PERSONEN DER ALTE
MARTIN, sein Sohn
JUDITH, seine Schwiegertochter STOLZ, ein junger Mann WINTER, ein Nachbar ÁRVA
FRAU ÁRVA
SILVIA, beiden Tochter KATI
KELEMEN FRAU KELEMEN
Ort der Handlung: eine Grosstadt Zeit: Gegenwar
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Erster Akt
Der grosse Raum sieht wie eine Rumpelkammer aus.
In der linken Ecke steht ein grosser Kachelofen, der aber lediglich die Verkleidung eines Gasofens ist.
Davor ein hypermodernes Sofa mit bunten Kissen.
An der Wand ein alter grosser Spiegel mit mäch-tigem Rahmen. Darüber eine nackte Glühbirne, darunter ein kleiner Tisch mit Telefon und Telefon-buch. Neben dem Spiegel eine Tür, die zur Terrasse führt. An der gegenüberliegenden Wand ein grosses modernes Barometer. Daneben führt eine Tür zum Vorraum. Neben der Tür ein Gestell, vollgepackt mit Büchern, Putzkram, Toilette-Artikeln, Babywäsche.
Ein alter Schrank. Im Hintergrund führt eine primitive Holzstiege zu einer kleinen Galerie. Dort oben hat der Alte seine Dachkammer. Unter der Holzstiege eine altmodische, geschnitzte zweiteilige Kredenz mit Schubladen. Daneben eine Standuhr.
In der Mitte des Zimmers ein breiter Esszimmertisch, zwei ungeschlachte Ledersessel, in denen man versinkt, ein paar moderne Metallhocker mit bunten Kissen. Ein Babykorb steht auf dem Sofa.
DER ALTE
Ich möchte Sie nicht belästigen. Aber sehen Sie, ich bin ein alter Mann. Haben Sie ein paar Groschen für mich? Der Winter naht, und der Winter ist schrecklich, wie Sie wissen, mein Herr. Wohl dem, der jetzt ein Dach über dem Kopf hat!… (Mit anderer Stimme.) Liebe, gnädige Frau! Warum so eilig? Nur einen Augenblick! Helfen Sie mir mit einer Kleinig-keit. Gott wird es Ihnen in seiner grossen Güte lohnen. Ja, ja, das Alter, das Alter!
JUDITH
Nein, Papa, so geht das nicht! Das ist viel zu geschwollen. Kein Wunder, wenn du so nichts kriegst. Wir haben es dir doch schon
tausendmal erklärt: Natürlicher! Eleganter! Du bist doch nicht irgendein Drecksbettler!
DER ALTE
Nein … Was bin ich nicht? (Er hockt sich hin.) MARTIN
Nun sieh dir an, wir er da hockt! Wenn er das auf der Brücke macht, holt er sich den Pips.
JUDITH
Ich sehe schon, aus unserm Auto wird nie was.
Denk doch wenigstens an das Kind! Soviel Rücksicht kann man doch wohl noch verlangen.
DER ALTE
Betteln ist nicht leicht.
MARTIN
Ein Vergnügen soll es auch nicht sein!
(Wütend.) Entweder macht man es anständig oder überhaput nicht!
JUDITH
(Sanft, mit Geduld) Papa. Fangen wir noch einmal von vorne an. Also: das ist die Brücke, und du stehst auf der Brücke. Einfach nur so.
DER ALTE
Mach ich ja, siehst du doch.
JUDITH
Ist ja gut. Nun pass auf, jetzt kommt einer.
DER ALTE Wo?
MARTIN
Links! Links von der Bude.
DER ALTE Wer?
MARTIN
Ist doch gleichgültig, wer. Und, Papa, merk dir endlich: kein sentimentales Geschwätz!
DER ALTE
(Bettelt stumm, feixend. Dann bricht er wütend ab.) So rückt kein Mensch was raus.
Man muss dabei was sagen.
JUDITH
Gut, dann aber natürlicher.
MARTIN
Als ob du unter deinesgleichen bist. Vor allem, nimm mal den roten Schal ab, der macht dich zu jung. (Der Alte nimmt den Schal ab.) Schon besser. Noch eindrucksvoller finde ich, wenn du mit Kopf und Händen zitterst.
DER ALTE
(Wickelt sich den Schal wieder um den Hals.) Werd ich verrückt sein zu erfrieren!
MARTIN
Unsinn! So kalt ist es noch lange nicht.
DER ALTE
Was mach ich, wenn keiner kommt?
MARTIN
Sieh dir die Donau an, die vielen Schiffe.
DER ALTE
Was gibt es da schon viel zu sehen?!
JUDITH
Dann sieh dir die Stadt an. Die Häuser, die Kirchtürme, die vielen schönen Autos. Es gibt doch wohl genug zu sehen.
DER ALTE
Kenn ich alles. Stinklangweilig.
MARTIN
Papa, man muss für alles Opfer bringen. Du kannst dich nicht immer nur amüsieren, das Leben ist kein Zuckerschlecken.
JUDITH
Machen wir Schluss für heute. Papa, zieh den Lumpenkram aus!
DER ALTE
Ich denk nicht dran. Ich geh jetzt auf die Brücke und probier aus, was ihr mir gesagt habt.
JUDITH
Heute nicht mehr, morgen.
MARTIN
Morgen ist Sonntag, da ist es mir nicht recht.
Wenn du es unbedingt ausprobieren willst, dann geh in Gottesnamen heute.
DER ALTE
(Schaut von einem zum anderen.) Was ist nun? Soll ich gehen oder bleiben?
JUDITH Du bleibst.
DER ALTE
Wenn du meinst, ich hätte schon genug zusammengebettelt, bitte.
JUDITH
Für heute war genug. Haben wir erst einmal unser Auto, dann hörst du für ein paar Monate auf und erholst dich, un dann bringen wir dich immer mit dem Auto und holen dich auch wieder ab. (Zu Martin.) Und du lässt Papa heute in Ruhe! (Der Alte geht in sein Zimmer.) MARTIN
So schlecht war er noch nie.
JUDITH
Ganz furchtbar.
MARTIN
Hast du gemerkt, wie hundsmiserabel er ist?
JUDITH
So was wie ein Auto kriegt Papa nie zusammen, und wenn er sein ganzes Leben auf der Brücke steht.
MARTIN
Gestern hat er sogar seinen Fuss
nachgeschlappt, nur um nicht rauszumüssen.
JUDITH
Er hat ihn sich vielleicht verknackst.
MARTIN
Ach was, gar nichts hat er.
JUDITH
Ob wir ihn nicht doch besser zu seiner Schwester aufs Land schicken?
MARTIN
Er geht nicht.
JUDITH
Was soll das heissen, er geht nicht? Aber wir können inzwischen hier von die Hunde gehen!
Er fühlt sich sogar noch wohl in seiner Märtyr-errolle. Die ganze Nachbarschaft tratscht schon über uns, nur weil er die Strasse fegen muss.
MARTIN
Lass sie sich doch ihr Maul zerfetzen.
JUDITH
Der eigene Vater bei uns nur geduldet! Nicht einmal aus seinem Zimmer traut er sich raus!
MARTIN
Wer hat das gesagt?
JUDITH
Der Metzger.
MARTIN
Schweinerei! Muss ich mir die von einem Metzger bieten lassen? Wo ich nicht einmal wage, dem Alten was wegen seiner nächt-lichen Rennerei duch unser Zimmer zu sagen!
Oder wegen seinem widerlichen Zucker-schlecken! An das Fleisch, das er sich beiseite schafft und überall versteckt, darf ich gar nicht erst denken. Mit diesen Zuständen mach ich jetzt Schluss. Wir tauschen diese Wohnung gegen eine andere.
JUDITH
Höchste Zeit.
MARTIN
Ich will endlich meine eigenen vier Wände haben. Egal, was es kostet … Was schreibst du da?
JUDITH
Was er erledigen soll. Er vergisst ja alles. Er kann nicht einmal behalten, was ich ihm vor einer halben Stunde aufgetragen habe.
MARTIN
Er kann nicht? Er will nicht! Ihm ist doch alles völlig gleichgültig.
JUDITH
Ob er mit den Leuten auskommt, die nach uns hier einziehen?
MARTIN
Wohlfühlen wird er sich. Geniessen wird er es.
Es vergehen keine zwei Tage, dann räumt er auf und kocht für sie. Bei Tisch wird er grosse Töne spucken und herumtrompeten, was er für ein toller Kerl ist. Er wird in seinem Element sein.
JUDITH
Wenn du so davon überzeugt bist, dann verstehe ich nicht, warum du dir noch Sorge um ihn machst.
MARTIN
Um ihn mache ich mir keine Sorgen, mir ist nur schleierhaft, was die neuen Mieter zu ihm sagen.
JUDITH
Die freuen sich über eine so gute Hilfe.
MARTIN
Na, hoffentlich.
JUDITH
Wir müssen gehen, sonst kommen wir zu spät.
MARTIN
Einen Augenblick noch.
DER ALTE
(Ist inzwischen leise nach draussen gegangen, jetzt kommt er wieder ins Zimmer zurück, er reibt sich die Hände.) Ist das eine Kälte!
JUDITH Was ist?
DER ALTE
Nichts. Ich hab nur den Müll rausgebracht. Ihr wollt fort?
JUDITH Ja.
DER ALTE
(Zu Martin.) Du auch?
MARTIN Ja.
DER ALTE
Du hast doch gesagt, Judith soll allein gehen?
JUDITH
Ich habe beschlossen, dass wir gemeinsam gehen.
DER ALTE
Und was ist mit dem Kind?
JUDITH
Das bleibt bei dir.
DER ALTE
Dann muss ich also hierbleiben?
JUDITH
Nein, brauchst du nicht. Wir nehmen es mit.
Ich habe keine Lust, mir morgen anhören zu müssen, dass du nicht vor die Tür konntest. Ich weiss, der Junge ist dir lästig.
DER ALTE
Was sagst du da? (Beide streiten sich um den Babykorb.) Mir soll der Junge lästig sein? Wer kümmert sich denn den ganzen Tag um das arme Wurm? Ich doch wohl! (Er reisst Judith den Korb aus der Hand.) Das Kind bleibt hier!
Basta! Und du merk dir ein für allemal, das
Kind ist mir nie eine Last! (Er stellt den Korb aufs Sofa.)
JUDITH
Na schön. Martin, komm! Jetzt wird es aber wirklich allerhöchste Zeit. (Ab.)
MARTIN
(Kramt unschlüssig herum.) Papa, lass keinen rein. Egal, wer klingelt.
DER ALTE
Wen erwartest du denn?
MARTIN
Niemanden. Ich habe das nur für den Fall gesagt, dass einen kommen sollte.
DER ALTE Hierher?
MARTIN
Es kommt schon keiner. Aber wenn einer kommen sollte, dann machst du nicht auf. Auch nicht, wenn es an der Terrassentür klopf.
DER ALTE Wer klopft?
MARTIN
Herrgottnochmal, bist du schwer von Begriff! Ich habe doch gesagt, wenn! Und wenn, dann sagst du, ich bin nicht zu Hause. Ich bin erst morgen wieder zu sprechen. (Zu Judith, die wieder zur Tür hereinkommt.) Können wir?
DER ALTE
Judith, sag du mir, wer kommt.
JUDITH
Wer soll denn kommen?
DER ALTE
Martin hat gesagt, es käme einer.
JUDITH
(Zu Martin.) Wen erwartest du?
MARTIN Niemanden.
JUDITH
Aber Papa hat doch gesagt … DER ALTE
Weil Martin mir gerade in diesem Augenblick.
MARTIN
Gar nichts habe ich. Das ist doch nun wirklich die Höhe! (Sie schreien sich gegenseitig an.) DER ALTE
Du hast vorhin gesagt … JUDITH
Martin, wer kommt?
MARTIN
Merkst du denn nicht, dass er wieder dummes Zeug redet?
DER ALTE
Soll das heissen, ich spinne?
MARTIN
Das sowieso! (Zu Judith.) Beruhige dich, kein Mensch kommt hierher.
DER ALTE
Ruhe! Jetzt rede ich! Du hast eben zu mir gesagt, wenn es klopft, dann …
MARTIN
Es klopft aber nicht.
JUDITH
Warum sagst du denn sowas überhaupt?
DER ALTE
Frag ich mich auch. Also, jetzt möchte ich klipp und klar wissen, wen ich nicht reinlassen soll.
MARTIN
Hör endlich mit dem Blödsinn auf! (Er zieht Judith hinaus.)
DER ALTE
(Schreit hinter ihnen her.) Ihr wollt mich wohl vergackarschen! (Er humpelt stark, als er hinter ihnen zur Tür läuft.) Ich arbeite nur für euch, vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein! Und euch fällt nichts Besseres ein, als
mich zum Narren zu machen! (Er geht hinauf auf die Galerie, vor Zorn vergisst er zu hum-peln.
Er zieht hastig seine Lumpen aus und verstreut sie um sich herum. Er pfeift laut, fasst sich erschrocken an den Mund, geht auf
Zehenspitzen die Stiege hinunter zum Baby-korb, beugt sich darüber, lächelt, spitzt den Mund zum Kuss und tänzelt mit leichten Schritten zur Kredenz. Dort sucht und findet et in einen Schublade Zucker. Mit Genuss zerkaut er ein Stück, holt sich ein zweites heraus, knabbert daran, zerknackt es, nickt zufrieden, schnalzt. Er geht zur Lampe und studiert den Zettel, den ihm Judith geschrieben hat.) Neues Wasser in die Kanne, es auf kleinem Feuer warm machen. (Er zerknüllt den Zettel zu einer Kugel, die er wütend fort-wirft. Dann läuft er hinterher und stösst sie wie einen Fussball weiter. Er dribbelt um den Tisch und gibt der Kugel einen mächtigen Tritt.) Tooor! … Gut gemacht, Toni! (Er geht stolz zur Kredenz, stellt sich mit dem Rücken zur Schublade, langt mit unbeteiligtem Gesicht hinein, angelt ein Stück Zucker heraus und steckt es in den Mund. Er kriecht unter den Tisch und holt dort die Papierkugel hervor, streicht sie glatt und liest Judiths Anweisungen weiter.) Den Bürgersteig fegen! Den beiden Katzen die Milch geben! Nicht selber trinken!
Die Katzen sind schon ganz mager!!! Drei Ausrufungszeichen! (Er begleitet den Text mit Fratzen, bindet sich wütend einen Fetzen als Schürze um, nimmt den Besen und geht hinaus, kommt sofort wieder herein, stellt den Besen wütend in die Ecke, geht zur Kredenz.
Gerade als er sich ein Stück Zucker heraus-holen will, klopft es. Erschrocken zieht er die Hand zurück.) Also doch! (Er nimmt sich
schnell ein Stück Zucker und fängt an zu knabbern. Es klopft zum zweiten Mal.) Ich habe es doch gewusst. (Er knabbert ruhig weiter, dann ruft er.) Wer ist da?
STOLZ Ich bin es.
DER ALTE Wer ist ich?
STOLZ
Einer, der Sie sprechen möchte.
DER ALTE
Kommen Sie morgen wieder.
STOLZ Warum?
DER ALTE
Es ist niemand zu Hause.
STOLZ
Sie sind doch da.
STOLZ
Mein Sohn hat gesagt, es wäre niemand zu Hause.
STOLZ
Ich kenne Ihren Sohn nicht, ich will mit Ihnen sprechen.
DER ALTE
(Schüttelt den Kopf.) Aufdringlicher Kerl! (Er reisst die Schürze herunter, bemüht sich, die Unordnung verschwinden zu lassen.) STOLZ
Was ist? Machen Sie mir auf?
DER ALTE
Warum diese Hast? Ich komme ja schon. (Er zerrt seine Pantoffel aus dem Gestell, holt aus dem Schrank einen hellgrünen, seidenen Morgenmantel, geht zum Spiegel, gefällt sich.) Wenn Martin wüsste, dass ich seinen seidenen Morgenmantel anhabe.
STOLZ
Machen Sie doch endlich auf!
DER ALTE
(Nimmt sich noch ein Stück Zucker.) Ich bin ja schon da. (Er öffnet und lässt Stolz herein.) STOLZ
Guten Abend. (Er geht gleich durch bis in die Mitte des Zimmers.)
DER ALTE Guten Abend.
STOLZ
(Verbeugt sich.) Gestatten, Stolz.
DER ALTE Freut mich.
STOLZ
(Schaut sich um.) Das also wäre das Haus.
Einfamilienhaus?
DER ALTE
Ja. Aber was wollen Sie eigentlich? Ich verstehe Ihre Frage nicht.
STOLZ
Ich meine, das hier ist ein Einfamilienhaus und keine Wohnung.
DER ALTE
Natürlich ist das eine Wohnung, ich wohne doch darin.
STOLZ
Ich habe sagen wollen … DER ALTE
Dann tun Sie’s doch.
STOLZ
… dass es sich bei diesem Objekt um ein Einfamilienhaus handelt, und nicht um eine Mietwohnung.
DER ALTE Ganz recht.
STOLZ
(Deht prüfend im Zimmer umher. Er holt sich eine Zigarette aus der Tasche.) Sie gestatten?
DER ALTE
(Läuft zum Babykorb und trägt ihn behutsam die Steige hinauf.) Wenn Sie rauchen wollen, bringe ich das Kind zu mir rauf. Dort auf dem Tisch liegen Streichhölzer.
STOLZ
(Öffnet die Schachtel, Samenkörner fallen heraus.) Zum Teufel nochmal!
DER ALTE
Das sind Blumensamen. Im Frühjahr will ich neben dem Zaun Goldregen säen, der blüht so schön. (Stolz beginnt, die Samenkörner aufzulesen. Der Alte kommt zurück.) Sie kennen doch Goldregen?
STOLZ
(Reibt sich die Finger.) Das ist der einzige Goldregen, der mich interessiert. (Er bietet dem Alten eine Zigarette an.) Rauchen Sie?
DER ALTE
Nein danke. Ich esse Zucker. Ich hole mir noch schnell ein Stück. Sammeln Sie in der Zeit die restlichen Samenkörner auf. (Er geht zum Schrank und holt sich ein Stück Zucker heraus, das er mit strahlendem Gesicht verzehrt.) So, ich bin soweit.
STOLZ
Wollen wir uns nicht setzen? Es plaudert sich doch besser.
DER ALTE
Von mir aus. (Sie versinken bis zum Hals in den Sesseln.)
STOLZ
So, nun erzählen Sie mir mal, was es hier alles gibt.
DER ALTE
Schauen Sie sich doch um.
STOLZ
Ich meine die Aufteilung des Hauses.
DER ALTE
Junger Mann, können Sie nicht gleich sagen, was Sie meinen? Also: da wäre oben die Kam-mer, in der wohne ich. Dann hier das grosse Zimmer mit dem herrlichen Ofen. Den hab ich gebaut, im letzten Jahr, als das Kind kam. Ich hab lang dafür betteln … (hustet erschrocken)
… sparen müssen. Das Haus ist natürlich unterkellert. Die Küche ist draussen im Anbau, nur üben den Hof zu erreichen, leider. Das ist nicht schön, vor allem nicht im Winter. Aber man kann sich ja auch hier waschen.
STOLZ
Hier im Zimmer?
DER ALTE
(Springt auf.) Was ist denn dabei? Haben Sie vielleicht immer ein Badezimmer gehabt?
STOLZ
Beruhigen Sie sich doch. Ich habe doch nur gefragt.
DER ALTE
Aber wie! Ich bin nur ein einfacher Mann, aber ich kann sehr feinfühlend sein. Wissen Sie, ich war Schlosser, und was für einer, da können Sie sich überall erkundigen. Ich habe alle Schlösser in der Fabrik ausgebessert und ein Stück Geld auf andere geschichtet, und davon habe ich mir das Haus hier gebaut. Die Treppe da, das ist meine Idee. Und da wagen Sie mir zu sagen, wo man sich waschen muss?!
STOLZ
Habe ich ja gar nicht. Ich finde alles prima hier.
Man hat geradezu das Gefühl, man wäre in einer Hotelhalle.
DER ALTE
Gut, dass Sie nicht Puff gesagt haben. Ihre Sorte kenne ich, Typen, die sich von Untermiete zu Untermiete durchschnorren,
und abends im Auto wird gebumst. Auto! Muss ja unbedingt sein.
STOLZ
(Steht auf und umarmt den erzürnten Alten.) Sie haben ja so recht! Sie wissen ja gar nicht, wie recht Sie haben!
DER ALTE
Weiss ich. (Beide lachen und setzen sich wieder.)
STOLZ
Mein lieber alter Herr … ich darf Sie doch so nennen?
DER ALTE
(Mit einer eleganten Handbewegung.) Bitte.
STOLZ
Mein lieber alter Herr, wem gehört nun dieses Haus?
DER ALTE
Mir. Sie nehmen hoffentlich nicht an, ich hätte es nötig, bei Fremden zu leben?
STOLZ
Gehört es Ihnen oder Ihrem Sohn?
DER ALTE
Ja, haben Sie denn nicht verstanden? Es gehört mir. Mir ganz allein. Was wollen Sie eigentlich?
Sind Sie mit meinem Sohn verabredet?
STOLZ
Den kenne ich überhaupt nicht. Stimmt es, dass es abgerissen werden soll?
DER ALTE
Wird gesagt. Der Herr Winter, was mein Nach-bar ist, glaubt allerdings nicht daran. Er meint, (Er macht mit dem Daumen eine Bewegung nach oben.) die wagen das nicht.
STOLZ
Mich interessiert nicht, was Herr Winter meint.
Mich interessiert, ob ich mit Ihnen hier und jetzt ernsthaft verhandeln kann.
DER ALTE
Um was geht es denn?
STOLZ
Ich möchte das Haus kaufen. Was soll es kosten?
DER ALTE
(Wie aus der Pistole geschossen.) Tausendfünfhundert.
STOLZ
Was? Tausendfünfhundert?
DER ALTE
Als Anzahlung. Ich will in ein Altersheim. Ich hab gehört, das braucht man, um
hineinzukommen. Winter meint auch … STOLZ
Mich interessiert nicht, was Herr Winter meint.
Ich möchte von Ihnen die Gesamtsumme wissen. Ich zahle bar.
DER ALTE
Die Gesamtsumme weiss ich nicht. Aber die Tausendfünfhundert sind erst mal eine Anzahlung. Soweit sind wir uns ja schon einig, über den Rest reden wir später. (Er springt auf.) Oder denken Sie, ich wollte Sie über’s Ohr hauen? Ich bin kein Schuft! Ich nicht, verehrter Herr! Ich bin auch nicht so einer wie Sie, der nur im Auto bumst. Wissen Sie über-haupt, was ich in meinem Leben alles geleistet habe? Ich bin durch die Lande gezogen.
Schiffsingenieur hätte ich werden können, so tüchtig war ich. Aber ich war von der Arbeit immer dreckig, wie ein Kohlentrimmer. Der Geruch von Schweiss und Arbeit ist nie ganz von mir abgegangen. Niemals! (Er setzt sich, wird elegisch.) Ich hatte einmal ein Mädchen, das hatte ich sehr lieb. Das sagte immer zu mir (Er hebt die Stimme.) … das sagte immer zu
mir: Hau ab, du stinkst! (Er springt auf.) Badezimmer! Dass ich nicht kichere!
STOLZ
Was soll das Haus kosten?
DER ALTE
Warum diese Hast? Also, über die
Tausendfünfhundert sind wir uns einig? Nun, sagen wir fünfzig, nein, sechzig … Hast du etwas dagegen, wenn ich du zu dir sage?
STOLZ
Nein, ganz im Gegenteil, ich würde mich sehr darüber freuen. (Die Standuhr schlägt drei
Nein, ganz im Gegenteil, ich würde mich sehr darüber freuen. (Die Standuhr schlägt drei