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Die Stellung der Historien im Rahmen des bibelpädagogischen Gesamtkonzeptes

KNIHA V PREMENÁCH NOVOVEKEJ KOMUNIKÁCIE*

3. Wandlungen und Veränderungen von Historienbibeln des 16. bis 18

3.1 Die Stellung der Historien im Rahmen des bibelpädagogischen Gesamtkonzeptes

Das Passional Luthers bildet einen Teil des Betbüchlins, d.h. dass die Historien im bibelpädagogischen Gesamtkonzept Luthers nicht eine zentrale Stellung einnehmen. So sind die biblischen Geschichten der Auslegung der Glaubensstücke (Zehn Gebote, Apostolikum, Vater unser, Ave Maria) sowie verschiedenen theologischen Sermones (Passion, Sakramente) und Gebeten nachgeordnet. Im gleichen Jahr 1929 erschienen auch Luthers Grosser und Kleiner Katechismus, was die obige Feststellung erhärtet. In keiner Weise trat das Betbüchlin in Konkurrenz zum Katechismus, da derselbe für die kirchliche Unterweisung bestimmt, das Betbüchlin aber für den Hausgebrauch vorgesehen war. Sowohl Betbüchlin wie auch Katechismus hatten ihre vornehmliche Bestimmung darin, Heils- und Glaubenswahrheiten zu vermitteln. Dem Betbüchlin, geschweige denn dem Passional, kam aber nie eine dem Katechismus vergleichbare Bedeutung zu. So konnte sich auch nicht das Passional, sondern der Katechismus als „leyen biblia“ profilieren, obwohl Luther selbst sowohl die Historienbibel wie auch den Katechismus so bezeichnet hatte.230

Dass beim Port-Royalisten Fontaine die biblischen Historien eine grundlegend andere Stellung im bibelpädagogischen Gesamtkonzept eingenommen haben, versteht sich, bedenkend, dass im katholischen Bildungskonzept weder Bibel noch Katechismus dieselbe Bedeutung wie im protestantischen innehatten. Allerdings darf der konfessionelle Hintergrund Fontaines nicht überbewertet werden, was ein vergleichender Blick auf Justus Gesenius’ Biblische Historien Alten und Neuen Testaments (Braunschweig 1656) unzweifelhaft deutlich macht. Im Vorwort hält Fontaine fest, welche Bedeutung die biblischen Historien haben: Es geht um die ganze Bibel, die bei den Vätern, „les imitateurs de IESVS-CHRIST“, grosse Hochachtung genossen haben. Er nennt Basilius, Ambrosius, Augustin oder Gregor den Grossen.

Fontaine knüpft also nicht an seiner kirchlichen Tradition an, sondern in der

229 BOTTIGHEIMER (2008 : 84f).

230 Vgl. LUTHER (1538 : ciijv), MARTIN LUTHER, Katechismuspredigten. Zweite Predigtreihe (1528), in: WA 30 I, 27. Auch in Strassburg erschien bei Wendel Rihel eine Leien Bibel (1540), die „Historien beder Testament mit iren übergesetzten Summarien“ beinhaltete, vgl.

ENGAMMARE, (1995 : 319ff).

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Alten Kirche, bei denen die Bibel eine noch andere, angemessene Stellung hatte. Die Historien, bei denen „on exprime leurs termes essentiels, & on marque exactement leurs pensées & leurs sens“, sollen „toucher les ames, & ...

inspirer la pieté.“231 Kein Wort davon, dass die Historien neben andren Methoden bzw. Mitteln der kirchlichen Unterweisung stehen. Vielmehr steht die Bibel als ganze, „la parole de Dieu“, „l’écriture“ im Zentrum des christlichen Lebens. So spricht Fontaine nicht von „Histoires“, sondern von

„Histoire“ – die Geschichte des Alten und Neuen Testaments wird darin behandelt, möglichst umfassend, nicht eine Sammlung einzelner Erzählungen, sondern ein „recueil de toute l’Histoire.“232 Die Schrift als Ganze, nicht eine

„subjektive“ Auswahl, soll damit Massstab des bibelpädagogischen Bemühungen sein. Dieselbe Überzeugung begegnet uns auch bei Justus Gesenius, der „nicht an einer Auswahl, sondern an einer möglichst umfassenden und systematischen Darstellung der biblischen Geschichte interessiert war...,“233 d.h. dass Gesenius zwar die Bibel in zweimal 54 Lektionen systematisiert, faktisch aber in der einzelnen Lektion immer mehrere Geschichten behandelt. In der 25. Lektion aus dem Neuen Testament wird beispielsweise die Heilung des Aussätzigen (Luk 17, 11ff), die bittende Witwe (Luk 18, 1ff), das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (Luk 18, 9ff) sowie Jesu Wort über die Ehescheidung (Matth 19, 1f) durchgenommen. Fontaine wie Gesenius behandeln Amnons Vergewaltigung der Tamar und den darauffolgenden Brudermord (2. Sam 13), Fontaine wie Gesenius erzählen die Geschichten von Esra und Nehemia und nehmen die Makkabäerbücher auf;234 im Neuen Testament finden sich in beiden Historienbibeln Geschichten aus der Bergpredigt (Matth 5-7), aus der Apostelgeschichte und zur Endzeit.235 Gesenius wie Fontaine waren weniger um eine Auswahl – natürlich wurden Doppelungen weggelassen – als um eine systematische Gesamtdarstellung der Bibel bemüht, die keiner weiteren Ergänzungen mehr bedurfte.236 In der Bibel selbst, ohne Zusätze und ohne Streichungen, sollten die Menschen „chercher les regles de leurs salut.“237

Anders die „auserlesenen“ biblischen Historien von Johann Hübner: Sie sind nicht nur von Anfang an als Auswahl der wichtigsten biblischen Historien bezeichnet worden, sondern auch dazu bestimmt, neben der katechetischen Unterweisung eine besondere Funktion im bibelpädagogischen Gesamtkonzept

231 Nicolas Fontaine: Avertissement, in: FONTAINE, 1674 : áiiijv. ér.

232 Nicolas Fontaine: Avertissement, in: FONTAINE, 1674 : áiiijr-v. ér-v.

233 NAAS (2012 : 46).

234 Entgegen Adam muss festgehalten werden, dass Gesenius auch die – obschon nicht alle (wie Fontaine) – Propheten in seinen Biblischen Historien aufgenommen hat, vgl. ADAM (2013 : 38).

235 Für die Endzeit zieht Gesenius noch Josephus bei, vgl. LACHMANN (2008 : 197).

236 Die in Gesenius’ Historien beigegebenen Lieder hatten einzig den Grund darin, dass in der Hausgemeinde zwischen den einzelnen Teilen der Lektionen, d.h. zwischen den einzelnen Geschichten ein Lied zu singen empfohlen wurde.

237 Nicolas Fontaine: Avertissement, in: FONTAINE, 1674 : aiiijr.

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zu übernehmen. So war es ja die Kritik Hübners im Vorwort, dass die Kinder zwar den Katechismus auswendig lernen würden, aber nicht verstehen, in welchen Zusammenhang und historischen Ablauf die Bibelzeugnisse zu setzen seien. Hübner folgert daraus: Je kürzer die Hauptstücke der christlichen Religion behandelt werden, desto mehr muss sich der Lehrmeister Mühe geben, dass die Kinder „den rechten Verstand und Begriff von der Sache“

erhalten. Dazu habe er die biblischen Historien geschaffen, da Fabeln und Märchen nicht geeignet seien.238 Damit macht Hübner klar, dass die biblischen Historien den Katechismus nicht abschaffen oder ihn ersetzen wollen, sondern neben ihn als zweite Grundlage der religiösen Unterweisung treten. So bezeichnet ja Hübner selbst die Biblischen Historien als Schulbuch, während der Katechismus nicht in der Schule, sondern in der kirchlichen Unterweisung auswendig gelernt wurde. Im Idealfall sollten die biblischen Geschichten der katechetischen Unterweisung vorgelagert sein. Am Ende der religiösen Unterweisung sollten die Jugendlichen sowohl die Bibel („Biblische Geschichte“) als auch die zentralen Glaubenswahrheiten („Katechismus“) kennen.239 Hübner stellt mit dieser Überzeugung keinen Einzelfall dar, sondern repräsentiert seine Zeit: So ist bekannt, dass Jean-Frédéric Ostervald, von dem verschiedene exegetische und katechetische Schriften in über zehn andere europäische Sprachen übersetzt wurden,240 in seinem Abrégé de l’histoire sainte e du catéchisme (1734) das gleiche pädagogische Konzept vertrat.

Neben den unzähligen französischen Drucken erschien der Abrégé in vier deutschen, acht englischen, drei italienischen und drei ungarischen Ausgaben.

In einem ersten kurzen Fazit lässt sich feststellen, dass es 200 Jahre brauchte, bis den biblischen Historien im Rahmen des bibelpädagogischen Gesamtkonzeptes die ihnen zustehende Stellung beigemessen wurde. Freilich ist dies nicht nur das Verdienst von Johann Hübner, sondern wesentlich auch von Theologen des 17. Jahrhunderts wie Fontaine oder Gesenius, die – als Folge des biblischen (!) „Analphabetismus“, nachdem die religiöse Unterweisung seit der Reformationszeit immer mehr von der katechetischen Unterweisung beherrscht worden ist – erstmals Historienbibeln, die die gesamte Bibel repräsentierten, herausgegeben haben.

238 Vgl. Johann Hübner: Vorwort des Authoris, in: HÜBNER, 1738 : (fol. 1v–2r).

239 In westeuropäischen Kreisen beschränkt sich die heutige religiöse Unterweisung immer mehr nur noch auf die Kenntnis der „Biblischen Geschichte“.

240 Unter anderem sind Übersetzungen des Traité des sources de la corruption (1699) in Englisch, Dänisch oder Schwedisch, Übersetzungen der Arguments et réflexions sur les livres de la Sainte Bible (1720) in Deutsch, Holländisch oder Ungarisch, sowie Übersetzungen des Catéchisme ou instruction dans la réligion chrétienne (1702) in Flämisch, Arabisch oder Rätoromanisch zu erwähnen, vgl. BARTHEL (2001 : 379ff. 442ff. 468ff).

158 3.2 Auswahl und Absicht der Historienbibeln

Die Ausführungen und die Tabellen unter den behandelten Historienbibeln ermöglichen es, einige grundsätzliche Aspekte aufzuzeigen, inwiefern die Auswahl Zeugnis der sich verändernden Absicht der Historienbibeln ist.

Bekannterweise wählt Luther nur 50 biblische Geschichten aus. Dabei handelt es sich vor allem um solche, die eine im reformatorischen Sinne heilsgeschichtliche Aussage haben. Im theologischen Konzept Luthers sind die Vätergeschichten weit weniger bedeutend als der Exodus, denn Kreuzes- und Auferstehungstheologie setzen die „Exodustheologie“ grundlegend voraus. Der Exodus bildet die tragende Basis des neutestamentlichen Freiheitsverständnisses.241 Es waren also theologische Motive, die die Auswahl Luthers bestimmten. So umfasst auch die Passion (Karwoche) fünfzehn Historien, während die Wirkungszeit Jesu (2–3 Jahre) nur in fünf Historien behandelt wird. Die Absicht Luthers bestand darin, dass die Kenntnis der massgebenden biblischen Historien zur Erkenntnis des Heils führe.

Auch für Fontaine war, wie er gleich zu Beginn seines Vorwortes festhält, die Suche nach dem „salut“ massgebend. Doch nimmt sich Fontaine, wie er mehrfach akzentuiert, entschieden zurück, eine theologisch motivierte Auswahl zu treffen. Die „l’ecriture“ und „IESVS-CHRIST“ werden von Fontaine zu hoch gewertet, als dass er in „la parole de Dieu“ eingreifen möchte. Es lag ihm daran, die ganze Vielfalt des Wortes Gottes aufzuzeigen, wozu auch problematische Geschichten wie die von Amnon gehörten, damit die Gläubigen die Fülle der Bibel kennenlernen würden. Die Lektüre der vollständigen Historienbibel „pourra faire quelque impression sur le cœur de ceux qui n’y chercheront que la nourriture de leur pieté...“, ja letzlich helfe sie

„pour aller au ciel.“242 Darüber hinaus hatte aber Fontaine auch ein ernsthaftes moralisches Anliegen: In den biblischen Historien seien zu finden „exemples admirables pour les Rois & les Princes; pour ceux qui conduisent les Estats;

pour les Ministres d’Eglise... enfin pour tous ceux qui veulent vivre chrestiennement dans le monde... .“243

Hübner war gleichfalls der Ansicht, dass die Historien „das Herz der Kinder in Bewegung ... setzen“244 sollen, doch dachte Hübner viel

„utilitaristischer“ als Fontaine. Wie er im Vorwort mehrfach festhält, sollten die Kinder die biblischen Historien kennenlernen, um den Katechismus besser zu verstehen. Einesteils war also für Hübner die Wissensfrage massgebender Beweggrund für die Abfassung der biblischen Historien. Darüber hinaus

241 Es ist daran zu erinnern, dass Martin Luther seine Exoduspredigten 1524 begann, also in dem Jahre, als die Auseinandersetzung mit Erasmus in der Frage des freien Willens eskalierte, und Luther seine Schrift De servo arbitrio (1524/25) verfasste.

242 Nicolas Fontaine: Avertissement, in: FONTAINE, 1674 : év.

243 Nicolas Fontaine: Avertissement, in: FONTAINE, 1674 : áiiijv.

244 Vgl. Bernhard Otto: Neue Vorrede, in: HÜBNER, 1772 : [fol. 8r-v].

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sollten sie die Jugend aber auch zu christlich-bürgerlicher Moral, ja zu guten Staatsbürgern erziehen. Nicht nur die zahlreichen Viten biblischer Gestalten offenbaren das moralische Interesse, die Jugend zu einem tugendhaften Leben anzuhalten,245 sondern auch die Fülle an Erzählungen aus der Wirkenszeit Jesu:

Gegenüber sechs Historien aus der Karwoche stehen deren 29 Geschichten, die über das reale Wirken von Jesus (Heilungen, Gleichnisse, u.s.w.) berichten.

Der Akzent der Auswahl liegt dabei auf den Synoptikern.246 Während die Apostelgeschichte nur mit einer Geschichte – Paulus Bekehrung – vertreten ist, fehlen Historien zur Endzeit vollkommen.247 Damit die Historien darüber hinaus aber auch der Frömmigkeit – der pietas – dienen, hat Hübner bewusst gewisse Geschichten ausgelassen, oder aber er hat in seinen Historien manche Akzente anders gesetzt. Inzest und Brudermord fallen bei Hübner aus dem Kanon der Historien, während Ehebruch beibehalten wird, obschon Hübner in der Deutung solcher Geschichten darum bemüht ist, den Kindern hauptsächlich gute Beispiele zu präsentieren, die ihrem Leben und Glauben dienen.248 Diese löbliche Absicht ist für Hübner Legitimation, manche Geschichten auszulassen oder anders zu deuten. Das moralische Anliegen Hübners steht also über der Verpflichtung zur Bibeltreue.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass Auswahl und Absicht der Historienbibeln zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert sich massgeblich verändert haben. Bei Luther noch war die Auswahl der biblischen Historien von der primären Absicht geleitet, dass die Kinder anhand der Bilder und Geschichten die für das Heil notwendigen Glaubenswahrheiten kennenlernen würden. Dieses primär theologische Anliegen verlagerte sich im 17. und 18.

Jahrhundert immer mehr zu einem primär pädagogisch-moralischen Anliegen – natürlich nicht losgelöst von der Absicht, dass Kinder die „allerkräftigsten Gnadenmittel, nemlich sein Wort, seine Tauffe, sein Nachtmahl...“

kennenlernen sollen.249

245 REENTS (2006 : 45).

246 Das Johannesevaneglium ist mit nur vier Historien vertreten (Nr. 16: Von der Samaritern (Joh.

4), Nr. 18: Vom Teiche Bethesda (Joh 5), Nr 30: Von einem Blingebohrenen (Joh 9), Nr. 36: Wie Jesus Lazarum von den Todten auferwecket hat (Joh 11)).

247 In der 40. Historie wird allerdings das jüngste Gericht (Matth 25) behandelt.

248 So sind die nützlichen Lehren aus der Bathseba-Affäre Davids nicht absolut denkungsgleich mit der biblischen Historie: Anstatt auf Begriffe wie Treue, Verwerflichkeit der fleischlichen Gelüste oder – wie Fontaine – auf die offensichtliche Unvollkommenheit des Menschen, vgl.

FONTAINE (1674 : 206) hinzuweisen, hält Hübner als erstes fest, dass „Frauens-Personen sich in acht nehmen sollen, dass sie niemand Aegerniß geben...“ HÜBNER (1738 : 137). Hübner deutet die Historie also so, dass der erste Anlass zum Ehebruch Bathsebas unsittliches, unkeusches Baden gewesen sei. Damit ist nicht mehr Bathseba Opfer sinnlicher Begierde, sondern David, vgl.

BOTTIGHEIMER (2006 : 41f).

249 Vgl. Johann Hübner: Vorrede des Authoris, in: HÜBNER, 1738 : (fol. 8r).

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