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4. RABBINERAUSBILDUNG

4.4 Das Jüdisch-Theologische Seminar in Breslau

4.5.13 Die Hochschule während der NS-Zeit

Mit dem Jahr 1933 fand die Beschäftigung mit der Wissenschaft des Judentums in Deutschland kein abruptes Ende. Die Nationalsozialisten haben zunächst den Juden eine autonome Kultur zugestanden, weswegen die jüdischen Bildungseinrichtungen noch eine gewisse Zeit weiter existieren konnten. Hoffmann schreibt: "Durch die Entlassung zahlreicher jüdischer Professoren und Lehrer aus dem Staatsdienst371 kam es sogar zu einer Konzentration hervorragende Kräfte in den verbleibenden jüdischen Institutionen, so daß paradoxerweise die jüdische Binnenkultur in den ersten Jahren des Dritten Reiches eine besondere Blüte erlebt."372

Knapp beschrieb der "Fünfzigste Bericht" der Hochschule die erneute Namensänderung im Juni 1933: "Auf Verlangen der Aufsichtsbehörde wurde der Name ‚Hochschule’

wiederum in 'Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums' umgewandelt."373 Im gleichen Bericht erwähnt das Kuratorium fast euphorisch die hohe Zahl der Studierenden. Einer der Gründe dafür war sicherlich das Gesetz gegen überfüllte Schulen und Universitäten vom 25. April 1933. Noch im Sommersemester 1936 waren 107 Hörer in der Hochschule eingeschrieben, 38 davon außerordentliche Hörer.374 Sowohl der zukünftige Lehrkörper wie auch die Studierenden an der Hochschule wurden von den weiter verschärften Gesetzen gegen die jüdischen Intellektuellen beeinflusst: a. Die Entziehung der Lehrbefugnis von jüdischen Honorarprofessoren und nicht beamteten außerordentlichen Professoren und Dozenten an wissenschaftlichen Hochschulen vom 14. Februar 1936; b. Verbot für Juden deutscher Nationalität an

369Festschrift 1907.

370Festschrift für Leo Baeck zum 25. Jahrestag seiner Tätigkeit an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, Berlin 1938.

371Anm. G. Lengyel: Entlassung von beamteten Hochschullehren, Gesetz vom 21. Dezember 1935.

372Christhard Hoffmann, "Jüdische Geschichtswissenschaften in Deutschland. 1918-1938", in: Julius Carlebach (Hg.), Wissenschaft des Judentums. Anfänge der Judaistik in Europa, Darmstadt 1922, S. 146.

373Fünfzigster Bericht 1936, S. 3.

374Ebd., S.6.

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Universitäten zu promovieren vom 15. April 1937; c. Verbot für Juden an Universitäten zu studieren vom 8. Dezember 1838.375

"Die Periode der Verfolgung durch das Dritte Reich hat auch eine Zeit der Blüte des wissenschaftlichen Interesses an jüdischen Themen eingeleitet."376 Mit diesen Worten wies Herbert A. Strauss auf die Richtigkeit der Beobachtungen von Salo W. Baron (New York 1940) hin. Der Kern der judaistischen Fakultät wurde von fünf Dozenten von internationalem Ruf gebildet: Leo Baeck (für Homiletik und Midrasch), Ismar Elbogen (für jüdische Geschichte und Talmud), Harry Torczyner, der ab 1948 seinen änderte in Naftali Tur-Sinai (für hebräische Sprache und Bibelwissenschaft), Julius Guttmann (für Philosophie des Judentums), Chanoch Albeck (für Talmudwissenschaft).

1937 waren 16 Dozenten, im Wintersemester 1937/38 22 Dozenten an der Hochschule.377

Vom Sommersemester 1936 an hat der neu gegründete "Arbeitskreis378 für allgemein-wissenschaftliche Vorlesungen" allgemein bildende Vorlesungen, wie z. B. zur Philosophie und Geschichte eingeführt. Namhafte jüdische Professoren gaben Vorlesungen auch für eine große Anzahl Gasthörer. Fuchs schrieb euphorisch: "Owing to these excellent scholars the Hochschule succeeded in providing its students from 1936 to 1938 with teaching of a high academic standard in a rather wide range of subjects, as appears from the lectures programmes from summer 1936 to winter 1938."

379

Sogar Leibesübungen, wie Turn-und Schwimmunterricht, wurden in den Lehrplänen380 von 1938 und 1939 aufgenommen, wohl um die Studierenden auf "erwartete Überlebenskämpfe in Deutschland oder in der Auswanderung vorzubereiten."381

375Joseph Walk (Hg.), Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, 2. Aufl., Heidelberg 1996, S. 155, S. 187 und S.

264.

376Herbert Strauss (nachfolgend Strauss 1), Die letzten Jahre der Hochschule (Lehranstalt) für die Wissenschaft des Judentums, in: Julius Carlebach, Wissenschaft des Judentums. Anfänge der Judaistik in Europa, Darmstadt S. 43.

377Ebd., S. 43.

378Richard Fuchs , "The 'Hochschule für die Wissenschaft des Judentums' in the Period of Nazi Rule", in:

Leo Baeck Institut (LBI) Year Book (1967), S. 10.

379Ebd., S. 16.

380"Geschäftbericht der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums, Berlin", in: Monatsschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland (1939), S. 638.

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Bis zum Herbst 1938 gelang es dem Kuratorium den wahren Charakter und Zweck der Hochschule vor der Gestapo, die ständig mit zwei Beamten Vorlesungen und Sitzungen überwachte, so zu verbergen, dass sich der Studienbetrieb nach Plan entwickeln konnte und ausschließlich Ausbildungszwecken für die notwendigste Gemeindearbeit diente.382 Noch Mitte 1938 diskutierten das Kuratorium und die Studentenschaft über die Revision des Studienplans, insbesondere im Hinblick auf das judaistische Curriculum.

Dr. Moses Sister als Dozent für Bibelwissenschaften war der Vorreiter für die stärkere Verschulung des Judaistik-Studiums. "[...] das Festhalten an der traditionellen Studienordnung entsprach [aber] auch dem Selbstverständnis Leo Baecks, dessen charakterliche und geistige Gestalt die letzten Jahre der Hochschule prägten.“383 Vom 10. November 1938 bis Januar 1939 blieb die Hochschule geschlossen, danach konnten sie – im Gegensatz zum Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau und zum Rabbinerseminar in Berlin – ihren Lehrbetrieb wieder aufnehmen. Nach der Reichspogromnacht wurden viele Dozenten und Studenten Opfer einer großen Verhaftungswelle. Strauss listete alle ihm bekannte Lehrer und Dozenten auf, die ihr Leben in Konzentrationslagern verloren haben.384

Seit 1937 gab es neben den vielen einzelnen, die sich im eine Emigration bemühten,

"two projects to save German-language Jewish studies through transfer to English-speaking countries: the 'College-in-Exil Project' of the Hebrew Union College (HUC) in Cincinnati, and a plan by the Cambridge Judaist Herbert Loewe to transplant the Hochschule to Cambridge (England) as a Jewish Academy."385 Andererseits kritisierte Meyer die fehlende Unterstützung der jüdischen religiösen Einrichtungen.386 Leo Baeck selbst stimmte dem geplanten Transfer nicht zu, er stand fest zu seinem Wort, solange

381Hans-Hermann Völker (nachfolgend Völker), "Die Hohschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, 1900-1942", in: Hartmut Walravens (Hg.), Bibliographie und Berichte. Festschrift für Werner Schochow, München 1990, S. 222.

382Völker, S. 223.

383Strauss 1, S. 53.

384Ebd., S. 49-50.

385Christhad Hoffmann and Daniel R. Schwartz, "Early but Opposed – Supported but Late Two Berlin Seminaries which Attempted to Move Abroad", in: LBI Year Book 36 (1991), S. 267-356.

386Michael A. Meyer, A Bicentennial Festschrift für Jacob Rader Marcus, New York 1976, S. 359-375.

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seine Pflichten gegenüber der Gemeinde und seinen Schülern in Berlin zu wahren, solange noch Juden zurückblieben.387

Der 19. Juli 1942 gilt als der letzte Tag des Bestehens der Hochschule.388

Strauss meint, dass die letzten Jahre der Hochschule „ in den Ideen und Persönlichkeiten ihrer Dozenten eine Fortbildung des Liberalismus im deutschen Judentum, seine intellektuelle Krise und Spätphase" verkörpern. "Die jüdische Nationalbewegung wurde zwar zunehmend in ihrer Bedeutung für die Periode erkannt, konnte aber das Bild der Wirklichkeit nicht prägen, selbst wenn gerade in den hervorragenden Dozenten der letzten Periode das jüdische Gruppenbewusstsein – die Ethnizität von heute – aus erlebten Zusammenhängen mit jüdischen Volkskulturen wie in Posen existentiell verankert war. Die Hochschule hat gewiß in diesen letzten Jahren die Fortsetzung des religiösen Lebens und der Gemeindearbeit ermöglicht. Die Kluft zwischen ihren geistigen Anliegen und der Schoa, die im Juni 1942 längst furchtbare Wirklichkeit geworden war, über die Dozenten wie Studenten in Unkenntnis gehalten wurden, bezeichnet auch den Abstand, der die Wissenschaft des Judentums in ihrer letzten Phase in Deutschland von den Nachkriegsentwicklungen trennt und dem genauer nachzugehen wäre."389