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Ein kleines Land mit Großmachtallüren – Holland und seine Kolonialpolitik

In document Small Nations on the Borderlines (Pldal 143-155)

Für mich als Literaturhistoriker, der sich vor allem mit der niederländischen (kolonialen) Literatur beschäftigt, war es eine schöne Aufgabe und zugleich ei-ne große Herausforderung, mich auf das Gebiet der Historiker zu wagen. Die Frage, was die Niederlande nun war, eine Großmacht oder ein kleines Land im Nordwesten Europas, ist eine ambivalente. Im weiteren versuche ich diese Fra-ge zu beantworten und zu zeiFra-gen, wie sich im Laufe der Jahrhunderte die Stel-lung der Niederlande änderte und was für eine Rolle dabei die Kolonialpolitik gespielt hat.

* Eine kleine Großmacht

Die Niederlande waren seit ihrer Unabhängigkeit im Jahre 1648 nicht nur ein Land des wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs im Goldenen Jahrhun-dert, sondern auch eine der bedeutendsten Seemächte Europas. Sie haben mit Erfolg gegen eines der mächtigsten Länder des damaligen Europas, gegen Spa-nien, gekämpft und die Unabhängigkeit erworben. Die Niederlande wurden nach der Schweiz die zweite Republik Europas.

Die Niederländer konnten 1652 im Ersten Englisch–Niederländischen Krieg, der wegen dem Act of Navigation (1651) ausgebrochen war, die englische Flot-te schlagen,1 im Nordischen Krieg (1655–1660) um den Sund konnte die nieder-ländische Flotte die Schweden zurückdrängen und im Zweiten Englisch–

Niederländischen Krieg (1665–1667) haben die Holländer ihren Feind auf eige-nem Boden geschlagen. Auf der Themse fuhr die niederländische Flotte bis Chatham, durchbrach die englische Blockade und vernichtete die englische Flotte.2 1672, im sogenannten „Katastrophenjahr“, als die vereinte englisch–

französische Flotte und die Bistümer Köln und Münster zu gleicher Zeit die

1 Klaas Jansma, Meinert Schroor (red.), Onze vaderlandse geschiedenis Rebo Productions, Lisse, 1991, 218.

2 Ronald Prud’homme van Rijne, Rechterhand van Nederland Amsterdam, 1998, 193.

junge Republik angriffen, konnte Holland diesen feindlichen Angriff abweh-ren.3 Diese militärischen Erfolge gegen die Großmächte Europas zeigen die ökonomische und militärische Stärke der jungen Republik und machen deutlich, dass die Niederlande im 17. Jahrhundert selbst zu den Großmächten gehörten.

Neben dem Erkämpfen der Unabhängigkeit, dem Abwehren der Anfälle der Feinde und der kulturellen Blütezeit4 hatte das Land auch genug Mittel und Kraft, die Expansion in Übersee zu beginnen. Die Expansion begann bereits Ende des 16. Jahrhunderts und war ein reines Handelsunternehmen.5 Für die Niederländer war neben dem lukrativen Ostseehandel der Vertrieb der asiati-schen Gewürze in Nordeuropa eine der wichtigsten Handelsaktivitäten. Die Gewürze (vor allem Pfeffer, Gewürznelken und Zimt) kamen in portugiesischen Schiffen aus Asien in Lissabon an und wurden unter anderen an niederländische Händler verkauft.6 Die Niederländer haben dann die Märkte von Nordeuropa mit der exotischen und sehr teuren Ware versorgt. Es war eine sehr rentable Ak-tivität, die die holländischen Kaufleute auch am Anfang des Krieges gegen Spa-nien (1568–1648) ausüben konnten. Dass die Niederländer doch selbst den See-weg nach Asien suchten, war verschiedenen Faktoren zu danken. Der erste Fak-tor war das veränderte Machtverhältnis in Portugal. Der spanische König Philip II. annektierte Portugal und wurde ab 1580 auch portugiesischer König. Das hatte erst keinen direkten Einfluss auf den Handel mit Holland, aber Philip II.

hat 1585 die spanischen und portugiesischen Häfen geschlossen und die auslän-dischen Schiffe beschlagnahmt.7 Der zweite Faktor war, dass die Portugiesen ab 1580 die Gewürze in Lissabon nicht mehr frei an die ausländischen Händler verkauften, sondern sogenannte „Pfefferverträge“ schlossen. Damit wollten die Portugiesen vor allem süddeutsche Handelshäuser, wie zum Beispiel die Fugger und Welser, oder spanische und italienische Händler bevorzugen und die Nie-derländer zurückdrängen.8 Ein dritter Faktor war der Preis des Pfeffers, der ab 1592 drastisch stieg. Das war den Engländer zu danken, die alles getan haben, um portugiesische und spanische Schiffe zu erobern und zu versenken, bevor diese die portugiesischen Häfen erreichten. Demzufolge erreichte nur ein Teil der mit Pfeffer beladenen portugiesischen Schiffe aus Asien Lissabon. Es kam also immer weniger Pfeffer auf den europäischen Markt, obwohl die Nachfrage

3 Klaas Jansma, Meinert Schroor (red.), Onze vaderlandse geschiedenis Rebo Productions, Lisse, 1991, 224.

4 Denken wir nur an die berühmten niederländischen Maler der Zeit wie Rembrandt, Frans Hals oder Vermeer. Siehe weiter: J. J. M. Timmers, De glorie van Nederland, Tirion, Baarn, 1989, 180–264.

5 J. J.P. De Jong, De waaier van het Fortuin, SDU, Den Haag, 1999, 7.

6 J. van Goor, J. van, De Nederlandse koloniën, SDU, Den Haag 1994, 16.

7 Femme S. Gaastra, Geschiedenis van de VOC, Walburgpwers, Zutphen, 2009, 11.

8 Idem.

immer größer wurde. Venedig hatte natürlich auch einen Anteil an dem europäi-schen Gewürzmarkt, aber konnte die steigende Nachfrage auch nicht befriedi-gen.9 Ein vierter Faktor war die Besetzung von Antwerpen 1585. Gerade in dem Jahr, als Philip II. die niederländischen Schiffe in den portugiesischen und spa-nischen Häfen beschlagnahmte, besetzten die Spanier mit Antwerpen die wich-tigste Hafenstadt der Niederlande.10 Die Bewohner der Stadt, unter anderen Händler, Künstler, Wissenschaftler und reiche Bürger, flohen in den Norden.

Sie nahmen ihr Hab und Gut, aber auch ihr Wissen, die Kunst und Handelsbe-ziehungen mit. Die niederländische Flotte schloss die Schelde ab und versperrte damit den Zugang zum Hafen.11 Antwerpen als wichtigster Pfeffermarkt in Nordeuropa ging verloren und es sah so aus, dass seine Rolle von Hamburg übernommen würde.12 Die Flüchtlinge aus Antwerpen stimulierten durch ihr mitgenommenes Kapital, Wissen und die Beziehungen die nordniederländische Ökonomie. Auch ihnen war es zu danken, dass Amsterdam, das als Pfeffermarkt bis dahin nur eine sehr bescheidene Rolle gespielt hatte,13 letztendlich die Rolle von Antwerpen übernahm.14 Der fünfte Faktor war, dass die Niederländer zu dieser Zeit schon genügend Kenntnisse hatten, um die Reise nach Asien zu wa-gen. Sie hatten jahrhundertelange Erfahrung auf der Ostsee, Nordsee und dem Mittelmeer. Außerdem waren in der Zeit in Holland Beschreibungen über Asien erschienen. Lucas Janszoon Waghenaer schrieb 1592 das Werk Tresoor der Zeevaert, in dem das bereits früher herausgegebene Werk von Dirck Gerrits-zoon China aufgenommen war. 1596 erschien von Jan Huigen van Linschoten Itinerario, eine wichtige Beschreibung des Seeweges von Europa nach Asien.

Van Linschoten machte 1584 in portugiesischem Dienst eine Reise von Lissa-bon nach Asien und kam erst 1592 nach Europa zurück. Er hat während seiner Reise insgeheim Karten gezeichnet und Notizen gemacht und übte damit eine Art Betriebsspionage gegen die Portugiesen aus.

Diese fünf Faktoren haben dazu geführt, dass die Niederländer den Schritt wagten, aus eigenen Kräften den Seeweg zu den Gewürzinseln zu finden. Die Zeit war reif für ein eigenes Unternehmen: Die bisherigen Handelsquellen in Portugal gab es nicht mehr, es gab genug Kapital, Wissen und Erfahrung im ei-genen Land und es lohnte sich, die Reise zu riskieren, denn die Pfefferpreise waren unglaublich hoch. Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen Richtung

9 Idem. 13.

10 J. C. Blom, E. Lamberts (red.), Geschiedenis van de Lage Landen, HB Baarn, 2006, 115.

11 Gert Mak, Amszterdam, egy város életrajza, Corvina, Budapest, 2001, 73.

12 Femme S. Gaastra, Geschiedenis van de VOC, Walburgpwers, Zutphen, 2009, 11.

13 Idem.

14 Gert Mak, Amszterdam, egy város életrajza, Corvina, Budapest, 2001, 73.

Norden15 sind 1595 vier Schiffe mit 249 Mann an Bord unter Kommando von Cornelis de Houtman Richtung Süden in See gestochen. Es war ein Sprung ins Dunkel. Keiner wusste, ob die Schiffe jemals zurückkehren würden. Deshalb versuchte man die (finanziellen) Risiken zu minimalisieren. Neun Kaufleute aus Amsterdam haben eine „Compagnie“, eine Handelsgesellschaft, gegründet und das Geld (300.000 Gulden) für die Expedition zusammengebracht. Das war die

„Compagnie van Verre.“ De Houtman ist nach zwei Jahren 1597 nach Amster-dam zurückgekehrt mit drei Schiffen und nur 89 Überlebenden an Bord, aber mit Pfeffer im Laderaum. Was aber das wichtigste war, der Seeweg war gefun-den. Der Gewürzhandel war kein Monopol mehr der Portugiesen, er stand jetzt auch den Niederländern offen. Sie eroberten wichtige Handelshäfen und Küs-ten, gründeten Faktoreien unter anderem auf Java und Sumatra, in Südafrika, Indien, Ceylon, China, Malakka, den Philippinen und Japan. Die 1602 gegrün-dete Niederländische Ostindien-Kompanie (Verenigde Oostindische Compag-nie) war weltweit das größte und kapitalstärkste Unternehmen seiner Zeit.16 Die Holländer schalteten ihre portugiesische und englische Konkurrenz aus und be-herrschten nicht nur den Handel zwischen Java und Europa, sondern spielten auch im asiatischen Handel eine bedeutende Rolle. 1619 wurde von Jan Pieters-zon Coen Batavia das heutige Jakarta gegründet.17 Aus einem unwichtigen Küs-tenort wurde das wichtigste Handelszentrum Südostasiens. Auch in Afrika (Kapkolonie) und Amerika (Suriname, Antillen) besaß Holland Handelsgebiete, aber die wichtigsten und größten Gebiete besaßen die Niederlande unter dem Namen Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, im Südosten Asiens.

Dank der ökonomischen Erfolge konnten die Niederlande in Asien ein Imperi-um aufbauen und damit im 17. Jahrhundert die Stabilität und den Wohlstand im Mutterland sichern. Was Oberfläche und Bevölkerungszahl anging, waren die Niederlande ein kleines Land, aber nach der ökonomischen und militärischen (vor allem maritimen) Kraft zu urteilen, war das Land eine Großmacht. Eine

„kleine Großmacht“ also. Das „Goldene Jahrhundert“ nahm im 18. Jahrhundert ein Ende, die Ökonomie kränkelte und die Bedeutung von Holland in der euro-päischen Politik nahm rasch ab.

15 Die Expeditionen von Willem Barendsz auf Initiative des Geografen und Theologen Petrus Plancius, um den Seeweg über den Norden (eine nordöstliche Passage) nach Asien zu finden, waren misslungen. Barentsz starb auf der letzten Fahrt 1595. Siehe dazu mehr in Karel Bostoen (red.), Verhalen over verre landen, Amsterdam University Press, Ams-terdam, 2001, 19–27.

16 Els M. Jacobs, Varen om peper en thee, Zutphen, 1991, 95.

17 Theo D’Haen, Inleiding, Theo D’Haen (red.), Europa Buitnegaats, Koloniale en postkoloniale literaturen in Europeische talen, Bert Bakker, Amsterdam, 2002, 43.

Ein kleines europäisches Land

Im 18. Jahrhundert war die Position der Niederlande geschwächt. Am Ende des Jahrhunderts sorgten Konflikte zwischen Patrioten (Sympathisanten der franzö-sischen Revolution) und sogenannten Prinsgezinden (Anhängern der Oranier) für blutige Auseinandersetzungen.18 Die französische Besatzung 1795 und das Ausrufen der Bataafse Republiek, das Königreich Holland 1806 und schließlich die Einverleibung der Niederlande in Frankreich 1810 führten Anfang des 19.

Jahrhunderts das endgültige Ende der Großmachtstellung von Holland herbei.19 Die Briten haben schon Ende des 18. Jahrhunderts angefangen, die niederländi-schen Kolonien zu besetzen. Nach der französiniederländi-schen Invasion in den Niederlan-den sahen die Briten, die seit 1793 gegen Frankreich Krieg führten, ihre Positi-on in Übersee gefährdet und wollten verhindern, dass strategische Gebiete, wie z.B. Kapstadt und die Kapkolonie in die Hände der Franzosen fielen. Das hätte weitgehende Folgen für die britischen Kolonien in Asien, wie z.B. für Indien, gehabt. Auf diese Weise haben die Niederlande alle ihre Gebiete in Übersee verloren. Während der „französischen Zeit“ kam die Niederländische Ostindien-Kompanie (VOC) endgültig in Probleme.20

Während die Niederländische Ostindien-Kompanie im 17. Jahrhundert Ge-winne in astronomischer Höhe machte, verfiel sie im 18. Jahrhundert. Dabei spielten Konflikte mit England (vor allem der letzte Englisch–Niederländische Krieg 1780–1784), Organisationsprobleme, Korruption und die immer stärker werdende Konkurrenz eine wichtige Rolle und besiegelten Ende des Jahrhun-derts den Untergang der Handelsgesellschaft.21

Die Niederländische Ostindien-Kompanie ging 1799 bankrott. Der nieder-ländische Staat übernahm den Rest der Gesellschaft samt aller Schulden (die mehr als 140 Millionen Gulden betrugen) und Besitztümer.22 Erst die französi-sche Besetzung und Plünderung des Landes,23 der Bankrott der größten Han-delsgesellschaft des Landes sowie der Verlust der Gebiete in Übersee machten aus Holland ein unbedeutendes, kleines europäisches Land an der Nordsee.

18 Klaas Jansma, Meinert Schroor (red.), Onze vaderlandse geschiedenis Rebo Productions, Lisse, 1991, 254–260.

19 Idem. 282.

20 E. H. Kossmann, De Lage Landen 1780/1980 deel I., Agon, Amsterdam, 1986, 142.

21 Femme S. Gaastra, De geschiedenis van de VOC, Zutphen, 1991, 170.

22 E. M. Beekman, Paradijzen van weleer, Prometheus, Amsterdam, 1998, 22.

23 Klaas Jansma, Meinert Schroor (red.), Onze vaderlandse geschiedenis, Rebo Productions, Lisse, 1991, 282.

Nach dem Fall von Napoleon bekamen die Niederlande 1814 die wichtigsten Kolonien von England zurück.24 Ceylon, die Kapkolonie (Südafrika) und weite-re Gebiete in Afrika behielten die Briten aber. Dass die Holländer die wichtigs-ten Kolonien (vor allem Niederländisch-Indien) zurückbekamen, ist damit zu erklären, dass England und die anderen Siegermächte das neue Europa beim Wiener Kongress so einrichten wollten, dass Frankreich keine Chance mehr hat-te, seine Nachbarn zu bedrohen. Deshalb wollte man nördlich von Frankreich einen stabilen Staat schaffen.25 Das wurde das Königreich der Niederlande (1815–1830), das aus dem heutigen Holland, Belgien und Luxemburg bestand.

Es konnte nach den damaligen Auffassungen nur stark sein, wenn es auch Ko-lonien besaß.26 Die Niederlande mussten also nach der Befreiung von der fran-zösischen Besatzung eine Großmachtfunktion nördlich von Frankreich erfüllen, aber das dauerte nur kurz. Der erste König des neuen Königreichs wurde Wil-helm I. aus dem Hause Oranien-Nassau. Die Provinzen im Süden des Landes (Flandern und Wallonien) akzeptierten die Politik des Königs nicht.27 1830 brach ein Aufstand aus, dessen Ziel es war, den südlichen Landesteil aus dem Königreich auszugliedern und einen neuen Staat unter den Namen Belgien zu gründen.28 Die Niederlande, die im 17. Jahrhundert noch eine europäische Großmacht waren, in militärischen Konflikten England, Schweden und Frank-reich schlagen konnten, waren jetzt nicht mehr fähig, einen Aufstand in Flan-dern zu bezwingen. Die letzte Chance, aus den Niederlanden wieder eine Großmacht zu machen, war 1830 verflogen. Holland wurde endgültig ein klei-nes Land am westlichen Rande Europas mit einer kleinen Wirtschaft, einer un-bedeutenden Armee und geringem politischen Gewicht. Trotzdem gab es ein Gebiet, auf dem die Niederlande mit den europäischen Großmächten gleichzo-gen: ihr Kolonialreich.

24 J.C.H. Blom, E. Lamberts (red.), Geschiedenis van de Nederlanden, Baarn, 2006, 248.

25 E. H. Kossmann, De Lage Landen 1780/1980 deel I., Agon, Amsterdam, 1986, 100.

26 Idem.

27 Klaas Jansma, Meinert Schroor (red.), Onze vaderlandse geschiedenis, Rebo Productions, Lisse, 1991, 285.

28 Der König Willhelm I. akzeptierte das neue Land Belgien bis 1838 nicht, weil er es immer noch als Teil seines Königreichs betrachtete. Nur unter dem Druck von England und Frankreich war er bereit, acht Jahre nach dem Aufstand den Vertrag mit Belgien zu unter-zeichnen. Siehe dazu: E. H. Kossmann, De Lage Landen 1780/1980 deel I., Agon, Ams-terdam, 1986, 100.

Bescheidenheit in Europa aber Großmachtallüren in Asien

Nach der Aufhebung des Königreichs der Niederlande 1830 brachte das 19.

Jahrhundert für Holland nichts Aufregendes. Das Land zog sich zurück, nahm an den großen europäischen politischen Prozessen nicht teil und verfolgte eine passive Neutralitätspolitik.29 Als 1848 in den meisten europäischen Ländern ei-ne bürgerliche Revolution ausbrach (z.B. in Italien, Frankreich, Deutschland, Polen, Ungarn usw.), blieb es in Holland bei einer Verfassungsreform. Auch der Deutsch–Österreichische Krieg (1866) und der Deutsch–Französische Krieg (1870–71) hatten für Holland keine weitgehenden Folgen, Holland blieb neutral und passiv.30 Die Niederlande vermieden alle Konflikte auf dem alten Kontinent und zogen sich in ihr Schneckenhaus zurück. Das Land war wehrlos und schwach.31

Im Gegensatz zu der passiven Neutralitätspolitik in Europa verfolgten die Niederlande nach anfänglichem Zögern im 19. und 20. Jahrhundert in ihren Ko-lonien eine sehr aktive und aggressive Expansionspolitik, sowohl auf wirtschaft-lichem als auch auf militärischem Gebiet.

Von den ausgedehnten Handelsgebieten der Niederländischen Ostindien-Kompanie blieb nach dem Wiener Kongress nicht viel übrig. Nur Niederlän-disch-Indien wurde 1816 wieder holländischer Besitz, Ceylon und Südafrika (Kapkolonie) haben die Briten behalten.32 Der Regierungsstil des englischen Gouverneurs Sir Thomas Stamford Raffles (besser bekannt als Gründer von Singapur) orientierte sich an den Werten der Aufklärung und war auch später für seinen niederländischen Nachfolger Van der Capellen ein Vorbild. Van der Capellen führte eine doppelte Verwaltung ein, in die neben dem holländischen Kolonialbeamten auch die örtliche Eingeborenenaristokratie einbezogen war.

Niederländische Beamte waren verpflichtet, die einheimische Sprache zu erler-nen, der Gouverneur stimulierte die Erforschung der einheimischen Sprachen und Kultur, förderte den Unterricht der Einheimischen, gründete den botani-schen Garten in Buitenzorg (heute Bogor) und versuchte zu verhindern, dass eu-ropäische Großunternehmer Plantagen auf Java gründeten, weil er davon

29 Klaas Jansma, Meinert Schroor (red.), Onze vaderlandse geschiedenis, Rebo Productions, Lisse, 1991, 354.

30 Abgesehen von einer fehlgeschlagenen und katastrophal langsamen Mobilisierung, wes-halb der zuständige Minister entlassen wurde, und ungefähr 23.000 niederländischen To-ten im Folge einer Pockenepidemie, die wegen des Krieges ausgebrochen war, hatte der Krieg auf Holland keinen Einfluss. Siehe dazu: http://www.innl.nl/page/3656/nl und Klaas Jansma, Meinert Schroor (red.), Onze vaderlandse geschiedenis, Rebo Productions, Lisse, 1991, 354.

31 E. H. Kossmann, De Lage Landen 1780/1980 deel I., Agon, Amsterdam, 1986, 142.

32 J. J. M. Timmers, De glorie van Nederland, Tirion, Baarn, 1989, 298.

zeugt war, dass dies nur zur Ausbeutung der Bevölkerung führen würde. Diese Maßnahmen waren ganz im Sinne der Aufklärung, aber kosteten sehr viel Geld.

Das Defizit der Kolonie betrug 20 Millionen Gulden. Die Kolonie kostete den niederländischen Staat eine Menge Geld, statt Geld zu verdienen. Parallel dazu wurden Aufstände und bewaffnete Konflikte in dem Gebiet immer häufiger.

Der niederländische Staat, der sich in Europa neutral und passiv aufstellte, woll-te im 19. Jahrhundert seine Macht auf dem Archipel ausbreiwoll-ten. Diese aggressi-ve Expansionspolitik der Niederländer stieß aber oft auf den Widerstand der ört-lichen Sultane. Auf Sumatra gab es den Padri-Krieg (1819–1825), den außer-gewöhnlich blutigen und langen Atjeh-Krieg (1873–1914) und den Batak-Krieg (1872–1895), auf Java den Java-Krieg (1825–1830), auf Borneo den Chinesi-schen Aufstand (1823), auf Celebes den Bone-Krieg (1825) und auf Ambon den Ambon–Krieg (1817), der dem Kolonisator sehr ernsthafte Probleme und noch höhere Ausgaben einbrachte. Allein der Atjeh-Krieg kostete den niederländi-schen Staat zwiniederländi-schen 7 und 20 Millionen Gulden pro Jahr.33 Im Gegensatz zur holländischen Haltung in Europa, verfolgten die Niederlande im 19. Jahrhundert in ihren Kolonien also eine sehr aggressive Politik, die viel Geld kostete. Am Ende des Java-Krieges hatte sich das Defizit der Kolonie verdoppelt und betrug 40 Millionen Gulden. Die Regierung in Den Haag hatte genug von der Führung der Kolonie, die nur Verluste machte. Ein neuer Gouverneur General wurde er-nannt: Johannes van den Bosch. Van den Bosch leitete die Kolonie mit harter Hand und führte ein System ein, mit dem das Mutterland Gewinn aus der Kolo-nie ziehen konnte. Es wurde unter dem Namen „Kultursystem“ [cultuurstelsel]

bekannt.34 Man ging davon aus, dass alles Land in der Kolonie dem Staat gehör-te. Wenn jemand das Land oder einen Teil davon benutzte, musste er dafür zah-len. Auch der kleine Bauer, der auf einem kleinen Acker Reis anbaute, musste eine Art Steuer dafür zahlen. Die Regierung wollte diese Steuer aber nicht in Bargeld, sondern in Naturalien einnehmen. Die Bauern wurden verpflichtet, auf einem Fünftel ihres Landes Kulturpflanzen anzubauen, die für den europäischen Markt wichtig waren. Daher kommt der Name „Kultursystem“. Diese Pflanzen waren vor allem Kaffee, Tee, Zuckerrohr, Tabak usw. Die Ernte wurde für ei-nen sehr niedrigen, von dem Gouvernement festgelegten Preis von den Bauern aufgekauft. Die Erzeugnisse wurden später auf dem europäischen Markt teuer, also mit viel Gewinn, verkauft. Das System wurde 1830 eingeführt und schon ein Jahr später konnte man einen Gewinn verbuchen. 1831 machte man schon 200.000 Gulden Profit. Im Vergleich zu den Verlusten der Jahre davor, war das ein sehr gutes Ergebnis. Die Gewinne wurden immer höher: 1834 6 Millionen Gulden, 1857 45 Millionen Gulden. Zwischen 1831 und 1877 zog die Kolonie

33 E. H. Kossmann, De Lage Landen 1780/1980 deel I., Agon, Amsterdam, 1986, 331.

34 E. M. Beekman, Paradijzen van weleer, Prometheus, Amsterdam, 1998, 23.

Niederländisch-Indien eine positive Bilanz mit 823 Millionen Gulden Gewinn.35

Niederländisch-Indien eine positive Bilanz mit 823 Millionen Gulden Gewinn.35

In document Small Nations on the Borderlines (Pldal 143-155)