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DIE JAHRZEHNTE DES HISTORISMUS

In document geschichtsforschung in wien (Pldal 52-56)

Hevesi war in erster Linie als Theaterkritiker angestellt und musste über jede Premiere des Burgtheaters, aber auch über die in den anderen Theatern regelmäßig Kritiken schreiben. Jedes wichtige Kunstereignis, wie die Eröffnungen der Staatsgebäude13, die Enthüllungen von Statuen14 oder Ausstellungen im Künstlerhaus, musste imFremden-Blattbesprochen werden. Auch die Nachrufe auf Künstler zu schreiben, war seine Aufga-be.15Obwohl es ihm vertraglich strikt untersagt war, diese Themen auch in anderen österreichischen Zeitungen zu veröffentlichen, schrieb er regel-mäßig (beinahe ebenso oft wie imFremden-Blatt) im Feuilleton desPester Lloydüber dieselben Kunstereignisse und Theatervorstellungen. (Da Un-garn wegen seiner rechtlichen und kulturellen Autonomie als Ausland galt, war dies legitim.)

Die Professionalisierung der Kunstkritik ging in Wien langsam von-statten. Für die Lützow’scheZeitschrift für bildende Kunst(und ihre Beilage, die Kunstchronik), die ab 1866 in Leipzig erschienene wichtigste deutsch-sprachige Fachzeitschrift, arbeiteten nicht nur Kunsthistoriker, sondern auch viele Wiener Kulturjournalisten.16Für die Tagespresse arbeiteten oft Kritiker, die ursprünglich Maler waren (z. B. Friedrich Pecht, später Franz Adalbert Seligmann), und hochgebildete Amateure, die in der Praxis zu Kunstschriftstellern wurden, wie Emerich Ranzoni, Carl von Vincenti, Balduin Groller, der Schriftsteller Hans Grassberger oder Ludwig Speidel.

Das bedeutet nicht automatisch eine Geringschätzung ihrer Schriften, denn sie hatten nicht selten ein exzellentes ästhetisches Urteilsvermögen,

13Hevesi,1879/1;Hevesi,1879/2.

14Hevesi,1876/1;Hevesi,1886;Hevesi,1887.

15Hevesi,1876/2;Hevesi,1884;Hevesi,1885.

16Der in Wien lebende Kunsthistoriker Karl von Lützow (1832–1897) war Chefredakteur dieser Zeitschrift.

aber ihre Dominanz in der Presse war eine wichtige Facette der Wiener Kunstszene. Allerdings waren nur wenige dieser Protagonisten des Kul-turjournalismus innovative Kritiker mit eigenen kulturpolitischen Zielset-zungen – sie waren die Stützen und Vertreter der allgemein anerkannten ästhetischen Prinzipien des Historismus.

Diplomierte Akademiker wie Rudolf Eitelberger, Jakob von Falke oder Moriz Thausing schrieben nach den 1870er Jahren in den Zeitungen ziem-lich selten über zeitgenössische Kunst.17Albert Ilg (1849–1896) war eine Ausnahme: Neben seinen anderen Stellungen in den Museen und bei Hofe interessierte er sich ab den 1880er Jahren leidenschaftlich für Fragen der zeitgenössischen Kunst und wurde deshalb Kunstkritiker bei der Presse.18 Ilg beurteilte die neuesten Entwicklungen in der Malerei von einem kon-servativen Standpunkt aus, auch wenn er sie sehr differenziert und scharf-sinnig immer mit den zeitgenössischen gesellschaftlichen Zusammenhän-gen verbunden sah.19 Ilg „entdeckte“ eigentlich den österreichischen Barockstil als Inspirationsquelle für eine österreichische kulturelle Identität und verfasste das Ausstattungsprogramm des Kunsthistorischen Museums.

Er spielte eine wichtige Rolle hinsichtlich der Aufwertung des Barockstils in Österreich. Den realistischen Stiltendenzen der zeitgenössischen Malerei (z. B. Uhde) stand er höchst kritisch gegenüber.

Wenn Hevesi in den immer häufiger stattfindenden Ausstellungen ei-nen neuen Stilversuch erblickte oder eine erstaunlich hohe künstlerische Leistung entdeckte, beschrieb er diese mit aufrichtigem unparteiischem Enthusiasmus, analysierte sie sorgfältig und lenkte dadurch die Aufmerk-samkeit auf die seiner Meinung nach wichtigsten Werke.

Der kleinste gemeinsame Nenner dieser Werke (Gemälde und Skulptu-ren), denen Hevesi eigene Aufsätze widmete, war nicht ausschließlich der Umstand, dass sie „Sensationsbilder“ waren (auch wenn das auf manche zu-traf20), sondern dass sie eine besondere Qualität besaßen. Das Kunstwerk war für ihn erstens wegen seiner „Sendung“, seines intellektuell-spirituel-len Inhalts, aber auch wegen seiner künstlerisch-technischen Ausführung wichtig.21

17Sogar nach 1900 waren die „diplomierten“ Akademiker und Kunsthistoriker in der Wiener Tagespresse in der Minderheit.

18Über A. Ilg sieheSpringer, 1995.

19Stachel, 2007.

20Hevesi,1878/1;Hevesi,1879/3.

21Hevesi,1879/4.

Die erste große Kraftprobe als Kunstkritiker hatte Hevesi 1877 zu beste-hen, als die Wiener Akademie ihre historische Ausstellung veranstaltete.

Er schrieb fünf gründlich recherchierte Aufsätze darüber.22Auch wenn er später einige seiner damaligen strengen Kunsturteile änderte, konnte er sich sogar ein Vierteljahrhundert später, als er 1902 sein „Handbuch“ über dieGeschichte der Oesterreichischen Kunst im 19. Jahrhundertschrieb, auf seine damaligen Beobachtungen stützen.

Die wichtigsten Neuerungen Hevesis bezüglich der Kunstkritik in der Wiener Tagespresse waren seine mehrteiligen Bildbesprechungen über die Jahresausstellungen im Künstlerhaus23und die ebenfalls mehrteiligen Be-richterstattungen über die Internationalen Ausstellungen von 1882 und 1888.24Eigentlich führte er die Praxis der acht- oder zwölfteiligen speziali-sierten und sehr detailreichen Analysen über die Ausstellungen in Wien ein.25Schon am Tag der Eröffnung publizierte er einen Überblick und stell-te danach die Exponastell-te sysstell-tematisch nach Genres und bei den instell-ternatio- internatio-nalen Ausstellungen nach den „natiointernatio-nalen Schulen“ der einzelnen Länder vor, analysierte und bewertete sie. Auch dass er schon am Tag der Eröff-nung eine zusammenfassende „Werbeschrift“ publizierte, in der er die sei-ner Meinung nach besten Bilder und Skulpturen erwähnte, war überra-schend und neu in Wien. (Zuvor hatte man nur bei der Weltausstellung von 1873 in den „Ausstellungszeitungen“ ähnliche mehrteilige analysieren-de Aufsatzreihen mit einer besonanalysieren-deren Thematik publiziert, aber das war ein Sonderfall.) Die ausführlichen und sehr plastischen Bildanalysen folgten dann regelmäßig wöchentlich, solange die Ausstellung geöffnet hatte. Hevesi konnte – dank seiner Reisen, aber auch weil er sich regelmä-ßig über die ausländischen Kunstereignisse informierte – auch über die aus-ländischen Maler und die einzelnen Nationalschulen der Malerei (die fran-zösische, die holländische, die deutsche oder die spanische) treffende

„Gesamtporträts“ und erhellende analytische Erklärungen schreiben.

22Hevesi,1877/1;Hevesi,1877/2;Hevesi,1877/3;Hevesi,1877/4;Hevesi,1877/5.

23Hevesi,1879/5;Hevesi,1879/6;Hevesi,1879/7. 1880 schrieb er bereits eine sechsteilige Reihe über die Jahresausstellung im Künstlerhaus.

24Hevesi,1882. Danach schrieb Hevesi noch elf Kritiken über dieses besondere Ereignis.

25In Paris waren solche Besprechungen über die Ausstellungen des Salon schon seit den 1860er Jahren üblich. Es ist anzunehmen, dass Hevesi diese Praxis bei seinem Besuch der Pariser Weltausstellung 1867 kennenlernte. Er kannte die Schriften von Champfleury und wurde von ihm beeinflusst.

Über die Schule des klassischen französischen Impressionismus schrieb er in diesen Jahrzehnten deshalb nicht, weil diese in Wien nicht einmal in den Internationalen Ausstellungen vertreten war. Die offizielle französi-sche Jury, die 1882 für die Auswahl der Kunstwerke verantwortlich war, schickte nur die damals allgemein anerkannten Meister, die führende Per-sönlichkeiten des Salon und derAcadémie des Beaux Arts, wie beispielsweise Alexandre Cabanel, William Bouguereau und einige modernere Realisten wie Alfred Roll und Bastien Lepage nach Wien, jedoch keinen der Pariser Außenseiter. (Dasselbe gilt für die darauffolgende Wiener Internationale Ausstellung im Jahr 1888.)

Auch wenn Hevesi damals schon von den Impressionisten selbst wusste, mit ihren Werken war er noch nicht konfrontiert worden. Die im Zeichen der immer neuen Stilentwicklungen entstandenen modernen Werke, die er sofort positiv bewertete, stammten von anderen Meistern, unter anderem von den deutschen Realisten Adolph Menzel, Wilhelm Leibl und dem jun-gen Max Liebermann.26 Auch den russischen „Sensationsmaler“ Wassili Wassiljewitsch Wereschtschagin schätzte er sehr.27

Über ihren Realismus schrieb er meisterhafte kontextualisierende Auf-sätze, in denen er diese moderne, von großer sozialer Empfindsamkeit zeu-gende und sogar gesellschaftspolitische Fragen ansprechende Richtung lo-bend befürwortete. Die poetische Stimmungsmalerei Corots und der Maler von Barbizon schätzte er von Anfang an als besonders feinfühlige, wertvol-le und attraktive Stiltendenz,28und er entdeckte sie auch bei österreichi-schen Meistern wie Emil Jakob Schindler oder Hugo Darnaut. Neben die-sen lyrischen Landschaftsmalern schätzte er auch die völlig anderen koloristischen Leistungen von Makart, Munkácsy und Matejko, drei Mei-stern, die er konsequent als besonders wichtige Repräsentanten der mittel-europäischen Malerei darstellte. Dieser für ihn selbstverständliche natürli-che pluralistisnatürli-che Ansatz, der unter den Zeitgenossen selten war, charakterisierte Hevesis Schriften schon in den Jahrzehnten des Historis-mus. Er erkannte alle Stilrichtungen und Bewegungen als legitime Stilex-perimente an, wenn die Maler Werke von hohem und überzeugendem künstlerischem Niveau schufen.

Das Feuilleton wurde in Wien Ort und Gattung der Kunstkritik. Es war Hevesi zu verdanken, dass die visuellen Künste zunächst im

Frem-26Hevesi,1878/2.

27Hevesi,1881.

28Hevesi, 1877/6.

den-Blattund dann nach und nach in der allgemeinen Tagespresse, wo bis dahin Theater und Musik an erster Stelle standen, immer mehr an Bedeu-tung gewannen. In den übrigen ZeiBedeu-tungen (und sogar in den Fachzeit-schriften) wurden maximal drei Aufsätze über ein und dieselbe Ausstellung veröffentlicht, manchmal auch nur einer, und oft erst Wochen nach der Vernissage, also immer später als Hevesis Feuilletons. Dadurch beeinfluss-te er die übrigen Berichbeeinfluss-terstatbeeinfluss-ter schon in den 1880er-Jahren merklich. Sei-ne konsequente und erhellende Kritik fand mit der Zeit ein breites Stamm-publikum von Kennern, und auch für die Künstler bedeutete sie eine inspirierende Herausforderung.

Auch wenn nach Makarts Tod (1884) die visuellen Künste in Wien – gerade wegen des Fehlens des schillernden „Medienstars“ – für einige Jahre weniger im Mittelpunkt des allgemeinen kulturellen Interesses standen, so waren die Jahresausstellungen oder die Eröffnungen der prunkvollen Mo-numentalgebäude der Ringstraße (wie zum Beispiel des neuen Burgtheaters im Jahr 1888) wichtige visuelle Ereignisse. Alle Kunstschaffenden, für die die Malerei wichtig war, wünschten sich für Wien ein ebenso interessantes und international bedeutendes Kunstleben, das ihr eine ähnliche Stellung sichern würde, wie dies auf dem Gebiet der Musik bereits der Fall war.

3. PARADIGMENWECHSEL: DIE FRÜHEN 1890ER-JAHRE

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