich beruhigen… natürlich. (Leise.) Und jetzt diese Wunde noch… (Sinkt müde auf das Kissen! Barbier ahmt unwillkürlich Cziegler nach, fasst sich an den Leib. Cziegler wird ruhig, schlummert ein. Der Barbier blickt um sich, dann geht er hinaus. Stille. Man hört die Frösche quaken.)

BADARI

Was war denn das?

FAZEKAS Frösche.

BADARI

Machen Sie keine Witze! Ich meine diesen Mann. Wer war das?

FAZEKAS

Weshalb wollen Sie das wissen? Er ist doch nicht zu Ihnen gekommen?

BADARI

Trotzdem. Wer war das?

FAZEKAS

Sie haben ihn doch gesehen? Warum haben Sie ihn nicht gefragt?

BADARI

War das ein Chefarzt?

F. TÓTH

Hier gehen Frösche und Chefärzte nur so aus und ein.

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FAZEKAS

Vielleicht war es nur so ein Beruhigungsmann.

Ein Psychologe oder so etwas…

F. TÓTH

(Hebt ein wenig den Kopf.) Ich weiss, wers war. Der Masseur.

BADARI

Na, so was! Dann hätte er mich doch massieren müssen. Sehen Sie doch mal nach, Péter, vielleicht ist er noch hier. Das ist unmöglich!

Dann wollte der doch zu mir, mich durch- kneten, damit ich wieder zu Kräften komme.

Gucken Sie sich doch mal um, Péter.

FAZEKAS

Ach, der ist schon weg.

BADARI

Wenn sie auch so herumtrödeln! Springen Sie schon aus dem Bett und rufen Sie nach ihm.

FAZEKAS

Ich soll also aus dem Bett springen. Nicht schlecht. (Richtet sich auf.) Gut, ich springe.

(Macht die Tür auf, sieht hinaus.) Hallo!

Masseur! Niemand.

F. TÓTH

Er wird schon wiederkommen.

BADARI

Ja, wenn meine Muskeln völlig erschlafft sind.

F. TÓTH

Die sind ja gar nicht erschlafft. Sie sind kräftiger als wir drei zusammen.

BADARI

Sie gönnen mir eben nicht, dass es mir besser geht.

F. TÓTH

Wie können Sie so was sagen? Ich habe nur eine Tatsache festgestellt. Und Tatsachen sind Tatsachen. So ist es zum Beispiel eine, dass meine Frau mich nicht besucht.

(30)

BADARI

Sie werden doch bald entlassen… Da war er nun schon hier und Sie palavern von asiatischen Sümpfen, während mein Körper mit jeder Minute schwächer wird. Ich könnte auch so manches erzählen. Denn habe ich etwa herrlich und in Freuden gelebt? Meine Frau ist

gestorben. Hab ich je jemanden geliebt?

FAZEKAS

Nein, niemanden.

BADARI

Eine Familie, Kinder? Wer wünschte sich denn Kinder? Ich hätte schon längst in eine höhere Position im Betrieb aufrücken müssen. Aber bin ich aufgerückt? Das sagen Sie mir jetzt!

FAZEKAS

Nein, das sind Sie nicht.

BADARI

Pfui, wie das stinkt! Also dann… Ach, werfen Sie doch diese Kippen weg, Péter.

FAZEKAS

Sie rauchen doch hier.

BADARI

Na und? Das ist das einzige, was ich geniesse.

Der Chefarzt hat gesagt: Rauchen Sie nur, Herr Badari, rauchen Sie nur…

FAZEKAS

Ihnen schadet das nicht mehr.

BADARI

Wie meinen Sie das?

FAZEKAS

Dass sich Ihr Organismus daran gewöhnt hat.

BADARI

Ja, weil er kräftig ist. Sehen Sie, auch diese Krankheit jetzt… Die Ärzte haben mir nichts Gutes prophezeit. Aber die Willenskraft. Ich hatte sogar den Mut, vor dem Krieg zu flüchten.

(31)

F. TÓTH

Jammerschade.

BADARI

Was ist jammerschade?

F. TÓTH

Dass Sie krank geworden sind. Bestimmt musste der Betrieb stillgelegt werden.

BADARI

Sümpfe und Moore! Drei Zimmer! Lächerlich!

Und ich soll nicht erzählen, dass man mich zweimal hinrichten wollte?

F. TÓTH

Aber ja doch, erzählen Sie!

BADARI

Warum machen Sie nicht das Fenster zu, Péter?

Worauf warten Sie noch? Sehen Sie nicht, dass auch Lajos friert?

F. TÓTH

Lajos friert nicht.

BADARI

Machen Sie endlich dieses verdammte Fenster zu, ich flehe Sie an! Also das ist nicht zu fassen!

Sie sind eine Künstlernatur, Péter! Madonnen!

FAZEKAS

Aber das habe ich doch nur von den Bildern gesagt. Von den alten… Die Frauen darauf haben hochgewölbte Brauen, das lässt die Augen grösser erscheinen, und…

BADARI

(Fällt ihm ins Wort.) Und die Tür quietscht.

Sehen Sie mal nach, was mit ihr los ist. Na, machen Sie die Tür auf!

FAZEKAS

Ich weiss es doch.

BADARI

Trotzdem! Machen Sie sie auf. (Fazekas öffnet die Tür einen Spalt weit.) Na? (Sie quietscht.) Quietscht sie?

(32)

FAZEKAS Ja.

BADARI

Sie quietscht. Ich aber muss wieder gesund werden. Und auch sie muss wieder gesund werden.

FAZEKAS

Soll sie doch – wenn sie kann.

BADARI

Nachts liege ich wach und lausche, ob die Tür geht. Nicht Ihretwegen. Aber Sie kommen durch die Tür herein.

F. TÓTH

Irgendwo muss er schliesslich reinkommen.

BADARI

Ach bitte, Péter, richten Sie doch mal diesen Schlauch hier. Es tropft kaum noch. Auch neulich haben zwei ganz verschiedene Frauen Sie besucht. Sie schlafen aber auch mit jeder.

Also das geht über meine Kräfte.

FAZEKAS Was?

BADARI

Sie verkrümeln sich während der Besuchszeit.

Und ich darf mir dann das Klagen und Jammern anhören. Das letzte Mal hat mir die Edit wegen einer Wohnung was vorgeheult.

FAZEKAS

Ich war zum Röntgen.

BADARI

Wie immer. Und ausserdem können Sie sie gar nicht mehr voneinander unterscheiden. Die kleine Márta, dann die Mascha, und auch ‘ne Kellnerin wollte Sie besuchen. Sie können doch diese Frauen nicht zugrunderichten!

FAZEKAS Ich?

(33)

BADARI

Und dann war noch eine da, eine, die Klavier spielt. Sie sagte, Sie hätten ihr versprochen, für sie ein Klavier zu mieten.

FAZEKAS

Ich miete Klaviere?

BADARI

Und eine, mit der sie in Tata geritten sind.

FAZEKAS Ich reite?

BADARI

Und dann wundern Sie sich, dass Sie nie Geld haben.

FAZEKAS

Ich wundere mich ja gar nicht.

BADARI

Lassen Sie wenigstens diese Klári in Frieden…

das ist nicht so eine…

FAZEKAS

Ich soll sie in Frieden lassen? Aber sie ist es doch, die…

BADARI

(Unterbricht ihn.) Um Gottes willen, was ist denn das hier? Das ist doch unmöglich! Unter meinem Po ist eine Nadel. Au, so kommen Sie schon, Péter, und befreien Sie mich von dem Ding!

FAZEKAS Was soll ich?

BADARI

Na, hier… Au. Kommen Sie endlich… Hier…

Ziehen Sie sie schon heraus!

FAZEKAS

(Betont langsam.) Wo ist sie denn?

BADARI

Wo? Wo? Hier, spüren Sie sie nicht?

FAZEKAS

Hier ist nur Ihr Allerwertester.

(34)

BADARI

Machen Sie jetzt keine Witze! Au, Sie drücken sie ja noch tiefer ins Fleisch.

FAZEKAS

(Zu F. Tóth.) Also hat man so was schon ge- sehen? Ich hab ihn überhaupt nicht angerührt.

F. TÓTH

Ich würde ihm nicht helfen. Wenn er so wehleidig ist.

BADARI

Das weiss ich. Von Ihnen aus könnte ich hier verrecken, darüber bin ich mir im klaren. Au!

Péter, ich bitte Sie um Christi willen, drücken Sie mir diese Nadel nicht noch tiefer ins Hinterteil.

FAZEKAS

Also soll ich Ihnen jetzt helfen oder nicht?

BADARI

Aber ja, ich sitze doch auf einer Nadel.

FAZEKAS Wo?

BADARI

Hier auf meiner linken Pobacke. Vorsicht!

Heben Sie mich hoch! Und passen Sie auf, damit Sie sie mir nicht noch tiefer hinein- bohren. Au, ich werde verrückt. Nicht mal die Operation hat so weh getan!

FAZEKAS

(Umfasst Badari mit den Armen, der klammert sich an ihn.) Warten Sie.

BADARI

Warten? Wie lange brauchen Sie denn, um eine elende Nadel rauszureissen?

FAZEKAS

Wenn es nur gar keine Nadel ist? Sondern ein grösserer Gegenstand?

BADARI Ein Nagel?

(35)

F. TÓTH

Wenn er nur keine Blutvergiftung kriegt.

BADARI

Lassen Sie mich nicht fallen, ich beschwöre Sie, ich könnte sterben, wenn der Nagel noch tiefer ins Fleisch dringt, empfindlich, wie ich jetzt bin!

FAZEKAS

Aber wie kann man denn auch eine Nadel im Bett lassen?

BADARI

Eine Nadel? Es ist also doch eine Nadel?

F. TÓTH

Was es ist, ist doch nun wirklich egal.

BADARI

Durchaus nicht. Eine Nadel ist wenigstens steril.

FAZEKAS

Aber sie dringt tiefer ein.

BADARI

(Brüllt.) Au! Das ist wahr!

CZIEGLER

(Kommt plötzlich zu sich, erschrocken.) Was ist denn los? Was machen Sie denn da?

BADARI Eine Nadel?

F. TÓTH

Operation durchgeführt. Chirurg: Dr. Fazekas.

FAZEKAS

Hören Sie auf, sonst muss ich lachen und setze den Alten womöglich in die Nadel. Warum kommt nicht endlich einer und hilft mir?

CZIEGLER

(Steigt aus dem Bett, geht zu ihm.) Na, wo steckt sie denn?

BADARI

Rühren Sie mich nicht an, Sie nicht!

(36)

CZIEGLER

Eine Häkelnadel! Also das kann auch nur Ihnen passieren. (Nimmt die Nadel heraus, zeigt sie.) Wenn es wenigstens noch etwas Gefährliches gewesen wäre. (Wirft die Nadel in den Abfalleimer.) Die stammt bestimmt von irgendeiner Besucherin.

BADARI

Das war Ihre Nadel. Ich werde das dem Verwalter melden.

CZIEGLER Meine?

BADARI

Jawohl, Ihre. Diese magere Frau, die sich zu mir aufs Bett gesetzt hat. Jetzt erinnere ich mich ganz genau.

CZIEGLER

Warum hat sie sich zu Ihnen aufs Bett gesetzt?

BADARI

Weil Sie gerade untersucht wurden, zum hundertsten Mal.

CZIEGLER

Und währenddessen hat sie auf Ihren Bett gehäkelt?

BADARI

Ja, wo sollte sie denn sonst häkeln? Ich konnte sie doch nicht einfach wegjagen, das hätte mir mein Mitgefühl, meine Höflichkeit verboten.

Ach, mein Gott!

F. TÓTH

Passen Sie auf. Es tropft daneben.

FAZEKAS Was ist los?

F. TÓTH

Setzen Sie das Infusionsgerät ab! Schnell!

CZIEGLER

Péter, klemmen Sie den Schlauch ab, es ist kaum noch Flüssigkeit drin.

(37)

FAZEKAS

Wo ist denn dieses scherenartige Dingsda?

BADARI

So machen Sie doch endlich! Am Ende sterbe ich noch. Nicht zu fassen! Luft kommt in mein Blut!

F. TÓTH

Schauen Sie sich das an! Ich kann das nicht sehen!

CZIEGLER

Klemmen Sie ihn ab! Mit irgendwas!

FAZEKAS

(Findet die Kocherklemme, zwickt den Schlauch damit ab.) Kriminell!

BADARI

Wem sagen Sie das? Da lässt man mich hier wegen einer elenden Klemme draufgehen! Wo ist Schwester Klári?

CZIEGLER

Das kann auch nur Ihnen passieren. Es wird Zeit, dass man Sie in ein anderes Zimmer legt.

BADARI

Wieso? Kann ich etwa dafür, dass hier ein solches Tohuwabohu ist? Dass ich nicht eine Minute Ruhe habe, weder bei Tag noch bei Nacht? (Zu Fazekas.) Und an allem sind Sie schuld! Seit Sie da sind, herrscht hier eine Haremswirtschaft, die unbeschreiblich ist!

CZIEGLER Das stimmt.

KLÁRI

(Kommt herein, bringt auf einem Teewagen das Mittagessen.) Na, da bin ich wieder. Sie sind die ersten! Jetzt habe ich mich aber wirk- lich beeilt. (Sie möchte zu jedem freundlich sein, ist aber nervös.)

CZIEGLER

Das sehen wir.

(38)

F. TÓTH

So etwas kann in einem Krankenhaus gar nicht vorkommen.

CZIEGLER

Der wäre um ein Haar abgekratzt.

KLÁRI

(Sieht sich um.) Wer?

CZIEGLER

Wer? Er. Der Reihe nach werden hier die Patienten verpfuscht. Sehen Sie sich diesen Schlauch an!

KLÁRI

Was ist denn mit Ihnen, Herr Badari?

BADARI

Das frage ich Sie, Schwester Klári! Haben Sie die Infusion vergessen? Soll ich hier etwa zugrundegehen? Früher ist das nie vorgekommen.

KLÁRI

Da ist tatsächlich ziemlich viel

danebengetropft. Aber das ist nicht gefährlich.

Das nächstemal binden wir ihn an.

BADARI

Für Sie ist es nicht gefährlich. (Klári geht mit Badaris Mittagessen zurück, verliert eine ihrer Pantoletten, lässt sie liegen, stellt das Essen auf den Teewagen. Fazekas hebt die Pantolette auf, hält sie Klári hin, damit sie hinein- schlüpfen kann, aber sie nimmt sie ihm aus der Hand un zieht sie selbst an; geht nervös zu Badari.)

KLÁRI

Offenbar bemühe ich mich heute umsonst.

F. TÓTH

Sie bemüht sich. Wie nett von Ihnen, dass Sie zu uns gekommen sind. Und wer hat meiner Frau verboten, zu mir zu kommen?

(39)

KLÁRI

(Macht Badari vom Tropf los.) Niemand, nur Sie sollen geschont werden.

F. TÓTH

Also der Chefarzt hat es verboten.

KLÁRI

Aber nein.

CZIEGLER

Diese Scharlatane! Für zwei Tausender haben sie mich verpfuscht.

KLÁRI Ich?

CZIEGLER

Das läuft aufs gleiche hinaus! Es ist doch ein und dieselbe Firma. Ich könnte Sie glatt alle anzeigen. Hier drin ist der Bericht, der nach der ersten Operation abgefasst wurde. Den zeige ich ihm, damals war nicht die Rede von einem zweiten Eingriff. (Holt den Bericht hervor.) KLÁRI

Aber Herr Cziegler, Sie wissen doch genau, dass es nötig war. Der Chefarzt hat es so geschickt gemacht, dass in zwei Monaten überhaupt nichts mehr zu sehen sein wird.

(Wäscht sich die Hände.) CZIEGLER

Nicht mal zwei Tage habe ich Zeit, geschweige denn zwei Monate! Denken Sie, auch mir liegt daran hier in Ihrer Nähe zu sein?

FAZEKAS

Stellen Sie sich vor, einmal, als ich in Paris war, hatte ich einen Autounfall… Aber das habe ich ja schon erzählt.

KLÁRI

Waren Sie da auch betrunken?

FAZEKAS

Ich trinke doch nicht! Darf ich denn trinken?

(Macht ihr den Hof.) Zum Abend könnten Sie

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aber doch ein bisschen was Alkoholisches bringen.

KLÁRI

Damit Sie eine Ausrede haben…

F. TÓTH

Haben Sie das gehört, Herr Cziegler?

FAZEKAS

Einen Augenblick noch… (Hält Klári, die hinausgehen will, am Arm fest.) Gestern haben Sie nichts gesagt.

KLÁRI

(Fühlt sich von ihm angezogen, ist aber zugleich zornig und verwirrt.) Was hätte ich denn sagen sollen?

BADARI

Mein Essen, Schwester Klári, ich komme um vor Hunger!

FAZEKAS

Wie lange haben Sie heute Dienst?

KLÁRI

Sehen Sie nicht, dass ich in Eile bin? (Stellt ihm Badaris Essen auf den Tisch.) Hier, Ihr Essen!

FAZEKAS

Ich warte in der Halle auf Sie, um zehn Uhr.

BADARI

Ihm gibt sie mein Mittagessen! Nicht zu fassen!

Also so was von Kopflosigkeit hats hier noch nie gegeben, nicht wahr, Herr Cziegler? Gibt dem Péter mein Essen!

KLÁRI

(Ist nervös, nimmt Badaris Essen vom Tisch, bringt es ihm.) Ach, ich habe Sie verwechselt.

Offenbar wollte ich Ihnen das bessere Essen geben, Herr Badari.

F. TÓTH

Ein Glas Wasser könnten Sie auch mir ruhig bringen.

(41)

KLÁRI

(Geht zum Becken, bringt ihm Wasser.) Sie sollten so wenig wie möglich trinken. Essen Sie lieber ein paar Löffel Suppe.

F. TÓTH

Darauf warte ich ja.

KLÁRI

(Kämpft mit den Tränen.) Mein Gott, Ihr Essen steht ja auch noch da! (Fazekas holt das Essen und überreicht es Klári, sie geht damit zu Tóth.)

CZIEGLER

Hört doch endlich auf, sie zu quälen.

BADARI

Ja, quäle ich Sie denn? Sie piesacken sie doch?

F. TÓTH

Nein, er tut so was nicht!

BADARI

Also ich bin der Unmensch! Dabei will ich nur nicht an einer Infusion sterben. Und ich denke, das ist nicht mehr als recht und billig. Ich möchte niemandem zur Last fallen… Wo ich auch immer war, stets habe ich darauf geachtet, niemandem zur Last zu fallen.

KLÁRI

Aber Herr Badari, Sie fallen mir doch nicht zur Last. (Sie bricht in Tränen aus, dann schiebt sie den Teewagen hinaus. Fazekas nimmt im letzten Augenblick sein Mittagessen vom Wagen. Nachdem Klári das Zimmer verlassen, herrscht Stille. Badari isst mit gutem Appetit.

Die anderen rühren das Essen nicht an.) BADARI

Sie essen nicht, Péter?

FAZEKAS

Doch… es ist bloss noch zu heiss…

(42)

BADARI

Sie müssen auch essen. Schliesslich wollen Sie auch bald wieder auf die Beine kommen. Ich werde mit dem Chefarzt reden, damit er sich um Sie kümmert. Seien Sie doch so gut, und nehmen Sie das hier weg. (Fazekas setzt sich phlegmatisch in Bewegung.) Und wenn Sie schon mal aufgestanden sind, drehen Sie doch gleich den Wasserhahn fest zu… Der tropft wieder mal… Danke. Na, jetzt kommt der zweite Gang. Würden Sie mir wohl auch eine Serviette geben? Ein Pfundskerl sind Sie! Ein bisschen Bewegung ist aber auch sehr gesund, wissen Sie noch, was ich Ihnen gesagt habe?

Der Löffel müsste auch abgespült werden. Sie sind mir hoffentlich nicht böse? Aber ich kann es nicht ausstehen, wenn der Löffel noch nach dem schmeckt, was ich vorher gegessen habe.

Sie doch auch nicht, stimmts? (Fazekas bringt ihm den abgespülten Löffel.) Danke. Und eine Scheibe Brot, wenn Sie so freundlich wären.

Oder sind auch Brötchen da? Dann ein Bröt- chen, bitte. Und daneben steht das Salz. Aber Sie müssen auch essen.

F. TÓTH

Versuchen kann ers ja.

BADARI

Obwohl man weiss Gott nicht sagen kann, dass es den Gaumen kitzelt. Was haben Sie denn bekommen? (Fazekas zeigt es ihm.) Ja, ich sehe schon. Das ist wenigstens kein Pamps. Hühnchen esse ich für mein Leben gern. Gibt es auch eine Sosse dazu?

Sahnensosse? Lecker! Und Kirschkompott. Ich weiss wirklich nicht, warum ich so was nicht kriege. (Fazekas bietet ihm wehmütig seine Portion an.) Aber nein! Das wäre ja noch schöner. Und Hühnchen darf ich ja auch gar

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nicht essen. Oder meinen Sie doch? Also höchstens ein ganz kleines Stück. Das kleinste, darauf bestehe ich. Es ist nur, weil ich Hühn- chen so wahnsinnig gern esse, bei uns in der Kantine gibt es nie welche. Zuletzt hat die Frau meines Freundes, Sie wissen doch, der

Ingenieur, eins für mich gemacht. Auch ein bisschen Sosse, wenn Sie etwas übrig haben, sonst ist es zu trocken. Oder wissen Sie was, tauschen wir die Schüsseln. Sie essen doch das Hühnchen sowieso mit Kirschkompott.

Schmeckt es gut?

FAZEKAS

Ich habe noch nicht gekostet?

BADARI

So kosten Sie! Na, kosten Sie schon!

FAZEKAS

Ich hab ja noch nicht einmal die Suppe gegessen.

BADARI

Deshalb können Sie doch das Kompott kosten.

(Fazekas zwingt sich, einen Löffel Kompott zu essen.) Na, gut? Sie brauchen nur zu sagen: gut.

(Fazekas nickt.) Dann geben Sie mir auch davon ein bisschen. Sie wissen ja, wie es um mich steht. Ich muss wieder zu Kräften kom- men. Um jeden Preis. Und Kirschen enthalten Vitamine. Nein, nein, nicht das Ganze. Geben Sie mir drei Löffelchen! Tun Sie es ruhig auf das Fleisch, ich esse es doch, nicht Sie. Ich sehe schon, Sie mögen es nicht, wenn alles auf einen Teller gehäuft wird. Ach, Sie wollen mir wirklich alles geben?

FAZEKAS

Ich habe keinen Hunger.

BADARI

Das ist unmöglich. Essen muss man. Und an Ihrer Stelle würde ich auch meine

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Angelegenheiten regeln. Der Briefträger war hier mit einer Mahnung. Sie sind mit Ihren Raten für den Fernseher im Rückstand. Ich habe die letzte für Sie bezahlt. (Zu den Zimmergenossen.) Stimmts?

FAZEKAS

Aber wie kommen Sie denn dazu? Ich habe überhaupt keinen Fernseher. Er wurde zwar auf meinen Namen gekauft, aber ich bezahle ihn nicht.

BADARI

Das tut nichts zur Sache. Fünfhundertzwanzig Forint. Ich bin ja auch kein Krösus. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich weiss natürlich, dass Sie es mir zurückgeben. Dabei fällt mir ein, Péter, weckt mich nicht auf, wenn ich ein Schlafmittel

eingenommen habe. Abgemacht? Ich denke, das ist nicht zuviel verlangt. Sie haben auch Käse als Nachtisch bekommen? Ich verstehe Sie ja, aber regeln Sie es so, dass Sie nicht um zehn klopfen.

Ich schrecke jedesmal aus dem Schlaf, und dann rege ich mich so auf, dass ich nicht wieder einschlafen kann. Was für Käse? Emmenthaler?

Den esse ich gern. Wir werden Ihnen helfen.

Man kann sich doch nicht derart in Schulden stürzen. Und dann ein Loch mit dem anderen zustopfen. Was ist denn mit dem Bild?

FAZEKAS

Mit welchem Bild?

BADARI

Na mit dieser Madonna. Hier war ein Mann, ein gewisser Bánfalvi, dem Sie eine Madonna versprochen haben… aber et hat sich die Anzahlung zurückgeben lassen.

FAZEKAS

Das darf doch nicht wahr sein! Gibt der Mensch die Anzahlung zurück! (Zu F. Tóth.) Damit war schon fast das ganze Bild bezahlt!

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BADARI

Befreien Sie mich doch von dem Geschirr hier, Péter. Danke. Damit kein Missverständnis ent- steht: Ich will mich nicht in Ihre Angelegenhei- ten mischen, Péter, aber bitte nicht nach zehn!

MÁRIA

(Kommt mit Mob, Eimer, Scheuerlappen herein. Eine beleibte, schusslige Frau, unordentlich angezogen, halb wie eine Schwester, halb wie eine Putzfrau, eine ihrer Hände steckt in einem Gummihandschuh.) Komme ich ungelegen?

CZIEGLER

Wir essen gerade.

MÁRIA

Dafür kann ich nichts. Mir hat man gesagt, ich soll mich ranhalten.

CZIEGLER

Fünf Tage wurde hier nicht saubergemacht.

MÁRIA

Das geht mich nichts an. Ich bin nur die Vertretung. Wenn andere nicht saubermachen, so ist das nicht meine Sache.

CZIEGLER

Wenn Sie jedoch saubermachen, so ist das Ihre Sache.

MÁRIA

Auch dann nicht, ich schmeisse sie bloss. Aber bei mir geht das Ruckzuck, also keine unnötige Aufregung!

CZIEGLER

Na grossartig! Ich esse, und der Staub fliegt mir in den Mund.

MÁRIA

Ich sage Ihnen doch, keine unnötige Aufregung! Ich fahre nur mal kurz mit dem

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Lappen über alles hin. Mich treibt man auch an.

Eine Operation ist nicht gelungen, oder was weiss ich.

CZIEGLER

Eine Operation ist nicht gelungen?

MÁRIA

Man hätte den Eingriff nicht vornehmen sollen oder so was Ähnliches hat der Arzt gesagt. Er sah ganz grau aus, als man ihn rausrollte.

Keine zwei Tage gebe ich dem mehr. (Cziegler greift wütend nach dem Gurt, dann giesst er die Suppe ins Becken.) Warum schütten Sie denn die Suppe weg? Wie kann man nur! Ich hätte sie mit nach Hause genommen für meinen Hund. Er schlabbert gern eine gute Suppe. (Cziegler winkt ab, schleppt sich zu seinem Bett zurück, betastet seine Wunde.) BADARI

Es lohnt doch nicht, zu prozessieren. Ich könnte mich auch beschweren, dass jetzt saubergemacht wird. Aber ich kann mich in ihre Lage versetzen. Sie vertritt nur eine andere und muss sich nun natürlich ranhalten. Sie verstehen das nicht. Sie wissen nicht, was es heisst, ständig übergangen zu werden. Wo haben Sie denn früher gearbeitet?

MÁRIA

In einer Fleischerei. Dort habe ich immer was für meinen Hund gekriegt.

BADARI

Auch hier kommt dies und das zusammen. Ich gebe Ihnen einen Plastebeutel, darin können Sie dann die Knochen mit nach Hause nehmen. Lajos, essen Sie noch?

F. TÓTH

(Schiebt das Essen von sich.) Soll ich es stehenlassen?

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MÁRIA

Gott bewahre!

BADARI

Warum denn nicht? Nehmen Sie es nur mit. Da sind auch noch zwei schöne Stücke Fleisch.

(Reicht ihr den Beutel.) Tun Sie nur alles rein.

MÁRIA

Ich muss mich ranhalten. Ein Schlüssel ist verschwunden. Den ganzen Vormittag suche ich schon danach. Ich bin nicht mal dazu gekommen, das Arztzimmer sauberzumachen.

Das gibt wieder ein Theater!

F. TÓTH

Bei uns ist er nicht.

MÁRIA

Der Schlüssel zum Arztzimmer! Bis jetzt ist er noch nie abhanden gekommen. Dabei wird dieser Raum nicht nur von einem Menschen benutzt, das dürfen Sie mir glauben. Sehen Sie, ein Krankenhaus ist ein Krankenhaus. Da sind die Menschen nackt und bloss den Blicken ausgesetzt. Na, Sie wissen ja, wie das ist. Aber was bedeutet für einen Arzt ein nackter Körper?

Nichts. Tagtäglich sieht er zwanzig davon.

Unförmige Gestalten, Frauen mit schönem Busen, mit schmalem Becken… Sie verstehen doch. Na, und dann die gemeinsame Arbeit.

Ärzte, Schwestern, Operationsgehilfen…

Bereitschaftsdienst in der Nacht. Ich sehe da nicht recht durch, auf alle Fälle ist der Schlüssel früher nie verschwunden. Der Chefarzt ist übrigens auch wieder da. Aber mich lässt das kalt.

BADARI

Der Chefarzt ist gekommen?

MÁRIA

Ja, angeblich. Und jetzt gerade muss die Klári den Schlüssel verbummeln…Ihre Sache. Wie

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es heisst, ist sie in den Chefarzt verliebt. Na, jetzt ist er ja wieder da.

BADARI

Wer ist verliebt?

MÁRIA

Glauben Sie etwa, der merkt was davon? Er schätzt sie, gewiss, sie ist ja auch keine schlechte Arbeitskraft, aber ein Chefarzt und eine Krankenschwester – sagen Sie selbst?

Ausserdem ist er ja auch verheiratet, seine Frau ist nicht mehr jung, aber gepflegt.

BADARI

Er ist wieder da?

MÁRIA

Gesehen hab ich ihn noch nicht. Ich hab nur in der Kantine gehört, dass er heute zurück- kommt…

FAZEKAS

Aber er wurde doch eigentlich erst später erwartet?

F. TÓTH

Warum sind Sie auf einmal so aufgeregt?

BADARI

Ihr seid mir schon rechte Helden! Auch ich war nur geduldet, lange Jahre hindurch.

F. TÓTH

Aber dann ist man dahinter gekommen, wem man das Lager anvertrauen kann.

BADARI

Nicht das Lager, die Materialverwaltung. Bau- materialien, Geräte und Werkzeug. (Es klopft.) Was ist denn das?

F. TÓTH

Die Tür ist offenbar verschlossen.

BADARI

Also dafür habe ich keine Worte! Können denn die Leute nicht zur Besuchszeit kommen?

Péter, fragen Sie doch mal, wer da ist?

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FAZEKAS

Warum gerade ich? Fragen Sie doch!

BADARI

Meine Stimme ist zu schwach. Hallo, wer ist da? Der Herr Chefarzt?

F. TÓTH

Der meldet sich schon.

BADARI

Also macht doch endlich die Tür auf! Wer ist da?

MÁRIA

Hier kommt rein, wer will. (Macht an Badaris Bett sauber. Cziegler angelt mühsam nach dem Haltegurt, klettert schwerfällig aus dem Bett und geht gebückt zur Tür.)

BADARI

Ausgerechnet er geht! Kann kaum die Klinke runterdrücken, aber geht und macht die Tür auf.

CZIEGLER

(Reisst die Tür heftig auf.) Sie hat bloss ge- klemmt. Servus, das ist aber eine Überrasch- ung! So tretet doch näher! (Dezsô H. Und István M. besuchen Cziegler. Dezsô, Czieglers Schwager, ist ein dicker, schwitzender Mann, der in einem Ministerium eine hohe Funktion innehat. István M. ist sein geschniegelter Fahrer. Beide tragen eine Aktentasche, die von Dezsô ist leer.)

DEZSÔ

(Keuchend.) Du sag mal, was geht denn hier vor sich? Wir haben eben einen marker- schütternden Schrei gehört, nicht wahr, Pista?

ISTVÁN

(Leichthin.) Tja. Was hats denn hier gegeben, wenn ich mir die Frage erlauben darf? (Er ist einer von denen, die sich in der Gesellschaft an feinem Benehmen nicht übertreffen lassen wollen.)

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CZIEGLER

Nichts weiter. Hier ist eine Leprakolonie. Und die Tür war versiegelt.

DEZSÔ

Wie bitte, eine Leprakolonie? Aber es soll das beste Krankenhaus im ganzen Lande sein.

ISTVÁN

Auch ich habe nur Gutes über diese Anstalt gehört. Da, wo wir eben den Wagen geparkt haben… (Möchte gern aus sich herausgehen, aber Dezsô sieht ihn jedesmal bedeutungsvoll an, ruft ihn mit dem Blick zur Ordnung.) DEZSÔ

Also ich habe nicht den Eindruck, dass das hier eine Leprekolonie ist, oder wie du es nennst.

MÁRIA

(Nimmt den Scheuerlappen aus dem Wasser- eimer, wringt ihn aus, fährt damit über den Fussboden.) Ich bin gleich fertig. Ich bin hier nur vie Vertretung, aber (und sie tippt vertrau- lich auf Dezsôs Schulter) die meisten Patienten geben ein Trinkgeld, wenn sie entlassen werden. Ich laufe nämlich oft runter und hole Streichhölzer oder Zeitungen oder Briefpapier.

DEZSÔ

Tun sie das, wie nett von Ihnen! Bestimmt sind Sie dazu nicht verpflichtet.

MÁRIA

Natürlich nicht. Ich könnte die sogar auf denn Korridor schaffen, wenn ich reinemache.

Sauberkeit geht über alles.

ISTVÁN

(Übertrieben schwungvoll.) Sie sind also hier das zuständige Organ für die Aufrechterhalt- ung der Ordnung.

MÁRIA

Jedenfalls bin ich besser als die Frau, die hier sonst immer saubermacht. Wie oft hat man mir

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schon gesagt: Mária, hat man gesagt, wenn du drin bist, werden die Patienten rascher gesund.

(Hält den Scheuerlappen in der Hand.) Vielleicht macht das meine Persönlichkeit…

DEZSÔ

Gewiss, Ihre Persönlichkeit… Aber was ist mit dir, wie ich höre, isst du nicht, wir wissen kaum etwas von dir, auch deine Schwester macht sich grosse Sorgen um dich. Es war nicht so leicht, aus dem Ministerium zu entwischen, nicht wahr, Pista?

ISTVÁN

Nun ja, man passt halt auf Kollege Dezsô auf.

Mitunter arbeitet er bis acht Uhr abends.

DEZSÔ

Ich arbeite hart, das ist wahr. Gestern waren wir in Baranya. Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Strapaze das war. In Baranya ist die Lage besonders schwierig.

BADARI

(Hört ihnen gespannt wie Sendboten zu, die Nachrichten aus dem Leben bringen.) Sie arbeiten in Baranya?

DEZSÔ

Ja. Aber reden wir jetzt nicht davon. Agi erwartet deinen Anruf…

MÁRIA

(Wirft den Scheuerlappen zwischen sie.) Hören Sie, ich kann jederzeit telefonieren.

BADARI

Gut, das zu wissen…

MÁRIA

Ich bin vier Stunden hier, da kann ich zwischendurch mal schnell runterlaufen. Ich hab ja Zeit. Der Herr Doktor, Sie sind doch Doktor, nicht wahr…?

CZIEGLER

(Kraftlos:) Nein, ich bin keiner.

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MÁRIA

Macht nichts. Ich hab noch nie was auf Titel gegeben. Sie sind ein bescheidener Mensch, ich habe gute Augen, ich sehe sofort, wes Geistes Kind einer ist. Sie schreiben mir die Nummer auf, und ich berichte der Gnädigen jeden Tag, wie es Ihnen geht… Das ist zwar gegen die Vorschrift, aber Sie wissen ja, wie das ist… Man tut es doch nur den Patienten zuliebe. Schliesslich kann immer mal was dazwischen kommen. Eine unverhoffte Sache.

Irgendein schlechter Befund… Mit Komplika- tionen muss man jederzeit rechnen. Und es ist besser, man ist seelisch darauf vorbereitet.

Nun, nein? Das hier ist wie eine Schlachtbank, aber die Schlächter arbeiten gut. (Hält Dezsô einen Zettel vor die Nase.) Schreiben Sie die Nummer auf! (Dezsô gehorcht verwirrt, nickt zum Dank, die Putzfrau beginnt wieder, den Fussboden aufzuwischen.)

DEZSÔ

Du siehst besser aus. Mir scheint, du bist nicht mehr so gelb wie neulich.

BADARI

(Schaltet sich immer ein, erwartet auch von den beiden Besuchern neue Hoffnung.) Das stimmt, er ist nicht mehr so gelb.

DEZSÔ

Als wir das letztemal bei dir hereinsahen, da habe ich auch zu Pista gesagt, dass mir deine Gesichts- farbe Sorgen macht. Und er hat mir sogar noch Mut zugesprochen, nicht wahr, Pista?

ISTVÁN

Ja, natürlich. Ich habe zu Herrn Dezsô gesagt:

Herr Dezsô, habe ich gesagt, ich kenne Herrn Cziegler lange genug, und ich weiss: Er ist

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nicht der Mensch, der uns so ohne weiteres im Stich lässt. Sie verstehen doch, wie ich das meine? (Stille.)

DEZSÔ

Auch damals, bis zum Hals haben wir in Arbeit gesteckt, und dauernd unterwegs! Dabei vertrage ich diese langen Autofahrten nicht mehr, du weisst doch, ich habe schon immer darüber geklagt.

BADARI

Baranya ist eine schöne Gegend, ich war dort als Soldat.

DEZSÔ

Und das Ergebnis war gleich Null. Ein Biblio- thekar nach dem anderen hat uns verlassen.

Nach Pécs, ja nach Pécs will jeder. Und keiner begreift, dass nicht alle nach Pécs gehen können.

BADARI

Setzen Sie sich ruhig aufs Bett. (Sie setzen sich.)

DEZSÔ

Oder sogar nach Budapest, was meinst du?

CZIEGLER

Das ist natürlich nicht möglich.

DEZSÔ

Und dann die Jugend, auch bei uns ist sie das Hauptproblem. Also ich weiss nicht, was diese jungen Leute wollen? Ist dir das klar?

CZIEGLER Nun…

DEZSÔ

Na, siehst du… Man kann sie einfach nicht begreifen. Was fehlt denn diesen jungen Leuten, das sag mir! Was fehlt ihnen?

CZIEGLER

(Gebrochen.) Ich weiss es nicht.

(54)

DEZSÔ

Da liegt der Hund begraben. Wir wissen es nicht. Wir haben keinen Schimmer. Aber was ist mit dir los? Fühlst du dich nicht wohl? Geht es dir schlecht? Du wirst doch nicht etwa einen Rückfall bekommen?

CZIEGLER Nein, nein.

DEZSÔ

Ich dachte schon. Da besuchen wir dich, schieben alle unsere Sorgen und Nöte beiseite, und du willst einen Rückfall bekommen?

Dabei ist es äusserst riskant für uns, um diese Zeit zu verschwinden, nicht wahr, Pista?

ISTVÁN

Das will ich meinen.

DEZSÔ

Oder interessiert dich dieses Thema nicht?

CZIEGLER Doch, aber…

DEZSÔ

Als junger Bursche warst du ein ganz anderer Kerl. Mein Gott, hatte ich diesen Menschen gern. Allerdings waren auch wir keine Musterknaben. Weisst du noch, wie wir die beiden Katzen im Bach ersäuften? In einem Sack? So eine grosse rote, und eine…

CZIEGLER

Ja, daran erinnere ich mich dunkel, aber…

DEZSÔ

Aha, er erinnert sich dunkel. Ich sehe das Bild ganz deutlich vor mir. Du hast den Sack ge- halten, so hast du dich in die Brust geworfen, damals warst du noch nicht so ein Jammer- lappen… Was ist? Fühlst du dich schon wieder schlecht? Kann man denn nicht fünf Sätze mit dir reden, ohne dass dir schlecht wird? Nun sehen Sie sich das an, er ist leichenblass!

(55)

BADARI

Haben Sie ihm keinen Wein mitgebracht? Man hat ihm gesagt, er soll Rotwein trinken…

DEZSÔ

Rotwein? Ich weiss nicht… (Sieht István an, denn er selbst hat nichts mitgebracht.) ISTVÁN

Wir haben Birnenschnaps… (Es ist sein eigener.)

DEZSÔ

(Bietet ihn an, als falle es ihm gerade ein.) Natürlich, Birnenschnaps…

BADARI

Auch gut. Den können Sie ihm geben.

(István springt sofort auf, nimmt aus seiner Aktentasche die Flasche.)

DEZSÔ

(Redet zu Badari.) Da krame ich aus meinem Gedächtnis alte, liebe Erinnerungen. Um ihn aufzuheitern, um… Verstehen Sie das?

ISTVÁN

Soll ich ihm einen Schluck geben?

DEZSÔ

Natürlich. Du hörst doch, der Herr…

BADARI

Badari. Zoltán Badari…

DEZSÔ

Herr Badari… Warte, ich halte ihm den Kopf.

(Geht zu Cziegler, hebt ihn ein wenig hoch.) Na, nimm dich ein bisschen zusammen, alter Junge. Nein, also das kann ich nicht mit ansehen… (Lässt ihn wieder aufs Kissen fallen. Fazekas geht, um zu helfen.) MÁRIA

Um Himmels willen, geben Sie ihm keinen Schnaps! Wenn er nun hops geht? Ich gehörte hierher, und ich bin verantwortlich…

(56)

BADARI

Ach, der geht nicht hops. Der Schnaps bringt ihn wieder zu sich. Ich spüre es, das ist guter selbstgebrannter Schnaps.

DEZSÔ

Wir haben ihn aus Baranya mitgebracht, direkt aus Baranya. Und nun sehen Sie sich das an! Er will ihn nicht trinken!

FAZEKAS

Sollen wir ihm etwas einflössen?

DEZSÔ

Aber ja doch! Mein Gott, er erstickt, das ist ja furchtbar! Schluck schon runter, dann wird dir sofort besser!

MÁRIA

Doch nicht in den Kragen, sonst stinkt das ganze Zimmer nach Alkohol!

ISTVÁN

Na, das wäre geschafft. Davor brauchten Sie nun wirklich keine so grosse Angst zu haben.

DEZSÔ

Fabelhaft. (Geht tief erleichtert an Czieglers Bett zurück.) Du wirst sehen, du bist bald wieder auf dem Damm. Dafür werden wir sorgen. Ach, ich bin fix und fertig! Was du aber auch anstellst! (Droht ihm liebevoll, setzt sich zu ihm aufs Bett.) Komisch, ich habe Hunger.

(Stille. Lange Pause.) CZIEGLER

(Zeigt schliesslich ermattet auf den zweiten Gang.) Du kannst es essen, wenn du willst.

Allerdings ist es schon kalt geworden.

DEZSÔ

Wo denkst du hin? Aber wen es sowieso kalt ist. Was ist denn das? Hühnchen! Das kann man auch kalt essen… (Macht sich ans Essen, gibt auch István ein Stück.) Hier, iss du auch

(57)

einen Happen. Also ich begreife das nicht.

Hab ich auf einmal einen Hunger bekommen.

Entschuldigung. (Isst.) Was will diese Jugend eigentlich?

MÁRIA

Die haben nie gelitten, das ist die Wahrheit…

DEZSÔ

(Mit einer Hühnerkeule in der Hand.) Sehr richtig! So ist es, genau so! Nicht wahr, Pista, das hab ich doch auch schon zu dir gesagt!

ISTVÁN

Ja, davon war die Rede.

BADARI

Mich wollte man zweimal exekutieren.

ISTVÁN Und?

BADARI

Was heisst und? (Starrt István an.) Haben Sie keine Augen im Kopf? Hier bin ich. Heil und gesund.

ISTVÁN

Ein bisschen Salz wäre gut gewesen, ich wollte nur nicht stören.

BADARI

Hier steht immer Salz. Ich lasse mir stets Salz kommen, so krank kann ich gar nicht sein, dass ich salzlos esse. Geben Sie es ihm schon, Máriacska (Mariatschka).

DEZSÔ

Na so was, warum hast du das nicht gesagt? Da ist tatsächlich das Salz… Tja… Wir sind eben aus anderem Holz.

MÁRIA

(Streut Salz auf das Stück Fleisch in Istváns Hand.) Sie sind masslos gierig, das ist die Wahrheit. Und was sich zum Beispiel in einem Krankenhaus abspielt, wenn Sie das sehen würden! Ich kenne das Problem. Diese jungen

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Leute sind früh ausgebrannt, das steht ausser Frage.

Was wäre gewesen, wenn ich mit fünfzehn angefangen hätte? Ein Wrack wäre ich heute. So aber bin ich auch jetzt noch, na, Sie wissen schon…

DEZSÔ

Wo ist das Salz, Pista? Gib es mir, so ist das Fleisch ungeniessbar.

BADARI

Sie haben nichts anderes als ihre Kleider im Kopf. (Zeigt aus Dezsôs Jackett.) Wo haben Sie denn dieses Jackett her?

DEZSÔ

Das habe ich mir aus dem Ausland mitgebracht.

BADARI

Prima. Ich verstehe etwas davon, das dürfen Sie mir glauben.

DEZSÔ

In London habe ich es gekauft… Freut mich, dass es Ihnen gefällt.

BADARI

(Fragt überfallartig.) Haben Sie Natonek gekannt? Er war der beste Schneider in der Józsefstadt. (Greift nach dem Jackett.) Bei ihm habe ich mir einmal einen Anzug machen lassen. Aus solchem Material. Den hatte ich an, als ich in Gefangenschaft geriet.

MÁRIA

Wie gesagt, sie sind masslos gierig. Darauf ist alles zurückzuführen.

BADARI

Warum geben sie ihm die Jacke nicht? Der Anzug, in dem er hier zu den Untersuchungen geht, ist wirklich sehr schäbig.

DEZSÔ

Hast du dir denn keinen anständigen Anzug mitgebracht?

CZIEGLER

Ich wollte keinen guten anziehen, ich dachte mir.

(59)

BADARI

Haben Sie das gehört? Er denkt immer nur an das Schlimmste. (Lacht.) Probieren Sie ihm doch mal das Jackett an! (Dezsô geht zu Cziegler, gibt ihm den Gurt in die Hand, hilft ihm aus dem Bett.)

CZIEGLER

(Wehrt sich.) Ich brauche keinen Anzug.

DEZSÔ

Natürlich brauchst du einen. Du kannst doch nicht in Lumpen herumlaufen. Schliesslich bist du hier in einem erstklassigen Krankenhaus.

CZIEGLER

Und ich will auch nicht wieder gesund werden.

DEZSÔ

Ach nein! Aber selbst dann brauchst du einen Anzug.

F. TÓTH

Ich soll verrecken, sie aber macht, was sie will?

DEZSÔ Wie bitte?

MÁRIA

Seine Frau hat ihn noch nicht besucht. Er ist jung.

DEZSÔ

(Probiert Cziegler das Jackett an.) Dafür kann ich doch nichts.

CZIEGLER

Es tut weh, Dezsô, glaub mir, es tut sehr weh.

DEZSÔ

Ich glaube es dir ja, jeder glaubt es dir, aber trotzdem geht das Leben weiter. Überleg doch mal, wenn Staatsmänner operiert werden, müssen sie sogar Verhandlungen führen, Anordnungen treffen.

BADARI

Ich zum Beispiel lass mir auch jeden Monat den

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