• Nem Talált Eredményt

zu Zeiten Matthias Corvinus’

Die Geschichte der Böhmischen Länder und Ungarns des 15- Jahrhun­

derts greift in mancherlei Hinsicht tief und fördernd in die Geschichte Europas ein. Das Hussitentum stellt das erste mitteleuropäische Vorspiel zu der europäischen Reformation dar und bedeutet in erster Linie, daß sich das böhmische Volk zu einer erstaunlichen moralischen Leistung aufraffte.

Es bekundete damit sein Verlangen und seine Sehnsucht nach der sozialen Gerechtigkeit und Freiheit, und durch seinen Kampf für die Freiheit des Gewissens und des Glaubensbekenntnisses fesselte es damals die Auf­

merksamkeit ganz Europas. Das Hussitentum hat auch der kulturellen Entwicklung in Ungarn sein Gepräge verliehen. Großes Interesse für Ungarn herrscht bereits in der tschechischen mittelalterlichen Chrono­

graphie (Cosmas, der Prager Domherr Vincenz, die Sazawaer Chronik u. a.); doch erst nach dem Hussitentum nimmt dieses Interesse einen breiteren gesellschaftlichen Charakter an und ist auch von besonderer kultureller und sprachlicher Bedeutung. Magister Johannes Hus, dessen Lehrtätigkeit zu der Zeit anfängt, wo Maunu Tavast, der spätere Vorgänger der Reformation und einer der ersten Vertreter für die Sprachpflege des Finnischen an der Prager Universität sein Bakkalaureat erlangt, betreut unter seinen Schülern auch eine ganze Reihe von Studenten aus Ungarn.

Zu ihnen gehören auch die beiden Autoren der hussitischen Bibelüberset­

zung ins Ungarische, Tamás Pécsi und Bálint Újlaki. Hus selbst soll von ihnen ein bißchen Ungarisch gelernt haben, und ihm wird sogar die Autorschaft des sog. vielsprachigen Planctus vom Anfang des 15. Jahr­

hunderts zu geschrieben. Hus’ System diakritischer Zeichen hat auch eine anregende Wirkung auf die Entwicklung der ungarischen Rechtschreibung ausgeübt, und zwar nicht nur auf die berühmte hussitische Bibel, sondern auch auf die zeitgenössischen Franziskanerkodexe, obwohl gerade die Franziskaner damals in Ungarn als erbitterte geistige Gegner der Hussiten galten. Die Übernahme der diakritischen Zeichen von Hus stellte eine derart typische Erscheinung des ungarischen Franziskanerschrifttums dar, daß diese Rechtschreibung damals in Ungarn als Franziskanerrechtschrei­

bung bezeichnet wurde. In diesem Zusammenhang ist noch zu bemerken, daß viele ungarische Franziskaner später - um die Wende des 15. zum 16.

Jahrhundert - sehr radikale Positionen eingenommen, die hussitischen Traditionen in Ungarn belebt und auch das hussitische Gedankengut im Rahmen des Bauernaufstandes Dozsas aus dem Jahre 1514 verwirklicht haben. Hus’ Bestrebungen, die Ideen der revolutionären Reformation dem Volk in einer ihm nahen, verständlichen Sprache zu vermitteln, was auch in seiner Sprachpflege des Tschechischen, des Ungarischen und der anderen Nationalsprachen zum Ausdruck kommt, waren von historischer Bedeutung und ebneten während der Reformation im 16. Jahrhundert auch den Ideen des Erasmus über die dringende Notwendigkeit der Nationalsprachen den Weg.

Ein ähnlich bedeutsames mitteleuropäisches Phänomen wie das böh­

mische Hussitentum ist allerdings auch die allseitige Entfaltung des Huma­

nismus und der Renaissance in Ungarn, auf deren Anfänge man bereits unter den Anjous und insbesondere unter Sigismund von Luxemburg stoßen kann und die dann während der Regiemng des Königs Matthias Corvinus, des bedeutendsten Kulturmäzens des damaligen Mitteleuropas, ihren Höhepunkt erreichen. Die Expansion des hussitischen Gedankengu­

tes sowie die Entfaltung der humanistischen Kultur waren jedoch in mancherlei Hinsicht gegensätzlich. Die Bestrebungen des Kaisers Sigis­

mund von Luxemburg, die einheitliche europäische katholische Kultur zu festigen, zerschellten an der hussitischen Reformation, und die Bemühun­

gen des Königs Georg Podiebrad, die hussitischen Reformen in utraquisti- scher Gestalt fortzusetzen, stieß auf einen entschiedenen Widerstand der päpstlichen Kurie, der gerade von Ungarn aus durch Matthias Corvinus tatkräftig gefördert wurde. Die eben erwähnten historischen Zusammen­

stöße und Auseinandersetzungen zwischen böhmischen und ungarischen Interessen nahmen zugleich die bedeutendsten Erscheinungen der weite­

ren europäischen Entwicklung - die protestantische Reformation und die katholische Gegenreformation - vorweg. In der prinzipiell gegensätzlichen Bestrebungen des Königs Georg Podiebrad und des Königs Matthias’

Corvinus sind jedoch zugleich viele verwandte Grundzüge vorzufinden.

Georg Podiebrad bemüht sich ständig, das Erbe des Hussitentums im Geiste des Humanismus zu kultivieren, es den vorherrschenden europä­

ischen Kulturtraditionen anzupassen und näher zu bringen; Matthias Corvinus ist genauso bestrebt, Ungarn durch den Humanismus in das damalige Europa auf höherem Kulturniveau einzugliedern. Beide bemühen sich dann gemeinsam, die politische und kulturelle Rolle Mittel­

europas im gesamteuropäischen Kontext zu unterstreichen. Die Friedens-194

Vorschläge Georg Podiebrads, die den Böhmischen Ländern bei der Lösung gesamteuropäischer Konflikte die Vermittlungsrolle zuerkennen, wie auch Matthias Vorhaben, Ungarn zu einem der bedeutendsten Zentren der europäischen humanistischen und Renaissancekultur zu machen, verdienen unsere volle Anerkennung; sie zeugen von besonderer Bedeu­

tung dieser beiden Herrscher, die man mit vollem Recht zu den hervorra­

gendsten schöpferischen Persönlichkeiten der tschechischen und ungari­

schen Geschichte zählen kann. Zuerst bemühten sie sich, ihre Vorstellun­

gen von einem starken Mitteleuropa gemeinsam als Schwiegervater und Schwiegersohn zu verwirklichen, als die Tochter Georg Podiebrads Katha­

rina, deren Budaer Grab noch Anfang des 19- Jahrhunderts zum Gegen­

stand eines gelehrten Streites zwischen dem Begründer des Tschechischen Nationalmuseums Kaspar Sternberk und dem Kustos des Ungarischen Nationalmuseums Miklós Jankovich wurde, Matthias’ auf dem Wege zum ungarischen Thron begleitete. Katharinas früher Tod trat bereits in einer Zeit ein, wo die päpstliche Kurie immer entschiedener gegen den böhmi­

schen „Hussitenkönig“ auftrat und im Jahre 1462 die Baseler Kompaktaten aufhob.

Nachdem Georg Podiebrad durch die päpstliche Bulle vom 3- Januar 1466 exkommuniziert worden war, erhoben sich gegen ihn nicht nur die Katholische Liga der böhmischen Herren, sondern auch sein ehemaliger Schwiegersohn Matthias Corvinus, den die böhmischen katholischen Stände am 3. Januar 1469 in Olmütz zum böhmischen König und zugleich auch zum Markgrafen von Mähren ausgerufen hatten. Matthias Vorgehen gegen Georg Podiebrad wurde damals sowohl von einem der hervorra­

gendsten böhmischen Humanisten, dem katholischen Edelmann Johann von Rabstein in dessen Dialógus als auch von dem Kalixtiner Wenzel von Chrudim, die früher beide mit vielen ungarischen Studenten in Italien studiert hatten, aufs schärfste verurteilt.

Matthias’ Vorhaben, das gesamte Königreich Böhmen zu erobern, ist jedoch gescheitert. Im Jahre 1469 eroberte er faktisch nur Mähren, das er bis zu seinem Tode im Jahre 1490 beibehalten hat; seinen Rivalen und Nachfolger Georg Podiebrads auf dem böhmischen Thron, Wladislaw II.

Jagiello hat er auf diese Art und Weise zur Rolle eines Anwärters auf die Markgrafschaft Mähren verurteilt. Matthias’ kurzfristige Herrschaft über Mähren blieb zwar nur eine kurze Episode in seinen böhmischen Er­

oberungen, nichtsdestoweniger aber war sie in den böhmisch-ungarischen Kulturbeziehungen von positiver Bedeutung. Obzwar die böhmische Eroberungspolitik Matthias’ auf Widerstand zweier ungarischer Hu­

manisten, Johannes Vitéz und Janus Pannonius gestofäen ist und dem

Gericht der Geschichte nicht standgehalten hat, konnte die politische Spannung zwischen den Böhmischen Ländern und Ungarn durch die kulturelle Zusammenarbeit der beiden Länder wettgemacht werden.

Durch diesen Zusammenwirken ist eine einheitliche mitteleuropäische Kulturpolitik, bei der die Frage nach der politischen Hegemonie der einen oder der anderen Seite von zweitrangiger Bedeutung war, in der Praxis verwirklicht worden.

Der böhmisch-ungarischen Zusammenarbeit lagen bereits gemeinsame Studien böhmischer und ungarischer Studenten an den italienischen Universitäten Mitte des 15. Jahrhunderts zugrunde. Damals haben zur gleichen Zeit in Ferrara und Padua der größte ungarische humanistische Dichter Janus Pannonius und der führende böhmische humanistische Magnat Tas (Prothasius) von Boskowitz studiert und miteinander feste Freundschaft geschlossen. Beiden waren hier Schüler von Galeotto Marzio und Guarino Veronensis, und ihre Freundschaft dauerte auch später noch an, als Prothasius von Boskowitz im Jahre 1457 Bischof in Olmütz wurde und Janus Pannonius im Jahre 1458 die Bischofswürde in Fünfkirchen erlangte. Anfang der sechziger Jahre kam Galeotto Marzio in Ungarn am Hofe des Großwardeiner Bischofs an, und von dort aus schrieb er einen undatierten Brief auch an Prothasius von Boskowitz, in dem er sich bei ihm nicht nur zum Besuch in Olmütz anmeldete, sondern ihm auch die Worte des Lobes, die der führende ungarische Humanist Johannes Vitéz an Prothasius’ Adresse gerichtet hatte, mitteilte: „laudeat enim et linguae elimatae elocutionem et vitae integritatem et in agenclis rebus solertiam et perspicacitatem; te semper partriae columen vocat.“ Bald darauf, am 26.

März 1461, schrieb an Prothasius auch Janus Pannonius, der sich ganz im Gegenteil bei ihm für jene anerkennenden Worte bedankt, die Prothasius vor Pannonius’ Onkel Johannes Vitéz über ihn ausgesprochen hat. In Prothasius’ Antwort von 17. April 1461 wird uns mitgeteilt, Prothasius sei der Autor der Grammatik gewesen, die er nach dem Vorbild Lorenzo Vallas verfaßt habe, was bisher das einzige Zeugnis von der schöpferischen wissenschaftlichen Tätigkeit dieses Olmützer Bischofs darstellt. Es dürfte sich wohl um keine Grammatik im üblichen Sinne des Wortes gehandelt haben, lehnte doch Valla selbst die damalige Auffassung von der Gramma­

tik ab; in seinem Werk Elegantiarum latini lingul’ konzentrierte er seine Aufmerksamkeit - im Vergleich mit den klassischen Grammatikern und Lexikographen - vor allem auf die phraseologische und stilistische Funk­

tion der Sprache. Schon früher hatte Prothasius auch mit Johannes Vitéz brieflich verkehrt, der als ungarischer Kanzler einen regen Briefwechsel mit den Böhmischen Ländern unterhielt; im Rahmen seiner diplomatischen 196