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Nicolas Fontaines Histoire du vieux e du nouveau testament (Paris 1670) Der Druck von Kinder- bzw. Historienbibeln und ihre Bedeutung für die

KNIHA V PREMENÁCH NOVOVEKEJ KOMUNIKÁCIE*

2. Wirkungsreiche Historienbibeln in ihrer Zeit 1 Martin Luthers Passional (1529)

2.2 Nicolas Fontaines Histoire du vieux e du nouveau testament (Paris 1670) Der Druck von Kinder- bzw. Historienbibeln und ihre Bedeutung für die

religiöse Bildung der Laien war mitnichten eine „protestantische“

Angelegenheit. So entstammte ja die sogenannte erste „vortridentinische“

Kinderbibel, ein spätermittelalterliches Schulbuch, der Historia Scholastica (Augsburg 1473) von Petrus Comestor.171 Am nachhaltigsten hat aber sicher der „Longseller“ des französischen Port-Royalisten Nicolas Fontaine de Royaumont (1625–1709), seine Histoire du vieux e du nouveau testament gewirkt, der nach 1670 in französischen Drucken, ab 1684 in deutscher Übersetzung, später auch in Holländisch, Englisch, Italienisch, Spanisch u.s.w.

erschien und bis ins 19. Jahrhundert in privatem und schulischem Gebrauch weit verbreitet war. Während in Fontaines französischer Ausgabe der Histoire die jansenistische Haltung, d.h. die augustinische Heilslehre, dergemäss die Erlösung des Menschen allein vom göttlichen Gnadenwillen abhange, vertrat,172 gab es in Deutsch drei verschiedene Übersetzungen, nämlich eine katholische, eine jansenistische und eine jesuitische Version.173

168 Es sind besonders die Holzschnitte 3–6 sowie 7, 9 und 11 zu beachten.

169 EICHLER (2011 : 53f).

170 ADAM (2008 : 22).

171 BOTTIGHEIMER (2008 : 84).

172 Fontaine hatte die Histoire in Gefangenschaft verfasst und 1699 beendet, vgl.

BOTTIGHEIMER (2008 : 85).

173 Vgl. Nicolas FONTAINE, Catholischer Geschicht-Spiegel..., Sultzbach: Johann Holst, 1684, Nicolas FONTAINE, Andächtiger Catholischer Christen GOTT=geheiligte Bibel-Lust..., Sultzbach: Johann Hoffmann, 1884, Nicolas FONTAINE, Biblische Geschichten des Alten und Neuen Testaments ..., Dillingen: Johann Caspard Bencard, 1684, vgl. BOTTIGHEIMER (2008 : 86f), NAAS (2012 : 49f).

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Inhaltlich unterscheidet sich die Histoire grundlegend von Luthers Betbüchlin. Die Histoire konzentriert sich nämlich auf die verschiedenen biblischen Geschichten und lässt andere katechetische oder liturgische Stücke vollkommen weg: Nach dem Widmungsbrief an Monseigneur Le Dauphin, d.h.

an Louis de France (1661–1711), und dem Vorwort, genannt Avertissment, dem Druckprivileg und der Table mit allen in den Histoire behandelten Geschichten, folgen die 267 Geschichten, 183 aus dem Alten und 84 aus dem Neuen Testament, jeweils zwei Seiten umfassend. Jede Geschichte wurde mit

„excellentes instructions pour les Chretiens,“174 verfasst von Kirchenvätern, abgeschlossen – oft berief sich Fontaine dabei auf Augustin. Gleichfalls wurde jede Geschichte mit einer Abbildung illustriert, die aus den Icones Biblicae des Matthäus Merian stammte; dank des Erfolges der Historienbibel wurden Merians Kupferstiche in Folge zum Inbegriff von Kinderbibelillustrationen.

Fontaine gab den Bildern jeweils einen erklärenden Text bei, d.h. dass die Bilder eine eigene theologische Aussage erhielten.175 Fontaines Historienbibel wird dadurch zu einem buchgeschichtlichen Kleinod. In seiner Widmung schrieb Fontaine über die beabsichtigte Wirkung der Bebilderung: „Ce livre, Monseigneur, vous pourra donner une entrée facile dans ces Histoire sacrée d’une maniere tres-agreable, en vous les representant dèpeintes dans ses figures, & en faisant passer ainsi de vos yeux dans vôtre esprit des instructions tres-importantes.“176 Die Abbildungen sollten also helfen, die Lektüre der Bibel zu vereinfachen.

Neben dem „Prachtexemplar für eine reiche Leser-schaft“177 gab es auch unbebilderte, meist preiswertere Ausgaben, öfters mit einer schwer lesbaren Typographie. Es handelte sich dabei meist um Ausgaben, die von Kindern benutzt, gelesen, ja sogar zerlesen wurden.178 Freilich war die Historienbibel Fontaines nicht nur eine Kinderbibel, sondern auch eine Erwachsenenbibel. So sind beispielsweise die Adressaten der deutschen Übersetzungen verschieden.

Während die „jesuitische“ Version unbebildert und für den schulischen Gebrauch bestimmt war, war die „katholische“ Ausgabe an eine erwachsene Leserschaft gerichtet.179 Auch die Übersetzungen ins Holländische waren sowohl bebildert als auch unbebildert, d.h. für Kinder wie für Erwachsene.

Schliesslich hat Fontaines Historienbibel als Übersetzung ins Englische zwei protestantische Bibeltraditionen im anglikanischen England begründet, einerseits die Gattung der Familienbibel, andererseits die der protestantischen Kinderbibel.180

174 Nicolas Fontaine: Avertissement, in: Nicolas FONTAINE, Histoire du Vieux e du Nouveau Testament..., Paris: Pierre le Petit, 1674, áiiijv.

175 NAAS (2012 : 50).

176 Nicolas Fontaine: Epistre, in: FONTAINE, 1674 : áijv.

177 BOTTIGHEIMER (2005 : 45).

178 BOTTIGHEIMER (2008 : 86).

179 BOTTIGHEIMER (2008 : 88f).

180 BOTTIGHEIMER (2008 : 90).

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Anders als Luthers Passional hat Fontaine versucht die umfangmässigen Realitäten des Alten und Neuen Testaments auch in seiner Historienbibel abzubilden, d.h. dass der Umfang der Geschichten des Alten Testaments weit umfangreicher war als der aus dem Neuen. Dennoch musste Fontaine eine Auswahl der Geschichten treffen, so dass nicht nur seine „bibeltheologischen“

Präferenzen, sondern auch sein theologischer Hintergrund und seine pädagogische Absicht deutlich werden.181

Altes Testament 183 Historien

Urgeschichte

Vätergeschichten (Abraham, Isaak, Jakob, Joseph) Mose (Ägypten, Auszug, Wüste)

Richter

Von der Heimkehr Ruths bis zu König David Von König Salomo bis zum Untergang Jerusalems Exilzeit

Nachexilische Zeit (Tobit, Judit, Esther, Hiob) Propheten

Makkabäerzeit

10 25 26 18 29 30 3 11 19 12

Neues Testament 84 Historien

Vorstellung der Evangelien Kindheitszählungen, Taufe

Von der Versuchung bis zum Einzug in Jerusalem Passion

Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten Apostelgeschichte

Eschatologie: Endzeit, Neues Jerusalem

4 10 32 13 4 9 12

Anders als in Luthers Passional lässt sich bei Fontaine keine Konzentration auf einen Bereich der biblischen Erzählungen feststellen, sondern die ganze Bibel von der Urgeschichte bis zur Endzeit wird, gewissermassen „repräsentativ“ dargestellt. Nach dem Titel jeder Geschichte wird jeweils auch der Bibeltext, welchem die Geschichte zugrundeliegt, beigefügt. So folgt nach dem Titel Daniel dans la fosse aux Lions der Hinweis, dass die Geschichte aus „Dan.chap.VI.“ stamme.182

Es scheint, dass Fontaine in seiner Historienbibel chronologisch vorzugehen versuchte, doch seine Bibeltreue verbietet es ihm, die Propheten in den jeweiligen historischen Kontext einzuordnen, so dass z.B. die biblische

181 Im Vorwort schreibt er: „On represente toute l’Histoire de l’ancien & du nouveau Testament en abrégé, mais de telle sorte neanmoins, qu’on a tâché de marquer assez au long tout ce qui est plus propre pour toucher les ames, & pour leur inspirer la piété.“ (Nicolas Fontaine:

Avertissement, in: FONTAINE, 1674, áiiijv).

182 Vgl. FONTAINE (1674 : 323).

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Geschichte über Jesaja erst nach dem Exil und Hiob folgt.183 Die beiden ersten Makkabäerbücher aus den Apokryphen, d.h. den deuterokanonischen Schriften, schliessen den alttestamentlichen Geschichtsteil ab.184 Damit wird offenbar, welche Bibel Fontaine benutzt hat: Es ist die Vulgata gewesen! Während die apokryphen Bücher Judit oder Tobit185 zu den „nachexilischen“ Schriften gezählt werden oder das Buch Susanna186 dem Buche Daniel beigeordnet ist, bilden – wie in der Vulgata187 – nur die beiden ersten Makkabäerbücher Grundlage der biblischen Geschichten.188

Obwohl die ganze Bibel in Fontaines Historienbibel zusammengefasst sein soll, so lassen sich doch einige inhaltliche Aussagen machen, einerseits bedenkend die Auswahl, andererseits würdigend die theologischen Überzeugungen. Während im Bereich der alttestamentlichen Historien, die Vulgata benutzend, in Bezug auf die Auswahl keine spezifischen Akzente feststellbar sind, ist der Port-Royalist Fontaine beim Neuen Testament gefordert: An welchem Evangelium sollte er sich orientieren? Während die Kindheitserzählungen sich natürlich vor allem auf Lukas zu stützen hatten, war es beim Leben und Sterben Jesu um ein vieles schwieriger. Die Hauptquelle seiner Historien über Jesus Christus bildete das Matthäusevangelium, wobei für die Wirkungszeit, d.h. von der Versuchung in der Wüste bis zum Einzug in Jerusalem auch das Lukas- und Johannesevangelium signifikativ vertreten sind.

Fontaine scheint aber dem Matthäus-Evangelium, also der Darstellung eines Judenchristen, den Vorrang gegeben zu haben. In seiner Einleitung zum Matthäusevangelium berief sich Fontaine insbesondere auf Eusebius und Hieronymus,189 die das Matthäusevangelium als ursprünglich in Hebräisch („Judenchrist“) verfasst glaubten.190 Gemäss Fontaine hat Matthäus „entrepris principalement dans son Evangile de rapporter la race royale de IESVS-CHRIST,

& de le representer selon la vie humaine qu’il a menée parmi les hommes...

il semble aussi qu’il est plus propre generalement pour tous les fidelles, parce qu’il s’est particulierement arresté à rapporter les actions & les instructions dans lesquelles IESVS-CHRIST a temperé en quelque sorte sa sagesse & sa Majesté divine, pour rendre l’exemple de sa vie plus imitable & proportionné à

183 Vgl. FONTAINE (1674 : 305f).

184 Vgl. FONTAINE (1674 : 343–366).

185 Vgl. FONTAINE (1674 : 283–288. 293f).

186 Vgl. FONTAINE (1674 : 327–330).

187 Anders als in der LXX, die vier Makkabäerbücher beinhaltet.

188 Vgl. FONTAINE (1674 : 343–366).

189 In der Vulgata werden den eigentlichen biblischen Büchern immer die Praefationes S.

Hieronymi vorangestellt, so auch bei den Evangelien, vgl. BIBLIA SACRA (1969 : 1515f).

190 Vgl. FONTAINE (1674 : 369f). Natürlich ist diese Ansicht – wie auch das von Fontaine genannte Abfassungsjahr 39 n.Chr. – seit längstem widerlegt, vgl. CONZELMANN (1991 : 295).

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nostre foiblesse.“191 Damit wird illustriert, dass Fontaine weniger ein theologisches als ein moralisches192 Interesse am Wirken Jesu Christi hatte.

Zwei wichtige Streitpunkte zwischen jansenistischen und „orthodoxen“

Katholiken waren die Abendmahls- und damit verbunden die Gnadenlehre.

Bereits Bottigheimer hat darauf hingewiesen, welche inhaltlichen Akzente Fontaine in seiner „Abendmahlslehre“ setzte: So kam Fontaine bereits in den Geschichte vom „Manne,“193 von der „Punition d’Héli“194 oder von „L’Arche renvoyé“195 auf das Abendmahl zu sprechen. Abgesehen davon, dass Fontaine an den genannten Stellen unzweifelhaft klar den jansenistischen Glauben ausdrückte, dass nämlich die Gläubigen sich dem Abendmahl nur nähern durften, wenn sie sich vorangehend auch vorbereitet und geprüft haben,196 ist ganz besonders auf die Geschichte „L’Agneau de Pasque“ zu verweisen, bei der Fontaine die Befreiung Israels aus Aegypten versteht als „en figure la délivrance du peuple de Dieu de la veritable Egypte, c’est à dire du onde & de la tyrannie du diable.“197 Das entscheidende Wort von Fontaine ist „en figure“

– als Vorbild. Regelmässig sieht Fontaine im Alten Testament ein „Vorabbild“

– nicht eine „Vorwegnahme“ – der Botschaft des Neuen Testaments.198 So setzt er auch das Passahlamm in den Kontext des neutestamentlichen Gnadenhandelns in Jesus Christus: „Avant cette victime salutaire il pouvait bien gemir dans la servitude, mais il ne pouvait en sortir: c’est la grace dont Dieu veut que les enfants se scouviennent tous les ans dans la plus grande des solemnitez de l’eglise, & dont il leur renouvelle tous les jours la memoire dans la sacrifice de nos autels; afin qu’en se representant qui est celuy qui les a rachetez de leur servitude, & quel est le tyran qui se les estoit assujettis, ils ayent de la reconnoissance pour l’vn & de l’horreur pour l’autre, & que se tenant attachez à IESVS-CHRIST comme à celuy qui peut seul les conserver dans la liberté qu’il leur a acquiste, ils craignent ce quei peut les engager de nouveau sous la tyrannie du demon.“199

191 FONTAINE (1674 : 370).

192 „Moralisch“ ist nicht absolut bedeutungsgleich mit „ethisch“. Von der Benutzung der Ausdrücke „Ethik“ bzw. „ethisch“ wird in dieser Studie aus zwei Gründen abgesehen: 1. Die Begrifflichkeiten „Ethik“ bzw. „ethisch“ ist den Historienbibeln fremd und insofern anachronistisch; 2. Der Fachterminus „Ethik“ bezeichnet jenen Teilbereich der Philosophie, der sich mit den Voraussetzungen und Kriterien rationalen menschlichen Handelns befasst. Im Zentrum steht das spezifisch moralische Handeln, d.h. die „Moral“ als praktische Umsetzung ethischer Grundsätze und Prinzipien.

193 Vgl. FONTAINE (1674 : 86f).

194 Vgl. FONTAINE (1674 : 165f).

195 Vgl. FONTAINE (1674 : 169f).

196 BOTTIGHEIMER (2008 : 91f).

197 FONTAINE (1674 : 82).

198 So hält Fontaine fest, dass das Manna „marque visiblement l’Eucharistie.“ FONTAINE (1674 : 86).

199 FONTAINE (1674 : 82).

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Zwischen den Zeilen klingt hier die leise Kritik eines Jansenisten an der orthodoxen Bedeutung des Abendmahls, wie sie von Rom vertreten wurde, nämlich, dass die Kirche für das Heil und die Verdammnis der Gläubigen zuständig sei. Bei Fontaine klingt das protestantische „solus Christus“ an, wenn auch er das Opfer des Altars keinesweg mindern möchte. Sicher mit ein Grund, dass in der anglikanischen Kirche die Historienbibeln des Port-Royalisten Fontaine verwendet wurde.

Die Druckgeschichte der Histoire von Fontaine ist ein eindrückliches Zeugnis, dass der Besitz und die Lektüre von Historienbibeln keineswegs nur eine protestantische Angelegenheit war. Natürlich befand sich der Absatzmarkt in erster Linie in Frankreich. Neben Paris sind Drucke aus Limoges, Lyon, Metz, Grenoble, Marseilles, Clérmont u.s.w. zu erwähnen. In jeder dieser Städte wurde die Histoire Fontaines mehrfach aufgelegt, in Lyon beispielsweise in den Jahren 1684, 1713, 1749, 1754, 1769, 1782 u.s.w. Da und dort erschienen auch gekürzte Ausgaben oder Auszüge aus den „Histoire“.

Doch auch in anderen Ländern wie Holland, Böhmen, Italien, Spanien, Portugal u.s.w. finden sich Drucke.200 Mit Recht wird darum die Histoire du Vieux et du Nouveau Testament von Nicolas Fontaine als Long-, ja gar als Bestseller bezeichnet. Die Folgen dieser weiten Verbreitung lassen sich bislang nur erahnen. Einerseits ist diese Verbreitung Zeugnis davon, dass die Lesefähigkeit und -fertigkeit seit Ende des 17. Jahrhunderts auch in katholischen Regionen des westlichen Europa bedeutend grösser war, als dies bislang angenommen wurde. Immerhin ist es bemerkenswert, dass eine Historienbibel in katholischen Kreisen solchen Absatz fand. Dies illustriert auch, dass die Beschäftigung der Laien mit der Bibel nicht allein eine Folge des protestantischen Bildungskonzeptes war. Schliesslich kann es kaum überschätzt werden, welche Bedeutung die Historienbibel Fontaines für die Verbreitung der jansenistischen Interpretation der Bibel im westlichen Teil des katholischen Europas hatte. Erwachsene wie Kinder lernten durch die Lektüre der Histoire von Fontaine also nicht nur die Bibel kennen, sondern auch die jansenistische Botschaft und den jansenistischen Wortschatz.201

2.3 Johann Hübners Zweymahl zwey und funffzig Auserlesene biblische