®ie ©inriptung parlamentarifper Körper, bie baS Kennzeipen ber repräfentatioen SegierungSform ift, entflammt bem mittelaiterlip=ftänbifpen Staate, ßat aber im neuzeitlichen Staate ihr ¿ffiefen ööllig üeränbert.
Sie begweift jeßt eine ©efammtbertretung beS ¿BoffeS, n i p t eine ¿öcrtretung ftänbifp gegiieberter ¿BolfStßeite.
3 n ber fofgenben ©rörterung haben wir es nipt mit ber materiellen Stellung beS ¿Parlaments im Staate zu tßun. §ier haben Wir nur ben MepaniSmuS zu betrapten.
Bür ben Sufbau unb bie fpauptetntßeilung ber ¿Parlamente ift, man fann faft fagen, eine Bufäftigfeit maßgebenb ge'wefen, ber llmftanb nämlip,
t>. @e ftbe I, Vorträge. 4
— 50 . —
baß bie engtifße Berfaffung ba§ Borbilb für bie ©inrißtung ber ton=
ftitutionetten Staaten tourbe. R a ß biefem Borbitbe ift in ben meiften größeren Staaten ba§ 3weifammerft)ftem zur ©eltung gelangt, Wäßrenb bie mittelatterliß übertommene ftänbifße Berfaffung auf bem fM^onbe, befonberS in ©eutfßtanb, eßer ein ¿Reßrtammerfhftem an bie £>anb gegeben ßätte. ©S läßt f i ß inbeffen nißt oerfennen, baß jene anfßeinenbe 3u=
fälligfeit burß innere ©rünbe unterftüßt Würbe, auf b i e 5 R o n t e S q u i e u ßingewiefen ßat. Sie Taufen in ber §auptfaße barauf ßinauS, baß baS bemofratifße unb beweglichere Sßefen, Weißes in ber. eigentlißen BoifS=
fammer p r ©eltung gelangt, eine ¿Räßigung burß eine erfte Kammer erhält, in ber mehr erßaitenbe, bem Beharren jugewanbte Reigungen Zur Bertretung fommen.
©aS englifße Borbilb ift für bie attermeiften PartamentSöerfaffungen auß noß in ber Rißtung maßgebenb geworben, baß bie beiben Kammern n i ß t btoS gefonbert beratßen unb befßließen, fonbern baß auß erft ißr übereinftimmenber Sefßiuß einen wirffamen HöiltenSaft beS Parlaments barftettt, fo baß affo jebe Kammer ber anbeten gegenüber ein Beto ßat.
©ßatfäßtiß ßat zumeift bie Botfsfammer ein gewiffeS Uebergewißt unb eS fommt woßt auß bor, baß in einzelnen gälten, z- B . beim Bubget, ißt bie Berfaffung eine betiorzugte Stellung fißert. Beftimmungen aber, Slnnatcn weiße ein RuSgieißSOerfaßren || für unlösbare ¿ReinungSOerfßiebenßeiten
@8oBG beiber Kammern oorfeßen, finb feßr fetten. Sie fgl. fäßfifße Berfaffung ' Pom 4. September 1831 ßat bergleißen Borfßriften.
®S läßt fiß nißt läugnen, baß, wo feine Borfeßrungen zur Beilegung eines 3wiefpalteS ber beiben Kammern getroffen finb, unter Umftänben
¿Rißitßfeiten entfteßen fönnen. ®ie beiben Kammern, meint B f u n t f ß f i , beren eine PorwärtS unb bie anbete rücfwärtS ftrebt, gleißen bann zwei Pferbcn an einem Höagen, beren eines Pom unb baS anbete ßinten an=
gefpannt ift unb bie naß entgegengefeßten Rißtungen zießen. ©aS wiber;
fpreße bem Riefen beS neuzeitlißen Staates, ber auf ©inßeit unb ©nt=
fßlußfäßigfeit beS StaatSwiltenS ben größten SBertß lege.
©aS ift atlerbingS rißtig unb trifft am ¿Reiften auf Staaten mit ParfamentSßerrfßaft zu. 3nbeffen fann man nißt tagen, baß f i ß in HBirfiißfeit bisßer gerabezu ©efaßreit für beit Staat ergeben ßätten.
®S wirb nißt unintereffant fein, eine llebcrfißt über bie Berbreitung
beS 3wei= unb ©infammerfpftemS zu geben.©aS 3weifammcrft)ftcm ßaben im ©eutfßen Reiße: Preußen (§erren=
unb RbgeorbnetenßauS), Bapern (Kammer ber ReißSrätße unb ber Rb=
georbneten), Köntgreiß Saßfen (erfte unb zweite Kammer), SBürttemberg (Kammer ber StanbeSßerren, Kammer ber Rbgcorbneten), Baben unb Reffen (erfte unb zweite Kammer); Defierrciß (ReißSratß: §erren= unb RbgeorbnetenßauS),' Ungarn ¿Ragnaten= unb Repräfentantentafel); ©ngtanb (Parlament: house of lords, liouse of commons); 3hünfreiß (Senat, chambre des députés) ; Italien (Senat, camera dei deputati) ; Belgien (Senat, chambre des réprésentants): Rieberianbe (staaten generaal:
erfte unb zweite Kammer); ©änemarf (ReißStag : ßanbtßing, gotfetßing) ; Sßwebeit (ReißStag: erfte unb zweite Kammer); Rormegen (Stortßing, tßeilt fiß nur für gewiffe ©egenftänbe in zwei Kammern, Sagtßing —
auS beut Stortßing gewüßlter AuSfcpuß — und ObelStßing); Spanien (©orteS: Senat, ©eputirtenfongreß); Portugal (©orteS: camera dos pares, camera dos deputados); (Rumänien (Senat nnb ©eputirtenfammer);
Sdßweiz (Stänbc= unb Aationalratß); Bereinigte Staaten üon Amerifa (©ongreß: Senat unb (RepräfcntantenßauS).
®a3 ©infammerfßftem paben: ®a3 ©eutfcße Öteicß, aßc aitbcrn Dorpin nicpt genannten beutfcßen BunbeSfiaaten, unb ©riedßenlanb (ßooXv)).
F n ber Bildung der Kammern ßerrfcßt eine große Blatmigfaltigfeit.
®ie zweiten ober BolfSfammern find burcpweg Waßlfammetu.
®ie älteren Berfaffungen beutfcßer Staaten patteu fiep bezüglich ber 3ufammenfeßung biefer Kammern oon den altftänbifcpen Ueberfieferungen nodß nicpt loSgelöft. Sie ließen naeß Staffen ober Ständen wäpten, wo=
gegen bann weniger einzuwenden gewefen wäre, wenn man die neuzeitiiepen Stände berüdfießtigt pätte.
Aunmepr ßerrfcßt aber atientßal&en mit tepr wenigen AuSrtaßmen baS Aepräfentatiofpftem, b. p. die Wahlberechtigten werben in Waßifreife eingetpeitt und bie 3aßl der zu Wäplenben Bertretcr naeß ber Beoölferung beftimmt. ®ie Waßifreife werben entweder nur für einen ober für meßrere Abgeordnete gebildet.
Bei biefer -©mrießtung, Wo bie Abgeordneten au§ Stimmenmehrheit ber Wäpter perDorgepett, fommt weiter nießts in Betradjt, Wie bie Staat§=
bürgerfepaft als Blaffe, und bie gefeßfcpaftlicpe ©ruppirung berfeiben ge=
langt in ber tßerfon ber ©ewäptten pöcpftenS burd) 3ufaß, nicpt mit Botßwcnbigfeit zur ©eltung. ©3 wirb an Fntereffenglieberung nicpt
oiel mepr mit Aotpwenbigfeit zum AuS= || brnde fommen, als baS, was etwa Analen fepon in ber geograppifepen WapIfreiSeintßeitung fiep ausprägt — wie r 1 8 9 9 7
3. B . ber ©egeniaß oon Stadt unb Sand. ®aS ift nun für baS reidp gegliederte gefeßfepafttiepe ßeben ber ©egenwart perztiep wenig: man benfe nur an bie Btannigfaltigfeit ber Berufsarten in Handel, ©ewerbe, ßanb=
Wirtpfcpaft, wiffenfcpaftlicper ©ßätigfeit, an bie ©egenfäße Don Fabrifation und Hanbwert, Arbeitgeber unb Arbeitnehmer u. f. w.. ©azu tritt, baß bei einer Bertretung, bie aus Btaffenabftimmung peroorgept, geiftig nnb Wirtpfcpafttid) fepr wießtige BoIfSgruppeit gar nicpt zur ©eltung fommen, wenn fie nur eine geringe und zerfpiitterte 3aßi Oon ¿ugepörigen aufweifen.
Blau lann baS Aepräfentatiofpftem atS baS ftärffte Wiberfpiei gegen baS alte ftaataufföfenbe Stänbewefen anfepen, indem eS den Blenfcpen lebigfid) als Staatsbürger gelten läßt und üon feineu fonftigen üerfcpieben=
artigen ©igenfepaften abfiept.
©er tbealiftifdpen Anforderung, baß bie BotfSüertretung in Oerfteinertem Blaßftabe bie Futereffengtieberung beS BolfeS abbilden foß, entfpridjt baS Aepräientatiofpftem nicpt. Wenn aber die Berwirflicßung jenes FbeatS nodß wenig oerfudjt Worden ift, fo darf baS burcpauS nicpt befremden. ©S ift nämlidß unenbltdß Diel leicpter, jenes Fbeal aufzufteßeu, als eS zu öer=
Wirfiiipen. ©ie üerßärteten Bildungen ber alten ©eburtsftänbe ßatten fefte Umriffe unb biefe oertretungSWeife zur ©eltung zu bringen, war nidpt fcpwer. ©anz anders aber üerpält eS fiep mit den weeßfeinben und feine3=
wegS fdparf umriffenen ©eftaltungen, die baS .gefeßfepafttiepe ßeben ber
©egenwart aufweift.
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Sagu tritt noß ein anderer Umftanb. Ser parlamentarifße Rpparat fefber, der aus den SBaßlen ßerborgeßen foU, lann nur bann mit Stetig=
teit arbeiten, toenn fiß fefte SReßrßeiten ergeben. Sieje 9Reßrßeiten bitben fiß aber um fo fßwerer, je meßr eine Cammer in gntereffen=
gruppen gerbröcfelt i f t ; fie bilden j i ß leißter beim Repräjentatibipftem, mo die SBaßlen fiß als Kraftproben großer potitifßer [Parteien geftaiten.
Hier ift eS eßer mögiiß, baß eine gefcbtoffene 3Reßrßeit Oon borneßerein borßanben ift und fiß nißt erft burß gufammenfßluß berfßiebener ©ruppen
— oft nur bon gabt gu galt — gu bitben braußt.
SBo der [Parlamentarismus befteßt, wie inSbefonbere in der mittel=
baren Semolratie, Wo aifo ba§ [Parlament den ©ang der Regierung gu beftimmen, die Staatsgewalt gu ßanbßaben ßat, da Wirb das Vebürfniß, Wenn irgend mögiiß, eine fefte ßerrjßenbe [parlamentSmeßrßeit gu ßaben, burßfßlagenb fein. SaS Repräfentatibfpftem wirb ßier unbedingt bor=
gegogen werben, Weil eS die SRöglißleit barbietet, ftarie Vteßrßeiten gu ßaben. Sie Vtinberßeitsgruppen werben dabei auß fo feßr biet n i ß t berlieren. Senn ob fie fßon in ber Söaßl ober ob fie im [Parlamente unterbrach werben, maßt n i ß t biet Unterfßieb, gang abgefeßen babon, baß fie einigermaßen auß beim Repräfentatibfßftem gu SBort iomtnen iönnen. ©in eßt frangöfifßeS Sßlagwort ( R a D i l l e ) fagt: „ L a majorité est le principe de la décision, la proportionnalité est le principe de la représentation." SaS Hingt wunberfßön, Wenn cS nur nißt beim [Parlamentarismus immer bloS auf die décision, b. ß. auf baS SBoHen der 9Reßrßeit, und nißt auf die représentation, b. ß. auf die ©rünbe ber SRinberßeit anleime.
©ine andere, bon ber eben erörterten böHig perßßiebene grage ßat in neueren Seiten gu Unterfußuugen Slnlaß gegeben, die grage ber fütinberßeitenbertretung ober, Wie man noß lieber fagt, proportionate représentation, représentation proportionnelle. ©S ßanbelt f i ß dabei
^ l S t w " föne§toe9§ u m ie n e .11 3Rinberßeiten, Don denen i ß eben fpraß, um die
©. 258 Heineren gefetlfßaftlißen gntereffengruppen, die burß baS SBaßlßftem unterbrüßt werben, fondera um die politifdjen SRinberßeiten, die burß die Rbftimmuug unterbrach: Werben. @S ift lebigliß an baS gebaßt, was an ber Sberfläße liegt und bei dem Kräftefpiel ber politifßen Parteien beS [Parlamentarismus fiß geigt. Sie berfßiebenen politifßen Rißtungen, auf Weiße die gefeHfßaftliße VotlSglieberung bielleißt einigen ©inßuß äußern mag, für weiße {tiefe aber n i ß t ber beftimmenbe ©runbgebanfe ift, meffen fiß in den Sßaßlfreifen gegen einander: ßier SößigS und SorieS, bort Vonapartiften, Roßaliften, Republilaner ; ober Konferbatibe, Klerilale ßiberale, Sogialiften, anderwärts Wieber gentralifien und göberaliften u. f. f. u. f. w.
Vetraßtet man nun die ©rgebniffe ber SBaßlfämpfe gwifßen foldjen berfßiebenartigen [Parteien, fo nimmt man gum Defteren maßt, baß ber gufati eine gewiffe Rolle fpielt. ©ine SReßrßeit bon wenigen Stimmen lann genügen, um die Hbgeorbnetenfiße eines gangen SBaßlfreifeS einet eingigen tpartei in die Hönde gu liefern, wäßrenb die bielleißt gang ober faft gang gteißwertige (Gegenpartei teer auSgeßt und WenigftenS für baS Sßaßlergebniß wie nißt borßanben ift.
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3 u Wunbern ift eigentlich babei niptS. 9Iber baS ©ereptigfeitSgefüßl Dieter braber ©ßeorifer ßat f t p bagegen empört, ©iefe ßeute ßaben ftp gefügt, eS fönne f i p ßter bop tiipt um eine tßeoretifp unlösbare SeptS«
frage ßanbeln, fonbern nur um eine UngefpicEtipfeit in. ber Maßleinriptung.
®a3 p a r bann eine §erau3forberung an manpe potitifpe ©enfer, bie Sparffinn ßatten ober zu ßaben glaubten, um eine ßöfuug f i p zu bemüßen, bie jener Ungereptigfeit abßeffen fönne. ®a3 feinfte Sßftem für bie Minberßeitenbertretung ßat 1859 ein ©nglänber, ©ßomaS £>are, auS«
geflügelt, unb ber engtifpe VolfSWirtß Boßn Stuart M i l ! mürbe ber eifrigfte Verfepter beSfefben. ®ie ©nglänber ßaben f i p bann in ber Bolge für bie Sape toegen ber ©emofratifierung ißrcS MaßlreipeS an§
bem ©efiptspunfte intereffiert, baß Bntettigenz unb Vefiß, furz Qefagt ber
©entleman, ttop einigermaßen zu 3Bort fomrne. 3 n Branfreip aber ßat f t p 1883 eine Société pour l'étude de la représentation proportionnelle gebilbet, bie ißre Stubiett in einem Vanbe unter bem ©itel la représen-tation proportionnelle, Paris 1888, beröffenttipt ßat. ©ie ©efettfpaft fpließt auSbrücflip les questions relatives à l'électorat, alfo ben bon mir zuerft erörterten ©egenftanb, Vertretung ber VerufS« ober Bntereffen«
gruppen bon ißrem Programm au§, befpäftigt f i p alfo n i p t mit ber toiptigeren politifpen Brage, fonbern mit ber aritßmetifpen.
©3 ift n i p t unintereffant, in jenem Vupe einen Sirtifet zu lefert, in bem Maurice V e r n e s mit bem B « t « ber Vegeifterung für bie berßäitniß«
mäßige Vertretung eintritt, ©iefe entfprepe bem ©runbfaßc ber Semofratie : bie VoIfSbertretung tnüffe eine photographie, eine M i n i a t u r beS VoifeS fein unb alle im Volfe lebenbigen Siptungen in berfieiitertem Maße toiebergeben. ©in boSßafter M e n f p fönnte fageit, V e r n e s beriattge bie ganze Verwirrung abpßotograpßirt, bie in ben Köpfen ber Mäßler ßerrfpt, unb er fönnte V e r n e s Wetter bie Bïage entgegen ßatten, ob bie ber«
matige franzöfifpe SIbgeorbnetenfammer, troß beS Mangels einer berßäitniß«
mäßigen Vertretung, biefem Bwecfe nipt fpon reiptip genügt, ©es Metteren mapt V e r n e s geltenb, baß bie berßältnißmäßige Vertretung eine Borberung ber ©ereptigfeit fei, fowoßt gegenüber ben MinberßeitS«
gruppen, bie mögtiper Meife überall erbrüdt mürben, als gegenüber bem
einzelnen Mäßler, beffen Stimme nie oßne alle Mirfung gctaffen || werben ? f" " " 'e n
bürfe. Vei bem- jeßigen Spftem in Branfreip blieben in jebem ©eparte« @ 259 ment taufettbe bon Mäßleru übrig, bie in ber ßage finb, feinen SIbgeorb«
neten zu ßaben, WaS V e r n e s für ein ßöpft bejammernSWertßeS ßooS ßäft, ein ßooS, bas fie eben beSßalb getroffen ßat, Weil fie für ben burp«
gefallenen Kanbi baten ftimmten.
Motten wir uns nun bie bcrfpiebenen Vorfpläge anfeßen. ©ine Vor«
auSfeßung gilt für alle, ©ie Mäßler müffen ftetS eine Meßrßeit bon 21b«
georbneten zu wäßlen ßaben, n i p t bloS einen.
1) Spftem ber befpränften Stimmgebung (vole limité). Beber Maßlzettel barf nur einen beftimmten Vrupteii ber zn Wäßlenben 3aßl Don Sibgeorbneten enthalten, 3. V . 2h. ©iefer Vrupteii fättt ber Meßrßeit zu.
Bür ben Seft fott reiatibe Meßrßeit genügen, bie bon ber Minberßeit, Wenn fie n i p t ganz M i n ift, aufgebracht werben fanit.
©ie Sape ßat aber ißre §afen. ©rfiiip ift bie Slnnaßme beS
BrußtßeiiS (
2/s Vp ftetS etwas HBißfürlißeS. ©utfprißt fie bem mirf=
iißen 3aßienoerßäitnifie ber Parteien nißt ober finb beren öottenbS meßt al§ jwei, fo fanu bie eine ober anbere Partei einen ungebüßrltßen Bor=
tßeil erlangen. Sob.ann ßat eS eine [tarie ¿Reßrßeit in ber §anb, [iß burß zweßmäßige Bertßeitung ißrer SQBäßter auf oerjßiebene Kanbibaten boß atte Rbgeorbnetenfiße zu fidjern. Hub enbliß werben bie HBäßler ba, Wo eine ¿Rinberßeit nißt Porßanben ift, gezwungen, fünftliß eine fotße Zu fßaffen.
2) Spftem ber Stimmenßäufung (vote cumulatif, accumulé). Seber HBäßler ßat fobiele Stimmen, als Rbgeorbnete zu Wäßlen finb. ©r iann feine fämmtlißen Stimmen ©inein Kanbibaten geben. So iann bie SRin;
berßeit burß Stimmenßäufung eine HBaßl ißrer R i ß t u n g burßfeßen.
©ie ¿Rinberßeit ift ßier Woßt bogegen gefißert, niebergeftimmt zu werben; aber ob ein ©rgebniß ßerauSfommt, baS ben parteioerßäitniffen
entfprißt, ßängt üom 3ufaüe ab. .
3) Quotienienfpftcm système clu quotient, du chiffre d'élection,procédé d u bulletin uninominal avec substituts). ©iefcS ift baS Sp=
ftem non ©ßomaS £ a r e , ba§ er 1859 aufftettte. (A treatise on the élection of représentation, Bonbon 1859). § a r e wußte n i ß t , baß fein Spftem bereits, in einem Staate gefeßgeberifd) oermirflißt war. ©ieS war in ©änemart gefßeßen, wo zufällig ein bebeutenber ¿Ratßematifer, R n b r ä , ¿Rinifter geworben war.1) ©iefer braßte eS in einem ©efeße Pom 2. Qftober 1855 zur ©urßfiißrung unb eS ift bann in bem neuen HBaßlgefeßc oom 12. S u l i 1867 naß .zhmlißem Kampfe unb in einiger HIbfßwädjung für bie BanbStßingWaßten beibeßatten worben. 1855 galt eS n ä m l i ß für bie bamalige einzige Kammer, ben RigSraab, unb würbe 1863 auf bie HBaßt für bie erfte Kammer, 1867 auf ben zweiten HBaßl=
gang, bie HBaßl burß bie HBaßlmänner, für bie erfte Kammer, ben 8anbS=
ißing eingefßränft.
©as Quotientenfpftem berußt auf folgenben ©ebanfen. ©ie 3aßl ber HBäßler wirb burß bie 3aßi ber zu Wcißteuben Bertreter getßeitt. 9Ran erßält fo bie Stimmenzaßt, ben Quotienten, bie ein Kanbibat ßaben muß, um gewäßlt zu lein. Bei ber SBaßt felbft fßreibt feber HBäßler einen Kanbibaten an erfter Stette auf feineu Bettet, unb bann ber Reiße naß Slnnaien an zweiter, brütet Stelle || u. f. W. eüentuette Kanbibaten. Sit bie Stim=
menabgabe Pottzogen, fo öffnet ber HBaßlöorftanb bie Bettet, fo wie fie ißm in bie §anb fommen. Bon jebem Bettet wirb nur ein Rame ge=
Zäßli, unb zwar zunäßft ber an erfier Stette aufgefßriebenc. Sobatb bann ein Kanbibat ben Quotienieit erreißt ßat, ift er gewäßlt. Bei allen Weiteren Betteln, weiße ben Ramen bief e 5 Kanbibaten an erfter Stette entßalten, wirb ber aufgefßriebene zweite Rame gezäßlt u. f. f.
©S braußt faum auSgefüßrt zu werben, baß and) biefeS Spftem nißt feßterfrei ift. Bor Hlttem fpiett ber Bufatt eine Rotte babei, weiße
¿eitel bem HBaßloorftanbe zuerft in bie £>anb fallen. Sobann ift ber Ber=
' 9 SMperer »eriept über biefeS bänifepe SRecpt finbet fiep bei S. ©oo§ unb fo. ¡ p a n f e n , ®a§ ©taatërecpt be§ ffi5mgreid)3 Sänemnrf, in S R a r q u a r b f e n ' S
§anbbucp be§ ügentlidjen OîecptS, »b. IV £albb. II. Slbtp. 3 (gveiburg i. ». 1889) S. 60 ff.
wirrung unter ben Wäßlermaffen unb endlos mieberßoltett Waßigängeit
©pur unb ©ßor geöffnet, zumal bei unficßeren Stärfeüerßältniffen der Parteien.
4) ©in üicrteS Spftem f t ß l ä g t B e r n e s üor unb nennt eS: le scru-tin de liste avec répartition proportionnelle ober système des, têtes dé liste, ©ie Sacpc ift bie. Feber WapIfreiS erpâtt eine Abgeorneten=
japt, welcpe ber Beoötferung cntfpricßt (ßiftenffrutinium). Aun ftettt jede politifcße Bartei ipre $anbibatenlifte auf. Alsdann erfolgt bie Wapï. Bei Feftfteßung ber ©rgebniffeS (dépouillement) werben nun zunädfft bie Waßü Zettei bamad) gejäpit, auf weicpe [ffarteitifte (A; B, C, D.) fie lauten; nacp ber Faßt ber fur jebe ßifte abgegebenen Settel bereipnet fiep bann bie Faßt ber Abgeorbnetenfiße, bie jeher ißartet zukommen. Seien alfo fieben Sißc zuüergeben, unb ßätte ßifte A 30 000, B 20000, G unb ü je 10 000 Stimmen erpalten, fo befäme bie Bartei A 3, B 2, C unb D je 1 Abge=
ordneten. Sodann ift zur Beftimmung ber Berfonen ber Abgeordneten ZU fdjreiten. ©ieS gefdjießt baburd), daß diejenigen drei bezw. zwei ober einer als gewäplt gelten, weßße innerpalb jeder F>arteiiifte bie größte Stirn:
menzapi erlangt paben.
®aS ift ber aßgemeine ©ebanïe. Wenn ficp'S nun aber um beffen BermirKidjung panbelt, wimmelt es nur fo üon Sdjmierigieiten. Bon der ftimmüießmäßigen Bepanblung ber Wüßter, bie bei der ganzen ©inrießtung oorauSgefeßt ift — fie paben nur bie Ausmaß! zwifcßeit ben Ba rWi=
liften — w i l l icp abfepeu. Aber bie Hauptfcßmierigfeit liegt, wie aud) B e r n e s erfennt, in ber Bertßeiiung ber Siße unter bie Barteien. ©3 gept nidjt, jeder ©nippe ipre Abgeorbneteitzaßt nacp dem Hare'fcßen
^Quotienten zuzutpeiien; dabei würbe man niemals aße Abgeorbnetenfiße befeßt erpalten. B l a n muß alfo eine niedrige Faß! neßmen und damit bie Stimmengapien bioibiren. Wie fofl mau biefe finden? B e r n e s gibt eine Bleßrzaßt fepr fcparffiuniger BerecpnungSarten ; fie find fo fdparff finnig, baß bie große Bienge ber Wäpier fie nidjt begreift unb Oießeicßt aud) fonft ganz gefeßeibte ßeute nidjt, wenn fie nidßt mit einer peroorra=
genben Begabung für Blatpematif auSgeftattet find.
©agegen oerftept jeder bie einfaeße Aritßmeti! üon ber abfoluteit Bleprpeit. Und biefe Berftänblicßfeit beS WaßlergebniffeS ift aud) ein großer Borzug. B°IiHf(pe Blinberpeiten müffen fiep aber mit dem Säße tröffen à la guerre comme à la guerre unb fie fommen tßatfädßlid) bod) immer einigermaßen baburd) zu Wort, baß fie im einen ober anderen Waßlfreife die Bleprpeit erlangen. Für bie Bertretung beadptenSwertper gefeßfcpaftlidper Blinberpeiten aber fann innerpatb eines Aepräferttatiü=
fßftemS überhaupt ntdff geforgt werben : miß man biefen ©ettung üerfdßaf=
fen, fo muß man baS Sifftem ändern.
5) ®a3 Spftem ber Derbunbcnen ßiften (Waplüorfcpläge) ift neuerlid) anläßltd) ber gefeßeiterten BerfaffungSreform in Württemberg Oon A . S i e g : f r i e b (®ie Br ot:'o rtionaiwapi. ©in Botum zu r württembergifepen Ber:
faffungSfrage, Berlin 1898) aufgefteßt und üertreten worden. ©3 leibet,
wie id) glaube, || gteicpfaßS an bem-Blangel aßzu großer ßünftlidjieit Slnnalen und Scßmerüerfiänbliißfett und damit Sd)Werburcpfüprbar!eit für bie g 8^ Wäpier. ©aS Berfapren ift in folgender Weife gebaeßt. ©in Aeß Oon
$
DrtSauSfßüffen ber berfßiebenen potitifßen [Parteien übergießt baS gange Band. Sie DrtSauSfßüffe berfelben [Partei grengen bie ©ebiete ißrer Sßätigfeit gegen einander ab und wirfen nur innerßalb ißreS ©ebieteS für ißre Kandidaten. Sabei nimmt jeder RuSfßuß nur fobiel ©ebiet in Rrbeit, baß er darauf gfoei, drei, ßößftenS bier Rbgeorbnete burßfeßen iaun. Sie fämmtlißen DrtSauSißüfie einer Partei begeicßnen ißre Kan=
bibatentiften für baS gange Band als „berbunbene ßiften". Siefe ber=
bunbenen ßiften maßen im Verßältniffe gu den SBaßiliften ber übrigen [Parteien ein ©angeS auS. Sie gefiftetlung beS SBaßlergebniffeS beginnt alfo gunäßft damit, baß bie Kopfftärfe jeder [ P a r t e i ermittelt roirb, indem man bie Stimmen gufammengäßit, bie auf ißre Kandidaten ge=
fallen find. Sanaß bemißt fiß, Wie biet Rbgeorbnete auf bie [jJartet treffen. Hieran reißt f i ß bann bie Unterbertßeiiung ber Siße innerßalb ber [Partei naß Vtaßgabc ber Stimmengaßt, die bon den eingelnen Kan=
bibaten erlangt Wurde. • •
9Ran fann nißt läugnen, baß bie Vorfßläge S i e g f r i e b ' S flug erfonnen find.- Rber man fann berfßiedener Rufißt darüber fein, ob
das [Problem den aufgewandten Sßarffinn Wert ift. — ^ Vegügliß ber SBaßiarten fömmt ber Unterfßieb ber unmittelbaren
und mittelbaren SBaßl (par degre) in Vetraßt. Vei ber erfteren werben bie Rbgeorbneten unmittelbar burß bie SBaßlbercßtigten gewäßtt, bei ber letzteren fßiebt fiß eine Sßaßlmännertoaßl bagwifßen. V i a n fußt in mittelbarer SBaßl Woßt ein geWiffeS ©egenmittel gegen bie geringere ©infißt ber SBäßtermaffen. Sie unmittelbare SBaßl ift weitaus berbreiteter; in Seutfßtanb Wirb für den ReißStag unmittelbar geWäßlt, für bie ßanb=
tage gumeift mittelbar.
RIS [Bedingungen ber SBaßlbereßtigtmg Werben männlißeS ©efßleßt und ein gewiffeS Sitter uberall bertaugt.
Sem ©rforberniffe eines genfuS ift bie.neuere ©ntwiiiung n i ß t günftig.
©in gang eigeutümtißeS Sßftem ßat [Preußen, wo die Rbgeorbueten=
Waßlen mittelbar find, in dem fegen. Kiaffenfßftem. H ie r werben bie llrwäßter in drei genfuSgruppen getßeiit. Ruf die R r t ber Surßfüßrung biefer Sßeiluttg näßer eingugeßen, ßat in einer Sarfieüung beS allgemeinen StaatSreßteS feinen Sinn. Senn irgend ein borbitbtißer, innerer Söertß fömmt ißr nißt gu.'
Sie grage beS genfuS ßat eine berfßiedene politifße Vebeutung, je naßbern es fiß um den VertretungSförper einer wirftißen Vtonarßie ober um ein regierendes [Parlament ßanbelt.
SBo leßtereS ber g a l t ifi, bebeutet baS allgemeine Stimmreßt (suffrage universel) die Semofratie. ©ben darum Wirb in dem ©rforberniffe eines genfuS eine Sßußweßr gegen bie Vtaffenßcrrfßaft gefußt.
Sie Vtonarßic dagegen, wo bie Staatsgewalt in ber Ha nk gürften rußt, fann mit der guerfennung beS SBaßireßteS oßne ©efaßr Weiter geßen.
Sie SBaßl fann geßeirn ober öffentlich fein; erfteren gaffS ift fie fßriftliß, letzteren gaffS gewößntiß münblid). g ü r geßeime SBaßl fprißt, baß fie die lluabßängigfeit ber SBäßler meßt fißert.
RlS [Bedingung ber S B ä ß l b a r f e i t fommt meift baS ©rforberniß eines ßößeren BebenSalterS bor, bei geufuSwaßl woßl auß baS ©rforberniß