CZIEGLER
(Schluckt die Tablette, legt sich ins Bett.) Wir könnten doch ein bisschen klönen. Sind Sie wach?
F. TÓTH Ähäm.
CZIEGLER
Sprechen wir von irgend etwas anderem.
F. TÓTH Ähäm.
CZIEGLER
Aber wovon? Worüber wollen Sie sprechen?
F. TÓTH Ähäm.
CZIEGLER
Schlafen Sie etwa schon wieder?
F. TÓTH
Ich? Wie denn… Also palavern wir… (Kämpft mit der Schläfrigkeit.) Was ich sagen wollte…
Leben Sie allein?
CZIEGLER
Verstehen Sie das überhaupt? Das muss man verstehen.
F. TÓTH Ähäm.
CZIEGLER
Ich kann mich nicht mehr ändern, Lajos. Ich habe Geld… aber ich bin auf der Flucht.
F. TÓTH
Sie sind auf der Flucht?
CZIEGLER
Was soll ich machen? Soll ich lesen? Früher habe ich gern gelesen… Gute Krimis… Agatha Christie, Wallace, Howard… Kennen Sie die?
F. TÓTH Ähäm.
CZIEGLER
Heute langweilen sie mich. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Meine Gedanken schweifen ab.
F. TÓTH Ähäm.
CZIEGLER
Und dieser Péter, wo kann er nur hingegangen sein? Ich glaube, er hat niemanden. Er irrt durch die Strassen, oder sucht als erstes seine Madonnen auf und rächt sich dafür, dass ihn diese Kleine mit dem eisigen Popo hat abblitz-en lassabblitz-en. Was meinabblitz-en Sie, hat er jemandabblitz-en?
F. TÓTH Ähäm.
CZIEGLER
Schlafen Sie schon wieder?
F. TÓTH Ähäm.
CZIEGLER
Und auch diese Klári. Bewahrt das Dingsda unter der kalten Steppdecke auf. Bestimmt
dreht sie sich zur Wand, um nicht in Versuchung zu kommen. Die sind am gefährlichsten. Und dann ist die Hölle los, was, Lajos?
F. TÓTH
Sie sagen es. (Lacht plötzlich auf.) CZIEGLER
Sie wollen schon, aber danach sind sie be-leidigt. So eine muss man am nächsten Morgen jedesmal um Entschuldigung bitten. (Lacht.) F. TÓTH
Ähäm. (Lacht verschlafen.) CZIEGLER
Madonna! Sind Sie schon mal einer begegnet?
Sicher, etwas an ihnen bleibt einem immer unbegreiflich. Sie war eine Französin…
Catherine hiess sie… (Benommen:) Die hätte ich heiraten sollen…
F. TÓTH
Das hätten sie.
CZIEGLER
Wies trifft. Das ist wie ein Glücksspiel… ein biologisches Hasard… Ich habe immer nur schlechte Karten erwischt… Früher… Und auch diese Wunde jetzt will nicht heilen…
F. TÓTH Nein.
BARBIER
(Kommt mit einer Arzttasche leise herein.) Guten Tag. Bin ich hier richtig? Man hat mir gesagt, ich werde in der Zweiundzwanzig erwartet. Da bin ich.
CZIEGLER
(Greift sich an die Seite.) Es tut weh.
BARBIER Ich weiss.
CZIEGLER
Wissen Sie, wie meine Grossmutter gestorben ist?
BARBIER Nein.
CZIEGLER
Natürlich nicht. Früher wussten die Menschen noch zu sterben. Wir haben in dem Zimmer vor Angst gezittert. Sie aber nicht.
BARBIER
Sie zitterte nicht.
CZIEGLER
Sie traf sogar noch Anordnungen für ihr Begräbnis. „Vergiss nicht, Beno und seine Familie müssen unbedingt dabeisein. Und auch Árpád soll meinen Sarg tragen. Sie sind Schwäger.” Sie wusste zu sterben.
BARBIER Ja.
CZIEGLER
Ich weiss es nicht. (Er ist von der Arznei benommen.)
BARBIER O doch!
CZIEGLER
Muss ich sterben?
BARBIER
Nein, jetzt nicht.
CZIEGLER Wann?
BARBIER
Irgendwann einmal.
CZIEGLER
Ich ertrage es nicht länger. Bin ich Ihnen sympathisch?
BARBIER Aber ja.
CZIEGLER Sehr?
BARBIER Natürlich.
CZIEGLER
Ich bin niemandem sehr sympathisch gewesen. Immer nur ziemlich.
BARBIER
Sympathie ist Sympathie.
CZIEGLER
O nein. Es gibt auch die grosse Sympathie. Die kenne ich nicht.
BARBIER
Sie werden sie kennenlernen.
CZIEGLER
Wann? Meine Zeit läuft ab. Zudem fliehe ich aus der Zeit. Man hat mich nicht genug geliebt.
Wer hätte es auch tun sollen? Ich selbst konnte mich nie hingeben. Habe mich immer
zurückgehalten. Ich hatte Angst, Herr Oberleutnant.
BARBIER
Sie brauchen keine Angst zu haben.
CZIEGLER
Sie haben leicht reden. (Lacht unsicher.) Von der Seite.
BARBIER
Von der Seite?
CZIEGLER
(Greift an seine Wunde.) Ja, von der Seite schiesst man auf mich. Ich bin verloren. Die Posten begleiten mich. Sie können mich ab-knallen. Auf dem Hinweg haben mich die Deutschen begleitet… Diese Wunde… ein Schuss! Herr Oberleutnant! (Kniet sich plötzlich hin, packt den Kittel des Barbiers.) Dabei bin ich überhaupt nicht getroffen worden, nicht wahr, Herr Oberleutnant. (Der Barbier weicht ein bisschen zurück.) Sie sind ein guter Mensch.
Ein sehr guter Mensch. (Streichelt wie ein Irrer das Gesicht des Barbiers.) Nicht wahr, Sie über-stellen mich nicht dem Todestrupp. Nicht wahr,
Sie lassen mich nicht am Pfahl anbinden. In dieser grausamen Kälte. (Legt bittend die Hände zusammen.) Nur ein Paar Stiefel, Herr Oberleutnant, ein einziges zerrissenes Paar Stiefel! (Leise, sackt zusammen.) Ständig habe ich Angst gehabt, dass ich von dieser Seite eine Salve bekomme. (Lacht.) Taritara! Hier! (Zeigt seine Wunde. Stille. Nimmt wieder den Schneidersitz ein.) Auf einem langen Weg bin ich von Russland nach Hause gekommen, trottete und trottete… (Lacht.) Ich bin nicht auf die Universität gegangen, als ich zurückkam, dabei wäre es durchaus noch möglich gewesen… (Barbier öffnet seine Tasche, nimmt das Rasiermesser hervor, zieht es lange ab; dann holt er Seife und Rasierpinsel heraus, legt sie auf den Schemel.) Die Universität hat mich nicht
interessiert. Ich wollte leben. Sofort, gierig. Wollte viel erleben! Ich verliebte mich in Frauen und verliess sie dann. Ich wollte nicht, dass man sie von mir wegholte, sie verschleppte wie meine Mutter und meine beiden jüngeren Schwestern.
Mein Vater lebte damals Gott sei Dank nicht mehr. Aber die drei Frauen… die gingen weg.
Schlenderten davon. Komisch. (Lacht.) Auch sie waren Frauen. Phantastisch! Wirklich
phantastisch! (Verstummt.) Geld wollte ich, viel Geld, als ich nach Hause kamm… Lächerlich.
Irgendeine finanzielle Wiedergutmachung… Ja, das Wort gibt es: Wie-der-gut-ma-chung! (Betont jede Silbe einzeln.) Jawohl! (Zeigt mit den Fingern wie ein Betrunkener.) Aber es ging nicht.
Nicht mal mit meinem Geld gelang es mir… Man hat mich eingeholt. Ich wurde hierher überstellt.
Die Flucht ist mir nicht gelungen. (Schreit, danach Stille, der Barbier lässt klirrend eine kleine Schale fallen.) Hören Sie mir überhaupt zu? Wer sind Sie eigentlich?
BARBIER
Man hat mir gesagt, ich werde in der Zweiund-zwanzig erwartet.
CZIEGLER
Wer sind Sie denn?
BARBIER
Von einem Herrn Cziegler. Bett eins.
CZIEGLER
Ach so. Ich verstehe. Sie kommen zu mir. Ich lebe also noch.
BARBIER
Um Sie zu rasieren. (Zeigt erschrocken Rasier-messer und -pinsel wie in einem Spielzeug-laden. Man hört das Quaken der Frösche.) CZIEGLER
Ein Rasiermesser! (Keuchend.) Was wollten Sie!
Dass ich im Sarg ein glattes Gesicht habe? Noch bin ich aber nicht tot. Was will man von mir?
(Barbier packt erschrocken seine Sachen zusammen, stopft sie in die Tasche, läuft hinaus, lässt hinter sich die Tür zufallen.) F. TÓTH
Was schreien Sie denn so?
BADARI
Was ist los? Wo ist er?
F. TÓTH
Ja, kann man denn hier überhaupt nicht schlafen? (Man hört das Quaken der Frösche, danach Stille.)
CZIEGLER
(Still und leise:) Seid mir nicht böse.
(Schlummert ein.) BADARI
Hauptsache, wir werden wieder gesund.
(Spricht noch leiser als sonst, gleichsam im Halbschlaf.) Es liegt was in der Luft, etwas Gutes. Péter, machen Sie doch das Fenster ordentlich zu! Ich kann das Gequake nicht
mehr hören… Man müsste dem Verwalter
Bescheid sagen… (F. Tóth schliesst das Fenster, das Quaken verstummt.)
BADARI
Na. (Zündet sich eine Zigarette an.) Ich fühle in meinen Beinen etwas… Kraft. Wenn doch der Masseur schon kommen würde… Sagt mal, Kinder, das war doch nicht etwa wieder der Masseur? Ihr habt ihn weggehen lassen? Da fasst man sich doch an den Kopf! Der Masseur ist für mich lebenswichtig!
MÁRIA
(Kommt phlegmatisch mit ihren Geräten herein:) Na, da wäre ich wieder. Keine Angst…
(Macht sich an die Arbeit.) BADARI
Haben Sie ihn gesehen?
MÁRIA Wen?
BADARI
Na, diesen Mann?
MÁRIA
Nur flüchtig… (Arbeitet weiter.) BADARI
Wer ist das?
MÁRIA
(Zeigt auf Fazekas Bett.) Ist er weg?
BADARI Nicht er.
F. TÓTH
Der Masseur.
BADARI
Sie haben den Masseur laufen lassen. Meinen Masseur…! Der für mich…
KLÁRI
(Kommt eilig herein, in der Hand ein Unter-hemd.) Machen Sie sich fertig. Jetzt machst du
hier sauber? Wo ist Péter? (Legt das Trikot in den Schrank.)
F. TÓTH
Er ist fortgegangen.
KLÁRI
Er ist fortgegangen? Wohin?
BADARI
Er hat sich angezogen und ist fortgegangen.
Gestern nachmittag.
KLÁRI
Ohne irgend eine Nachricht zu hinterlassen? Er ist… er wurde doch überhaupt noch nicht entlassen! Und Sie rauchen schon wieder? Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, Herr Badari, Sie sollen vor der Visite nicht rauchen. Ich drücke ein Auge zu, und Sie missbrauchen meine Nachsicht. Hier darf nicht geraucht werden, nur draussen auf dem Korridor.
F. TÓTH
Er kann aber nicht rausgehen.
KLÁRI
Verpestet hier die Luft! Er hat nicht mal alles ordentlich übergeben. Was soll ich bloss dem Chefarzt sagen?
F. TÓTH
Die Wahrheit.
MÁRIA
Was wäre, wenn jeder die Wahrheit sagen würde?
KLÁRI
Was wäre, wenn jeder im Zimmer rauchen würde? Er geht einfach weg! Und er hat nichts ausrichten lassen? Kein einziges Wort?
BADARI
Machen Sie sich nichts draus. Der hat nicht zu Ihnem gepasst.
KLÁRI
Wo kann ich ihn jetzt finden? Und auch ich, was bin ich doch für ein Kamel. Nicht einmal Medikamente hat er mitgenommen. (In der Eile stösst sie gegen das Infusionsgerät, das kippt um, hastig sucht sie die Scherben der zerbrochenen Flasche zusammen.) Wie kann man das verdammte Ding auch hier stehen lassen? Warum bringst du es nicht an seinen Platz, wenn du schon hier herumschusselst.
MÁRIA
In meine vier Stunden passt das Infusionsgerät nicht mehr rein…
KLÁRI
Ich muss noch eine Menge Injektionen geben, und durch so was werde ich aufgehalten! Den Pyjama hat er auch mitgenommen…? Ich muss doch über jedes Stück Rechenschaft ablegen…
Verstehen Sie das nicht!
F. TÓTH Doch.
(Klári winkt ab, geht zur Tür.) BADARI
(Erreicht mit Anstrengung Fazekas Schubfach, zieht es auf, nimmt ein Bild heraus und hält es Klári hin.) Sein Foto ist hiergeblieben.
KLÁRI
(Nimmt es in die Hand, sieht es an, wirft es dann weg.) Was soll ich damit? (Geht hinaus.) BADARI
Jetzt kann sie sich abstrampeln.
F. TÓTH
Das hätte sie sich vorher überlegen sollen.
(Die Tür wird geöffnet, Mária geht hin.) BADARI
Der Chefarzt!
MÁRIA
(Spricht in der Tür mit István.) Was wollen Sie?
Sie können jetzt nicht reinkommen.
ISTVÁN
Nur eine Minute.
MÁRIA
Weder eine noch zwei. Das hier ist ein Krankenzimmer.
ISTVÁN
Wer wird denn so streng sein?
MÁRIA
Hier liegen todkranke Menschen. Sie brauchen Ruhe. Und jetzt ist keine Besuchszeit. (Sieht über die Schulter, überlegt, was sie noch ein-wenden kann.) Ausserdem machen sie sich gerade für die Chefvisite zurecht. (István lässt sich nicht aufhalten, in einer Hand hat er ein Paket, in der anderen, auf einem Bügel, eine Jacke. Zieht Ibi mit sich.)
ISTVÁN
Das macht doch nichts. Guck mal, Lajos, wen ich dir gebracht habe? (Ibi tritt verlegen, von István gezogen, ein.) Na, was sagst du dazu?
Was hab ich dir versprochen? (István schiebt Ibi ein bisschen, damit sie zu Tóths Bett geht, Tóth setzt sich langsam auf, schaut Ibi an.) F. TÓTH
Du… du bist also doch gekommen?
IBI
Ja. (Stille.) Wie geht es dir? (Tóth verzieht das Gesicht.) Hier liegst du?
F. TÓTH Ja.
IBI
(Legt die Blumen auf den Nachttisch:) Stört dich die Sonne nicht?
F. TÓTH
Das ist das Wenigste, was mich stört. Was gibts Neues?
IBI
Was solls schon geben. Nichts Besonderes. Du bist operiert worden?
F. TÓTH Ja. (Stille.) IBI
(Zeigt auf die Blumen:) Die habe ich dir mitgebracht.
F. TÓTH
Die haben sicher ne Stange Geld gekostet.
IBI
Ach, das ist doch jetzt unwichtig.
F. TÓTH
Und zu Hause? (Ibi zuckt die Achseln.) Bist du noch immer in deinem Laden?
IBI
Ja. Tut es weh? (F. Tóth verzieht das Gesicht.) Wo tut es weh?
F. TÓTH Na, hier.
IBI
Wirst du wieder… arbeiten können? Oder hörst du auf?
F. TÓTH
Nein, ich mache weiter.
IBI
Ich hab dir deine Hosen gewaschen. (Nimmt sie aus der Tasche, zeigt sie ihm.)
F. TÓTH
Du hattest ja auch Zeit.
IBI
Damit du was zum Wechseln hast. Übrigens müsstest du dir mal die Haare schneiden lassen.
ISTVÁN
Jetzt gucken Sie mal, was ich hier habe, Herr Badari! Die Einlagen! Her Dezsô lässt Ihnen sagen, dass er sie selbst ausgesucht hat. (Gibt sie Badari.) Und weiter lässt er Ihnen ausrichten, dass Sie so schnell wie möglich gesund werden sollen, damit Sie sie ausprobieren können. (Lacht.) BADARI
Also das ist wirklich…
ISTVÁN
Sehen Sie mal! Sie sind mit ganz weichem Leder bezogen.
BADARI
Billig waren die bestimmt nicht.
ISTVÁN
Darum brauchen Sie sich nicht zu kümmern.
Das hat Herr Dezsô erledigt. Und wie elastisch dieser Kork ist! Sehen Sie? Er passt sich der Form des Fusses an, widersteht jedoch dem Druck…
BADARI
Das kann ich doch nicht annehmen.
MÁRIA
Das können Sie getrost.
ISTVÁN
Hautdünnes Leder, ich glaube, Ziegenleder, nur dünngewalkt… Und die Füsse schwitzen nicht, wenn man sie trägt. Das ist nämlich das Wichtigste, dass man dadurch keine Schweiss-füsse bekommt. Herr Dezsô hat die gleichen…
Wir wollen doch mal sehen, ob sie auch passen… (Legt die Einlage an Badaris Fuss-sohle an.) Wie nach Mass! Jetzt sind sie hart, aber wenn Sie erst darin laufen! Die geben einem einen festen Halt, das werden Sie erle-ben. Ihre Stimmung wird sich ändern, Ihre ganze Gemütsverfassung…
MÁRIA
Probieren wir sie doch mal mit den Schuhen.
(Holt Badaris Schuhe, steckt die Einlagen hinein, zieht Badari die Schuhe an. István holt einen Schemel, damit Badari den Fuss darauf legen kann – währenddessen unterhalten sich die Tóths.)
F. TÓTH
Rote Sandalen? Jetzt trägst du schon solche Dinger?
IBI
Sind sie nicht hübsch? Ich dachte, sie würden dir gefallen. Im Geschäft hat man mir gesagt, für meine Beine sind die sehr vorteilhaft.
MÁRIA
Schon, aber sie sind sehr auffallend.
IBI
Was ist heutzutage nicht auffallend? Das ist aber keine gute Bettdecke, nicht wahr? Kannst du darunter überhaupt schlafen? Weisst du, seit du nicht zu Hause bist, kann ich kein Auge zutun. Ich werfe mich nur hin und her.
F. TÓTH
Schlafen denn deine Eltern nicht bei uns?
IBI
Warum sollten sie? Du weisst doch, die machen mich verrückt mit ihrer ewigen Fragerei: Wo willst du jetzt schon wieder hin?
Wo hast du dich nun schon wieder rumgetrieben?
ISTVÁN
(Geht zu Cziegler, berührt leicht seine Schulter.) Herr Cziegler… Herr Cziegler…
Sehen Sie mal, was ich Ihnen mitgebracht habe? (Zeigt ihm die Jacke.) Herr Dezsô lässt Ihnen sagen, er hat sie ändern lassen, Sie sollen sie bei guter Gesundheit tragen.
CZIEGLER
Danke. Gesundheit, die haben wir.
ISTVÁN
Er konnte heute nicht selbst kommen, aber die Jacke wollte er Ihnen unter allen Umständen schicken. Wollen Sie sie nicht mal anprobieren?
CZIEGLER Ach was!
BADARI
Aber warum denn nicht?
ISTVÁN
Ich hänge sie hier hin, damit Sie sie sehen können. (Hängt sie an den Schrank.) MÁRIA
Ihr Schwager hat Sie offenbar sehr gern.
CZIEGLER Hm.
ISTVÁN
Und wie gern! Er macht sich grosse Sorgen um Herrn Cziegler, er fürchtet, sein Zustand könnte sich verschlechtern. Geht es Ihnen auch wirklich nicht schlechter?
CZIEGLER
Nein, ganz im Gegenteil. Ich lasse ihn grüssen.
IBI
Aber, Pista, vergiss nicht, ihm auch das andere Geschenk zu geben.
ISTVÁN
Ja, richtig, gut, dass du mich erinnerst. Er hat Ihnen noch etwas geschickt. (Zeigt einen blauen Gummibeutel.) Schen Sie hier! Eine Wärmflasche! Er sagte, er hat sie auch gebraucht. Man muss sie nur mit warmem Wasser füllen.
MÁRIA
Warmes Wasser haben wir. (Sie füllen den Beutel mit warmem Wasser, bringen ihn Cziegler, damit er ihn ausprobiert, der aber
schickt sie weg. Ibi und F. Tóth unterhalten sich unterdessen.)
F. TÓTH
Du duzt ihn?
IBI
Wir sind doch fast gleichaltrig.
F. TÓTH
Bestimmt hast du was mit ihm. Und warum hast du mich nicht besucht?
IBI
Die Ärzte haben mich so erschreckt… Dass ich dich nach der Operation auf keinen Fall besuchen soll. Ich habe telefonisch versucht, mich zu erkundigen, aber man hat mich in einer Weise abgefertigt, dass ich den Hörer aufgeknallt habe.
F. TÓTH
Das Kleid ist auch nicht ohne.
IBI
Was willst du? Wenn du sehen würdest, was die Frauen alles tragen, seit du hier liegst.
Darin kann ich mich im Geschäft besser bewe-gen. Du hast auch an allem etwas auszusetzen.
Ich hätte lieber nicht kommen sollen.
F. TÓTH
Sehr eilig hattest du es ja auch nicht.
IBI
Hast du mich nur hierhergeschleift, um mich herunterzuputzen? Ja, darin bist du ganz gross!
Deshalb hätte ich mich nicht so zu beeilen brauchen.
F. TÓTH
Du hast lackierte Fingernägel… Duzt dich…
IBI
Deshalb hast du mich kommen lassen? Von früh bis spät stehe ich im Geschäft, ich weiss nicht, was mit dir los ist, ein Tag nach dem andern vergeht, und ich wage nicht einmal,
mich zu erkundigen… du aber beleidigst bin. Na, da kannst du lange warten, bis du mich wieder siehst. Pista, du hast gesagt, du bringst mich rasch wieder mit dem Wagen zurück… Gute Besserung!
(Setzt sich in Bewegung.) ISTVÁN
Gehen wir? Na, dann wünsche ich allen baldige Genesung, auch im Namen von Herrn Dezsô. Nur Mut, es wird schon schief gehen!
(Gehen zur Tür.) CZIEGLER
Vielen Dank.
BADARI
Also das geht über meinen Verstand. Er lässt sie hierherkommen und zankt dann mit ihr herum.
CZIEGLER Er liebt sie.
F. TÓTH
Ist Ihnen aufgefallen, dass sie ihn bereits duzt?
Bestimmt haben die beiden was miteinander.
BADARI
Selbst wenn es so wäre! Sie hier in unserem Beiseim zu beleidigen!
F. TÓTH
Wieso? Haben Sie nicht bemerkt, wie sie aussieht?
MÁRIA
Tja, wer hier liegt, der muss darauf gefasst sein.
F. TÓTH
(Fällt ihr schreiend ins Wort.) Worauf? Wenn Sie mir das vielleicht sagen wollten?
BADARI
Er hat ihn doch selbst darum gebeten. Ich zum Beispiel… (Chefarzt tritt mit der „Wolke” ein.
Er selbst ist fein, ätherisch, gedankenverloren.
Man kann ihn nicht übersehen. Der Assistenz-arzt tanzt beflissen um ihn herum, lässt keinen Blick von seinem Chef, versucht aus
Interesse und Wissbegier seine Gedanken zu erraten. Klári, einen Notizblock in der Hand, begleitet ihn hingebungsvoll. Sie fegen regel-recht durch den Raum, tuscheln sich unter-dessen etwas zu, von Zeit zu Zeit hebt der Chefarzt den Kopf und sagt: „Was Sie nicht sagen”; sie tauschen rasch ihre Gedanken aus, merken gar nicht, dass sie in ein neues Krankenzimmer eingetreten sind.) ASSISTENZARZT
Stellen Sie sich vor… Ödematöse Symptome traten bei ihm auf…
CHEFARZT
Was Sie nicht sagen! Und selbst dann wurde er nicht ins Krankenhaus eingeliefert?
ASSISTENZARZT
Sie wissen ja, wie halsstarrig er war… Er wollte unbedingt bis zum letzten Augenblick zu Hause bleiben… Nicht einmal zur ambulanten Behandlung ist er gern hierhergekommen.
CHEFARZT
Aber ein solcher Exitus? So zugrunde gehen?
ASSISTENZARZT
Er war am Ende… Seine Tochter musste auch ins Krankenhaus, sie hatte einen Nervenzu-sammenbruch bekommen…
CHEFARZT
Was Sie nicht sagen! (Dreht sich den Patienten zu.) Meine Patienten! (Assistenzarzt will sie vorstellen.)
CHEFARZT
Nicht nötig! Ich weiss, wie sie liegen. Cziegler–
Badari–Bársony–F. Tóth, stimmts? Eine gute Mannschaft.
ASSISTENZARZT
Nicht ganz. Entschuldigung. Cziegler, das ist richtig, aber Badari haben wir umbetten müssen, weil…
BADARI
… weil er dann näher am Fenster liegt.
ASSISTENZARZT
(Lächelt gezwungen, gibt durch Zeichen zu verstehen, dass Cziegler Badari nicht ertragen konnte.) Ja, ein kleiner Austausch, kurzum…
CHEFARZT
Ein Nervenzusammenbruch, seine Tochter auch… Nicht zu fassen!
ASSISTENZARZT
Ich wollte es auch nicht glauben. Am Fenstergriff… Ich hatte gerade Dienst…
CHEFARZT
Was Sie nicht sagen! Am Fenstergriff. (Sieht flüchtig zum Fenster.) Aber von da aus reichen doch die Füsse gar nicht bis auf den Boden
Was Sie nicht sagen! Am Fenstergriff. (Sieht flüchtig zum Fenster.) Aber von da aus reichen doch die Füsse gar nicht bis auf den Boden